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Deutscher Bundestag Unterrichtung

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Drucksache 16/10140 – 224 – <strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> – 16. Wahlperiode<br />

sowohl bei der Berechnung der Nettoeinstandspreise als<br />

auch bei der Abwägung einer sachlichen Rechtfertigung.<br />

Die Berücksichtigung der Interessen von Handelsunternehmen<br />

an einer Verkaufsförderung bestimmter Produkte<br />

durch produktbezogene Boni und Ähnliches könne zwar<br />

im Rahmen einer Interessenabwägung berücksichtigt<br />

werden; in diesem Falle aber bedürfe es einer Vorgabe der<br />

Hersteller, dass die Werbekostenzuschüsse auch tatsächlich<br />

für die Bewerbung konkreter Produkte einzusetzen<br />

seien. Da eine solche Vorgabe in den Jahresvereinbarungen<br />

nicht enthalten sei, akzeptierte das Bundeskartellamt<br />

die Zurechnung der Werbekostenzuschüsse zu einzelnen<br />

Produkten nicht.<br />

479. Die Monopolkommission ist der Ansicht, dass die<br />

Berechnung des Nettoeinstandspreises in diesem Fall beispielhaft<br />

für die generellen Probleme bei der Operationalisierung<br />

des Untereinstandspreisverbotes steht. Die<br />

Berechnung des Nettoeinstandspreises anhand von Rechnungspreisen<br />

ist nicht ohne weiteres möglich, da gewährte<br />

Rabatte ein ähnliches Zuordnungsproblem aufweisen,<br />

wie die Zurechnung von Gemeinkosten zu verschiedenen<br />

Kostenträgern in der betriebswirtschaftlichen<br />

Kostenrechnung. Dementsprechend muss hier zwischen<br />

einer Auslegung der Vorschrift abgewogen werden, welche<br />

deren Durchsetzbarkeit überhaupt gestattet, und einer<br />

Anwendung, welche dem konkreten Einzelfall gerecht<br />

wird.<br />

480. Nach Meinung der Monopolkommission ist nicht<br />

von der Hand zu weisen, dass auch solche Werbekostenzuschüsse,<br />

die auf den Umsatz berechnet werden, den<br />

Nutzenanteil der Hersteller an der Verkaufsförderung bestimmter<br />

Produkte widerspiegeln. Der Werbekostenzuschuss<br />

bzw. dessen Höhe setzt sich von Herstellerseite<br />

aus zwei Bestandteilen zusammen, wozu erstens der erwartete<br />

erhöhte Absatz für die beworbenen Produkte und<br />

zweitens der erwartete dadurch ebenfalls gesteigerte Absatz<br />

der Marke oder Produktserie zu zählen sind. Aufseiten<br />

des Händlers dient der Werbekostenzuschuss der Refinanzierung<br />

sowohl der Werbemaßnahme als auch des<br />

günstigeren Angebotspreises für die beworbenen Produkte.<br />

Eine exakte Zurechnung der wertmäßigen Anteile<br />

des Werbekostenzuschusses zu beworbenen und nicht beworbenen<br />

Produkten ist jedoch mangels exakter Quantifizierbarkeit<br />

unmöglich. Dies führt zu einer Situation, in<br />

der zwischen grundsätzlich suboptimalen Möglichkeiten<br />

der generellen Zurechnung und Nichtzurechnung zu einzelnen<br />

Produkten zu entscheiden ist. Auf der einen Seite<br />

schränkt die sachliche Zurechnung der Werbekostenzuschüsse<br />

zu einzelnen Produkten die Durchsetzbarkeit des<br />

§ 20 Abs. 4 GWB erheblich ein, da auf diese Weise Gestaltungsspielräume<br />

für die Berechnung der Einstandspreise<br />

geschaffen werden. Die Nichtzurechnung schafft<br />

hingegen die Problematik einer den Zweck der Norm<br />

eventuell überschreitenden Eingriffsintensität. Die Frage,<br />

welcher Verfahrensweise hier sachlich gefolgt werden<br />

sollte, ist daher nicht eindeutig zu beantworten. In Anbetracht<br />

diesen Abwägungserfordernisses hält es die Monopolkommission<br />

für geboten, in einer freien Gesellschaft<br />

dem Betroffenen die Entscheidung zuzubilligen, wie ein<br />

solcher, ihm gewährter Rabatt sachlich zugerechnet werden<br />

muss.<br />

Vor dem Hintergrund dieser Problematik ist die Anwendungspraxis<br />

des Bundeskartellamtes zu beurteilen. Das<br />

Amt unterscheidet zwischen der Berechnung der Nettoeinstandspreise,<br />

bei der alle Konditionen ungeachtet jeglicher<br />

Zweckbindungen nach ihrem prozentualen Umsatzanteil<br />

auf die bezogenen Produkte aufgeteilt werden,<br />

und der anschließenden sachlichen Rechtfertigung, welche<br />

fakultativ auch die Zuordnung der Rabatte zu einzelnen<br />

Produkten berücksichtigt. Ermöglicht die Kartellbehörde<br />

allerdings die grundsätzliche Anrechnung des<br />

Werbekostenzuschusses auf bestimmte Produkte im Rahmen<br />

der sachlichen Rechtfertigung, so sollte diese auch<br />

dann erfolgen, wenn die zu bewerbenden Produkte nicht<br />

konkret in den Jahresvereinbarungen mit den Lieferanten<br />

festgelegt sind. Zwar wird der Rabatt auf alle Produkte eines<br />

Lieferanten umgelegt und nicht ausschließlich auf die<br />

beworbenen Artikel. Darüber hinaus werden auch die zu<br />

bewerbenden Produkte nicht im Detail in der Jahresvereinbarung<br />

aufgeführt, sondern es werden lediglich im<br />

groben Umfang Niveau und Rahmen etwaiger Werbemaßnahmen<br />

abgesteckt und damit dem Händler Freiräume<br />

für die Umsetzung der Werbemaßnahmen für bestimmte<br />

Artikel gelassen. Dennoch ist davon auszugehen,<br />

dass die Auswahl der beworbenen Produkte durch den<br />

Händler den gleichen Zweck erfüllt wie die Festlegung<br />

bestimmter zu bewerbender Artikel in den Jahresvereinbarungen.<br />

Im Verständnis eines selbstdurchsetzenden<br />

Vertrages kann der Hersteller davon ausgehen, dass der<br />

Händler auch solche Produkte bewirbt, an denen auch der<br />

Hersteller ein Interesse hat, da andernfalls die Vereinbarung<br />

in Zukunft gekündigt würde. Insofern wäre es unter<br />

dieser Voraussetzung sachlich gerechtfertigt, den Werbekostenzuschuss<br />

auf die beworbenen Produkte umzulegen.<br />

481. Ein weiteres Verfahren in Bezug auf das Untereinstandspreisverbot<br />

wurde im Oktober 2007 gegen die<br />

Netto Marken-Discount GmbH & Co oHG abgeschlossen.<br />

15 Das Tochterunternehmen der EDEKA-Gruppe ist<br />

überwiegend im Süden und Osten Deutschlands im Lebensmitteleinzelhandel<br />

tätig und betreibt dort etwa<br />

1 200 Filialen. Das beanstandete Verhalten betraf das Angebot<br />

von weniger als 20 Milchprodukten, die in bestimmten<br />

Zeiträumen des Jahres 2006 und 2007 unter<br />

Einstandspreis angeboten wurden. Die Netto Marken-<br />

Discount ist Normadressat des § 20 Abs. 4 GWB, da sie<br />

gemeinsam mit der Konzernmutter EDEKA über mehrere<br />

Tausend Filialen im ganzen Bundesgebiet verfügt. Das<br />

Bundeskartellamt weist darauf hin, dass der Tatbestand<br />

„kleine und mittlere Unternehmen“ relativ zu sehen ist.<br />

Im Gegensatz zum Gesamtumsatz der EDEKA-Gruppe<br />

sieht das Amt daher Unternehmen mit einem Jahresumsatz<br />

unter 100 Mio. Euro bereits als „kleine und mittlere<br />

Unternehmen“ an, denen EDEKA auch aufgrund der Finanzkraft<br />

und Sortimentsbreite überlegen ist.<br />

15 BKartA, Beschluss vom 25. Oktober 2007, B9 – 77/07, WuW/E DE-V<br />

1481.

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