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Deutscher Bundestag Unterrichtung

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Drucksache 16/10140 – 240 – <strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> – 16. Wahlperiode<br />

teln sind. Eine solche Schwelle, bei der mindestens zwei<br />

Unternehmen jeweils entsprechende Umsätze im Inland<br />

erzielt haben müssen, sieht beispielsweise auch das EU-<br />

Recht in Artikel 1 Abs. 2 lit. b FKVO vor. Der Einführung<br />

einer solchen Schwelle ins deutsche Kartellrecht<br />

stehen aus Sicht der Monopolkommission jedoch qualifizierte<br />

Bedenken gegenüber. So hat die Monopolkommission<br />

in ihrem Elften Hauptgutachten bereits darauf hingewiesen,<br />

dass die Einführung einer solchen Schwelle dazu<br />

führen kann, dass der Zusammenschluss zwischen einem<br />

bedeutenden ausländischen Unternehmen, welches im Inland<br />

noch nicht tätig ist, und dem Marktführer in<br />

Deutschland nicht der Kontrollpflicht unterliegen. 54 Auch<br />

wenn dieser Fall vergleichsweise selten vorliegen mag,<br />

muss doch darauf hingewiesen werden, welche Wirkung<br />

die Ausweitung der bisherigen Inlandsumsatzschwelle<br />

von 25 Mio. Euro gemäß § 35 Abs. 1 Ziff. 2 GWB hätte,<br />

wenn die Grenze von mindestens zwei Unternehmen<br />

überschritten sein müsste. In diesem Fall wäre beispielsweise<br />

nur einer der untersagten Auslandszusammenschlüsse<br />

Coherent/Excel, Cargotec/CVS Ferrari und Phonak/GN<br />

ReSound in Deutschland kontrollpflichtig<br />

gewesen, obwohl in allen Fällen das Bundeskartellamt<br />

eine Entstehung oder Verstärkung einer marktbeherrschenden<br />

Stellung erkannt hat, die im Inland zudem keinen<br />

Bagatellmarkt betrifft. Auch bei Festsetzung eines<br />

geringeren Schwellenwertes von 15 Mio. Euro, hätte einer<br />

der untersagten Zusammenschlüsse nicht der Anmeldepflicht<br />

unterlegen. Die Monopolkommission geht<br />

daher davon aus, dass die Einführung einer zweiten Inlandsumsatzschwelle<br />

Zusammenschlüsse aus der Kontrollpflicht<br />

entlassen würde, die zu einer erheblichen<br />

Wettbewerbsbeschränkung im Inland beitragen könnten.<br />

Dass dieser Nachteil durch den Vorteil geringerer Transaktionskosten<br />

und, bei gleichzeitigem Verzicht auf die<br />

Bagatellmarktgrenze, höherer Rechtssicherheit aufgewogen<br />

werden kann, ist nach Ansicht der Monopolkommission<br />

nach derzeitigem Stand nicht ohne weiteres plausibel.<br />

Die Monopolkommission hält es daher für den<br />

günstigeren Weg, eine Lösung der skizzierten Probleme<br />

auf multilateraler Ebene anzustreben. Denkbar wären beispielsweise<br />

eine stärkere Zusammenarbeit internationaler<br />

Kartellbehörden bei grenzüberschreitenden Fusionen<br />

oder die Einrichtung einer internationalen Stelle, welche<br />

die Zuständigkeiten nationaler Kartellbehörden koordiniert.<br />

2.2.4 Überlagerung des Wettbewerbsrechts<br />

durch konkurrierende Normen<br />

530. Im Berichtszeitraum wurde von den Beteiligten<br />

verschiedener Zusammenschlüsse vorgebracht, dass das<br />

GWB aus bestimmten Gründen des Gemeinwohls bzw.<br />

der Überlagerung durch andere, höherrangige Rechtsnormen<br />

nicht zur Anwendung kommen dürfe. So war im<br />

Verwaltungsverfahren des Bundeskartellamtes im Fall<br />

Rhön-Klinikum AG/Kreiskrankenhäuser Bad Neustadt,<br />

54 Vgl. Monopolkommission, Wettbewerbspolitik in Zeiten des Umbruchs,<br />

Hauptgutachten 1994/1995, Baden-Baden 1996, Tz. 990.<br />

Mellrichstadt, das am 10. März 2005 zu einer Untersagung<br />

führte, strittig, ob die Vorschriften des § 69 SGB V<br />

das materielle deutsche Kartellrecht vollständig verdrängen.<br />

Nachdem das Bundeskartellamt eine Untersagung<br />

ausgesprochen hatte, stellten die Zusammenschlussbeteiligten<br />

parallel zum Beschwerdeverfahren auch einen Antrag<br />

auf Ministererlaubnis gemäß § 42 GWB. Die Monopolkommission<br />

stellte in ihrem Sondergutachten hierzu<br />

fest, dass der § 69 SGB V den wettbewerblichen Ausnahmebereich<br />

auf die Rechtsbeziehungen der Krankenkassen<br />

zu den Krankenhäusern beschränkt und Fusionen mehrerer<br />

Leistungserbringer entsprechend den Aufgreifkriterien<br />

des GWB der Kontrollpflicht unterliegen. 55 Durch<br />

Rechtsprechung wurde dieses Ansicht zwischenzeitlich<br />

gefestigt. So wies das Oberlandesgericht Düsseldorf am<br />

11. April 2007 eine Beschwerde gegen den Beschluss des<br />

Bundeskartellamtes zurück. 56 Mit Entscheidung vom<br />

16. Januar 2008 bestätigte auch der Bundesgerichtshof<br />

höchstrichterlich die Anwendung des Wettbewerbsrechts<br />

bei Zusammenschlüssen öffentlicher Krankenhäuser. 57<br />

531. Die genannten Entscheidungen stellen klar, dass weder<br />

die Regelungen des Sozialrechts über die gesetzliche<br />

Krankenversicherung noch die Bestimmungen zur Krankenhausfinanzierung<br />

die Fusionskontrolle ausschließen.<br />

Damit war auch eine Streitfrage aus dem Zusammenschlussverfahren<br />

LBK Hamburg/Krankenhaus Mariahilf<br />

geklärt. 58 Dort ging einer durch das Bundeskartellamt untersagten<br />

Übernahme ein Planungsprozess zur Zusammenlegung<br />

der beteiligten Krankenhäuser durch die hamburgische<br />

Krankenhausplanung voraus. Die Anmelderin<br />

sah das Betreiben der Planungsbehörde rechtlich durch<br />

das Krankenhausfinanzierungsgesetz (KHG) untermauert,<br />

wonach es Aufgabe der Behörde sei, eine wirtschaftliche<br />

Versorgung der Bevölkerung sicherzustellen. Zu diesem<br />

Zweck könne es erforderlich sein, die Aufnahme<br />

bestimmter Leistungen in den Krankenhausplan auf einen<br />

oder zwei mögliche Anbieter zu beschränken bzw. das<br />

Angebot zu spezialisieren. Das Nebeneinander zweier<br />

Rechtsmaterien führe dazu, dass auf planungsrechtliche<br />

Regelungen zurückzuführende Entscheidungen nicht Gegenstand<br />

einer fusionskontrollrechtlichen Prüfung sein<br />

könnten. Das Kartellamt hatte hingegen die Meinung vertreten,<br />

dass es sich bei den rechtlichen Grundlagen der<br />

Krankenhausplanung und -finanzierung nicht um eine<br />

Lex specialis zum GWB handele. Im Anschluss an die<br />

55 Vgl. Monopolkommission, Zusammenschlussvorhaben der Rhön-<br />

Klinikum AG mit den Kreiskrankenhäusern des Landkreises Rhön-<br />

Grabfeld (Kreiskrankenhaus Bad Neustadt/Saale sowie Kreiskrankenhaus<br />

Mellrichstadt), Sondergutachten 45, Baden-Baden 2006,<br />

Tz. 88 ff.<br />

56 OLG Düsseldorf, Beschluss vom 11. April 2007, VI-Kart 6/05 (V),<br />

WuW/E DE-R1958.<br />

57 BGH, Beschluss vom 16. Januar 2008, KVR 26/07.<br />

58 BKartA, Beschluss von 6. Juni 2007, B3 – 6/07, WuW/E DE-V 1407.<br />

Seit April 2007 führt das Unternehmen „LBK Hamburg GmbH“ den<br />

Namen „Asklepios Kliniken Hamburg GmbH“. Da diese Namensänderung<br />

nach Eröffnung des Fusionskontrollverfahrens vollzogen<br />

wurde, lautet die Untersagungsverfügung des Bundeskartellamtes<br />

noch auf den ursprünglichen Unternehmensnamen. Nachfolgend<br />

wird an dieser Stelle für den Antragsteller der neue Name<br />

„Asklepios“ verwendet.

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