Deutscher Bundestag Unterrichtung
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<strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> – 16. Wahlperiode – 237 – Drucksache 16/10140<br />
für Industrieanwendungen. Das Bundeskartellamt stellte<br />
fest, dass die Bagatellmarktgrenze zwar für die Inlandsumsätze<br />
auf beiden relevanten Einzelmärkten nicht<br />
überschritten sei. Es sei jedoch auf die unter einer ökonomischen<br />
Betrachtungsweise räumlich relevanten Märkte<br />
abzustellen, die hier mindestens europaweit abzugrenzen<br />
seien. Zumindest aber seien die Umsätze auf beiden relevanten<br />
Märkten zu addieren, da es sich um benachbarte<br />
Märkte handele. Die Verfahrensbeteiligten haben gegen<br />
den Beschluss des Bundeskartellamtes Beschwerde eingereicht.<br />
Das Oberlandesgericht Düsseldorf entschied daraufhin,<br />
anlehnend an seinen Beschluss im Verfahren Du-<br />
Pont/Pedex, dass die Bagatellmarktklausel nur auf die<br />
Inlandsumsätze Anwendung finden soll und hob die Entscheidung<br />
des Bundeskartellamtes damit auf. 46 Auch sei<br />
das Marktvolumen der beiden sachlich relevanten Märkte<br />
für die Anwendung der Klausel in diesem Fall nicht zu<br />
addieren, da diese sowohl in sachlicher Hinsicht als auch<br />
unter Berücksichtigung ihrer Marktstruktur nicht genügend<br />
Übereinstimmungen aufweisen. Mit Beschluss vom<br />
25. September 2007 hat der Bundesgerichtshof die Beschränkung<br />
der Bagatellmarktklausel auf Inlandsumsätze<br />
nun erstmals höchstrichterlich bestätigt.<br />
518. Der Bundesgerichtshof begründete die festgelegten<br />
Schwellenwerte explizit mit dem Sinn und Zweck der Bagatellmarktregelung.<br />
Dieser sei darin zu sehen, Vorhaben,<br />
die einen gesamtwirtschaftlich unbedeutenden Markt betreffen,<br />
von der Fusionskontrolle auszunehmen. Bei der<br />
Festsetzung der für tolerabel erachteten Maximalgröße<br />
von Bagatellmärkten habe sich der Gesetzgeber an der relativen<br />
Bedeutung solcher Märkte im Verhältnis zur inländischen<br />
Gesamtwirtschaft orientiert. Eine Einbeziehung<br />
europäischer oder gar weltweiter Märkte würde<br />
dazu führen, dass Zusammenschlüsse auf Märkten geprüft<br />
und untersagt werden, die einen im Inland unbedeutenden<br />
Markt betreffen. Auch die Entscheidung des Beschwerdegerichts,<br />
die Märkte seien für die Anwendung<br />
der Bagatellmarktklausel nicht zusammenzufassen, sei<br />
rechtlich plausibel und lasse keinen erheblichen Rechtsfehler<br />
erkennen. Sowohl die Anbieter- als auch die Nachfragerstruktur<br />
seien auf beiden Märkten völlig unterschiedlich.<br />
Zudem gebiete die Zusammenfassung der<br />
Umsätze für die Anwendung der Bagatellmarktklausel<br />
das Vorliegen einer möglichen Produktumstellungsflexibilität<br />
auf beiden relevanten Märkten. Diese sei aber nur<br />
begrenzt gegeben.<br />
519. Die Monopolkommission begrüßt die Entscheidung<br />
des Bundesgerichtshofs zur Begrenzung der Bagatellmarktschwelle<br />
auf die Inlandsumsätze. Eine faktische<br />
Herabsetzung der Schwelle durch die Berücksichtigung<br />
von Auslandsumsätzen im Zuge der Neuregelung in § 19<br />
Abs. 2 Satz 3 GWB war nach Ansicht der Monopolkommission<br />
nicht geboten. 47 Die Bagatellmarktschwelle stellt<br />
einen Indikator für das Gewicht der Wettbewerbsbeschränkung<br />
dar, der die Funktion der übrigen Umsatz-<br />
schwellen, nur Zusammenschlüsse von gesamtwirtschaftlicher<br />
Bedeutung der Fusionskontrolle zu unterwerfen,<br />
deutlich präzisiert. Die Situation, in der die an einem Zusammenschluss<br />
beteiligten Unternehmen zwar erhebliche<br />
Umsätze erzielen, die Wettbewerbsbeschränkung aber nur<br />
in einem vergleichsweise kleinen und gesamtwirtschaftlich<br />
weniger bedeutenden inländischen Markt stattfindet,<br />
kann somit durch diese Ausnahmeregelung zusätzlich erfasst<br />
werden. Anders als in der materiellen Frage der ökonomisch<br />
richtigen Abgrenzung des räumlich relevanten<br />
Marktes ist bei Bagatellmärkten daher auf die gesamtwirtschaftliche<br />
Bedeutung in der Bundesrepublik<br />
Deutschland abzustellen. Demzufolge dient die Auslegung<br />
des Bundesgerichtshofs dazu, den Status, den der<br />
Gesetzgeber bei der Festlegung der Bagatellmarktschwelle<br />
intendiert hat, weiterhin beizubehalten.<br />
520. Zu einer anderen Bewertung kommt die Monopolkommission<br />
hinsichtlich der eingeschränkten Zusammenfassung<br />
von Umsätzen aus mehreren sachlich relevanten<br />
Märkten. Es erscheint folgerichtig, auch in dieser Frage<br />
eine zweckbezogene Anwendung des § 35 Abs. 2 Satz 2<br />
GWB vorzunehmen. Eine geringe gesamtwirtschaftliche<br />
Bedeutung kann sich nach Ansicht der Monopolkommission<br />
nur auf die Relation der möglichen schädlichen<br />
gesamtwirtschaftlichen Auswirkungen eines Zusammenschlusses<br />
zu den Transaktionskosten des Kontrollverfahrens<br />
beziehen. Die Auswirkungen eines Zusammenschlusses<br />
addieren sich jedoch, wenn mehrere sachlich<br />
relevante Märkte betroffen sind. Selbst wenn man bei der<br />
Frage nach der wirtschaftlichen Bedeutung darauf abstellen<br />
wollte, welche Auswirkungen ein Zusammenschluss<br />
auf mehreren Märkten bei einzelnen Nachfragergruppen<br />
hat, so ist für die Zusammenfassung mehrerer sachlich<br />
relevanter Märkte allein ausschlaggebend, ob diese die<br />
gleichen Nachfragergruppen bedienen. Die übereinstimmenden<br />
Entscheidungen von Oberlandesgericht und Bundesgerichtshof<br />
werfen auch insoweit Fragen auf, als eine<br />
anbieterseitige Produktumstellungsflexibilität als Bedingung<br />
für die Zusammenfassung der Märkte im Rahmen<br />
der Bagatellmarktklausel genannt wird. Die Produktumstellungsflexibilität<br />
wird seit der Entscheidung des Bundesgerichtshofs<br />
im Falle National Geographics II allerdings<br />
auch als zusätzliches Kriterium für die Abgrenzung<br />
des sachlich relevanten Marktes herangezogen. 48 In den<br />
meisten Fällen schließt eine Abgrenzung verschiedener<br />
sachlich relevanter Märkte das Vorhandensein einer erheblichen<br />
Produktumstellungsflexibilität daher aus. Setzt<br />
man diese für die Addition der Umsätze bei der Prüfung<br />
der Bagatellmarktklausel voraus, dann scheidet die Additionsregel<br />
schon aus logischen Gründen aus, so dass die<br />
Bagatellschwelle durch Addition nicht erreicht werden<br />
kann. Damit werden die wettbewerbsbeschränkenden<br />
Wirkungen, die sich aus einem Zusammenschluss auf<br />
verschiedenen Märkten ergeben, aber tendenziell unterbewertet.<br />
Die Monopolkommission empfiehlt dem Gesetzgeber<br />
daher, die Bagatellmarktklausel dahingehend zu<br />
konkretisieren, dass die Zusammenfassung mehrerer Inlandsmärkte<br />
explizit in die Norm aufgenommen wird.<br />
46 OLG Düsseldorf, Beschluss vom 5. März 2007, VI-Kart 3/07 (V),<br />
WuW/E DE-R 1931.<br />
47 Vgl. Monopolkommission, Hauptgutachten 2004/2005, a. a. O.,<br />
Tz. 457. 48 BGH, Beschluss vom 16. Januar 2007, WuW/E DE-R 1925, 1928.