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Deutscher Bundestag Unterrichtung

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<strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> – 16. Wahlperiode – 259 – Drucksache 16/10140<br />

2.4.3 Freigabe von Zusammenschlüssen<br />

unter Anwendung der<br />

Abwägungsklausel<br />

600. Aufgrund der Abwägungsklausel kann das Bundeskartellamt<br />

einen Zusammenschluss erlauben, wenn<br />

auf einem der untersuchten Märkte zwar eine marktbeherrschende<br />

Position entsteht oder verstärkt wird, auf einem<br />

anderen Markt aber Verbesserungen der Wettbewerbsbedingungen<br />

eintreten und diese die Nachteile der<br />

Marktbeherrschung überwiegen. Die Abwägungsklausel<br />

findet sich im zweiten Teil des § 36 Abs. 1 GWB. Nur<br />

Verbesserungen, die auf die Marktstruktur abzielen, können<br />

berücksichtigt werden, andere positive Auswirkungen<br />

bleiben unbeachtet. Ebenfalls unbedeutend sind die<br />

in Aussicht gestellten Verhaltensänderungen der Unternehmen.<br />

Die Unternehmen tragen für das Vorliegen der<br />

Voraussetzungen die Beweislast.<br />

601. In seinem Beschluss vom 12. Oktober 2007 ist das<br />

Bundeskartellamt im Rahmen der Anwendung der Abwägungsklausel<br />

nach § 36 Abs. 1 Halbs. 2 GWB zu dem<br />

Ergebnis gekommen, dass die Verstärkung einer marktbeherrschenden<br />

Stellung auf dem Markt für Handelsplattformen<br />

zu einer Verbesserung der Wettbewerbsbedingungen<br />

auf den nachgelagerten Märkten führen kann. 100 Der<br />

entsprechende Zusammenschluss wurde damit freigegeben.<br />

Thyssengas GmbH, E.ON Gastransport AG & Co.<br />

KG und die EWE Aktiengesellschaft beabsichtigten, Anteile<br />

des Stammkapitals an der trac-x Transport Capacity<br />

Exchange GmbH zu erwerben. Veräußerer dieser Anteile<br />

war die VNG-Verbundnetz Gas Aktiengesellschaft, die<br />

über ihre Tochtergesellschaft 100 Prozent der Anteile an<br />

der trac-x hielt. Laut § 14 der Gasnetzzugangsverordnung<br />

(GasNZV) waren die Netzbetreiber verpflichtet, bis zum<br />

1. August 2006 eine gemeinsame elektronische Plattform<br />

für den Handel mit Sekundärkapazitätsrechten einzurichten,<br />

die alle Angebote gleichartiger Transportkapazität<br />

und Nachfragen nach Kapazität für dieselben Netze oder<br />

Teilnetze für die Nutzer der Plattform transparent machen<br />

muss. Die trac-x sollte der Umsetzung des § 14 GasNZV<br />

dienen. Der Verstärkung einer marktbeherrschenden Stellung<br />

durch die Erhöhung von Marktzutrittsbarrieren hat<br />

das Kartellamt eine Verbesserung der Wettbewerbsbedingungen<br />

durch die Vereinfachung der Kapazitätsbuchungen<br />

und eine Erhöhung der Bedeutung der trac-x entgegengestellt.<br />

Das Bundeskartellamt vertrat die Ansicht,<br />

dass Handelsplattformen sehr starke Netzwerkeffekte<br />

aufweisen, d. h. dass der Nutzen der Plattform sich für einen<br />

Konsumenten um so mehr erhöht, je mehr andere<br />

Konsumenten das gleiche oder ein kompatibles Gut nutzen.<br />

602. Die Monopolkommission schließt sich der Argumentation<br />

an, dass sich der Zusammenschluss positiv auf<br />

die Anzahl der teilnehmenden Unternehmen auswirken<br />

wird und Transaktionsvolumen und Liquidität der trac-x<br />

erhöht werden können. Es ist zu begrüßen, dass das Bundeskartellamt<br />

die ökonomische Betrachtung der Netzwerk-<br />

100 BKartA, Beschluss vom 12. Oktober 2007, B 8 – 59/07, WuW/E DE-V<br />

1500 „trac-x“.<br />

effekte vorgenommen hat. Handelsplattformen, auf denen<br />

spezifische Produkte, die nur für einen kleinen Anbieteroder<br />

Nachfragerkreis interessant sind, sind durch starke<br />

Netzwerkeffekte geprägt. Märkte, die diesen starken<br />

Netzwerkeffekten unterliegen, haben eine ausgeprägte<br />

Tendenz zur Monopolisierung, da bei derartigen Märkten<br />

der Stellenwert der Liquidität hoch ist und Konzentrationstendenzen<br />

dementsprechend die Liquidität auf der<br />

Handelsplattform vergrößern. Das Ziel des § 14 GasNZV<br />

wird durch den Zusammenschluss erreicht und der Wettbewerb<br />

auf dem Markt der Sekundärtransportkapazität,<br />

der bis dato nur einen geringen Stellenwert einnimmt, stimuliert.<br />

Aktuell prüft das Bundeskartellamt in einem separaten<br />

Verfahren, ob das Zusammenschlussvorhaben<br />

gegen § 1 GWB bzw. Artikel 81 EGV verstößt. Das Kartellamt<br />

betont in diesem Zusammenhang, dass kartellrechtliche<br />

Prüfung und Zusammenschlusskontrolle nicht<br />

deckungsgleich sind und die Inaussichtnahme einer Prüfung<br />

nach § 1 GWB bzw. Artikel 81 EGV nicht ausschließt,<br />

dass das Zusammenschlussvorhaben im Rahmen<br />

der Zusammenschlusskontrolle freigegeben wird.<br />

603. Die RWE Rhein-Ruhr AG hat dem Bundeskartellamt<br />

zwei Zusammenschlussvorhaben vorgetragen, die in<br />

einem Verfahren zusammengefasst wurden. 101 Zum einen<br />

strebte RWE eine Beteiligung an der in Gründung befindlichen<br />

Stadtwerke Krefeld Neuss GmbH & Co KG 102 und<br />

zum anderen eine Erhöhung des Anteils an den Stadtwerken<br />

Velbert GmbH an. Das Bundeskartellamt kommt in<br />

seiner wettbewerblichen Würdigung zu dem Ergebnis,<br />

dass die beiden Zusammenschlussvorhaben die Verstärkung<br />

bereits bestehender marktbeherrschender Stellungen<br />

sowohl im Strom- als auch im Gasbereich erwarten lassen.<br />

Es sind jedoch Verbesserungen der Wettbewerbsbedingungen<br />

festzustellen, die mit der von RWE zugesagten<br />

Veräußerung der Beteiligung an der Wuppertaler Stadtwerke<br />

AG einhergehen. Diese sind in der Lage, die wettbewerblichen<br />

Nachteile der Marktbeherrschung, entsprechend<br />

der Abwägungsklausel nach § 36 Abs. 1 Halbs. 2<br />

GWB, zu überwiegen. Im Rahmen der Abwägung bewertet<br />

das Bundeskartellamt das Einbringen der RWE-Kunden<br />

in die Stadtwerke Krefeld Neuss insofern als sehr<br />

positiv, als es sich um einen dekonzentrativen Vorgang<br />

handelt, der zu einer graduellen Verbesserung führt. Im<br />

Gasbereich wiegt der komplette Rückzug von RWE aus<br />

den Wuppertaler Stadtwerken höher als die graduelle Verstärkung<br />

des Einflusses auf die Stadtwerke Velbert. Auch<br />

quantitativ geht der Gasbezug der Wuppertaler Stadtwerke<br />

weit über den Gasbezug der Stadtwerke Velbert hinaus.<br />

Darüber hinaus wertet das Amt die Aufgabe einer<br />

Beteiligung eines Mitglieds des Oligopols auf dem<br />

Strommarkt an einem Stadtwerk, das über eigene Stromerzeugungskapapazitäten<br />

verfügt, als ausgesprochen<br />

positiv.<br />

101 BKartA, Beschluss vom 23. Oktober 2007, B 8 – 93/07 „RWE/Stadtwerke<br />

Krefeld Neuss“.<br />

102 Die Gründung der Stadtwerke Krefeld Neuss als Gemeinschaftsunternehmen<br />

der Stadtwerke Krefeld und der Stadtwerke Neuss ist<br />

vom Bundeskartellamt freigegeben worden; vgl. BKartA, Schreiben<br />

vom 27. Juli 2007, B 8 – 82/07.

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