Deutscher Bundestag Unterrichtung
Deutscher Bundestag Unterrichtung
Deutscher Bundestag Unterrichtung
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
Drucksache 16/10140 – 238 – <strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> – 16. Wahlperiode<br />
2.2.3 Aufgreifkriterien bei Auslandszusammenschlüssen<br />
521. Gemäß § 130 Abs. 2 findet das GWB Anwendung<br />
auf alle Wettbewerbsbeschränkungen, die sich im Geltungsbereich<br />
des Gesetzes auswirken, auch wenn sie außerhalb<br />
des Geltungsbereichs des Gesetzes veranlasst<br />
werden. Aus diesem Grund unterliegen auch Zusammenschlüsse<br />
von Unternehmen der deutschen Fusionskontrolle,<br />
deren Sitz oder Geschäftsleitung sich im Ausland<br />
befindet, deren Geschäftstätigkeit jedoch Auswirkungen<br />
in der Bundesrepublik Deutschland hat. Hintergrund dieser<br />
Vorschrift ist das Problem, dass die inländische Wettbewerbsordnung<br />
durch eine Wettbewerbsbeschränkung<br />
im Ausland im gleichen Maße gefährdet sein kann wie<br />
durch eine solche, die im Inland veranlasst wurde. Aus<br />
diesem Grund normieren die Aufgreifkriterien des GWB<br />
auch für ausländische Unternehmen, wann ein Zusammenschluss<br />
der Notifizierungspflicht bei der deutschen<br />
Kartellbehörde unterliegt.<br />
522. Im Berichtszeitraum hat das Bundeskartellamt<br />
über mehrere Zusammenschlussvorhaben entschieden,<br />
deren beteiligte Unternehmen ihren Sitz im Ausland hatten.<br />
Dazu zählten auch die Fälle Du Pont/Pedex und Sulzer/Kelmix/Werfo,<br />
bei denen das Bundeskartellamt die<br />
Zusammenschlüsse im März 2007 bzw. Februar 2007 zunächst<br />
untersagte, die Auslegung der Bagatellmarktklausel<br />
durch Oberlandesgericht und Bundesgerichtshof aber<br />
dazu führte, dass die Beschlüsse nachträglich aufgehoben<br />
wurden. 49 Die beiden relevanten Betriebsstätten der im<br />
Verfahren Sulzer/Kelmix/Werfo betroffenen Unternehmen<br />
befanden sich in der Schweiz und es war keine<br />
Niederlassung oder Produktionsstätte in Deutschland vorhanden.<br />
Die Zusammenschlussbeteiligten in diesem Verfahren<br />
erzielten auf den sachlich relevanten Märkten in<br />
Deutschland aber Umsätze von 10 bis 20 Mio. Euro, bei<br />
einem europaweiten Gesamtumsatz von 30 bis 40 Mio.<br />
Euro. Im Verfahren beim Bundeskartellamt vertraten die<br />
Zusammenschlussbeteiligten die Auffassung, die Gefahr<br />
einer Wettbewerbsbeschränkung sei „nur als abstrakt einzustufen“.<br />
Ferner reiche das Erfüllen der Tatbestandsvoraussetzungen<br />
des § 36 Abs. 1 GWB nicht aus, um eine<br />
konkrete Inlandswirkung hervorzurufen, wie sie der<br />
§ 130 Abs. 2 GWB fordert. Nach Ansicht des Bundeskartellamtes<br />
genügt hingegen allein die Eignung der Wettbewerbsbeschränkung,<br />
den inländischen freien Wettbewerb<br />
zu beeinträchtigen. Die Umsatzzahlen zeigten zudem,<br />
dass der Schwerpunkt des Zusammenschlusses in Europa<br />
ganz eindeutig in Deutschland liege.<br />
523. Im Oktober 2006 untersagte das Bundeskartellamt<br />
das Zusammenschlussverfahren der amerikanischen Unternehmen<br />
Coherent und Excel. 50 Das Verfahren betraf<br />
die Entwicklung, Herstellung und den Vertrieb von Lasern.<br />
Beide Unternehmen erzielten gemeinsame Umsätze<br />
von weltweit 527,2 Mio. Euro und somit etwas oberhalb<br />
der Aufgreifschwelle von 500 Mio. Euro gemäß § 35<br />
49 Vgl. auch Tz. 517.<br />
50 BKartA, Beschluss vom 26. Oktober 2006, B7 – 97/06, WuW/E DE-V<br />
1325.<br />
Abs. 1 Ziff. 1 GWB. Auf dem europäischen Markt wurde<br />
ein relevanter Anteil der Umsätze in Deutschland erzielt.<br />
Während das amerikanische Department of Justice die<br />
Fusion freigab, untersagte das Bundeskartellamt den Zusammenschluss,<br />
da dieser auf dem sachlich relevanten<br />
Teilmarkt für sog. RF sealed-off CO2 Laser zur Entstehung<br />
einer marktbeherrschenden Stellung der Beteiligten<br />
führe. Das Bundeskartellamt hatte in diesem Fall für<br />
seine materielle Beurteilung der Wettbewerbsverhältnisse<br />
auf die Auswirkung auf weltweiten Märkten abgestellt.<br />
524. Im August 2007 untersagte das Bundeskartellamt<br />
den Erwerb der italienischen CVS Ferrari durch die finnische<br />
Cargotec Corporation. 51 Beide Unternehmen produzieren<br />
und vertreiben Fahrzeuge für den Containertransport.<br />
Die Cargotec-Gruppe erzielte weltweit Umsatzerlöse von<br />
mehr als 2 Mrd. Euro. Auf die EU entfallen davon 1 Mrd.<br />
Euro, auf Deutschland 150 Mio. Euro. CVS Ferrari erzielte<br />
weltweite Umsätze zwischen 50 und 100 Mio.<br />
Euro, davon mehr als 30 Mio. Euro in der EU und weniger<br />
als 10 Mio. Euro in Deutschland. Damit erfüllt der<br />
Zusammenschluss die Aufgreifkriterien des GWB. In der<br />
materiellen Prüfung grenzte das Bundeskartellamt sieben<br />
sachlich relevante Teilmärkte ab, von denen nach Ansicht<br />
des Amtes in zweien eine marktbeherrschende Stellung<br />
entsteht oder verstärkt wird. Der räumlich relevante<br />
Markt wurde europaweit abgegrenzt. Zum Zeitpunkt des<br />
Untersagungsbeschlusses des Bundeskartellamtes hatten<br />
bereits die Wettbewerbsbehörden in Spanien und Österreich<br />
über das Verfahren entschieden. In beiden Ländern<br />
haben die Behörden den Zusammenschluss freigegeben.<br />
Während der Beschluss der österreichischen Wettbewerbsbehörde<br />
nicht zugänglich war, hat die spanische Behörde<br />
offensichtlich stärker auf die Auswirkungen des<br />
Zusammenschlusses auf dem spanischen Markt abgestellt.<br />
Dort wurden auf den vom Bundeskartellamt sachlich<br />
abgegrenzten Märkten keinerlei Umsätze erzielt.<br />
525. Ebenfalls untersagt hat das Bundeskartellamt den<br />
Zusammenschluss zweier Hörgerätehersteller, des<br />
schweizerischen Unternehmens Phonak mit dem dänischen<br />
Unternehmen GN ReSound. 52 Die Umsätze der Beteiligten<br />
lagen deutlich oberhalb der Aufgreifschwellen.<br />
Die Zusammenschlussbeteiligten haben im Laufe des<br />
Verfahrens jedoch vorgetragen, dass das Zielunternehmen<br />
nur einen geringen Teil seiner Umsätze in Deutschland<br />
erwirtschafte. Ergänzend führten die Beteiligten an, dass<br />
die Fusion in anderen Jurisdiktionen nicht anmeldepflichtig<br />
sei oder aber dort bereits freigegeben wurde. Auch sei<br />
in Deutschland der Vorrang allgemeiner Regeln des Völkerrechts<br />
auch bei der Anwendung des Auswirkungsprinzipes<br />
gemäß § 130 Abs. 2 GWB zu beachten. Entsprechend<br />
sei die Anwendung des innerstaatlichen Rechts auf<br />
die Auswirkungen im Inland zu begrenzen. Bei nicht teilbaren<br />
Zusammenschlüssen in einen inländischen und einen<br />
ausländischen Teil entfalle in Konsequenz aber die<br />
Untersagungsbefugnis für den gesamten Fall. Das Bun-<br />
51 BKartA, Beschluss vom 24. August 2007, B5 – 51/07, WuW/E DE-V<br />
1442.<br />
52 BKartA, Beschluss vom 13. Dezember 2006, B3 – 578/06. WuW/E<br />
DE-V 1365.