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Deutscher Bundestag Unterrichtung

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Drucksache 16/10140 – 252 – <strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> – 16. Wahlperiode<br />

auch die Annahme laufender Marktzutritte von Randanbietern<br />

im unteren Leistungssegment nicht dazu geführt<br />

hätte, die Marktmacht der Zusammenschlussbeteiligten<br />

auf der gesamten Angebotsbreite wirksam zu disziplinieren.<br />

2.4.1.2 Oligopolistische Marktbeherrschung im<br />

Fall Phonak/GN ReSound<br />

573. Die Monopolkommission hat in ihrem letzten<br />

Hauptgutachten darauf hingewiesen, dass bei der Prüfung<br />

monopolistischer Marktbeherrschung stärker die strategischen<br />

Möglichkeiten zu beachten sind, die eine Veränderung<br />

der Oligopolstruktur nach sich ziehen könnte. 87 Dafür<br />

ist es insbesondere erforderlich, nicht alleine<br />

Marktstrukturkriterien zur Analyse heranzuziehen, sondern<br />

auch Verhaltensspielräume zu betrachten, die sich<br />

den Unternehmen mit dem Zusammenschluss eröffnen.<br />

Ein Zustand kollektiver Marktbeherrschung wird um so<br />

wahrscheinlicher, je höher die Markttransparenz und je<br />

ähnlicher die Strukturen der im Markt verbliebenen Unternehmen<br />

sind, da eine implizite Abstimmung auf diese<br />

Weise begünstigt wird. Als wesentliche Merkmale eines<br />

marktbeherrschenden Oligopols gelten zudem, seit der<br />

durch den Europäischen Gerichtshof geprägten Rechtsprechung,<br />

neben einer hohen Marktransparenz auch<br />

wirksame Sanktionsmechanismen und das Fehlen eines<br />

gegengewichtigen Außenwettbewerbs.<br />

574. Das Bundeskartellamt hat im Berichtszeitraum den<br />

Zusammenschluss des schweizerischen Hörgeräteherstellers<br />

Phonak mit dem dänischen Unternehmen GN Re-<br />

Sound untersagt, der nach Meinung des Amtes zu einer<br />

Entstehung eines marktbeherrschenden Oligopols geführt<br />

hätte. 88 Phonak gehört zusammen mit SAT (Siemens Audiologische<br />

Technik) und Oticon zu den drei gewichtigen<br />

Anbietern von Hörgeräten, die in Deutschland zusammen<br />

einen Marktanteil von über 80 Prozent halten. Der Marktanteil<br />

von SAT bewegt sich dabei etwa 10 bis 15 Prozent<br />

über den beiden ähnlich positionierten Konkurrenten. Dahinter<br />

existieren mehrere Verfolger, wobei substanziell<br />

nur die Unternehmen GN ReSound und Widex (Marktanteil<br />

je 5 bis10 Prozent) in einem überschaubaren Zeitraum<br />

relevantes Wettbewerbspotenzial besitzen.<br />

575. Das Bundeskartellamt untersucht in seinem Beschluss<br />

die gegenwärtige Situation auf dem abgegrenzten<br />

sachlich und räumlich relevanten deutschen Markt für die<br />

Herstellung und den Vertrieb von Hörgeräten an den Hörgeräteakustikhandel.<br />

Den Untersuchungen des Bundeskartellamtes<br />

zufolge liegt ein wesentliches Charakteristikum<br />

des Marktes in der Verflechtung der Anbieter über<br />

verschiedene Verbände, Gemeinschaftsunternehmen und<br />

durch Patenttausch. Alle Hersteller, die den Absatzkanal<br />

über den Hörgeräteakkustiker nutzen, sind auch Mitglieder<br />

des Zentralverbandes Elektrotechnik und Elektronikindustrie<br />

e.V. (ZVEI), dem zweimonatlich Angaben über<br />

87 Vgl. Monopolkommission, Hauptgutachten 2004/2005, a. a. O.,<br />

Tz. 645 ff.<br />

88 BKartA, Beschluss vom 13. Dezember 2006, B3 – 578/06, WuW/E<br />

DE-V 1365.<br />

Absatzzahlen und Umsätze der Hersteller gemeldet werden.<br />

Die Zuordnung dieser Angaben zu sechs Preissegmenten<br />

ist Grundlage der Produktklassen für Hörgeräte in<br />

Deutschland. Durch die Daten aus diesem Meldesystem<br />

verfügen die Hersteller über eine einheitlich hohe Marktbzw.<br />

Preistransparenz. Die Hersteller haben auch ein Gemeinschaftsunternehmen<br />

(HIMPP) gegründet, welches<br />

alle wesentlichen Grundlagenpatente hält, ohne die eine<br />

Herstellung von Hörgeräten faktisch nicht möglich ist. Es<br />

existieren weitere Gemeinschaftsunternehmen, welche<br />

die Schnittstellensoftware zur Anpassung der Hörgeräte<br />

von Mitgliedsunternehmen an die Messungen des Hörgeräteakustikers<br />

ermöglichen, und diverse Lizenz- und<br />

Crosslizenzabkommen, welche zu einer starken Verflechtung<br />

der Hersteller beitragen. Parallelentwicklungen können<br />

zudem über eine Patentdatenbank, die bei HIMPP<br />

hinterlegt ist, frühzeitig erkannt werden und werden für<br />

gewöhnlich schon bald gegenseitig lizenziert.<br />

576. Bei der Prüfung von Struktur und Verhaltensaspekten<br />

stellt das Bundeskartellamt die bestehende Verflechtung<br />

der Marktteilnehmer durch gemeinsame Patentpools<br />

und Lizenzierungen als einen wesentlichen Anhaltspunkt<br />

für gleichgerichtetes Verhalten heraus. Als Folge der institutionellen<br />

Zusammenarbeit in den genannten Gemeinschaftsunternehmen<br />

und im Rahmen des ZVEI-Meldesystems<br />

verfügt die Anbieterseite über eine hohe<br />

Markttransparenz im Bezug auf Preis- und Produktentwicklungen.<br />

Gleichzeitig wird die enge Zusammenarbeit<br />

zwischen den Unternehmen auch als eine wesentliche<br />

Markteintrittsschranke hervorgehoben. Die am Markt etablierten<br />

Unternehmen können einem potenziellen Newcomer<br />

glaubhaft ernstzunehmende Wettbewerbsnachteile<br />

androhen. Das Kartellamt sieht somit die Tendenz zu einer<br />

strategischen Marktabschottung und verweist zudem<br />

auf den empirischen Umstand, dass es im untersuchten<br />

Marktsegment in den vergangenen zehn Jahren keinerlei<br />

Marktzutritte gegeben habe.<br />

Das Bundeskartellamt untersucht auch den Innovationswettbewerb.<br />

Aus Sicht des Amtes verlaufen die Phasen<br />

von geringen Vorstößen und deren Verfolgung jedoch<br />

möglichst gleichgerichtet und ohne die Absicht, größere<br />

und dauerhafte Wettbewerbsvorsprünge zu erzielen. Dafür<br />

spricht die gemeinsame Nutzung der Grundlagenpatente<br />

über HIMPP, die hohe Innovationstransparenz durch<br />

die HIMPP-Patentdatenbank und die kurzfristige Lizenzierung<br />

neuer Patente für die Wettbewerber. Die Wettbewerbsvorstöße<br />

haben nach Auffassung des Amtes einen<br />

kalkulierbar zyklischen Charakter und werden durch die<br />

zeitversetzte Einführung neuer Produkte regelmäßig neutralisiert.<br />

Kritisch betrachtet das Bundeskartellamt auch die einheitliche<br />

Auffassung der Hersteller, dass der Preis auf dem<br />

Markt nur einen untergeordneten Wettbewerbsparameter<br />

darstellt. Nach Auffassung des Kartellamtes führt die<br />

durch das ZVEI-Meldesystem gegebene hohe Preistransparenz<br />

auf der Anbieterseite offensichtlich zu einer wirksamen<br />

Disziplinierung des Preiswettbewerbs. Das<br />

Kartellamt verdeutlicht in der Entscheidung, dass insbesondere<br />

die drei marktmächtigen Unternehmen genau die

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