Deutscher Bundestag Unterrichtung
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Drucksache 16/10140 – 256 – <strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> – 16. Wahlperiode<br />
nen mit und ohne Zusammenschluss festzustellen. Bei der<br />
Kausalität handelt es sich um ein grundsätzliches Prinzip<br />
der Rechtsordnung. Ob die Begründung oder Verstärkung<br />
einer marktbeherrschenden Stellung durch einen Zusammenschluss<br />
herbeigeführt wird, ist vor allem zweifelhaft<br />
bei der Sanierungsfusion. 96 Ein Zusammenschluss zur Sanierung<br />
eines oder mehrerer Unternehmen ist im GWB<br />
nicht explizit geregelt, sondern wird nach aktueller Verwaltungspraxis<br />
des Bundeskartellamtes im Schwerpunkt<br />
unter der Kausalität eines Zusammenschlusses geprüft.<br />
Eine Sanierungsfusion erfüllt somit nicht den Tatbestand<br />
des § 36 Abs. 1 GWB und ist demzufolge freizugeben,<br />
wenn die Merkmale fehlender Ursächlichkeit im Einzelfall<br />
vorliegen. Im Falle der Sanierungsfusion lassen sich<br />
drei Merkmale typisieren, mittels derer sich die fehlende<br />
Kausalität bestimmen lässt. Das sanierungsbedürftige<br />
Unternehmen darf ohne den Zusammenschluss nicht<br />
überlebensfähig sein, es darf kein anderer Erwerber infrage<br />
kommen und bei einem Ausscheiden des betroffenen<br />
Unternehmens aus dem Markt müssen dessen Marktanteile<br />
unmittelbar auf den Erwerber übergehen. Einem<br />
Zusammenschluss zur Sanierung eines Unternehmens,<br />
welcher zur Entstehung oder Verstärkung einer marktbeherrschenden<br />
Stellung beiträgt, sind somit enge Grenzen<br />
gesetzt.<br />
2.4.2.1 Sanierungsfusion im<br />
Krankenhaussektor<br />
590. Das Bundeskartellamt hat im Fall LBK Hamburg/<br />
Krankenhaus Mariahilf geprüft, ob der Tatbestand einer<br />
Sanierungsfusion erfüllt ist. Nach Auffassung der Anmelderin<br />
handele es sich bei der Übernahme des Hauses um<br />
die Übernahme eines vor der Insolvenz stehenden Unternehmens,<br />
da das Haus Mariahilf bereits seit Jahren defizitär<br />
arbeite. Im Jahr 2005 sei das Bilanzergebnis trotz Notlagentarifvertrag<br />
weiterhin schlecht gewesen. Auch habe<br />
Mariahilf einen erheblichen Patientenschwund zu verzeichnen.<br />
Die Trägerin von Mariahilf habe sich daher entschlossen,<br />
das Krankenhaus entweder an einen Dritten zu<br />
veräußern, der das Haus in ihrem Sinne weiterführe, oder<br />
in letzter Konsequenz den Versorgungsauftrag nicht mehr<br />
wahrzunehmen.<br />
591. Die Voraussetzungen einer Sanierungsfusion lägen<br />
vor, wenn das Krankenhaus Mariahilf voraussichtlich in<br />
Kürze aus dem Markt ausscheiden würde, gegenüber der<br />
Anmelderin kein alternativer und weniger wettbewerbsschädlicher<br />
Erwerber in Betracht käme und die Marktanteile<br />
von Mariahilf nach einem Ausscheiden aus dem<br />
Markt unmittelbar auf den LBK Hamburg übergingen. In<br />
diesem Fall wäre der Zusammenschluss nicht kausal für<br />
die Verstärkung der marktbeherrschenden Stellung gemäß<br />
§ 36 Abs. 1 GWB. Das Bundeskartellamt verwies jedoch<br />
darauf, dass das Krankenhaus Mariahilf in den Jahren<br />
2004 und 2005 ein gering positives Betriebsergebnis bei<br />
einer hohen Eigenkapitalquote erzielte. Dabei sei auch<br />
auf eigenkapitalähnliche Positionen, wie etwa ein „Gesellschafterdarlehen“,<br />
zurückzugreifen. Dieses Ergebnis<br />
96 Vgl. Bunte, H.-J., Kartellrecht, München 2003, S. 268.<br />
sei zwar auch auf den Notlagentarifvertrag zurückzuführen,<br />
der die Personalkosten für einen beschränkten Zeitraum<br />
limitiert; gleichwohl seien auch Umstrukturierungen<br />
erforderlich, die möglicherweise ein nachhaltig<br />
besseres Ergebnis nach sich ziehen könnten. Die Anmelderin<br />
hätte zudem nicht den Nachweis erbracht, dass es<br />
keine alternativen Erwerber gebe, sondern sich darauf gestützt,<br />
dass dieser Nachweis in der besonderen Situation<br />
ausnahmsweise entbehrlich sei. Das Kartellamt hatte<br />
gleichzeitig aber Ermittlungen darüber angestellt, ob ein<br />
alternativer Erwerber in Betracht käme, und ist dabei auf<br />
ein erstes Interesse eines Konkurrenten gestoßen. Aufgrund<br />
der Situation, dass sich ein weiterer Konkurrent der<br />
Anmelderin im räumlich relevanten Regionalmarkt befindet,<br />
geht das Bundeskartellamt zudem davon aus, dass die<br />
Marktanteile nicht vollkommen auf den Konkurrenten<br />
übergingen.<br />
592. Die Monopolkommission begrüßt die strenge Auslegung<br />
der Kausalitätsprüfung durch das Bundeskartellamt<br />
im Rahmen einer Sanierungsfusion. Der bloße Verdacht<br />
eines Sanierungsfalles beim betreffenden<br />
Unternehmen reicht nicht aus, um eine fehlende Kausalität<br />
zu begründen. Der Nachweis, dass eine Übernahme<br />
des sanierungsbedürftigen Unternehmens durch einen<br />
weniger wettbewerbsschädlichen Erwerber nicht möglich<br />
ist, kann nur in Form einer Ausschreibung nachgewiesen<br />
und nicht durch allgemeine Überlegungen auf Vermutungsbasis<br />
ersetzt werden.<br />
2.4.2.2 Kausalität bei der Untersagung eines<br />
Zusammenschlusses im Lotteriewesen<br />
593. Die Prüfung der Kausalität spielte zudem im Zusammenschlussverfahren<br />
Land Rheinland-Pfalz/Lotto<br />
Rheinland-Pfalz 97 eine wesentliche Rolle. Am 29. November<br />
2007 hat das Bundeskartellamt dem Land Rheinland-Pfalz<br />
untersagt, 51 Prozent der Anteile an der Lotto<br />
Rheinland-Pfalz GmbH zu übernehmen. Hintergrund des<br />
versuchten Anteils- und Kontrollerwerbs waren die Rahmenbedingungen<br />
im deutschen Glücksspielrecht. Bisher<br />
stellt jedes Bundesland innerhalb seiner Landesgrenzen<br />
ein eigenes Lotterie- und Wettangebot bereit. 98 Zur Erfüllung<br />
dieser Aufgabe existiert in jedem Bundesland eine<br />
mit der Durchführung von Lotterien betraute Lottogesellschaft,<br />
die zum überwiegenden Teil die Rechtsform einer<br />
juristischen Person des Privatrechts hat. Zudem sind die<br />
Bundesländer an einer länderübergreifenden Staatslotterie<br />
beteiligt, der Süd- bzw. Nordwestdeutschen Klassenlotterie.<br />
Das Land Rheinland-Pfalz hält einen Anteil von<br />
6 Prozent an der Süddeutschen Klassenlotterie (SKL).<br />
Andere Veranstalter von Lotterien und Sportwetten bedurften<br />
gemäß § 6 des maßgebenden Lotteriestaatsvertrages<br />
(LStV) der Erlaubnis, die gemäß § 7 LStV nur unter<br />
engen Voraussetzungen erteilt werden darf. Die Einnahmen<br />
aus den vom Staat durchgeführten Lotterien und<br />
97 BKartA, Beschluss vom 29. November 2007, B6 – 158/07, WuW/E<br />
DE-V 1517.<br />
98 Vgl. hierzu auch die Missbrauchsverfügung des Bundeskartellamtes<br />
im Falle <strong>Deutscher</strong> Lotto- und Totoblock; Tz. 485 ff.