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Deutscher Bundestag Unterrichtung

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Drucksache 16/10140 – 246 – <strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> – 16. Wahlperiode<br />

Bundeskartellamtes wird jedoch deutlich, dass Patienten<br />

in den meisten Fällen eine wohnortnahe Versorgung vorziehen.<br />

Insofern ist die Vorgehensweise des Bundeskartellamtes,<br />

oft kleine Regionalmärkte abzugrenzen, der<br />

gegenwärtigen Situation auf dem Krankenhausmarkt angemessen.<br />

548. Eine Betrachtung der Wahlmotive der Patienten<br />

lässt es dabei vor allem als plausibel erscheinen, dass die<br />

Kosten der Wegüberwindung vom Wohnort zum Krankenhaus<br />

bei der Entscheidung für eine Klinik eine wesentliche<br />

Rolle spielen. Patienten werden nur dann ein<br />

weiter entferntes Krankenhaus aufsuchen, wenn der Nutzenmehrwert<br />

dieses Wettbewerbers diese Kosten übersteigt.<br />

Der Nutzenmehrwert von weiter entfernten Krankenhäusern<br />

muss aber für den Patienten hinreichend<br />

transparent sein, um von ihm bei seiner Entscheidung berücksichtigt<br />

zu werden. Dabei ist eine Entwicklung zu zunehmender<br />

Qualitätstransparenz auf dem Krankenhausmarkt<br />

zu beobachten, die sich nach Meinung der<br />

Monopolkommission weiter fortsetzen sollte. 70 In diesem<br />

Fall ist gleichfalls davon auszugehen, dass mit einem zunehmenden<br />

Qualitätswettbewerb zwischen Krankenhäusern<br />

auch ein größerer räumlich relevanter Markt für den<br />

Patienten erschlossen wird. Die Monopolkommission hält<br />

es daher für angebracht, bei der Abgrenzung von Regionalmärkten<br />

diese Entwicklung bereits dadurch vorwegzunehmen,<br />

dass in Grenzfällen der größere räumlich relevante<br />

Markt abgegrenzt wird.<br />

2.3.2 Marktabgrenzung im Energiesektor<br />

549. Bereits im letzten Hauptgutachten hat die Monopolkommission<br />

das Revisionsverfahren zum Fall E.ON/<br />

Eschwege erneut angesprochen. 71 Im Berichtszeitraum<br />

führte das Bundeskartellamt nun eine umfangreiche<br />

Datenerhebung zu den Strommärkten in Deutschland<br />

durch, um darauf basierend seine bisherige Marktabgrenzung<br />

zu modifizieren und in das Verfahren einzubringen.<br />

Die Notwendigkeit dazu sah das Bundeskartellamt insbesondere<br />

in der zunehmenden Bedeutung des Stromhandels.<br />

Am 6. Juni 2007 wurde die Beschwerde der Beteiligten<br />

gegen die Verfügung des Bundeskartellamtes vom<br />

Oberlandesgericht Düsseldorf zurückgewiesen und die<br />

neue Marktabgrenzung des Bundeskartellamts in vollem<br />

Umfang bestätigt. 72<br />

550. Bis dato unterschied das Kartellamt im Stromsektor<br />

die bundesweiten Märkte für Stromweiterverteiler<br />

und für Stromgroßkunden sowie den regional abgegrenzten<br />

Endkundenmarkt. Der Stromhandel wurde durch<br />

diese Marktabgrenzung nicht explizit erfasst. Aufbauend<br />

auf der Marktanalyse geht das Bundeskartellamt von den<br />

spezifischen Eigenschaften des Produktes Strom aus, die<br />

ursächlich dafür sind, dass die Struktur des Stromsektors<br />

70 Vgl. Kapitel V, Tz. 819 ff.<br />

71 Vgl. Monopolkommission, Hauptgutachten 2004/2005, a. a. O.,<br />

Tz. 519 ff.; BKartA, Beschluss vom 12. September 2003, B 8 –21/<br />

03, WuW/E DE-V 823.<br />

72 OLG Düsseldorf, Beschluss vom 6. Juni 2007, VI-2 Kart 7/04 (V),<br />

WuW/E DE-R 2094.<br />

von der anderer Märkte divergiert. Nunmehr unterscheidet<br />

das Amt die drei grundsätzlichen Marktstufen Erzeugung,<br />

Distribution und Endkunden. Darauf aufbauend hat<br />

das Kartellamt entsprechend dem Bedarfsmarktkonzept<br />

zwei Endkundenmärkte und diverse Zwischenmärkte, auf<br />

denen die Nachfrager nicht zum eigenen Verbrauch nachfragen,<br />

definiert. 73<br />

551. Die Monopolkommission sprach sich in ihrem<br />

letzten Hauptgutachten für eine Modifizierung der früheren<br />

Marktabgrenzung im Stromsektor aus, weil sie diese<br />

für nicht mehr zeitgemäß hielt, und verwies diesbezüglich<br />

auf den Ansatz der Europäischen Kommission. 74 Die Monopolkommission<br />

begrüßt grundsätzlich das neue Vorgehen<br />

des Bundeskartellamtes, stimmt allerdings nicht der<br />

Auffassung des Amtes zu, dass die in der modifizierten<br />

Marktabgrenzung skizzierten Stufen und die daraus abgeleiteten<br />

Märkte das gesamte „freie, nicht präventiv regulierte“<br />

Marktgeschehen abbilden. So bleibt beispielsweise<br />

der Regelenergiemarkt völlig unbeachtet. Die Monopolkommission<br />

ist der Meinung, dass der Regelenergiemarkt<br />

in die Marktabgrenzung einbezogen werden sollte, da<br />

auch dieser sich grundsätzlich wettbewerblich gestalten<br />

lässt. 75 Darüber hinaus hätte das Bundeskartellamt nach<br />

Ansicht der Monopolkommission die Wettbewerbswirkungen<br />

auf der Distributionsstufe differenzierter betrachten<br />

sollen. Im Gegensatz zum Bundeskartellamt misst die<br />

Monopolkommission der wettbewerblich organisierten<br />

Distributionsstufe zumindest eine eingeschränkte positive<br />

Wettbewerbswirkung auf den Endkundenmarkt zu. Durch<br />

die am Markt vorhandenen zahlreichen Strombezugsalternativen<br />

erhalten auch kleinere Handelsunternehmen<br />

die Möglichkeit, sich mit günstigen Endprodukten am<br />

Markt zu positionieren. Würde der Wettbewerb auf dieser<br />

Stufe hingegen ausbleiben, bestünde die Möglichkeit,<br />

dass die Endkundenpreise durch zusätzliche Preisaufschläge<br />

(double mark-up) auf der Distributionsstufe erhöht<br />

würden.<br />

552. Darüber hinaus ist aus Sicht der Monopolkommission<br />

kritisch zu sehen, dass das Bundeskartellamt seine<br />

Analysen nicht durch die Anwendung quantitativer ökonomischer<br />

Verfahren gestützt hat. Die Monopolkommission<br />

hätte ein solches Vorgehen sehr begrüßt, weil die<br />

ökonomische Fundierung der Modifizierung einer zuvor<br />

etablierten Marktabgrenzung, insbesondere in einem<br />

wichtigen Markt der Grundversorgung, zu einer hohen<br />

Akzeptanz führen und die Glaubwürdigkeit der Ergebnisse<br />

stützen kann. Auch geht sie davon aus, dass eine<br />

solche Untersuchung bei der Abgrenzung der sachlich<br />

und räumlich relevanten Märkte zu neuen Erkenntnissen<br />

geführt hätte und die wirkenden Wettbewerbskräfte in ihrer<br />

Komplexität hätten abgebildet werden können. Die<br />

Abgrenzung von Märkten bedarf der Analyse sämtlicher<br />

wirkender Wettbewerbskräfte, daher ist eine Untersuchung<br />

sowohl der Nachfragesubstituierbarkeit als auch<br />

der Angebotssubstituierbarkeit und des potenziellen<br />

73 Vgl. dazu im Detail Monopolkommission, Sondergutachten 49,<br />

a. a. O., Tz. 131 ff.<br />

74 Vgl. Monopolkommission, Hauptgutachten 2004/2005, a. a. O.,<br />

Tz. 520.<br />

75 Vgl. Monopolkommission, Sondergutachten 49, a. a. O., Tz. 145 f.

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