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Deutscher Bundestag Unterrichtung

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<strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> – 16. Wahlperiode – 221 – Drucksache 16/10140<br />

tellamt allerdings die Koppelung einer 100-prozentigen<br />

Bezugspflicht mit einer Nichtweitergabe von Einkaufsvorteilen.<br />

Durch die 100-prozentige Bezugsbindung ist es dem<br />

Franchisenehmer nicht möglich, selbst mit Lieferanten<br />

möglicherweise günstigere Kondition auszuhandeln. Er<br />

profitiert jedoch auch nicht mittelbar von den Verhandlungen<br />

des Franchisegebers, weil dieser die von ihm erzielten<br />

Einkaufsvorteile eben nicht weiterleitet. Im Resultat wird<br />

der Franchisenehmer dadurch im Horizontalverhältnis behindert.<br />

Zum einen gegenüber den Praktiker-Regiebetrieben,<br />

zum anderen gegenüber anderen Franchisenehmern<br />

von Praktiker, die nur eine 80-prozentige Bezugspflicht haben,<br />

und gegenüber dritten Anbietern.<br />

469. An zweiter Stelle führt das Amt die sog. Preis-<br />

Kosten-Schere zwischen Franchise- und Regiebetrieben<br />

als wettbewerbsbeschränkendes Verhalten an. Die Praxis<br />

von Praktiker, gegenüber seinen Franchisenehmern deutlich<br />

höhere Preise zu fordern, als es bei Berücksichtigung<br />

der nachträglich erzielten Konditionen der Fall wäre,<br />

führe dazu, dass Praktiker in der Lage sei, in seinen Regiebetrieben<br />

mit geringeren Kosten zu kalkulieren. Denn<br />

konzernintern könnten bei der Ermittlung der Einkaufspreise<br />

für die entsprechenden Produkte die dafür gewährten<br />

Rabatte in den Regiebetrieben berücksichtigt werden.<br />

Der Wettbewerb zwischen Franchise- und Regiebetrieben<br />

werde auf diese Weise verzerrt. Ob diese Preis-Kosten-<br />

Schere auch dann eine unbillige Behinderung darstellen<br />

würde, wenn die Praktiker-Regiebaumärkte und die Franchisenehmer<br />

auf unterschiedlichen räumlichen Märkten<br />

tätig wären, lässt das Bundeskartellamt offen. Es weist jedoch<br />

darauf hin, dass zumindest in zwei Fällen ein Franchisebetrieb<br />

auf dem gleichen regionalen Absatzmarkt als<br />

Anbieter tätig ist wie ein Praktiker-Regiebetrieb; in fünf<br />

weiteren Fällen kann nach Ansicht des Amtes ebenfalls<br />

davon ausgegangen werden, dass die betroffenen Franchisebetriebe<br />

in aktuellem Wettbewerb mit zumindest einem<br />

Praktiker-Regiebaumarkt stehen. Unbillig behindert<br />

nach § 20 Abs. 1 GWB werden damit zumindest diese<br />

Franchisebetriebe. Praktiker bestritt, dass sich in den vom<br />

Bundeskartellamt aufgeführten Fällen die Absatzgebiete<br />

ihrer Franchise- und Regiebetriebe überschneiden. Das<br />

Unternehmen verweist dabei auf Angaben über die Postleitzahl<br />

des Wohnortes von Kunden, die sie durch Befragungen<br />

an der Kasse zum Zwecke eines gezielteren Marketings<br />

erhoben hat. Diese Angaben deuten auf ein relativ<br />

kleines Einzugsgebiet der jeweiligen Baumärkte hin. Das<br />

Bundeskartellamt geht dagegen von räumlichen Märkten<br />

mit einem Radius von 30 km bzw. 30 Autominuten um<br />

den Verkaufsstandort aus. Im Lebensmitteleinzelhandel<br />

grenzt es Märkte in ständiger Praxis als Kreise mit einem<br />

Radius von 20 km bzw. 20 Autominuten um ein jeweiliges<br />

Oberzentrum einer Region ab. Da es sich bei Baumarktartikeln<br />

um höherwertige Gebrauchsgüter handle,<br />

sei die Bereitschaft, größere Entfernungen in Kauf zu<br />

nehmen, entsprechend größer als im Lebensmitteleinzelhandel,<br />

daher die Annahme eines etwas größeren räumlichen<br />

Marktes.<br />

470. Gegen den Vorwurf der unbilligen Behinderung<br />

wendet Praktiker ferner ein, es biete seinen Franchisenehmern<br />

an, sich einem Dauerniedrigpreisprogramm<br />

anzuschließen. In diesem Fall verpflichten sich die Franchisenehmer<br />

dazu, den von Praktiker empfohlenen<br />

Endkundenpreis zu übernehmen. Im Gegenzug gewährt<br />

Praktiker nachträglich Zuschüsse zum Verkaufspreis.<br />

Praktiker hält die durch die negative Preisspanne von<br />

Nettoeinkaufs- und verkaufspreis bedingte Behinderung<br />

für sachlich gerechtfertigt. Durch die Zuschussregelung<br />

verbleibe für Franchisenehmer, die sich dem Dauerniedrigpreisprogramm<br />

anschließen, eine positive Marge. Das<br />

Dauerniedrigpreisprogramm stelle sicher, dass die betreffenden<br />

Artikel zu marktgerechten Preisen im Wettbewerb<br />

angeboten werden können. Das Bundeskartellamt hält<br />

dies nicht für eine sachliche Rechtfertigung einer Behinderung,<br />

da Praktiker dieses Ziel auch ohne eine Behinderung<br />

der Franchisenehmer erreichen könnte. Insbesondere<br />

sei dies durch die Gewähr niedrigerer Bezugspreise<br />

möglich. Zudem weist das Amt darauf hin, dass die Erstattungsregelung<br />

in dem Interessenkonflikt zwischen<br />

Franchisegeber und -nehmer nicht als berücksichtigungsfähiges<br />

Interesse geltend gemacht werden kann, da es<br />

sich um eine Regelung handelt, die gegen § 1 GWB verstößt.<br />

Das Kartellverbot des § 1 GWB umfasst Beschränkungen<br />

der Preisbildungsfreiheit des Franchisenehmers 7<br />

und damit auch die faktische Verpflichtung, an einem<br />

Dauerniedrigpreisprogramm mit vom Franchisegeber<br />

vorgegebenen Preisen teilzunehmen. Auf der Grundlage<br />

von § 20 Abs. 1 GWB können jedoch Interessen, deren<br />

Durchsetzung von der Rechtsordnung missbilligt wird,<br />

keine Berücksichtigung finden. 8 Im Übrigen liegt die Behinderung<br />

nach Ansicht des Kartellamtes im Kern in der<br />

Preis-Kosten-Schere zwischen dem Verkaufspreis bestimmter<br />

Produkte in den Praktiker-Regiebaumärkten und<br />

dem Einkaufspreis der Franchisenehmer von Praktiker.<br />

Wegen der Praxis, Franchisenehmer im Prinzip dazu zu<br />

verpflichten, sich ihrem Dauerniedrigpreisprogramm anzuschließen,<br />

behält sich das Bundeskartellamt vor, ein<br />

Verfahren nach § 1 GWB einzuleiten.<br />

471. Im Januar 2008 hat das Oberlandesgericht Düsseldorf<br />

den Beschluss des Bundeskartellamtes aufgehoben. 9<br />

Gegen den Beschluss wurde Rechtsbeschwerde beim<br />

Bundesgerichtshof eingereicht. Das Urteil steht noch aus.<br />

Das Oberlandesgericht sieht das Verhalten von Praktiker<br />

als rechtens an. In einem Franchisesystem sei auch eine<br />

100-prozentige Bezugsbindung bei einer Vertragslaufzeit<br />

von bis zu fünf Jahren nicht unverhältnismäßig, da der<br />

Franchisegeber auf diese Weise Identität und Vertriebsorganisation<br />

schütze. Es verweist hierzu auf die Regelungen<br />

der Vertikal-GVO. Zudem hätte Praktiker ein berechtigtes<br />

Interesse daran, die sich bei Lieferanten ergebenen Einkaufsvorteile<br />

nicht vollständig weiterzugeben. Vielmehr<br />

könnte die Spanne zwischen dem tatsächlichen Einkaufspreis<br />

von Praktiker und dem Weiterverkaufspreis auch<br />

geeignet sein, die Leistung als Großhändler bzw. Weiter-<br />

7 Bahr, in: Langen/Bunte, Kommentar zum deutschen und europäischen<br />

Kartellrecht, Bd. 1, 10. Aufl., München 2006, Anhang zu §§ 1<br />

und 2 GWB, Rn. 218.<br />

8 Schultz, in: Langen/Bunte, a. a. O., § 20, Rn. 127.<br />

9 OLG Düsseldorf, Beschluss vom 16. Januar 2008, VI-Kart 11/06<br />

(V).

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