Deutscher Bundestag Unterrichtung
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<strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> – 16. Wahlperiode – 225 – Drucksache 16/10140<br />
482. Die Unterschreitung der Einstandspreise lag bei einem<br />
Produkt bei knapp 40 Prozent, bei weiteren Produkten<br />
zwischen 3 und 17 Prozent. Das Bundeskartellamt<br />
stellt fest, dass auch bei geringen Unterschreitungen der<br />
Einstandspreise von 1 ct ein Verstoß gegen das Untereinstandspreisverbot<br />
vorliegt. Der verfahrensbevollmächtigte<br />
EDEKA-Verband bestreitet nicht, Untereinstandspreise<br />
genommen zu haben. Strittig war allerdings, ob das<br />
Vorgehen zu ahnden ist, da es sich um wechselnde Produkte<br />
handelte, die innerhalb von zehn Wochen in fünf<br />
Wochen unter dem Einstandspreis verkauft wurden. Das<br />
Bundeskartellamt stellt klar, dass es sich damit nicht um<br />
ein nur gelegentliches Angebot handelt. Nach Auffassung<br />
des Amtes und entsprechend seiner Bekanntmachung<br />
Nr. 124/2003 komme es bei der Auslegung der Tatbestandsmerkmale<br />
nicht darauf an, dass stets dasselbe Produkt<br />
nicht nur gelegentlich angeboten würde. Vielmehr<br />
sei das gesamte Sortiment gemeint, da die Regelung darauf<br />
abziele, eine bestimmte Unternehmensstrategie zu<br />
verhindern. Aus diesem Grunde sei relevant, dass Angebote<br />
im gleichen räumlich relevanten Markt für drei oder<br />
mehr Wochen innerhalb eines halben Jahres nicht auf<br />
oder über dem Einstandspreis liegen, da das Angebot der<br />
Marke sonst als besonders günstig wahrgenommen würde<br />
und Wettbewerber verdrängt würden.<br />
483. Durch die Änderung des § 20 Abs. 4 GWB im<br />
Zuge des „Gesetzes zur Bekämpfung von Preismissbrauch<br />
im Bereich der Energieversorgung und des<br />
Lebensmittelhandels“ ist die Beschränkung auf gelegentliche<br />
Angebote unter dem Einstandspreis im Lebensmittelhandel<br />
weggefallen. Damit wurde das Untereinstandspreisverbot<br />
weiter verschärft. Die Monopolkommission<br />
hat sich in einem Sondergutachten bereits kritisch mit der<br />
Gesetzesänderung auseinandergesetzt. 16 Marktmächtige<br />
Einzelhandelsketten im Sinne der Norm sind gerade im<br />
Lebensmittelsektor einem starken Preiswettbewerb ausgesetzt.<br />
Untereinstandspreise stellen daher kein Mittel gegen<br />
kleinere und mittlere Wettbewerber dar, sondern zeigen<br />
sich lediglich als ein Marketinginstrument gegenüber<br />
direkten, ähnlich großen Wettbewerbern. Eine solche<br />
Eckpreisstrategie ist daher – generell wie auch am Beispiel<br />
des Lebensmitteleinzelhandels – als ein Wettbewerbsparameter<br />
zu sehen, der Nutzen stiftet, indem er die<br />
Wettbewerbsintensität erhöht und auf diese Weise Freiheitsgrade<br />
für den Kunden schafft und Monopolrenten reduziert.<br />
Im Sinne eines Behinderungsmissbrauchs können<br />
Untereinstandspreise aber auch geeignet sein, Wettbewerber<br />
aus dem Markt zu drängen, um im Anschluss Preissetzungsspielräume<br />
zu erzeugen. Im Einzelhandel sind<br />
Untereinstandspreise als gezielte Verdrängungsstrategie<br />
jedoch nur begrenzt wirksam, da in den meisten Fällen<br />
aufgrund geringer Marktzutrittsbarrieren der Eintritt<br />
neuer Wettbewerber erfolgen wird. Im Verhältnis zu kleineren<br />
Wettbewerbern ist daher nicht allein auf den Preiswettbewerb<br />
abzustellen. Große Marktakteure sind auch<br />
ohne das Untereinstandspreisverbot, insbesondere auf-<br />
16 Vgl. Monopolkommission, Preiskontrollen in Energiewirtschaft und<br />
Handel? Zur Novellierung des GWB, Sondergutachten 47, Baden-<br />
Baden 2007.<br />
grund ihrer überlegenen Einkaufsmacht, häufig in der<br />
Lage, deutlich günstigere Preise zu setzen als kleine und<br />
mittlere Wettbewerber. Letztere scheiden somit vor allem<br />
dann aus dem Markt aus, wenn sie es nicht schaffen,<br />
durch andere Wettbewerbsparameter wie Nähe, Service<br />
und Beratung den Preisfaktor zu kompensieren. Eine<br />
Auslegung von Angeboten unter Einstandspreis als missbräuchlich<br />
ist daher aus ordnungspolitischer Sicht nicht<br />
generalisierend möglich. Demzufolge lehnt die Monopolkommission<br />
das Per-se-Verbot, Untereinstandspreise zu<br />
setzen, ab.<br />
484. Die durch den Gesetzgeber intendierte Zielsetzung,<br />
vor allem kleinere und mittlere Wettbewerber zu<br />
schützen, ist auch im Hinblick auf die bestehende Fallpraxis<br />
des Bundeskartellamtes zweifelhaft. Im den Fall<br />
Rossmann betreffenden Drogerieartikelmarkt existieren<br />
mehrere große Wettbewerbsketten, denen inhabergeführte<br />
Drogerien gegenüberstehen. Angesichts niedriger Preise<br />
der Drogeriemarktketten hat sich ein Teil dieser Drogerien<br />
bereits auf Parfümerieartikel oder Reformhausartikel<br />
spezialisiert. Schätzungsweise 400 bis 500 Drogerien bieten<br />
ein breites Sortiment an, welches die typischerweise<br />
in einem Drogeriemarkt angebotenen Waren abdeckt. 17<br />
Diesen Händlern stehen mehr als 11 000 Schlecker-<br />
Märkte, etwa 1 100 Rossmann-Filialen, mehr als 900 dm-<br />
Drogeriemärkte und über 400 Filialen der Drogeriemarktkette<br />
Müller gegenüber. Der Wettbewerb zwischen einer<br />
Drogerie und ihrem nächstliegenden Wettbewerber ist daher<br />
vielmals durch die Konkurrenz zweier Drogeriemarktketten<br />
gekennzeichnet. Deren Filialen sind von der<br />
Schutzwirkung des Untereinstandspreisverbotes somit<br />
deutlich stärker begünstigt als die eigentlich intendierten<br />
kleineren Wettbewerber.<br />
1.5 Verstoß gegen das Boykottverbot auf<br />
dem regulierten Glücksspielmarkt<br />
485. Gegenstand eines Missbrauchs- und Kartellverfahrens<br />
waren die Lotteriegesellschaften der deutschen Bundesländer,<br />
die im Deutschen Lotto- und Totoblock gemeinsam<br />
organisiert sind. 18 Neben einem Verstoß gegen<br />
das Kartellverbot wurde den Beteiligten auch der Missbrauch<br />
von Marktmacht durch Verstoß gegen das Boykottverbot<br />
des § 21 GWB und gegen das Missbrauchsverbot<br />
des Artikel 82 EGV vorgeworfen. Das Verfahren<br />
wurde im August 2006 mit einer Untersagungsverfügung<br />
abgeschlossen.<br />
486. In Deutschland ist die Veranstaltung von Lotterien<br />
und Wettbetrieben durch private Anbieter nur stark eingeschränkt<br />
möglich. Die Aufgabe, ein ausreichendes<br />
Glücksspielangebot sicherzustellen, wird daher durch die<br />
Bundesländer wahrgenommen. Der am 1. Juli 2004 in<br />
Kraft getretene Lotteriestaatsvertrag regelte bis Ende<br />
2007 zu diesem Zweck die ordnungspolitischen Rahmenbedingungen<br />
des Glücksspielwesens. Der Vertrag schrieb<br />
ein striktes Regionalitätsprinzip in § 5 Abs. 3 Lotterie-<br />
17 BKartA, Beschluss vom 6. Februar 2007, B9 – 167/05, S. 12.<br />
18 BKartA, Beschluss vom 23. August 2006, B10 – 148/05, WuW/E<br />
DE-V 1251.