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Deutscher Bundestag Unterrichtung

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<strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> – 16. Wahlperiode – 223 – Drucksache 16/10140<br />

gesetzt. Am 22. Dezember 2007 ist zudem das „Gesetz<br />

zur Bekämpfung von Preismissbrauch im Bereich der<br />

Energieversorgung und des Lebensmittelhandels“ in<br />

Kraft getreten, durch dass sich das Verbot des Angebotes<br />

unter Einstandspreis bei Lebensmitteln weiter verschärft.<br />

11 Der geänderte § 20 Abs. 4 GWB enthält nun ein<br />

Regelbeispiel, in welchem für Lebensmittel im Sinne des<br />

§ 2 Abs. 2 des Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuches<br />

nun auch das gelegentliche Angebot unter Einstandspreis<br />

als unbillige Behinderung definiert wird. Ein<br />

Regelbeispiel für das Untereinstandspreisverbot bei Lebensmitteln<br />

wurde auch für die sachliche Rechtfertigung<br />

aufgenommen. Nur bei drohendem Verderb, drohender<br />

Unverkäuflichkeit oder ähnlich schweren Fällen sei ein<br />

solches Angebot im Lebensmitteleinzelhandel gerechtfertigt.<br />

Im Folgenden soll auf zwei Fälle des Berichtszeitraumes<br />

eingegangen werden, welche das Bundeskartellamt<br />

noch unter der alten Rechtslage geprüft hat.<br />

475. Das erste hier betrachtete Verfahren betraf Dirk<br />

Roßmann als vertretungsberechtigtes Organ der nebenbetroffenen<br />

Dirk Rossmann GmbH, die unter dem Markennamen<br />

„Rossmann“ eine Kette von Drogeriemärkten betreibt.<br />

Gegen das Unternehmen wurde bereits im Jahre<br />

2002 ein Bußgeldverfahren wegen Verstoßes gegen § 20<br />

Abs. 4 GWB abgeschlossen. Damals stellte das Kartellamt<br />

fest, dass ein Kombinationsangebot für Fotoarbeiten<br />

in einem Zeitraum von drei Monaten unter dem Einstandspreis<br />

gelegen hatte. 12 Im aktuellen Verfahren<br />

handelt es sich um die Abgabe von 55 typischen Drogerieartikeln<br />

unter Einstandspreis im Jahre 2005. 13 Das beanstandete<br />

Verhalten betrifft Cremes, Shampoos, Spülmittel<br />

und weitere Produkte der Hersteller Beiersdorf,<br />

Garnier, L’Oréal, Schwarzkopf & Henkel, Henkel, Unilever<br />

und Galaxo Smith Kline. Das Bundeskartellamt stellt<br />

dazu zunächst fest, dass Rossmann Normadressat gemäß<br />

§ 20 Abs. 4 GWB ist, da es gegenüber kleinen und mittleren<br />

Wettbewerbern über eine überlegene Marktmacht auf<br />

dem sachlich relevanten Absatzmarkt für Drogeriewaren<br />

verfügt. Die überlegene Marktmacht drücke sich vor allem<br />

dadurch aus, dass 1 125 Rossmann-Filialen etwa<br />

4 150 inhabergeführte Drogerien gegenüberstehen, die<br />

durchschnittlich einen um ein Vielfaches geringeren Jahresumsatz<br />

erzielen. Zur Feststellung, ob gegen das Untereinstandspreisverbot<br />

verstoßen wurde, wertete das<br />

Bundeskartellamt die in der Regel zweiwöchentlich erscheinende<br />

bundesweit einheitliche Prospektwerbung von<br />

Rossmann aus. Das Amt stellte fest, dass 55 beworbene<br />

Produkte in insgesamt 267 Fällen unter dem Einstandspreis<br />

angeboten wurden. In 85 prozent der Fälle, in denen<br />

die Produkte beworben wurden, lagen die Angebote unter<br />

Einstandspreis, der dabei zu maximal 33,23 Prozent unterschritten<br />

wurde.<br />

476. Die Ermittlungen des Bundeskartellamts zeigen,<br />

dass der Einstandspreis des Artikelsortimentes systema-<br />

11 Dito.<br />

12 Vgl. Monopolkommission, Wettbewerb im Schatten „Nationaler<br />

Champions“, Hauptgutachten 2002/2003, Baden-Baden 2005,<br />

Tz. 550 ff.<br />

13 BKartA, Beschluss vom 6. Februar 2007, B9 – 167/05.<br />

tisch unterschritten wurde. Das Amt sieht somit den<br />

Missbrauchstatbestand des „nicht nur gelegentlichen“<br />

Angebotes unter Einstandspreis als erfüllt an, da in diesem<br />

Fall auf das Sortiment an Drogerieartikeln insgesamt<br />

abzustellen sei. Auch wenn man auf einzelne Produktgruppen<br />

oder Produkte abstellen wolle, zeigen die Ermittlungen,<br />

dass die Artikel einzelner Serien immer wieder zu<br />

Untereinstandspreisen angeboten wurden. In seiner Bekanntmachung<br />

Nr. 124/2003 erläutert das Amt, dass es<br />

Angebote, die mindestens drei Wochen andauern, nicht<br />

mehr als nur gelegentliche Werbeaktion einstuft. 14 Auch<br />

eine sachliche Rechtfertigung dafür, dass Rossmann nicht<br />

zuzumuten sei, sich in der beschriebenen Situation an das<br />

Untereinstandspreisverbot zu halten, existiert nach Ansicht<br />

des Bundeskartellamtes nicht. Als solche lässt das<br />

Bundeskartellamt nicht gelten, dass Rossmann sich mit<br />

seinem Verhalten nur gegen die Niedrigpreisstrategien<br />

der engsten Wettbewerber, Schlecker und dm-Drogeriemarkt,<br />

gewehrt habe.<br />

477. Rossmann hat Beschwerde gegen die Kartellamtsentscheidung<br />

eingelegt. Eine Entscheidung des Oberlandesgerichts<br />

Düsseldorf steht noch aus. Ein wesentlicher<br />

Streitgegenstand sowohl im Missbrauchs- als auch im Beschwerdeverfahren<br />

war die umfangreiche Berechnung<br />

des Nettoeinstandspreises der einzelnen Waren durch das<br />

Bundeskartellamt. Gemäß seiner Bekanntmachung<br />

Nr. 124/2003 zieht das Amt zur Kalkulation zunächst den<br />

Listeneinkaufspreis heran und subtrahiert von diesem alle<br />

preiswerten Konditionen, die ihren rechtlichen Grund in<br />

den zwischen den Lieferanten und dem Abnehmer<br />

geschlossenen Beschaffungsverträgen haben. Das Bundeskartellamt<br />

geht grundsätzlich davon aus, dass alle vereinbarten<br />

Konditionen dem Absatz der Waren des Herstellers<br />

bzw. Lieferanten dienen, und rechnet diese<br />

anteilig auf den Abnahmepreis der einzelnen Produkte an.<br />

Auch wenn bestimmte Konditionen nur für die Förderung<br />

eines einzelnen Produktes für befristete Verkaufsaktionen<br />

oder einzelne Vertriebsschienen vereinbart wurden, werden<br />

diese prozentual nach ihrem Umsatzwert auf alle Produkte<br />

umgelegt, um Manipulationsmöglichkeiten vorzubeugen.<br />

Eindeutige Zuordnungen von Fördermaßnahmen<br />

zu bestimmten Artikeln können allerdings im Rahmen der<br />

sachlichen Rechtfertigung Berücksichtigung finden.<br />

478. Wesentliches Objekt der Auseinandersetzung mit<br />

Rossmann war die Anrechnung der Werbekostenzuschüsse.<br />

Diese wurden gemäß der zuvor genannten Vorgehensweise<br />

durch das Bundeskartellamt anteilig auf den<br />

Umsatz der Produktgruppen eines Zulieferers angerechnet.<br />

Rossmann hingegen argumentierte, dass der Werbekostenzuschuss<br />

nur zur Verkaufsförderung der tatsächlich<br />

beworbenen Produkte gezahlt worden sei und daher auch<br />

nur für diese Produkte berücksichtigt werden müsse. Dies<br />

senke die Einstandspreise genau bei den in Rede stehenden<br />

Artikeln, die in Verkaufsprospekten beworben wurden.<br />

Das Bundeskartellamt hingegen verschloss sich einer<br />

spezifischen Zurechnung der Werbekostenzuschüsse<br />

14 Vgl. BKartA, Bekanntmachung Nr. 124/2003 zur Anwendung des<br />

§ 20 Abs. 4 Satz 2 GWB vom 4. August 2003.

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