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Deutscher Bundestag Unterrichtung

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<strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> – 16. Wahlperiode – 233 – Drucksache 16/10140<br />

2.2 Formellrechtliche Verfahrenstatbestände<br />

2.2.1 Allgemeine Umsatzschwelle und<br />

Verbundklausel<br />

506. § 35 GWB normiert im deutschen Fusionskontrollrecht,<br />

wann eine Transaktion anzumelden ist. Wichtigste<br />

Einflussgröße für den Umstand, ob das Bundeskartellamt<br />

die wettbewerblichen Wirkungen eines Falles zu prüfen<br />

hat, ist die Schwelle des gemeinsamen Umsatzes der beteiligten<br />

Unternehmen, der gemäß § 35 Abs. 1 Ziff. 1<br />

GWB den Betrag von 500 Mio. Euro überschreiten muss.<br />

Der ökonomisch-institutionelle Zweck der Festsetzung<br />

von Umsatzschwellen, die notwendige Bedingung der<br />

Kontrollpflicht von Fusionsvorhaben sind, bedarf einer<br />

näheren Bestimmung, da nicht unmittelbar einsichtig ist,<br />

dass Wettbewerbsbeschränkungen von Unternehmen mit<br />

einem Umsatz unterhalb der Schwellenwerte einen geringeren<br />

oder weniger schädlichen Einfluss auf Wettbewerbsprozesse<br />

haben. Die letzte Erhöhung der Aufgreifschwellen<br />

in der sechsten GWB Novelle wurde durch den<br />

Gesetzgeber unter anderem damit begründet, dass Kartellamt<br />

und Unternehmen auf diese Weise eine Entlastung<br />

erfahren. 32 Da den von der Allgemeinheit zu tragenden<br />

Kosten der Kartellbehörde sowohl eine Gebühr als auch<br />

eine gesamtwirtschaftliche Verbesserung im Hinblick auf<br />

die Verhinderung von wettbewerbsschädlicher Konzentration<br />

gegenübersteht, darf die gegenwärtige Personalstärke<br />

der Kartellbehörde nach Ansicht der Monopolkommission<br />

jedoch kein ökonomisches Argument für die<br />

Schwellenwerte darstellen. Vielmehr ist die Belastung<br />

von Staat und betroffenen Unternehmen durch die Transaktionskosten<br />

einer fusionskontrollrechtlichen Untersuchung<br />

mit den Kosten zu vergleichen, die der Volkswirtschaft bei<br />

einer schädlichen Beeinflussung der Wettbewerbsbedingungen<br />

entstehen. Das mögliche Schadensausmaß ergibt<br />

sich auch aus der Würdigung der Finanzkraft der beteiligten<br />

Unternehmen, die ein größerer Konzern als Akteur<br />

auf einem Markt aufbringen kann, um eine Verdrängungsstrategie<br />

gegen aktive wie potenzielle Konkurrenz<br />

umzusetzen. Gleichzeitig stellen die weitgehend fixen<br />

Transaktionskosten der Fusionskontrolle eine mit steigender<br />

Unternehmensgröße relativ sinkende Belastung dar.<br />

Vor diesem Hintergrund sind die angesetzten Umsatzschwellen<br />

ein Indikator für Unternehmensgröße. Sie sollen<br />

einen möglichst effizienten Punkt zum Ausgleich von<br />

Kosten und Nutzen einer fusionskontrollrechtlichen Untersuchung<br />

abbilden. Schwellenwerte sind daher als eine<br />

Heuristik zu verstehen. Sie sollen die Anwendung der Fusionskontrolle<br />

auf kritische Fälle begrenzen und gleichzeitig<br />

für die beteiligten Unternehmen im Voraus leicht zu<br />

ermitteln sein. Während sich der Ermittlungsaufwand dadurch<br />

reduzieren lässt, dass Umsatzschwellen ohne materiellrechtliche<br />

Marktdefinition und Marktanalyse auskommen,<br />

stellen einfach zu ermittelnde Schwellenwerte<br />

ein ökonomisch unscharfes Kriterium für das tatsächliche<br />

32 Vgl. Bundesregierung, Entwurf eines Sechsten Gesetzes zur Änderung<br />

des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen, <strong>Bundestag</strong>sdrucksache<br />

13/9720 vom 29. Januar 1998, S. 42.<br />

wettbewerbsökonomische Gewicht einer Fusion dar. Natürlich<br />

kann daher bei der Verwendung einer Heuristik,<br />

wie die Aufgreifschwellen sie darstellen, im Einzelfall<br />

auch eine Fusion nicht erfasst werden, die trotz Nichterfüllung<br />

des Aufgreifkriteriums sehr wohl wettbewerbsschädlich<br />

ist. Dieser Fehler („underenforcement“) wäre<br />

durch den Verzicht auf Aufgreifschwellen zu vermeiden.<br />

Aus Sicht der Monopolkommission stünden jedoch die<br />

dadurch zusätzlich verursachten Kosten der erhöhten<br />

Rechtsunsicherheit und die administrativen Kosten nicht<br />

im angemessenen Verhältnis zu dem dadurch induzierten<br />

Nutzenzuwachs. Alternativ könnte dem Bundeskartellamt<br />

bei Fusionen unterhalb der Aufgreifschwellen ein Aufgreifermessen<br />

eingeräumt werden. Auch dies hält die<br />

Monopolkommission jedoch nicht für zweckmäßig, da<br />

die Nachteile (administrative Kosten und zusätzliche<br />

Rechtsunsicherheit) die Vorteile überwiegen würden.<br />

507. Die Verbundklausel des § 36 Abs. 2 Satz 1 GWB<br />

stellt eine wesentliche Prämisse der Aufgreifschwellen<br />

der Zusammenschlusskontrolle dar, da sie eine Addition<br />

aller Umsätze aus Konzernbeziehungen bewirkt. Sie unterscheidet<br />

bei der Zurechnung von Umsätzen verschiedener<br />

Tochtergesellschaften eines Konzerns nicht zwischen<br />

branchenfremden und brancheneigenen Umsätzen.<br />

Eine solche Unterscheidung ist auch deshalb nicht zweckmäßig,<br />

da sie das größere Finanzpotenzial ignorieren<br />

würde, welches ein Mischkonzern durch branchenfremde<br />

Beteiligungen aufweist. Auch würde ein in mehreren<br />

Branchen tätiges Mehrproduktunternehmen benachteiligt,<br />

wenn es in Vergleich zu einem Unternehmen gestellt<br />

wird, das Teil einer diversifizierten Holding ist. Nicht<br />

zuletzt würde eine Unterscheidung schwerwiegende praktische<br />

Probleme bei der Operationalisierung einer getrennten<br />

Zurechnung hervorrufen. Bei der Prüfung der<br />

formellen Untersagungsvoraussetzungen besteht die<br />

praktische Relevanz der Verbundklausel zum einen darin,<br />

dass ein Zusammenschluss verbundener Unternehmen<br />

nicht kontrollpflichtig wird, da er dem Gesetz folgend nur<br />

eine Verschiebung von Unternehmensteilen innerhalb eines<br />

Konzernverbundes darstellt. Zum anderen haben verbundene<br />

Unternehmen einen verstärkenden Einfluss auf<br />

das Erreichen der Aufgreifschwellen des § 36 Abs. 1<br />

Ziff. 1 GWB und die davon zentral abhängige Kontrollpflicht,<br />

da die zurechenbaren Umsätze der beteiligten<br />

Konzernunternehmen größer ausfallen. Um das Gewicht<br />

der Wettbewerbsbeschränkung heuristisch zu ermitteln,<br />

könnte auch gleich nur auf die Umsätze aus den relevanten<br />

Märkten abgestellt werden. Dies jedoch widerspricht<br />

dem Sinn einer einfachen Regel, da das Bundeskartellamt<br />

dann schon vor dem Aufgreifen eines Fusionsvorhabens<br />

eine Marktdefinition vornehmen müsste. Der ökonomische<br />

Sinn der Aufgreifschwellen liegt gerade auch darin,<br />

dass diese eine einfache Regel darstellen, die ein hohes<br />

Maß an Rechtssicherheit beinhaltet.<br />

2.2.1.1 Keine Sonderrolle bei Beteiligung von<br />

Unternehmen der öffentlichen Hand<br />

508. Zusammenschlüsse unter Beteiligung von Unternehmen,<br />

die ganz oder teilweise im Eigentum der öffentlichen<br />

Hand stehen oder die von ihr verwaltet oder betrie-

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