Deutscher Bundestag Unterrichtung
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Drucksache 16/10140 – 234 – <strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> – 16. Wahlperiode<br />
ben werden, sind gemäß § 130 Abs. 1 GWB ebenfalls von<br />
der Notifizierungspflicht der Zusammenschlusskontrolle<br />
erfasst. Die Beteiligung von Unternehmen der öffentlichen<br />
Hand im Falle kontrollpflichtiger Zusammenschlüsse<br />
findet sich häufig im Energiesektor, beispielsweise<br />
beim Anteilserwerb privater Unternehmen an<br />
Stadtwerken oder im Bereich der öffentlichen Krankenhäuser.<br />
Auch im Berichtszeitraum hat das Bundeskartellamt<br />
mehrere Fälle mit Beteiligung von Unternehmen der<br />
öffentlichen Hand geprüft. Dabei ist auch für diese Zusammenschlüsse<br />
der Anwendungsbereich der Fusionskontrolle<br />
auf große Unternehmen begrenzt.<br />
509. Insbesondere bei Zusammenschlüssen öffentlicher<br />
Krankenhäuser, die sich in Trägerschaft von Gebietskörperschaften<br />
befanden, wurden im Berichtszeitraum die<br />
Aufgreifschwellen erst durch die Annahme von Konzernbeziehungen<br />
erreicht, bei der die Gebietskörperschaft die<br />
Rolle der Konzernmutter einnimmt. Gemäß § 36 Abs. 2<br />
Satz 1 GWB in Verbindung mit § 17 Abs. 1 AktG werden<br />
abhängige oder beherrschte Unternehmen, also solche,<br />
auf die unmittelbar oder mittelbar ein beherrschender<br />
Einfluss ausgeübt wird, GWB-rechtlich als eine Einheit<br />
angesehen. Von Unternehmen im Mehrheitsbesitz wird<br />
gemäß § 17 Abs. 2 AktG vermutet, dass dieses vom<br />
Mehrheitseigner abhängig ist. Kommt es zu Fusionen, bei<br />
denen mindestens ein Unternehmen einer Gebietskörperschaft<br />
zuzuordnen ist, werden – analog zu Konzernen des<br />
Privatrechts – regelmäßig auch etwaige andere Umsätze<br />
dieser Gebietskörperschaft mitberücksichtigt.<br />
510. In ihrem Sondergutachten zum Antrag auf Ministererlaubnis<br />
im Zusammenschlussvorhaben Universitätsklinikum<br />
Greifswald/Kreiskrankenhaus Wolgast ist die<br />
Monopolkommission auf die praktischen Probleme eingegangen,<br />
die im Zuge der derzeitig geltenden Regelung<br />
der Aufgreifkriterien im Vergleich zu der durch sie intendierten<br />
Zielsetzung entstehen können. 33<br />
Die Monopolkommission hat darauf hingewiesen, dass<br />
die konzernmäßige Konsolidierung der Umsätze im Falle<br />
von Gebietskörperschaften qualitativ gegenüber privaten<br />
Unternehmen abzugrenzen ist. Sowohl die festgelegte<br />
Zielsetzung einer öffentlichen Gebietskörperschaft als<br />
auch die der mit ihr verbundenen Unternehmen und Anstalten<br />
des öffentlichen Rechts liegt in der Sicherstellung<br />
eines öffentlich-rechtlichen Auftrags. Auch wenn die entscheidenden<br />
Akteure hier möglicherweise auch andere<br />
Ziele verfolgen, sind öffentliche Unternehmen in Möglichkeiten<br />
und Handlungsstrategien nur bedingt mit den<br />
Gewinnmaximierungszielen eines privatrechtlichen Konzernes<br />
vergleichbar. Der Einfluss öffentlich-rechtlicher<br />
Beteiligungen auf die Wettbewerbsbeschränkung stellt<br />
sich daher tendenziell als schwächer dar als im Falle der<br />
Privatwirtschaft. Vice versa muss jedoch ebenfalls festgestellt<br />
werden, dass ein solcher Einfluss auch nicht grundsätzlich<br />
ausgeschlossen werden kann. Die Monopolkommission<br />
hält es daher nicht für sinnvoll, zukünftig<br />
33 Vgl. Monopolkommission, Zusammenschlussvorhaben des Universitätsklinikums<br />
Greifswald mit der Kreiskrankenhaus Wolgast<br />
gGmbH, Sondergutachten 52, Baden-Baden 2008, Tz. 92.<br />
prinzipiell von einer konzernmäßigen Konsolidierung der<br />
Umsätze der öffentlichen Hand abzusehen. Der materiell<br />
anzustrebende Status einer Abschwächung des Gewichtes<br />
der Konzernbeziehungen bei Unternehmen der öffentlichen<br />
Hand ist jedoch ebenfalls nicht systematisch möglich.<br />
Würde man de lege ferenda annehmen, dass die Umsätze<br />
von über eine Gebietskörperschaft verbundenen<br />
Unternehmen in geringerem Maße berücksichtigt werden,<br />
so öffnete diese Maßnahme Gestaltungsspielräume zur<br />
Beeinflussung der kartellrechtlich relevanten Umsätze.<br />
Eine Möglichkeit zur Differenzierung läge darin, § 36<br />
Abs. 2 GWB dahingehend anzupassen, dass bei Unternehmen<br />
der öffentlichen Hand, die über eine öffentlichrechtliche<br />
Gebietskörperschaft verbunden sind, nur dann<br />
von einem Konzern auszugehen ist, wenn die Merkmale<br />
eines Konzerns gemäß § 18 Abs. 1 AktG erfüllt werden.<br />
Danach bilden ein herrschendes und ein oder mehrere abhängige<br />
Unternehmen einen Konzern, wenn diese unter<br />
einheitlicher Leitung des herrschenden Unternehmens zusammengefasst<br />
werden. 34 Die Prüfung einer solchen Vorschrift<br />
durch das Bundeskartellamt setzt daher im Ergebnis<br />
eine einheitliche Leitung und damit eine zumindest<br />
formlose Koordination der Geschäftspolitik voraus. Die<br />
Monopolkommission kann eine entsprechende Gesetzesanpassung<br />
dennoch nicht empfehlen, da die rechtlichen<br />
Voraussetzungen der Aufgreifkriterien durch die Zusammenschlussbeteiligten<br />
ohne große Schwierigkeiten zu<br />
ermitteln sein sollen. Die Einführung eines materiellen<br />
Prüfkriteriums auf Tatbestandsebene würde hingegen zusätzliche<br />
Rechtsunsicherheit erzeugen.<br />
2.2.1.2 Fallpraxis des Bundeskartellamtes für<br />
den Krankenhaussektor<br />
511. Im Zusammenschlussverfahren Universitätsklinikum<br />
Greifswald/Kreiskrankenhaus Wolgast 35 betrachtete<br />
das Bundeskartellamt das Uniklinikum, entgegen seiner<br />
eigenen Darstellung, als ein durch seinen Inhaber, das<br />
Land Mecklenburg-Vorpommern, alleine beherrschtes<br />
Unternehmen, dessen Umsätze somit aus allen sachlichen<br />
und räumlichen Tätigkeitsgebieten gemäß § 36 Abs. 2<br />
GWB zu berücksichtigen seien. Der Argumentation der<br />
Anmelderin, das Uniklinikum Greifswald sei eine sachlich<br />
und wirtschaftlich selbständige Anstalt des öffentlichen<br />
Rechts, folgte das Bundeskartellamt nicht. Das Land<br />
übe aufgrund seiner Trägerschaft gemäß § 17 AktG als<br />
Alleineigentümer in jedem Falle einen beherrschenden<br />
Einfluss aus. Eine wirtschaftliche Eigenständigkeit<br />
konnte das Klinikum nach Auffassung des Kartellamtes<br />
nicht nachweisen; vielmehr habe das Land weiterhin das<br />
Letztentscheidungsrecht über den Wirtschafts- und Stellenplan<br />
und könne durch seine Rechtssetzungs- und Satzungskompetenz<br />
die übertragenen Entscheidungskompetenzen<br />
jederzeit variieren. Demzufolge waren nach<br />
Ansicht des Bundeskartellamtes dem Erwerber alle Um-<br />
34 Zu einer solchen Auslegung der bestehenden Regelung vgl. KG Berlin,<br />
Beschluss vom 11. Januar 1993, Kart 26/92, WuW/E OLG 5151,<br />
5163.<br />
35 BKartA, Beschluss vom 11. Dezember 2006, B3 – 1002/06, WuW/E<br />
DE-V 1407.