Deutscher Bundestag Unterrichtung
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Drucksache 16/10140 – 22 – <strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> – 16. Wahlperiode<br />
7.* Bei dem von der EU-Kommission präferierten Instrument<br />
einer eigentumsrechtlichen Entflechtung wird<br />
der Netzbereich aus der Wertschöpfungskette eines vertikal<br />
integrierten Energieversorgungsunternehmens herausgelöst.<br />
Alle dem Netzbereich zuzuordnenden Vermögenswerte<br />
werden auf einen von dem ursprünglichen Mutterkonzern<br />
unabhängigen Dritten übertragen. Die ISO-<br />
Lösung stellt einen strukturellen Eingriff mit einer im<br />
Vergleich zur eigentumsrechtlichen Entflechtung geringeren<br />
Eingriffsintensität dar, weil das Übertragungs- bzw.<br />
Fernleitungsnetz im Eigentum des vertikal integrierten<br />
Versorgungsunternehmens verbleiben kann. Jedoch darf<br />
die eigentliche Geschäftstätigkeit nur von einem unabhängigen<br />
Netzbetreiber wahrgenommen werden, der völlig<br />
getrennt von dem vertikal integrierten Unternehmen<br />
ist.<br />
8.* In den Mitgliedstaaten stoßen die Pläne der EU-<br />
Kommission auf ein geteiltes Echo. Während etwa Großbritannien,<br />
die Niederlande, Schweden und Dänemark<br />
den Vorschlag der EU-Kommission unterstützen, lehnen<br />
ihn Frankreich und Deutschland als Hauptbetroffene ab.<br />
Die beiden Mitgliedstaaten haben einen Alternativvorschlag<br />
– den sog. dritten Weg – erarbeitet, der von sechs<br />
weiteren Mitgliedstaaten unterstützt wird. Nach Auffassung<br />
dieser acht Mitgliedstaaten kann eine wirksame<br />
Abtrennung des Netzbetriebs bereits durch die Einführung<br />
von Kontrollmaßnahmen und Sicherheitsklauseln<br />
gewährleistet werden, die eine Verschärfung der bereits<br />
bestehenden Entflechtungsbestimmungen darstellen, ohne<br />
dabei eine Konzernentflechtung im Sinne des Kommissionsvorschlags<br />
vorzunehmen. Vor dem Hintergrund,<br />
dass die acht Befürworterstaaten des dritten Weges die<br />
angestrebte Einigung im Ministerrat blockieren können,<br />
sucht die EU-Kommission eine Kompromisslösung.<br />
Nach den Vorstellungen der EU-Kommission soll der<br />
dritte Weg eine deutliche Verschärfung erfahren (z. B. ein<br />
Vetorecht der nationalen Regulierungsbehörden bei Personal-<br />
und Investitionsentscheidungen des Aufsichtsrates),<br />
bevor er als weitere Variante in das Legislativpaket<br />
aufgenommen werden kann. Im Juni 2006 einigte sich der<br />
Ministerrat, den dritten Weg als zusätzliche Option in das<br />
Legislativpaket für beide Sektoren – Strom und Gas –<br />
aufzunehmen.<br />
Gleichzeitig versucht die Kommission jedoch, das Ziel<br />
einer eigentumsrechtlichen Entflechtung, welches sie im<br />
Gesetzgebungsprozess aufgrund des politischen Widerstands<br />
nicht durchsetzen vermag, als ausführendes Organ<br />
mithilfe ihrer weitreichenden Befugnisse im Wettbewerbsrecht<br />
durchzusetzen. Hierbei verzeichnet sie bereits<br />
erste Erfolge. Im Februar 2008 hat der deutsche E.ON-<br />
Konzern – aufgrund der Befürchtung einer drohenden<br />
Bußgeldfestsetzung von bis zu 10 Prozent des weltweiten<br />
Konzernumsatzes – angeboten, die eigenen Übertragungsnetze<br />
an einen Betreiber zu veräußern, der nicht im<br />
Bereich der Stromerzeugung oder Stromversorgung tätig<br />
ist. Darüber hinaus möchte E.ON etwa ein Fünftel der<br />
Kraftwerkskapazitäten zum Verkauf anbieten. Im Gegenzug<br />
hat die EU-Kommission in Aussicht gestellt, das laufende<br />
Kartellverfahren mit den drohenden Bußgeldsanktionen<br />
einzustellen.<br />
9.* Die Monopolkommission stimmt zwar der Auffassung<br />
der EU-Kommission zu, dass sich die Wettbewerbsdefizite<br />
auf den Märkten für leitungsgebundene Energien<br />
primär durch den Einsatz strukturpolitischer Instrumente<br />
beheben lassen. Dabei kann eine vertikale Konzernentflechtung<br />
vor allem positive Auswirkungen auf den Netzausbau<br />
an den sog. Grenzkuppelstellen haben. Dennoch<br />
stellen die Untersuchungen der EU-Kommission und die<br />
hieraus abgeleiteten Implikationen zum gegenwärtigen<br />
Zeitpunkt keine hinreichende Basis dar, um einen derartig<br />
harten strukturpolitischen Eingriff zu rechtfertigen. Das<br />
Datenmaterial, welches die EU-Kommission bei den Untersuchungen<br />
zum deutschen Energiemarkt verwendet<br />
hat, bezieht sich zum überwiegenden Teil auf Zeiträume<br />
vor Inkrafttreten des Energiewirtschaftsgesetzes von 2005.<br />
Insbesondere die Entflechtungsvorgaben des EnWG waren<br />
noch nicht vollständig umgesetzt, die Bundesnetzagentur<br />
noch nicht als Regulierungsbehörde im Energiebereich<br />
etabliert und demzufolge fand auch noch keine<br />
Ex-ante-Regulierung der Durchleitungsentgelte statt.<br />
Deshalb lässt sich bisher keine seriöse Aussage über die<br />
Wirksamkeit des heute geltenden deutschen Regulierungsmodells<br />
machen. Die Monopolkommission bezweifelt<br />
zum aktuellen Zeitpunkt, dass sich der Wettbewerb<br />
auf den leitungsgebundenen Energiemärkten ausschließlich<br />
durch die beiden von der EU-Kommission vorgeschlagenen<br />
Alternativen der Konzernentflechtung beleben<br />
lässt.<br />
10.* In diesem Zusammenhang gibt die Monopolkommission<br />
zu bedenken, dass die Entflechtungsvorschläge<br />
und deren Umsetzung mit nicht unerheblichen ökonomischen<br />
Risiken und rechtlichen Problemen verbunden<br />
sind. So besteht die Gefahr, dass die Investitionsanreize<br />
der Netzbetreiber deutlich reduziert werden. Auch die<br />
Auswirkung der Entflechtung auf die Energiepreise ist<br />
ungewiss. Es ist möglich, dass die Energiepreise als Folge<br />
einer Entflechtung ansteigen. Darüber hinaus stellt insbesondere<br />
die eigentumsrechtliche Entflechtung einen erheblichen<br />
Eingriff in die privaten Eigentumsrechte dar.<br />
Dies kann langwierige Rechtsstreitigkeiten zur Folge haben,<br />
zumal auch die Gesetzgebungskompetenz der Gemeinschaft<br />
hinsichtlich der Eigentumsordnung sehr zweifelhaft<br />
ist. Ferner würde das Entflechtungsinstrument der<br />
EU-Kommission in den betroffenen Ländern eine asymmetrische<br />
Wirkung entfalten. So soll es bei Unternehmen<br />
im Staatsbesitz ausreichen, dass zwei voneinander getrennte<br />
öffentliche Einrichtungen die Kontrolle über die<br />
Gasgewinnungsaktivitäten (bzw. die Stromerzeugungsund<br />
Versorgungsaktivitäten) einerseits und die Fernleitungsaktivitäten<br />
(bzw. die Übertragungsaktivitäten) andererseits<br />
ausüben. Falls der betroffene Konzern in privater<br />
Hand ist, dürfte dieser hingegen im Anschluss an eine<br />
vertikale Trennung keine signifikanten Beteiligungen an<br />
der Netzgesellschaft halten.<br />
11.* Letztlich lässt sich durch die angestrebte vertikale<br />
Trennung auf dem Strommarkt das eigentliche Problem,<br />
die hohe Anbieterkonzentration bei der Stromerzeugung,<br />
nicht direkt und bestenfalls nur langfristig lösen. An der<br />
Wirksamkeit des EU-Entflechtungsinstruments für den<br />
Gassektor hegt die Monopolkommission ganz grundsätz-