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Deutscher Bundestag Unterrichtung

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Drucksache 16/10140 – 236 – <strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> – 16. Wahlperiode<br />

sind. Demzufolge unterliegen viele Fälle genau dann einer<br />

Anmeldepflicht beim Bundeskartellamt, wenn die tragende<br />

Gebietskörperschaft gleichzeitig Träger einer Sparkasse,<br />

Lotto- oder Abfallentsorgungsgesellschaft ist, da<br />

andernfalls die Aufgreifschwellen des GWB nicht erreicht<br />

werden. 38 Es ist daher zu befürchten, dass bei einem<br />

Schwellenwert von 500 Mio. Euro systematisch<br />

auch Fusionen nicht aufgegriffen werden, die sehr wohl<br />

gravierende Wettbewerbsbeschränkungen bewirken. Daher<br />

ist für den Krankenhaussektor ein Absenken der Umsatzschwellen<br />

angemessen, um einen stärkeren Schutz<br />

vor nachhaltigen marktbeherrschenden Stellungen zu erreichen.<br />

Die Monopolkommission schlägt daher vor, die<br />

Berechnung der Umsatzerlöse auf diesem Markt anzupassen,<br />

indem § 38 GWB durch folgenden Absatz ergänzt<br />

wird: 39<br />

„Für den Umsatz von Krankenhausunternehmen ist das<br />

Dreifache der Umsatzerlöse in Ansatz zu bringen.“<br />

2.2.2 Inlandsbegrenzung der Bagatellmarktklausel<br />

516. Im Berichtszeitraum hat die Anwendung der Bagatellmarktklausel<br />

des § 35 Abs. 2 Satz 2 GWB eine Konkretisierung<br />

erfahren. Mit dem sog. „Staubsaugerbeutel-<br />

Urteil“ hatte der Bundesgerichtshof im Jahr 2004 den Gegebenheiten<br />

zunehmender internationaler Wirtschaftsverflechtungen<br />

dadurch Rechnung getragen, dass er die Begrenzung<br />

des räumlich relevanten Marktes über den<br />

Geltungsbereich des GWB hinaus ausgeweitet hat. 40 In<br />

der siebten GWB-Novelle folgte der Gesetzgeber dieser<br />

Auffassung, indem er das GWB in § 19 Abs. 2 Satz 3<br />

durch eine entsprechende Norm ergänzte. Unklar blieb jedoch,<br />

ob sich die Neuregelung allein auf die Anwendung<br />

materiellen Kartellrechts beschränkte oder ob auch formelle,<br />

den Anwendungsbereich der Fusionskontrolle regelnde<br />

Vorschriften von der Klausel betroffen waren. Die<br />

Unklarheit betraf somit die Bagatellmarktklausel, die die<br />

Anwendung der Fusionskontrolle ausschließt, wenn ein<br />

Markt betroffen ist, der eine gesamtwirtschaftlich geringe<br />

Bedeutung aufweist. Fraglich blieb auch, ob bei den zum<br />

Tragen kommenden Umsatzschwellen auf das Volumen<br />

des grenzüberschreitend abzugrenzenden Marktes abzustellen<br />

ist. 41 Mit seiner Entscheidung im Zusammenschlussfall<br />

Sulzer/Kelmix/Werfo 42 hat der Bundesgerichtshof<br />

nun auch in diesem Problembereich für eine<br />

Klärung gesorgt. Abweichend ist hier im Sinne dieser<br />

Kleinmärktegrenze nur auf die Umsätze auf dem Inlandsmarkt<br />

abzustellen.<br />

38 Ein durchschnittliches Krankenhaus hatte im Jahre 2005 einen Umsatz<br />

von etwa 29 Mio. Euro. Vgl. Statistisches Bundesamt; eigene<br />

Berechnung. Ohne die Annahme von Konzernbeziehungen verbleibt<br />

daher auch die Fusion mehrerer Krankenhäuser deutlich unterhalb<br />

der gemeinsamen Umsatzschwelle von 500 Mio. Euro.<br />

39 Vgl. Kapitel V, Tz. 810 ff.<br />

40 Vgl. BGH, Beschluss vom 5. Oktober 2004, KVR 14/03, WuW/E<br />

DE-R 1355.<br />

41 Vgl. ausführlich Monopolkommission, Hauptgutachten 2004/2005,<br />

a. a. O.,Tz. 456 ff.<br />

42 BGH, Beschluss vom 25. September 2007, KVR 19/ 07, WuW/E<br />

DE-R 2133.<br />

517. Die offene Frage um die Bagatellmarktklausel hat<br />

das Bundeskartellamt in mehreren Verfahren innerhalb<br />

des Berichtszeitraums beschäftigt. Im März 2006 untersagte<br />

es die Übernahme des deutschen Unternehmens<br />

Pedex durch das amerikanische Chemieunternehmen<br />

DuPont. 43 Pedex war Teil der Coronet-Gruppe. Sowohl<br />

Pedex als auch Coronet hatten im Juli 2005 Insolvenzantrag<br />

gestellt. Das Zusammenschlussverfahren betraf den<br />

Markt für Monofilamente im Oral-Care-Bereich. Dabei<br />

handelt es sich um eine bestimmte Art von Kunststoffstäben,<br />

die zur Produktion von Zahnbürsten eingesetzt werden.<br />

Das Bundeskartellamt untersagte den Zusammenschluss<br />

aufgrund der sehr hohen Marktanteile der<br />

Beteiligten im sachlich relevanten Markt und der Erfordernis<br />

speziellen Know-hows beim Markteintritt potenzieller<br />

Wettbewerber. Streitpunkt war allerdings, ob der<br />

Zusammenschluss überhaupt gemäß § 39 Abs. 1 GWB<br />

anmeldepflichtig war, da der für das Vorhaben vom Bundeskartellamt<br />

abgegrenzte sachlich relevante Markt die<br />

Bagatellmarktgrenze des § 35 Abs. 2 Satz 2 GWB nur<br />

unter Berücksichtigung der europaweiten Umsätze überschritten<br />

hatte. Im Beschwerdeverfahren hat das Oberlandesgericht<br />

Düsseldorf im Dezember 2006 die Entscheidung<br />

des Bundeskartellamtes unter Bezugnahme auf die<br />

Inlandsbeschränkung der Bagatellmarktklausel aufgehoben.<br />

44 Nach der Ankündigung des Bundeskartellamtes,<br />

gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts in die<br />

Rechtsbeschwerde zu gehen, wurde das Unternehmen Pedex<br />

anderweitig verkauft.<br />

Unmittelbar nach der Entscheidung des Oberlandesgerichts<br />

zogen die Beteiligten im Zusammenschlussverfahren<br />

Sulzer/Kelmix/Werfo die Anmeldung des Zusammenschlusses<br />

zurück und zeigten gleichzeitig dessen Vollzug<br />

an. Sulzer, Tochterunternehmen der Schweizer Sulzer<br />

AG, hatte zuvor im August 2006 den geplanten mehrheitlichen<br />

Erwerb von Anteilen der Kelmix Holding AG, der<br />

Werfo AG und der Mold AG angemeldet. Die Kelmix<br />

Holding ist ihrerseits ein Unternehmen der Mixpac-<br />

Gruppe. Das Volumen des sachlich betroffenen Marktes<br />

überschritt nur unter Berücksichtigung der Auslandsumsätze<br />

die Bagatellmarktschwelle. Da das Bundeskartellamt<br />

an seiner Rechtsauffassung hinsichtlich der Bagatellmarktfeststellung<br />

bis zur Klärung durch den Bundesgerichtshof<br />

festhielt, hatte es ein Entflechtungsverfahren gegen die<br />

Unternehmen eingeleitet. Im Februar 2007 untersagte das<br />

Bundeskartellamt den Zusammenschluss, da der Anteilserwerb<br />

an Mixpac durch Sulzer zu einer Verstärkung der<br />

marktbeherrschenden Stellung von Mixpac auf dem<br />

Markt für die Herstellung von Kartuschen, Mischern und<br />

Austraggeräten für Zweikomponenten-Material für die<br />

medizinische Anwendung führe. 45 Gleichzeitig begründe<br />

der Zusammenschluss auch eine marktbeherrschende<br />

Stellung auf dem Markt für die genannten Komponenten<br />

43 BKartA, Beschluss vom 15. März 2006, B3 – 136/05, WuW/E DE-V<br />

1247.<br />

44 OLG Düsseldorf, Beschluss vom 22. Dezember 2006, VI-Kart 10/06<br />

(V), WuW/E DE-R 1881.<br />

45 BKartA, Beschluss vom 14. Februar 2007, B5 – 10/07, WuW DE-V<br />

1340.

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