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Deutscher Bundestag Unterrichtung

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Drucksache 16/10140 – 228 – <strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> – 16. Wahlperiode<br />

nopolkommission ausgeführt, hat das Bundeskartellamt<br />

gegen 15 Unternehmen der Ferngasebene Verfahren wegen<br />

des Verdachts des Missbrauchs einer marktbeherrschenden<br />

Stellung eingeleitet. 23 Die Verfahren richten<br />

sich gegen die Praxis langfristiger Gaslieferverträge, die<br />

die Ferngasunternehmen mit den Weiterverteilunternehmen<br />

abgeschlossen haben. Aufgrund ihrer Kombination<br />

von langfristiger Lieferbindung und hoher Vertriebsbedarfsdeckung<br />

verschließen sie auf Dauer die Märkte für<br />

neue Markteilnehmer. Eine einvernehmliche Lösung zwischen<br />

dem Kartellamt und den Ferngasunternehmen<br />

scheiterte im Herbst 2005 am Widerstand von E.ON<br />

Ruhrgas. Daraufhin erließ das Kartellamt im Januar 2006<br />

eine Untersagungsverfügung mit der Begründung, dass<br />

die fraglichen Verträge gegen § 1 GWB sowie Artikel 81<br />

und Artikel 82 EGV verstoßen würden. E.ON Ruhrgas<br />

wurde aufgefordert, diesen Verstoß spätestens mit Ablauf<br />

des Gaswirtschaftsjahres 2005/2006 abzustellen. Die Verfügung<br />

sah zudem unter anderem für einen Zeitraum von<br />

vier Jahren vor, dass Verträge eine Laufzeit von vier Jahren<br />

nicht überschreiten dürfen, wenn sie über 50 bis<br />

80 Prozent des gesamten Bedarfs decken. Bei einer Bedarfsdeckung<br />

über 80 Prozent (Quasigesamtbedarfsdeckung)<br />

ist eine maximale Laufzeit von bis zu zwei Jahren<br />

vorgesehen.<br />

491. Das Oberlandesgericht Düsseldorf hat die Position<br />

des Bundeskartellamtes bestätigt. 24 Die Verfahren gegen<br />

weitere Ferngasunternehmen konnten abgeschlossen werden,<br />

nachdem diese im Rahmen von Verpflichtungszusagen<br />

gemäß § 32b GWB ihren Vertragsbestand kartellrechtskonform<br />

angepasst und sich verpflichtet hatten,<br />

auch bei der künftigen Vertragsgestaltung nur kartellrechtskonforme<br />

Verträge abzuschließen.<br />

492. Die Monopolkommission begrüßt die Entscheidung<br />

des Bundeskartellamtes und den Beschluss des<br />

Oberlandesgerichtes. Langfristige Gaslieferverträge mit<br />

Quasigesamtbedarfsdeckung stellen ein erhebliches Wettbewerbshindernis<br />

auf dem Gasmarkt dar und unterbinden<br />

den Zutritt neuer Wettbewerber. Sie haben damit das<br />

Potenzial, die mit der Liberalisierung des Gassektors einhergehende<br />

Wettbewerbszielsetzung zu unterlaufen. Ihre<br />

Untersagung stellt daher ein wirksames Instrument der<br />

Wettbewerbsförderung dar.<br />

493. Es stellt sich allerdings die Frage, ob die Wettbewerbsförderung<br />

durch ein Entgegenwirken gegen die<br />

Marktverschlusswirkung hier in einem Zielkonflikt zu<br />

den Wirkungen auf die Anreizstruktur der Ferngasunternehmen<br />

steht. Der Abschluss von langfristigen Gaslieferverträgen<br />

ermöglicht es den Unternehmen, ihre spezifischen<br />

und kapitalintensiven Investitionen abzusichern.<br />

Sie neutralisieren ihr eigenes Risiko, welches aus dem<br />

23 Vgl. Monopolkommission, Mehr Wettbewerb auch im Dienstleistungssektor!,<br />

Hauptgutachten 2004/2005, Baden-Baden 2006,<br />

Tz. 413 ff.; dies., Strom und Gas 2007: Wettbewerbsdefizite und zögerliche<br />

Regulierung, Sondergutachten 49, Baden-Baden 2008,<br />

Tz. 555 ff.<br />

24 OLG Düsseldorf, Beschluss vom 4. Oktober 2007, VI-2 Kart 1/06 (V).<br />

Abschluss von langfristigen, auf der Basis von take-orpay<br />

geschlossenen Verträgen mit den Gasfördergesellschaften<br />

resultiert, durch den spiegelbildlichen Abschluss<br />

von langfristigen Verträgen mit den Weiterverteilern.<br />

Doch auch weiterhin besteht die Möglichkeit, dass<br />

langfristige Verträge abgeschlossen werden, wenn die<br />

gehandelten Mengen kumulativ unter 50 bis 80 Prozent<br />

der Gesamtbedarfsmenge bleiben. Es wird folglich ein<br />

Anreiz gesetzt, mehr langfristige Verträge mit geringeren<br />

Volumina abzuschließen. Im Rahmen der Vertragsverhandlungen<br />

kommen mehr potenzielle Vertragspartner<br />

zusammen, als dieses zuvor der Fall war. Die Unternehmen<br />

können damit ihre Investitionen weiterhin absichern.<br />

Die Verträge entfalten zwar ebenso eine marktverschließende<br />

Wirkung, dennoch gehen von ihnen auch<br />

positive Effekte aus, die zu begrüßen sind. Ein weiteres<br />

Absenken der Schwelle würde diesen Effekt sicherlich<br />

noch verstärken.<br />

494. Das Bundeskartellamt befristet seine Untersagung<br />

bis zum 30. September 2010. Dadurch entstehen bis zu<br />

zwei mögliche Termine, an denen Gasliefermengen im<br />

Wettbewerb neu vergeben werden können. 25 Die Unternehmen<br />

sind gezwungen, neue Verträge zum 30. September<br />

2006 abzuschließen, um der Verpflichtung durch das<br />

Bundeskartellamt nachzukommen. Im Falle der höchstzulässigen<br />

prozentualen Bedarfsdeckung ist ein Vertragszeitraum<br />

von zwei Jahren vorgesehen. Dies würde bedeuteten,<br />

dass zum 30. September 2008 die zunächst<br />

geschlossenen Verträge auslaufen und die Unternehmen<br />

neue Verträge aushandeln müssten. Würde es sich wiederum<br />

um Zweijahresverträge handeln, fällt der Ablauf<br />

des Vertrages mit der Befristung der Untersagung durch<br />

das Kartellamt zusammen. Das Vorgehen des Bundeskartellamtes<br />

entspricht dem § 32 Abs. 2 GWB, der eine Verhältnismäßigkeit<br />

zwischen Verstoß gegen Wettbewerbsrecht<br />

und wirksamer Abstellung der Zuwiderhandlung<br />

festschreibt. Die Monopolkommission rät, dass das Bundeskartellamt<br />

nach Ablauf der Frist sehr sorgfältig prüft,<br />

ob der Abschluss langfristiger Gaslieferverträge vor dem<br />

Hintergrund der dann gültigen Marktsituation als wettbewerbswidrig<br />

einzustufen ist.<br />

1.6.2 Einpreisung von CO 2-Zertifikaten<br />

495. Nach ersten Untersuchungen hatte das Bundeskartellamt<br />

bereits im Herbst 2005 ein Missbrauchsverfahren<br />

gegen die beiden Unternehmen E.ON und RWE eingeleitet.<br />

Den Unternehmen wurde vorgeworfen, die Einführung<br />

des CO 2-Zertifikatehandels dazu zu nutzen, ihre Industriestrompreise<br />

anzuheben. Nach Anhörungen und<br />

weiteren Ermittlungen hat die Wettbewerbsbehörde das<br />

Verbundunternehmen RWE im Dezember 2006 abgemahnt.<br />

Das Bundeskartellamt sieht in der Einpreisung der<br />

unentgeltlich ausgegebenen CO 2-Zertifikate einen<br />

Missbrauch im Sinne von § 19 Abs. 1 in Verbindung mit<br />

25 BKartA, Beschluss vom 13. Januar 2006, B8 – 113/03, WuW/E DE-V<br />

1147, 1162 „E.ON/Ruhrgas“.

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