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Deutscher Bundestag Unterrichtung

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<strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> – 16. Wahlperiode – 219 – Drucksache 16/10140<br />

ßerem Maße Soda-Club-Zylinder im Umlauf als solche<br />

der Wettbewerber. Sowohl Soda-Club als auch die Wettbewerber<br />

müssen für rücklaufende Zylinder des jeweils<br />

anderen Vertriebssystems kontinuierlich Ersatzinvestitionen<br />

leisten. Aufgrund des hohen Marktanteils der Mietzylinder<br />

sind die daraus entstehenden Kosten pro Austauschzylinder<br />

für die Wettbewerber höher. Entziehen<br />

sich die freien Händler diesen Kosten dadurch, dass sie<br />

Soda-Club-Zylinder nicht mehr annehmen, dann verlieren<br />

sie zunehmend Kunden und es kommt sukzessive zu<br />

der marktverstopfenden Wirkung mit Soda-Club-Zylindern,<br />

die das Kartellamt festgestellt hat. Das von Soda-<br />

Club angewandte Mietsystem führt somit zu einer marktbeherrschenden<br />

Stellung auf dem Abfüllmarkt für CO 2-<br />

Zylinder. Die marktbeherrschende Stellung auf beiden<br />

Märkten wird daher künstlich durch die Ausgestaltung<br />

des Mietsystems erzeugt. Allein durch die Abkehr von<br />

dem durch das Mietsystem erzeugten Befüllverbot kann<br />

die wettbewerbsbeschränkende Wirkung aufgehoben<br />

werden.<br />

462. Der Missbrauch kann auch unter dem Aspekt gesehen<br />

werden, dass es sich um einen Fall der Kontrolle von<br />

Sekundärmärkten handelt. Die Verknüpfung der Märkte<br />

wird durch eine Kopplung des Sekundärproduktes an das<br />

Primärprodukt erreicht. Bei dem Markt für Zylinder handelt<br />

es sich um einen Sekundärmarkt zum Markt für Besprudelungsgeräte,<br />

während der Markt für die Abfüllung<br />

dieser Zylinder ein Sekundärmarkt zum Zylindermarkt<br />

selbst ist. Die Soda-Club-Besprudelungsgeräte spielen für<br />

den Missbrauchstatbestand jedoch nur eine vernachlässigbare<br />

Rolle, weshalb in diesem Fall die letzteren<br />

Märkte für Zylinder und deren Abfüllung mit CO 2 relevant<br />

sind. An dieser Stelle liegt ein Vergleich dieses Falles<br />

mit anderen Fällen der Kontrolle von Sekundärmärkten<br />

nahe, um die Frage zu beantworten, ob durch das<br />

vorliegende Missbrauchsverfahren Auswirkungen auf andere<br />

Märkte zu erwarten sind, beispielsweise auf den Sekundärmärkten<br />

für Rasierklingen oder Druckerpatronen.<br />

In der Diskussion um die ökonomischen Wirkungen der<br />

Kontrolle von Sekundärmärkten steht dabei die Frage im<br />

Mittelpunkt, ob aus der Marktbeherrschung in bestimmten<br />

Situationen tatsächlich negative Wohlfahrtseffekte resultieren.<br />

4 Dazu wird vorausgesetzt, dass mehrere Anbieter<br />

auf dem Primärmarkt im Wettbewerb stehen, jedoch<br />

eine Monopolstellung für das eigene System auf den Sekundärmärkten<br />

besitzen. Unter der Annahme, dass es unterschiedliche<br />

Nutzergruppen gibt, die das Sekundärgut in<br />

unterschiedlicher Menge konsumieren, bestünde dann die<br />

Möglichkeit, eine wohlfahrtsverbessernde Situation zu<br />

erreichen, wenn sich der Gesamtpreis von Primär- und<br />

Sekundärprodukt nach konsumierter Menge und damit<br />

nach der vorhandenen Nachfrageelastizität differenzieren<br />

ließe. Das Sekundärprodukt als Verbrauchsgut dient dabei<br />

als Zähler für die Nutzungsmenge und damit der Selbstselektion<br />

der Kunden in Gruppen zwischen Viel- und<br />

Wenignutzern. Durch die Monopolstellung auf den Sekundärmärkten<br />

ist es den Anbietern nun möglich, die De-<br />

4 Vgl. Bechtold, S., Die Kontrolle von Sekundärmärkten, Baden Baden<br />

2007, S. 28 ff.<br />

ckungsbeiträge anstelle über das Primärprodukt nun über<br />

das Sekundärprodukt zu erwirtschaften. Vielnutzer zahlen<br />

damit entsprechend ihrer Nachfrageelastizität einen höheren,<br />

Wenignutzer einen geringeren Gesamtpreis. Die Prämisse<br />

führt im Modell dazu, dass Kunden mit geringer<br />

Nutzungshäufigkeit verstärkt in die Lage versetzt werden<br />

das Gut zu nutzen, während die Nachfrage beim Kundensegment<br />

hoher Nutzungsintensität durch den höheren<br />

Preis nicht oder nur gering zurückgeht. Ein mögliches<br />

Beispiel wären die Segmente der Privat- und Geschäftskunden.<br />

Die vorausgegangene Betrachtung impliziert jedoch, dass<br />

der Wettbewerb auf dem Primärmarkt Einschränkungen<br />

durch eine nicht vollständig homogene Güterstruktur unterliegen<br />

muss oder Besonderheiten bei Marktstruktur<br />

und Produktionsfunktion vorliegen.<br />

Die Monopolkommission hält es im Grundsatz für sinnvoll,<br />

in Missbrauchsfällen, welche die Kontrolle von Sekundärmärkten<br />

betreffen, zukünftig auch solche ökonomischen<br />

Überlegungen stärker einzubeziehen. Hier sind<br />

jedoch die Voraussetzungen im Einzelfall zu beachten.<br />

Zur Erzielung einer wohlfahrtsverbessernden Situation ist<br />

in einem ersten Schritt zu prüfen, ob auf dem Primärmarkt<br />

ein Wettbewerb preisdifferenzierender Systemanbieter<br />

stattfindet, die jeweils eine marktbeherrschende<br />

Stellung auf dem Sekundärmarkt besitzen. In einem zweiten<br />

Schritt ist abzuwägen, ob Plausibilitätsüberlegungen<br />

dafür sprechen, dass sich die Nachfrage nach der Nutzungsintensität<br />

segmentieren lässt und das Wenignutzersegment<br />

im Besonderen preiselastisch reagiert.<br />

463. Im vorliegenden Fall des Missbrauches bei Besprudelungsgeräten<br />

liegen diese Voraussetzungen nach<br />

Ansicht der Monopolkommission jedoch nicht vor. Ein<br />

Wettbewerb preisdifferenzierender Systemanbieter von<br />

Zylindern und CO 2-Abfüllern existiert nicht. Demgegenüber<br />

hat Soda-Club eine marktbeherrschende Stellung auf<br />

dem Zylindermarkt. Da zwischen Primär- und Sekundärmarkt,<br />

anders als in anderen Fällen, keine technische Verbindung<br />

besteht, nutzt Soda-Club das Mietsystem, um<br />

eine eigentumsrechtliche Kopplung herzustellen, die allerdings<br />

nur für Soda-Club selbst gilt. Dieses Verhalten<br />

führt somit allein zu dem beschriebenen Effekt, dass<br />

Soda-Club in die Lage versetzt wird, eine marktherrschende<br />

Stellung auf dem Primärmarkt zu erlangen und<br />

diese auf den Sekundärmarkt zu übertragen, indem es den<br />

Wettbewerbern höhere Kosten in Form von höheren Ersatzinvestitionen<br />

aufbürdet.<br />

464. Im Beschwerdeverfahren war zunächst strittig, ob<br />

die Rechtsbeschwerde der Beteiligten eine aufschiebende<br />

Wirkung für die Entscheidung des Bundeskartellamtes<br />

entfaltet. § 64 Abs. 1 GWB regelt, in welchen Fällen von<br />

Beschwerden eine aufschiebende Wirkung ausgeht. Eindeutig<br />

war nach der alten Fassung der Vorschrift, dass die<br />

Beschwerde gegen Verfügungen gemäß § 32 in Verbindung<br />

mit §§ 19 bis 21 GWB aufschiebende Wirkung hat,<br />

während Artikel 82 EGV nicht erwähnt ist. Angesichts<br />

des eindeutigen Wortlauts des § 64 GWB sah sich der<br />

Kartellsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf nicht imstande,<br />

den Geltungsbereich der Norm im Wege einer

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