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Deutscher Bundestag Unterrichtung

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<strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> – 16. Wahlperiode – 243 – Drucksache 16/10140<br />

seldorf im Fall Rhön Klinikum AG intensiv diskutiert. 64<br />

Fraglich ist, ob bei Zusammenschlüssen von Krankenhäusern<br />

die jeweiligen Fachbereiche als einzelne Märkte<br />

abgegrenzt werden müssen, wie das Gericht in seiner Entscheidung<br />

nahe legt, oder ob man von einem Gesamtmarkt<br />

ausgehen kann.<br />

538. Im Falle des angemeldeten Zusammenschlussvorhabens<br />

des Universitätsklinikums Greifswald mit dem<br />

Kreiskrankenhaus Wolgast grenzte das Bundeskartellamt<br />

erneut einen einheitlichen Markt für stationäre Krankenhausdienstleistungen<br />

ab. 65 Die Anmelderin aus Greifswald<br />

war hingegen der Auffassung, dass das Krankenhaus<br />

auf dem speziellen Markt für Universitätskliniken<br />

agiere, der bundesweit abzugrenzen sei. Aufgrund des besonderen<br />

Schwerpunktes universitärer Forschung und<br />

Lehre und der Vorhaltung modernster Behandlungstechnik<br />

seien Universitätskliniken nicht mit Allgemeinkrankenhäusern<br />

austauschbar. Das Bundeskartellamt hebt<br />

demgegenüber hervor, dass die Patientenversorgung zwar<br />

nur einen Teilbereich der Aufgaben eines Universitätsklinikums<br />

darstelle, dieser Bereich aber eben der wettbewerbsrechtlich<br />

relevante sei. Auf der Ebene der Patientenversorgung<br />

stehe aber auch ein Universitätsklinikum<br />

im Wettbewerb zu anderen Allgemeinkrankenhäusern.<br />

539. Das Bundeskartellamt stützt seine Entscheidung,<br />

einen einheitlichen Markt für stationäre Krankenhausdienstleistungen<br />

abzugrenzen, im Wesentlichen auf eine<br />

empirische Studie, die es in Bayern durchgeführt hat.<br />

Hierbei wird anhand von nach dem DRG-System abgerechneten<br />

Fallpauschalen gezeigt, dass sowohl hinsichtlich<br />

der Tiefe des Angebots als auch der Versorgungspraxis<br />

einzelner Fachbereiche erhebliche Verflechtungen<br />

bestehen. Die Untersuchung zeigt, dass 82,7 Prozent aller<br />

in der Stichprobe erfassten Versorgungsfälle in Krankenhäusern<br />

Leistungen darstellen, welche bereits in Krankenhäusern<br />

der Regelversorgung behandelt werden können.<br />

Auch Maximalversorger behandeln zu 68,5 Prozent<br />

Fälle der Regelversorgung und stehen mit diesem Angebot<br />

in direkter Konkurrenz zu Häusern der Regelversorgung.<br />

Reziprok werden solche Fälle, welche das Kartellamt<br />

in erster Linie Maximalversorgern zurechnet, zu<br />

46,8 Prozent von Krankenhäusern anderer Versorgungsstufen<br />

erbracht; allerdings darunter nur zu 11,6 Prozent in<br />

Häusern der Regelversorgung. Hinsichtlich der Behandlung<br />

einzelner Fallgruppen (DRG) in Fachabteilungen hat<br />

das Bundeskartellamt ermittelt, ob ein bestimmter Fall<br />

überwiegend in einer bestimmten Fachabteilung behandelt<br />

wird. Ergebnis der Untersuchung ist, dass allein in<br />

den Abteilungen Augenheilkunde sowie Gynäkologie<br />

und Geburtshilfe über 90 Prozent der behandelten Fälle<br />

auch tatsächlich überwiegend in dieser Fachabteilung behandelt<br />

werden, während bei acht weiteren Fachabteilungen<br />

unter 10 Prozent der dort behandelten Fälle tatsächlich<br />

allein dieser Fachabteilung zuzuordnen sind, sondern<br />

64 OLG Düsseldorf vom 11. April 2007, VI Kart 6/05 (V), WuW/E DE-R<br />

1958.<br />

65 BKartA, Beschluss vom 11. Dezember 2006, B3 – 1002/06.<br />

zu einem signifikanten Anteil auch in anderen Abteilungen<br />

versorgt wurden.<br />

540. Die Ergebnisse der Untersuchungen des Bundeskartellamtes<br />

belegen, dass die meisten Angebote von<br />

Krankenhäusern nicht trennscharf in Versorgungsstufen<br />

oder Fachbereiche untergliedert werden können. So berücksichtigt<br />

die Aufteilung nach Fachbereichen nicht,<br />

dass größere Krankenhäuser ihre Fälle spezialisierten Abteilungen<br />

zuordnen können, während kleinere Häuser<br />

diese in einer allgemeineren Abteilung, zum Beispiel Inneres<br />

oder Chirurgie, behandeln. Diese Annahme wird<br />

durch die Untersuchung des Bundeskartellamtes nun bestätigt.<br />

In ihrem Sechzehnten Hauptgutachten hat die Monopolkommission<br />

den Verzicht auf eine Aufteilung nach<br />

Fachbereichen tendenziell für zu ungenau erachtet. 66 Einer<br />

fachabteilungsspezischen Marktabgrenzung sind jedoch,<br />

wie die Untersuchung des Bundeskartellamtes<br />

zeigt, enge Grenzen gezogen. Nach dem gegenwärtigen<br />

Erkenntnisstand kommt sie bislang nur für Abteilungen<br />

wie Gynäkologie und Geburtshilfe, Augenheilkunde und<br />

Psychiatrie in Betracht. Bei anderen Abteilungen sprechen<br />

die in Bayern gewonnenen Daten gegen eine fachabteilungsspezifische<br />

Marktabgrenzung. Ob sich diese Ergebnisse<br />

auf andere Regionen übertragen lassen, muss<br />

sich erweisen; Unterschiede zwischen Stadt und Land<br />

sind hier durchaus denkbar. Möglich ist auch die Abgrenzung<br />

von Spezialmärkten für einzelne Behandlungsarten<br />

oder beispielsweise bestimmten Behandlungsclustern innerhalb<br />

des Spektrums der DRG-Fallpauschalen, die eine<br />

genauere Abgrenzung der Teilmärkte des Krankenhausmarktes<br />

zulassen. Auf diese Weise könnten Unterschiede<br />

erfasst werden, wie beispielsweise bei Gelenktransplantationen,<br />

die auch in größeren Krankenhäusern ausgeführt<br />

werden, aber praktisch doch die Domäne von Spezialkliniken<br />

sind.<br />

541. Zu einer anderen Einschätzung kommt die Monopolkommission<br />

bei der Abgrenzung des Marktes nach der<br />

Versorgungstiefe. Insbesondere in solchen Fällen, in denen<br />

ein Maximalversorger plant, ein kleines Haus der<br />

Regelversorgung zu übernehmen, oder auch beim Zusammenschluss<br />

zweier Fachkliniken erscheint es der Monopolkommission<br />

zu ungenau, sämtliche akutstationären<br />

Leistungen des DRG-Spektrums in die sachliche<br />

Marktabgrenzung mit einzubeziehen. Dementsprechend<br />

zeigt auch die Untersuchung des Bundeskartellamtes in<br />

Bayern, unter der Prämisse der dortigen Einstufung der<br />

Versorgungsstufen, dass bei einem Maximalversorger in<br />

einem Drittel der Versorgungsfälle explizit Leistungen<br />

erbracht werden, die über die Regelversorgung hinausgehen.<br />

Dementgegen ist nur in Einzelfällen davon auszugehen,<br />

dass ein Regelversorger Fälle höherer Versorgungsstufen<br />

behandelt. Eine Abgrenzung nach Versorgungsstufen<br />

bietet sich jedoch aufgrund deren ungenauer und nicht<br />

bundeseinheitlicher Abgrenzung und den deutlichen<br />

Überschneidungen nicht an. Demgegenüber schlägt die<br />

Monopolkommission vor, den Markt auf diejenigen<br />

66 Vgl. Monopolkommission, Hauptgutachten 2004/2005, a. a. O.,<br />

Tz. 482 ff.

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