29.11.2012 Aufrufe

Deutscher Bundestag Unterrichtung

Deutscher Bundestag Unterrichtung

Deutscher Bundestag Unterrichtung

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

<strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> – 16. Wahlperiode – 239 – Drucksache 16/10140<br />

deskartellamt verweist im Gegenzug auf die hohe Inlandswirkung<br />

des Zusammenschlussvorhabens. Etwa<br />

20 Prozent ihrer Umsatzerlöse in der EU erzielen die Unternehmen<br />

in Deutschland. Insgesamt stelle Deutschland<br />

den zweitgrößten Hörgerätemarkt weltweit dar. Scheitere<br />

die Anwendung des GWB daran, dass die betroffenen<br />

Unternehmen ihren Sitz im Ausland haben oder auf einem<br />

weltweiten Markt agieren, sei den Unternehmen die<br />

Instrumentalisierung des Völkerrechts gegen die Anwendung<br />

nationaler Wettbewerbsvorschriften jederzeit möglich.<br />

526. Die Monopolkommission beurteilt die Anwendung<br />

des Auswirkungsprinzips durch das Bundeskartellamt<br />

positiv. Wettbewerbsbeschränkungen, die durch den Zusammenschluss<br />

international tätiger Unternehmen entstehen<br />

können, betreffen einen räumlich relevanten Markt,<br />

der das Territorium einer einzelnen Jurisdiktion deutlich<br />

überschreiten kann. Einzelne Jurisdiktionen haben nur<br />

bedingt Anreize, Wettbewerbsbeschränkungen zu bekämpfen,<br />

die sich alleine im Ausland auswirken. Würde<br />

die Zuständigkeit allein auf das Gebiet beschränkt, in<br />

welchem die betroffenen Unternehmen ihren Sitz haben,<br />

so bestünde kein ausreichender Schutz für den Wettbewerb<br />

auf anderen Märkten. Vielmehr können strategisch<br />

intendierte Wettbewerbspolitiken negative Externalitäten<br />

verursachen. Diesem Problem wirkt das Auswirkungsprinzip<br />

entgegen, indem ein Zusammenschluss dort anmeldepflichtig<br />

ist, wo er entsprechende Auswirkungen<br />

hervorruft. Aus diesem Grunde wurde der Grundsatz der<br />

extraterritorialen Anwendung des Kartellrechts auch in<br />

das deutsche GWB aufgenommen. Die Kollisionsnorm<br />

des § 130 Abs. 2 GWB ist völkerrechtlich auch – im Gegensatz<br />

zu früher – nicht mehr ernstlich umstritten. Das<br />

Auswirkungsprinzip ist als legitimes Anliegen des Auswirkungsstaates<br />

zwischenzeitlich anerkannt, gleichfalls<br />

wird jedoch ein qualifizierter Inlandsbezug gefordert, um<br />

dem völkerrechtlichen Nichteinmischungsverbot Rechnung<br />

zu tragen. Im deutschen Kartellrecht ist der Inlandsbezug<br />

insbesondere hinsichtlich der Aufgreifkriterien eines<br />

Zusammenschlusses gegeben. Zum einen legt § 35<br />

Abs. 1 Nr. 2 GWB fest, dass mindestens ein beteiligtes<br />

Unternehmen mehr als 25 Mio. Euro Umsatzerlöse im Inland<br />

erzielt haben muss. Zum anderen setzt die Bagatellmarktklausel<br />

ein Mindestniveau für die Umsätze, die auf<br />

dem für den Zusammenschluss sachlich relevanten Markt<br />

im Inland erzielt werden müssen. Erfüllt ein Zusammenschluss<br />

die Aufgreifkriterien, so ist nach Meinung der<br />

Monopolkommission von einem ausreichenden Inlandsbezug<br />

auszugehen.<br />

527. Das Auswirkungsprinzip wird des Öfteren dennoch<br />

kritisch beurteilt, da es auf globalisierten Märkten<br />

zu einer zunehmend restriktiven Hürde für internationale<br />

Zusammenschlüsse wird. Gemäß dem Auswirkungsprinzip<br />

muss ein Zusammenschluss in allen Jurisdiktionen zur<br />

Prüfung angemeldet werden, deren Märkte betroffen<br />

sind. 53 Die parallele Zuständigkeit für ein und denselben<br />

Fall führt zu einem multiplen Verfahrensaufwand für Be-<br />

53 Dies gilt analog für Kooperationen.<br />

hörden und Beteiligte. Hinzu kommt, dass Ziele und Methoden<br />

unterschiedlicher Wettbewerbsbehörden sich nicht<br />

selten unterscheiden. Im Falle Coherent/Excel zeigte sich<br />

beispielsweise ein divergierendes Ermittlungsergebnis,<br />

obwohl das Bundeskartellamt den Markt weltweit abgegrenzt<br />

und dementsprechend nicht allein die Wettbewerbsbeschränkung<br />

auf dem deutschen, sondern auf dem<br />

weltweiten Markt geprüft hat. Dementsprechend ist es für<br />

die beteiligten Unternehmen ex ante schwieriger abschätzbar,<br />

ob ein Zusammenschluss genehmigt wird. Die<br />

Unternehmen treffen somit eine Entscheidung unter Unsicherheit.<br />

Dem Erwartungsnutzen einer Fusion stehen die<br />

eingesparten erwarteten Transaktionskosten als Kostenäquivalent<br />

gegenüber, was bei den betroffenen Unternehmen<br />

zu einer restriktiveren Durchführung auch von wettbewerblich<br />

unbedenklichen Fusionsvorhaben führt.<br />

528. Die Monopolkommission weist demgegenüber<br />

darauf hin, dass die Tätigkeit von Unternehmen auf verschiedenen<br />

nationalen Märkten diese Unternehmen naturgemäß<br />

auch verschiedenen Rechtsordnungen aussetzt.<br />

Gleich ob es sich um Bilanzierungsvorschriften, geistiges<br />

Eigentum, Produkthaftung oder Steuerrecht handelt, den<br />

lokalen Regelungen ist Rechnung zu tragen, auch wenn<br />

dies zu Komplikationen aufgrund der Anwendung multipler<br />

Rechtsregeln führt. Die Lösung kann nicht darin<br />

bestehen, dass einzelne Jurisdiktionen generell auf die<br />

Anwendung und Durchsetzung ihres Rechts in grenzüberschreitenden<br />

Fällen verzichten. Die Monopolkommission<br />

sieht eine Lösung eher in einer stärkeren Koordination.<br />

529. Was die Fusionskontrolle betrifft, so zielen einzelne<br />

Lösungsvorschläge darauf, die Aufgreifkriterien<br />

des deutschen Rechts anzupassen. Bereits die Beschränkung<br />

der Bagatellmarktklausel auf Inlandsumsätze diente<br />

nach Auffassung des Bundesgerichtshofs gerade dazu,<br />

eine vom Gesetz nicht gewollte uferlose Ausdehnung des<br />

internationalen Anwendungsbereichs der Sachnormen<br />

des GWB zu verhindern. Gerade ausländische Unternehmen<br />

dürften daher von der Anwendung der Bagatellmarktklausel<br />

profitieren, da durch die Beschränkung auf<br />

die Inlandsumsätze voraussichtlich eine geringere Zahl an<br />

Auslandsfusionen in Deutschland anmeldepflichtig werden.<br />

Problematisch an der Bagatellmarktklausel bleibt jedoch,<br />

dass diese nicht ohne eine Abgrenzung des sachlich<br />

relevanten Marktes auskommt. Dieses Problem des materiellrechtlichen<br />

Prüfverfahrens wird damit in das eigentlich<br />

formellrechtliche Verfahren der Anmeldevoraussetzungen<br />

verlagert. Von den zwei oben genannten<br />

Aufgreifkriterien, welche den qualifizierten Inlandsbezug<br />

eines Auslandszusammenschlusses in Deutschland indizieren,<br />

ist eines daher an ex ante nur unscharf zu ermittelnde<br />

Voraussetzungen geknüpft, welche die Unsicherheit bzw.<br />

das Abstimmungserfordernis mit der Kartellbehörde bei<br />

den betroffenen Unternehmen erhöhen.<br />

Es bleibt daher diskutabel, ob die aufgezeichnete Funktion<br />

der Bagatellmarktschwelle beispielsweise durch eine<br />

zweite Inlandsumsatzschwelle ersetzt oder ergänzt werden<br />

könnte, da rein quantitative Aufgreifkriterien von den<br />

Zusammenschlussbeteiligten im Voraus leicht zu ermit-

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!