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Deutscher Bundestag Unterrichtung

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<strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> – 16. Wahlperiode – 229 – Drucksache 16/10140<br />

§ 19 Abs. 4 Nr. 2 GWB und einen Verstoß gegen<br />

Artikel 82 EGV. Das Unternehmen RWE ist Normadressat<br />

des Missbrauchsverbots, weil es gemeinsam mit E.ON<br />

eine marktbeherrschende Stellung im Sinne von § 19<br />

Abs. 2 GWB besitzt. 26 RWE ist dabei der größte CO 2-<br />

Emittent auf dem deutschen Strommarkt und versorgt<br />

einen deutlich höheren Anteil an Industriekunden als<br />

E.ON.<br />

496. Das Amt geht davon aus, dass die von RWE geforderten<br />

Industriepreise in 2005 missbräuchlich waren, weil<br />

in den Preisen die Opportunitätskosten aus den unentgeltlich<br />

zugeteilten CO 2-Zertifikaten einkalkuliert wurden.<br />

Beanstandet wird dabei die Überwälzung von mehr als<br />

25 Prozent der Opportunitätskosten. Das Bundeskartellamt<br />

stützt seine Argumentation auf die Erkenntnis, dass<br />

Opportunitätskosten im Prinzip in die betriebsinterne<br />

Kalkulation einfließen. Gleichwohl habe die kartellrechtliche<br />

Prüfung ergeben, dass die durchgesetzten Strompreise,<br />

bezogen auf den CO 2-Zertifikatehandel, in erheblichem<br />

Maß als missbräuchlich zu bezeichnen seien.<br />

Nach Auffassung des Kartellamtes weichen die von RWE<br />

geforderten Preise von solchen ab, die sich bei wirksamem<br />

Wettbewerb gebildet hätten. Zudem handele es sich<br />

bei den unentgeltlich zugeteilten CO 2-Zertifikaten nur in<br />

geringem Umfang tatsächlich um echte Opportunitätskosten,<br />

da selbst für die zum Einsatz kommenden Grenzkraftwerke<br />

kaum alternative Verwendungsmöglichkeiten<br />

für die CO 2-Zertifikate vorgelegen hätten.<br />

497. Das Verfahren wurde eingestellt, weil RWE Zusagen<br />

machte, die das Bundeskartellamt als geeignet ansah,<br />

um die in der Abmahnung geäußerten Bedenken des Amtes<br />

auszuräumen. Mit der Einstellung des Verfahrens verzichtet<br />

das Bundeskartellamt darauf, die Preisgestaltung<br />

von RWE hinsichtlich des Gesichtspunktes der Überwälzung<br />

von Opportunitätskosten, die unter Berufung auf unentgeltliche<br />

CO 2-Zertifikatszuteilung geltend gemacht<br />

werden, bis Ende 2012 kartellrechtlich zu verfolgen. Bisher<br />

hat sich das Bundeskartellamt mit der Preisgestaltung<br />

von RWE befasst. Im laufenden Verfahren gegen E.ON<br />

werden noch Gespräche geführt.<br />

498. Die Monopolkommission begrüßt prinzipiell die<br />

Anstrengungen des Bundeskartellamtes, einem möglichen<br />

missbräuchlichen Verhalten des marktmächtigen<br />

Duopols aus E.ON und RWE nachzugehen. Auch sie ist<br />

– wie im aktuellen Sondergutachten zur Energiewirtschaft<br />

erörtert – der Auffassung, dass der Stromgroßhandelsmarkt<br />

nicht durch wirksamen Wettbewerb gekennzeichnet<br />

ist. 27 Ein überhöhtes Preisniveau lässt sich<br />

jedoch nicht anhand der Einpreisung der CO 2-Zertifikate<br />

nachweisen. Die Einpreisung der Zertifikate ist aus ökonomischer<br />

Sicht nicht nur möglich, sondern für die Funktionsfähigkeit<br />

des CO 2-Zertifikatehandels auch zwingend<br />

notwendig. Die Strompreisbildung folgt den ökonomischen<br />

Grundregeln des Grenzkostenprinzips und der Op-<br />

26 Vgl. dazu auch OLG Düsseldorf, Beschluss vom 6. Juni 2007, VI-2<br />

Kart 7/04 (V), WuW/E DE-R 2093, 2095 „E.ON/Eschwege“.<br />

27 Vgl. Monopolkommission, Sondergutachten 49, a. a. O., Tz. 224.<br />

portunitätskosten. Die Grenzkosten sind die Kosten, die<br />

bei der Erzeugung einer zusätzlichen Einheit Strom entstehen.<br />

Da Mengenschwankungen im Stromverbrauch in<br />

der Regel über eine schwankende Auslastung bzw. das<br />

Zu- und Abschalten von Kraftwerken ausgeglichen werden,<br />

wird die letzte Einheit Strom fast ausschließlich in<br />

Gas- oder Kohlekraftwerken, die einen hohen CO 2-Ausstoß<br />

haben, produziert (Merit Order). Die für die Produktion<br />

von Strom benötigte Menge an Zertifikaten kauft ein<br />

stromerzeugendes Unternehmen entweder am Markt für<br />

CO 2-Zertifikate oder es verwendet die ihm kostenlos zugeteilten<br />

Zertifikate. Im ersten Fall steigen die Grenzkosten<br />

der Produktion einer Einheit Strom um den Kaufpreis<br />

der Zertifikate. Im zweiten Fall entstehen dem Unternehmen<br />

Opportunitätskosten in Höhe der entgangenen Einnahmen<br />

für den Verkauf der Zertifikate. Da der für die<br />

Höhe der Kosten relevante Preis für die Zertifikate in beiden<br />

Fällen identisch ist, entsprechen die im zweiten Fall<br />

entstehenden Opportunitätskosten in ihrer Höhe genau<br />

den ansonsten tatsächlich entstandenen Kosten. Die Kosten<br />

der zusätzlichen Produktion steigen entsprechend<br />

ebenfalls um den Kaufpreis für die benötigten Zertifikate.<br />

Dieses gilt unabhängig davon, ob der Anbieter die Zertifikate<br />

im Emissionshandel erworben oder kostenlos zugeteilt<br />

bekommen hat. Der Anstieg der Grenzkosten schlägt<br />

sich bei gleichbleibender Nachfrage wiederum in einer<br />

entsprechenden Erhöhung des Strompreises nieder. Diese<br />

Preiserhöhung ist nicht missbräuchlich. Vielmehr ist sie<br />

auf eine Erhöhung der Grenzkosten im Rahmen der Merit<br />

Order zurückzuführen. Daher ist nicht einsichtig, warum<br />

lediglich 25 Prozent der Opportunitätskosten eingepreist<br />

werden sollten.<br />

499. Missbräuchlich sind Preise nach § 19 Abs. 4 Nr. 2<br />

GWB dann, wenn sie von denjenigen abweichen, die sich<br />

in einem wirksamen Wettbewerb eingestellt hätten. Die<br />

Monopolkommission geht davon aus, dass sich gerade<br />

bei einem wirksamem Wettbewerb die Erhöhung der<br />

Grenzkosten im Strompreis niederschlägt. Würde ein Unternehmen<br />

auf die Einpreisung der kostenlos zugeteilten<br />

Zertifikate verzichten, würde es beim Verkauf einer identischen<br />

Menge Strom weniger verdienen als seine Wettbewerber.<br />

Die Nachfrage nach dem Strom dieses einen<br />

Unternehmens würde ansteigen. Befriedigen könnte es<br />

die Nachfrage aber nur, wenn es mehr produziert, wozu<br />

wiederum der Erwerb zusätzlicher Zertifikate, die über<br />

die Menge der kostenlos zugeteilten hinaus geht, erforderlich<br />

wird. Um diese Zertifikate dann wiederum bezahlen<br />

zu können, steigt der Strompreis. Als Reaktion darauf<br />

würde die Nachfrage sinken und die zusätzliche Produktion<br />

obsolet. Der Verzicht auf eine Einpreisung kostenlos<br />

zugeteilter Zertifikate ist demnach betriebswirtschaftlich<br />

nicht sinnvoll. Der Auffassung des Bundeskartellamtes,<br />

dass die Einpreisung ein Indikator für Marktmacht ist,<br />

kann nicht zugestimmt werden. Die klassische Oligopoltheorie<br />

zeigt vielmehr, dass Marktmacht typischerweise<br />

zu weniger Einpreisung führt als vollkommener<br />

Wettbewerb. Diese Aussage gilt unabhängig davon, dass<br />

das Preisniveau im Oligopol in aller Regel höher ist als<br />

bei funktionsfähigem Wettbewerb. Der Vergleich mit<br />

wirksamem Wettbewerb zeigt, dass unter den gegebenen

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