Deutscher Bundestag Unterrichtung
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<strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> – 16. Wahlperiode – 255 – Drucksache 16/10140<br />
schehens besteht zwischen E.ON und RWE kein Binnenwettbewerb.<br />
In Anbetracht der Marktverhältnisse, der<br />
weitgehend übereinstimmenden unternehmensbezogenen<br />
Strukturmerkmale der Duopolmitglieder, der Produkthomogenität,<br />
der Markttransparenz und der geringen Preiselastizität<br />
der Stromnachfrage sind preisliche Vorstöße<br />
eines Duopolmitglieds nicht zu erwarten. Es wurde deutlich,<br />
dass es für die Betrachtung einer Verstärkungswirkung<br />
dieser Stellung nicht ausreicht, allein die Wettbewerbswirkungen<br />
einer einzelnen Minderheitsbeteiligung<br />
zu untersuchen, sondern die Wirkung sämtlicher Minderheitsbeteiligungen<br />
in ihrer Gesamtheit von Bedeutung ist.<br />
585. Die Monopolkommission begrüßt diese Entscheidung,<br />
weil sie einer weiter fortschreitenden vertikalen<br />
Konzentration im Stromsektor entgegenwirkt. Die Strategie<br />
der beiden großen Verbundunternehmen E.ON und<br />
RWE, sukzessive Stadtwerksbeteiligungen hinzuzukaufen,<br />
schottet die Märkte ab und baut die Marktmacht der<br />
Konzerne aus. Darüber hinaus sieht die Monopolkommission<br />
in Gemeinschaftsbeteiligungen der beiden Konzerne<br />
eine erhöhte Gefahr für ein gleichgerichtetes nichtwettbewerbliches<br />
Verhalten. Darüber hinaus resultieren aus der<br />
vertikalen Integration der vier Verbundunternehmen erhebliche<br />
Marktzutrittsschranken, die verhindern, dass<br />
sich ein potenzieller Wettbewerber auf dem Strommarkt<br />
etablieren kann, der nicht alle relevanten Marktstufen abdeckt.<br />
Die Monopolkommission hat in ihrem Sondergutachten<br />
zur Energiewirtschaft herausgestellt, dass eine der<br />
Hauptursachen für die erheblichen Wettbewerbsdefizite<br />
auf dem Strommarkt auf der Erzeugerebene zu finden<br />
ist. 94 Auf der Erzeugerebene sind neben den vier Verbundunternehmen,<br />
die die Stufe dominieren, alle Versorgungsunternehmen,<br />
die über eigene Energieversorgungskapazitäten<br />
verfügen, vertreten. Dies sind insbesondere<br />
die Stadtwerke. Darüber hinaus werden die Stromimporte<br />
dieser Stufe zugerechnet, sind aber aufgrund eines Nettoexports<br />
aktuell von geringer Bedeutung. Gerade die<br />
Stadtwerke verfügen folglich über Erzeugungskapazitäten,<br />
die grundsätzlich nicht den Verbundunternehmen zuzurechnen<br />
sind. Eine Beteiligung würde den Verbundunternehmen<br />
ermöglichen, ihren Einfluss auch auf diese<br />
Kapazitäten geltend zu machen, und wird daher von der<br />
Monopolkommission insbesondere für diese Stufe als<br />
sehr kritisch gesehen.<br />
586. Diese Erkenntnisse hat das Bundeskartellamt auch<br />
im Fall RWE/Saar Ferngas angewandt und wiederholt,<br />
dass durch eine Beteiligung an Weiterverteilern das im<br />
Sinne von § 36 GWB marktbeherrschende Duopol verstärkt<br />
würde. 95 Das Bestreben der RWE Energy AG, Anteile<br />
in Höhe von 76,88 Prozent an der Saar Ferngas AG<br />
zu erwerben, wurde, entsprechend dem begründeten Antrag<br />
von RWE, zur Prüfung an das Bundeskartellamt verwiesen.<br />
Die Wettbewerbsbehörde hat dieses Vorhaben abgemahnt<br />
und mit Beschluss vom 12. März 2007<br />
untersagt, nachdem die von RWE angebotenen Zusagen<br />
94 Vgl. Monopolkommission, Sondergutachten 49, a. a. O., Tz. 224.<br />
95 BKartA, Beschluss vom 12. März 2007, B8 – 62/06, WuW/E DE-V<br />
1357.<br />
als nicht ausreichend bewertet worden waren. Saar Ferngas<br />
ist ein regionales Ferngasunternehmen, das Stadtwerke<br />
und Regionalversorger im Saarland und in Rheinland-Pfalz<br />
mit Erdgas beliefert. Sowohl RWE als auch<br />
Saar Ferngas verfügen über Beteiligungen an Stadtwerken<br />
und Regionalversorgern in diesen Gebieten sowie an<br />
anderen Ferngasunternehmen.<br />
587. Das Bundeskartellamt gelangte zu dem Prüfungsergebnis,<br />
dass die relevanten Gasmärkte auch weiterhin<br />
deutlich gegen Wettbewerb von außen abgeschottet sind.<br />
Das Zusammenschlussvorhaben hätte nach Auffassung<br />
des Amtes zunächst zu einer Verstärkung der marktbeherrschenden<br />
Stellung von Saar Ferngas auf dem Markt<br />
für die Belieferung von Weiterverteilern mit Gas geführt.<br />
Saar Ferngas hätte darüber hinaus erstmals über RWE<br />
Einfluss auf das Abnahmeverhalten von RWE-Konzernbetrieben<br />
sowie von RWE-Stadtwerksbeteiligungen erhalten.<br />
Außerdem hätte sie den Einfluss bei denjenigen<br />
Stadtwerken maßgeblich ausweiten können, an denen sowohl<br />
Saar Ferngas als auch auch RWE Anteile halten.<br />
Auf den jeweils lokalen Märkten für die Belieferung von<br />
Gasgroßkunden der RWE-Konzernunternehmen und den<br />
Stadtwerken mit RWE-Beteiligung wäre die marktbeherrschende<br />
Stellung dadurch verstärkt worden, dass hier der<br />
potenzielle Wettbewerb durch Saar Ferngas als vorgelagertem<br />
Versorger zumindest abgeschwächt worden wäre.<br />
Auch im Strombereich hätte das Vorhaben zur Verstärkung<br />
der marktbeherrschenden Stellung, die RWE hier<br />
gemeinsam mit E.ON zukommt, geführt, da RWE hier<br />
den bereits bestehenden Stromabsatz gegenüber einer<br />
Reihe von Stadtwerken hätte absichern können. RWE<br />
hatte mehrere Veräußerungsangebote gemacht, mit denen<br />
eine Reihe der festgestellten Verschlechterungswirkungen<br />
neutralisiert worden wären. Allerdings reichten die Zusagen<br />
aus Sicht des Bundeskartellamtes nicht aus, um die<br />
verbleibenden zusammenschlussbedingten Wettbewerbsbeeinträchtigungen<br />
an anderer Stelle im Wege der Abwägungsklausel<br />
des § 36 Abs. 1 2. Halbsatz GWB zu überwiegen.<br />
Gegen den Beschluss wurde Beschwerde<br />
eingereicht.<br />
588. Darüber hinaus sind nach Auskunft des Bundeskartellamtes<br />
vertrauliche Gespräche zu geplanten Zusammenschlussprojekten<br />
im Gassektor zwischen den Unternehmen<br />
und dem Bundeskartellamt geführt worden.<br />
Diese Projekte hätte zu einer Verschlechterung der Marktverhältnisse<br />
im Gassektor und einer Verstärkungswirkung<br />
geführt und wurden im Anschluss an die geführten Gespräche<br />
aufgegeben.<br />
2.4.2 Kausalität für die Veränderung der<br />
Wettbewerbsbedingungen<br />
589. Bei seiner materiellen Prüfung eines Zusammenschlusses<br />
muss das Bundeskartellamt feststellen, ob<br />
durch den Zusammenschluss die Begründung oder Verstärkung<br />
einer marktbeherrschenden Stellung herbeigeführt<br />
wird, also ob der Zusammenschluss ursächlich für<br />
die Veränderung der Wettbewerbsbedingungen ist. Ob die<br />
Kausalität im Einzelfall vorliegt, ist dabei vom Bundeskartellamt<br />
durch den Vergleich hypothetischer Situatio-