29.11.2012 Aufrufe

Deutscher Bundestag Unterrichtung

Deutscher Bundestag Unterrichtung

Deutscher Bundestag Unterrichtung

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Drucksache 16/10140 – 248 – <strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> – 16. Wahlperiode<br />

558. Das Bundeskartellamt argumentiert, dass durch<br />

den Kauf einer Gastherme oder einer Ölheizung eine<br />

starke Bindung an ein Heizsystem hervorgerufen wird.<br />

Nachfrager, die sich einmal für ein Heizsystem entschieden<br />

haben, können dieses zumindest nicht kurzfristig<br />

wechseln, weil bei einem Wechsel des Heizenergieträgers<br />

die Anschaffungskosten zu versunkenen Kosten würden.<br />

Nach Meinung des Amtes gehören die substitutiven Energieträger<br />

aufgrund der hohen Wechselkosten daher nicht<br />

dem relevanten Markt an. Die Monopolkommission sieht<br />

diese Lock-in-Effekte bzw. die Systemgebundenheit an<br />

den Energieträger, ist aber der Meinung, dass durchaus<br />

Substitutionseffekte entstehen können und nicht zwangsläufig<br />

davon ausgegangen werden muss, dass kein einheitlicher<br />

Wärmemarkt existiert. Entscheidend ist darüber<br />

hinaus nicht nur, dass es überhaupt Kunden gibt, die nicht<br />

wechseln wollen, sondern vielmehr, wie groß dieser Teil<br />

des Marktes ist. Auch wenn nur ein Teil der Kunden noch<br />

nicht „gefangen“ ist, kann dieser Bereich disziplinierend<br />

wirken. 81 Solange ein Unternehmen nämlich auf die Erweiterung<br />

seines Kundenstamms angewiesen ist, muss es<br />

sich im Wettbewerb Unternehmen stellen, die andere<br />

Energieträger anbieten. Das Verhalten des Unternehmens<br />

gegenüber Kunden, die den Energieträger nur unter<br />

Inkaufnahme versunkener Kosten wechseln könnten,<br />

wird dadurch kontrolliert. Darüber hinaus gibt die Monopolkommission<br />

zu bedenken, dass die Verwendung der<br />

Marktabgrenzung auch abhängig davon sein sollte, welcher<br />

wettbewerbspolitischen Maßnahme sie als Grundlage<br />

dient.<br />

559. Falls man sich für dafür entscheidet, harte Elemente<br />

der Strukturpolitik, wie z. B. eine eigentumsrechtlich<br />

Entflechtung, ins Kartellrecht aufzunehmen, empfiehlt<br />

die Monopolkommission ein sehr sensibles<br />

Vorgehen bei der Abgrenzung des relevanten Marktes.<br />

Ein strukturpolitisches Element, welches einen erheblichen<br />

Eingriff in die privaten Eigentumsrechte der Unternehmen<br />

darstellen kann, bedarf nach Ansicht der Monopolkommission<br />

einer umfassenden Analyse sämtlicher<br />

Wettbewerbskräfte und daher einer Erweiterung über die<br />

sehr enge Marktabgrenzung hinaus. Es lassen sich Anzeichen<br />

dafür finden, dass der Gasmarkt ein wachsender<br />

Markt ist und die beteiligten Unternehmen die Gewinnung<br />

von Neukunden anstreben. Die Gewinnung von<br />

Neukunden kann nur dadurch erfolgen, dass Kunden von<br />

anderen Heizenergieträgern hin zum Gas wechseln. Folglich<br />

lässt sich ein Wettbewerbsdruck zwischen den Energieträgern<br />

unterstellen und eine disziplinierende Wirkung<br />

auf den Preis kann erwartet werden. Um den Wechsel hin<br />

zum Heizenergieträger Gas attraktiv zu machen, müssen<br />

die Gasversorgungsunternehmen zu einem Preis anbieten,<br />

der wettbewerbsfähig ist. Sie sind demnach in ihrem<br />

Preissetzungsspielraum beschränkt. Hier muss allerdings<br />

bedacht werden, dass der Gaspreis nur zu einem geringen<br />

Prozentsatz von den Unternehmen selbst beeinflusst werden<br />

kann und damit nie ein absoluter Wettbewerbspreis<br />

81 Vgl. Monopolkommission, Die Missbrauchsaufsicht über Gas- und<br />

Fernwärmeunternehmen: Wettbewerb zwischen Systemen im Wärmemarkt,<br />

Sondergutachten 21, Baden-Baden 1991, Tz. 11 ff.<br />

sein kann, was zum einen auf die spezielle Struktur des<br />

Gasmarktes zurückzuführen ist und zum anderen auf die<br />

Kopplung des Gaspreises an den Ölpreis. Hier könnten<br />

auch die Gründe vermutet werden, warum die Europäische<br />

Kommission, wie bereits ausführlich im Einleitungskapitel<br />

erörtert, 82 beabsichtigt, für den Gasmarkt keine<br />

Entflechtungsvorschriften vorzusehen. Für die Marktabgrenzung<br />

im Rahmen der Fusionskontrolle und der<br />

Missbrauchsaufsicht sieht die Monopolkommission nach<br />

bisherigem Erkenntnisstand eine tendenziell enge<br />

Marktabgrenzung als hinreichend und den aktuellen<br />

Marktgegebenheiten entsprechend an. Auch sähe sie andernfalls<br />

die Anwendung der §§ 19 und 29 GWB und die<br />

Erreichung der Voraussetzungen ihrer Anwendbarkeit als<br />

problematisch an.<br />

2.3.3 Marktabgrenzung im<br />

Lebensmitteleinzelhandel<br />

560. Ende Dezember 2007 hatten EDEKA und Tengelmann<br />

die Absicht angemeldet, ihre deutschen Lebensmittel-Discountketten,<br />

„Netto“ bzw. „Plus“, in einem<br />

Gemeinschaftsunternehmen zusammenzuführen. Die Unternehmen<br />

haben darüber hinaus eine Kooperation beim<br />

Einkauf für ihr Supermarktgeschäft vereinbart. Das Bundeskartellamt<br />

mahnte das Zusammenschlussvorhaben<br />

Anfang April 2008 ab. Dabei zeichnete sich bereits ab,<br />

dass das Amt hinsichtlich der sachlichen Marktabgrenzung<br />

bei diesem Zusammenschluss eine neue Segmentierung<br />

des Lebensmittelmarktes zugrunde legen könnte.<br />

Zum Abschluss dieses Gutachtens war der Ausgang des<br />

Verfahrens allerdings noch offen.<br />

561. Nach derzeitigem Stand der Ermittlungen des Bundeskartellamtes<br />

würde EDEKA mit der Tengelmann-<br />

Tochter Plus einen nach dem eigenen Vertriebskonzept<br />

engen Wettbewerber übernehmen und die regionale und<br />

bundesweite Marktabdeckung erheblich erweitern. Der<br />

Zusammenschluss führt auf den meisten der 100 untersuchten<br />

regionalen Teilmärkte zu einer marktbeherrschenden<br />

Stellung mit erheblichen Abständen zu den<br />

nachfolgenden Wettbewerbern. Bereits vor dem Zusammenschluss<br />

ist EDEKA mit einem Marktanteil von<br />

25 Prozent Marktführer im gesamten deutschen Lebensmitteleinzelhandel.<br />

Dieser Markt hat sich in den letzten<br />

Jahren erheblich konzentriert. Die sechs größten Anbieter,<br />

nämlich EDEKA, die Schwarz-Gruppe, Aldi, REWE,<br />

Metro und Tengelmann, haben einen Marktanteil von ca.<br />

90 Prozent. Die verbleibenden 10 Prozent des Marktvolumens<br />

teilen sich etwa 100 weitere Anbieter. 83 Die Übernahme<br />

würde die hohe Konzentration weiter fördern. Die<br />

hohe Konzentration führt nach Meinung des Bundeskartellamtes<br />

zu einer zunehmenden Abhängigkeit der Nachfrager<br />

von immer weniger Anbietern.<br />

562. Das Zusammenschlussvorhaben sieht die Gründung<br />

eines Gemeinschaftsunternehmens vor, an dem<br />

EDEKA zu 70 Prozent und Tengelmann zu 30 Prozent<br />

82 Vgl. Tz. 53 im Einleitungskapitel dieses Gutachtens.<br />

83 Diese und die folgenden Marktdaten und Geschäftszahlen sind aktuellen<br />

Presseberichten entnommen.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!