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Deutscher Bundestag Unterrichtung

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Drucksache 16/10140 – 242 – <strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> – 16. Wahlperiode<br />

zung von Krankenhausmärkten besondere Schwierigkeiten,<br />

auf die im Folgenden eingegangen werden soll.<br />

2.3.1.1 Sachliche Marktabgrenzung auf<br />

Krankenhausmärkten<br />

535. In seiner bisherigen Entscheidungspraxis nimmt<br />

das Bundeskartellamt ausschließlich den Gesamtmarkt<br />

für Krankenhausdienstleistungen, im Weiteren auch<br />

Krankenhausmarkt genannt, als sachlich relevanten<br />

Markt an. Dabei handele es sich um den Markt für stationäre<br />

Krankenhausdienstleistungen, die von den Krankenhäusern<br />

gegenüber ihren Patienten erbracht werden. Das<br />

Bundeskartellamt bezieht sich dabei ausdrücklich allein<br />

auf akutstationäre Leistungen, die von Plankrankenhäusern<br />

erbracht werden. Dabei schließt das Amt ambulante<br />

ärztliche Dienstleistungen ebenso wenig in den sachlich<br />

relvanten Markt mit ein wie Leistungen von Rehabilitationseinrichtungen<br />

oder Kliniken, die ihre Leistungen ausschließlich<br />

privat abrechnen. Es erfolgt auch keine zusätzliche<br />

Differenzierung des Krankenhausmarktes<br />

hinsichtlich der Breite oder Tiefe des Angebots. Eine Abweichung<br />

von diesem Vorgehen hat das Bundeskartellamt<br />

im Berichtszeitraum erstmals im Zusammenschlussverfahren<br />

Klinikum Region Hannover/Landeskrankenhaus<br />

Wunstorf in Bezug auf Klinikzusammenschlüsse mit psychiatrischem<br />

Schwerpunkt gezeigt. Bisher wurden psychiatrische<br />

Abteilungen von Allgemeinkrankenhäusern,<br />

trotz diverser regulativer Unterschiede zu somatischen<br />

Fachbereichen, in den Krankenhausmarkt mit einbezogen.<br />

In diesem Fall betraf die Übernahme jedoch mit dem<br />

Landeskrankenhaus Wunstorf eine rein psychiatrische<br />

Landesklinik. Das Bundeskartellamt änderte damit erstmals<br />

seine Praxis der sachlichen Marktabgrenzung bei<br />

Klinikzusammenschlüssen und grenzte den Markt für stationäre<br />

psychiatrische Krankenhausdienstleistungen ab.<br />

536. Hintergrund des Zusammenschlusses war die Entscheidung<br />

des Landes Niedersachsen aus dem Mai 2006,<br />

acht seiner psychiatrischen Fachkrankenhäuser zu veräußern.<br />

Im Januar 2007 gab das Land Niedersachsen bekannt,<br />

dass die Region Hannover 63 den Zuschlag für die<br />

Niedersächsische Landesklinik Wunstorf erhält. Die Region<br />

Hannover verfügt lediglich über ein Krankenhaus,<br />

welches in der psychiatrischen Behandlung tätig ist, die<br />

Fachklinik für Psychiatrie und Psychotherapie Langenhagen<br />

(KfPP). Eine Marktabgrenzung, die dem bisherigen<br />

Verfahren bei Krankenhauszusammenschlüssen entsprochen<br />

hätte und allgemein den Markt für stationäre Krankenhausdienstleistungen<br />

beträfe, wäre dem Erwerber insofern<br />

entgegengekommen, als dem geringen Marktanteil<br />

einer psychiatrischen Fachklinik auf dem großen Markt<br />

für vollstationäre Krankenhausleistungen vermutlich eine<br />

deutlich geringere Bedeutung zugekommen wäre. Dazu<br />

hat die Anmelderin vorgetragen, dass in den somatischen<br />

63 Unternehmensrechtlich handelte es sich um die eigens zum Zwecke<br />

des Zusammenschluss gegründete „Kliniken Region Hannover Wunstorf<br />

GmbH“, die 100-prozentige Tochter der „Kliniken Region Hannover<br />

GmbH“ ist. Deren alleiniger Träger ist die Region Hannover.<br />

Krankenhäusern der Region Hannover jährlich 1 700 somatische<br />

Fälle abgerechnet werden, deren Einordnung in<br />

das Abrechnungssystem aber vom Grundsatz einen psychiatrischen<br />

Hintergrund vermuten ließen. Demgegenüber<br />

stehen 2 500 Fälle in der psychiatrischen Spezialklinik<br />

der Anmelderin. Somit seien die Märkte nicht<br />

voneinander zu trennen. Dem hält das Bundeskartellamt<br />

jedoch entgegen, dass es sich bei solchen Fällen meist um<br />

Suchtmittelentgiftungen und vergleichbare Fälle handele,<br />

in denen eine somatische Behandlung neben der psychiatrischen<br />

erforderlich ist. Diese Behandlungen ersetzen<br />

aber keine nachfolgenden psychiatrischen Behandlungen<br />

des Patienten. Grundsätzlich seien die Leistungen somatischer<br />

Krankenhäuser überwiegend nicht mit denen psychiatrischer<br />

Krankenhäuser austauschbar, weshalb beide<br />

Märkte getrennt zu sehen seien. Darüber hinaus weisen<br />

auch die Aufnahme zur stationären Behandlung (Einweisung),<br />

der Krankheitsverlauf, die Behandlungsweise und<br />

die offenbar daraus folgenden sehr unterschiedlichen Abrechnungsmodalitäten<br />

(keine Fallpauschalen) gegenüber<br />

dem stationären Bereich auf einen sachlich getrennten<br />

Markt für psychiatrische und psychotherapeutische Leistungen<br />

hin. Am 10. Mai 2007 erteilte das Bundeskartellamt<br />

dem Zusammenschluss die Freigabe unter der<br />

Nebenbestimmung, dass mindestens 36 vollstationäre<br />

Planbetten und 14 teilstationäre Behandlungsplätze der<br />

KfPP reduziert und an einen Erwerber in der Region Hannover<br />

übergeben werden. Zwischenzeitlich wurden die<br />

Betten an die Burghof-Klinik Rinteln verkauft. Das Bundeskartellamt<br />

gab daraufhin am 21. August 2007 grünes<br />

Licht für den Zusammenschluss.<br />

537. Die Praxis der bisherigen Marktabgrenzung des<br />

Bundeskartellamtes zeigt damit auch innerhalb des Krankenhausmarktes<br />

eine situationsbezogene Auslegung. Das<br />

Bundeskartellamt nimmt die Besonderheiten der psychiatrischen<br />

Versorgung zum Anlass, bei der Übernahme einer<br />

psychiatrischen Fachklinik den sachlich relevanten<br />

Markt einzuschränken. Eine Untergliederung des sachlich<br />

relevanten Marktes im Falle des Zusammenschlusses von<br />

Allgemeinkrankenhäusern hat das Amt allerdings bisher<br />

stets abgelehnt. Hier führen die Charakteristika der Krankenhausversorgung<br />

insbesondere unter der Nutzung bekannter<br />

Marktabgrenzungskonzepte zu umstrittenen Ergebnissen.<br />

So stellen Krankenhäuser ein heterogenes<br />

Angebot an Gesundheitsdienstleistungen zur Verfügung.<br />

Das Angebot dient der Diagnostik, Behandlung und<br />

Pflege einer Vielzahl unterschiedlicher Krankheiten und<br />

Unfallfolgen. Die qualitative Spreizung des Behandlungsbedarfs<br />

auf der Nachfrageseite und die Vielzahl der<br />

möglichen Behandlungsmethoden auf der Angebotsseite<br />

erschwert die Abgrenzung des sachlich relevanten Marktes<br />

nach dem Bedarfsmarktkonzept. Aus diesem Grund<br />

sind diverse Alternativen für die sachliche Marktabgrenzung<br />

denkbar. Darunter fiele sowohl ein sehr weitgehender<br />

Untersuchungsbereich, bei dem alle von Ärzten angebotenen<br />

medizinischen Leistungen erfasst werden, als<br />

auch eine Aufteilung in verschiedene sachlich relevante<br />

Teilmärkte zur Behandlung einzeln bestimmter gesundheitlicher<br />

Einschränkungen. Diese Frage wird insbesondere<br />

seit der Entscheidung des Oberlandesgerichts Düs-

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