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Deutscher Bundestag Unterrichtung

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Drucksache 16/10140 – 218 – <strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> – 16. Wahlperiode<br />

458. Der Austausch der Leerzylinder geschieht entweder<br />

bei Soda-Club-Vertragshändlern oder bei freien<br />

Händlern. Dabei verwendet Soda-Club ein anderes Vertriebssystem<br />

für seine Zylinder als seine Wettbewerber.<br />

Während Soda-Club seine Zylinder an den Kunden vermietet<br />

und dafür einen im Voraus zu entrichtenden einmaligen<br />

Mietbetrag verlangt, vertreiben die Wettbewerber<br />

Kaufzylinder innerhalb eines Tauschpools. Das Mietsystem<br />

macht es möglich, dass die Zylinder von Soda-Club<br />

rechtlich im Eigentum des Herstellers verbleiben. Deshalb<br />

war es diesem möglich, die Befüllung eigener Zylinder<br />

durch Fremdunternehmen zu untersagen. In der Praxis<br />

führte das dazu, dass Soda-Club-Vertragshändler<br />

sowohl Mietzylinder als auch Kaufzylinder gegen Soda-<br />

Club-Mietzylinder tauschten.<br />

Freie Händler hingegen waren nicht berechtigt, Soda-<br />

Club-Mietzylinder anzunehmen bzw. diese befüllen zu<br />

lassen. Da sich jedoch überproportional viele Soda-Club-<br />

Zylinder im Umlauf befinden, sahen sich viele freie<br />

Händler gezwungen, auch Soda-Club-Zylinder zurückzunehmen.<br />

Diese Soda-Club-Zylinder wurden in der Regel<br />

von Händlern oder Abfüllunternehmen gelagert. Soda-<br />

Club verweigerte anschließend die Rücknahme dieser Zylinder.<br />

Die Mietzylinder wurden gegen Kaufzylinder ausgetauscht,<br />

wodurch sich die freien Händler zu Ersatzinvestitionen<br />

– ohne Entschädigung – gezwungen sahen.<br />

Das Bundeskartellamt weist in seinem Beschluss auf die<br />

marktbeherrschende Stellung von Soda-Club auf dem<br />

Abfüllmarkt hin, die sich insbesondere in einem Marktanteil<br />

von 70 Prozent niederschlägt. Aus diesem Grund laufen<br />

bei Soda-Club weniger Kaufzylinder an als Mietzylinder<br />

von Soda-Club bei den Wettbewerbern. Das<br />

Bundeskartellamt schließt daraus, dass der Bestand an<br />

Zylindern, die angeblich im Eigentum von Soda-Club stehen,<br />

in marktverstopfender Weise wächst. Gleichzeitig<br />

entstehen den Wettbewerbern zusätzliche Lagerungs- und<br />

Stilllegungskosten.<br />

459. Das Bundeskartellamt sieht in der Ausgestaltung<br />

des Mietsystems eine wettbewerbsbeschränkende Wirkung,<br />

die sich unter Berufung auf das Eigentumsrecht<br />

auch nicht sachlich rechtfertigen lässt. Das Mietsystem<br />

sei in diesem Falle keine Vertriebsform, die zum Vorteil<br />

der Verbraucher geschaffen wurde. Es diene nach Auffassung<br />

des Amtes offensichtlich allein dazu, Wettbewerber<br />

von Soda-Club aus dem Markt zu verdrängen bzw.<br />

Marktzutrittsbarrieren für neue Wettbewerber zu errichten.<br />

Dies zeige sich insbesondere daran, dass sich der Unterschied<br />

des Mietsystems der Soda-Club-Zylinder im<br />

Vergleich zum System der Kaufzylinder lediglich darin<br />

äußere, dass Soda-Club den Verbrauchern die theoretische<br />

Möglichkeit einräumt, die Mietzylinder zu einem<br />

späteren Zeitpunkt zurückzugeben. Diese Möglichkeit<br />

spiele aber im realen Marktprozess eine unbedeutende<br />

Rolle, da die Rückgabeoption an die Bedingung gekoppelt<br />

ist, dass der Kunde sowohl Kaufbeleg als auch das<br />

dem Zylinder beiliegende Zertifikat über die Nutzungsdauer<br />

aufbewahrt und den Zylinder darüber hinaus bei<br />

demjenigen Händler zurückgibt, der ihm den Zylinder<br />

verkauft hat. Auf den Mietpreis wurde zudem die Nut-<br />

zungszeit angerechnet, weshalb davon auszugehen sei,<br />

dass die Transaktionskosten der Rückgabe für den Endverbraucher<br />

den geringen Restwert in der Praxis fast immer<br />

übersteigen. De facto entspreche der Mietpreis eines<br />

Soda-Club-Zylinders daher dem Kaufpreis eines Zylinders<br />

der Wettbewerber. Ein regelmäßiger Mietzins, wie<br />

bei regulären Mietverhältnissen üblich, wurde nicht erhoben.<br />

460. Das Bundeskartellamt hat Soda-Club untersagt,<br />

Wettbewerber daran zu hindern, Soda-Club-Mietzylinder<br />

entgegenzunehmen oder sie unter Beachtung der gesetzlichen<br />

Vorschriften zu befüllen bzw. befüllen zu lassen. Zudem<br />

muss Soda-Club auf seinen Mietzylindern darauf<br />

hinweisen, dass diese unter Beachtung der gesetzlichen<br />

Vorschriften nicht allein von Soda-Club befüllt werden<br />

dürfen. Gegen diesen Beschluss hat Soda-Club Beschwerde<br />

vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf eingereicht.<br />

Das Gericht bestätigte im März 2007 im Wesentlichen<br />

den Beschluss des Bundeskartellamtes. 2 Im März<br />

2008 bestätigte auch der Bundesgerichtshof den Beschluss.<br />

3 Im Beschwerdeverfahren erhob Soda-Club unter<br />

anderem Einwände gegen die sachliche Marktabgrenzung.<br />

Der Befüllmarkt sei um den Produktmarkt für gebrauchsfertiges<br />

Sprudelwasser zu erweitern, da sowohl<br />

die Befüllung eines Kohlensäurezylinders als auch fertiges<br />

Sprudelwasser dazu dienten, den Bedarf an Trinkwasser<br />

zu decken. Das Oberlandesgericht hob hervor, dass es<br />

sich beim Bedarfsmarktkonzept um ein Hilfskriterium zur<br />

sachlichen Marktabgrenzung handele. Ziel der Marktabgrenzung<br />

sei aber die Ermittlung der Wettbewerbskräfte,<br />

denen sich die beteiligten Unternehmen zu stellen hätten.<br />

Demnach sei das Bedarfmarktkonzept nicht mechanisch,<br />

sondern zweckbezogen angewendet worden, um im konkreten<br />

Fall die Wettbewerbskräfte zu ermitteln. Unter Anwendung<br />

dieser Rechtsgrundsätze stelle der Angebotsmarkt<br />

für die Befüllung von Kohlensäurezylindern einen<br />

eigenen Teilmarkt dar. Der Bundesgerichtshof (BGH)<br />

stellte in seiner Entscheidung vor allem den Lock-in-Effekt<br />

bei der Entscheidung für ein Befüllsystem und den<br />

damit verbundenen Erwerb von Betriebsmitteln heraus.<br />

Ein anderes System, hier in Form des gebrauchsfertigen<br />

Sprudelwassers, stelle in der Regel keine Bezugsalternative<br />

für das Betriebsmittel dar.<br />

461. Die Monopolkommission schließt sich dem Urteil<br />

der Gerichte an. Der Gesamtmarkt ist nach ihrer Auffassung<br />

in drei Ebenen zu unterteilen: den Markt für das<br />

Grundsystem, den Markt für die CO 2-Zylinder und den<br />

Markt für die Befüllung dieser Zylinder. Der Missbrauch<br />

ist darin zu sehen, dass Soda-Club versucht, durch das<br />

Vertriebssystem seiner Zylinder seine marktbeherrschende<br />

Stellung auf den Befüllmarkt zu übertragen. Die<br />

wettbewerbsbeschränkende Wirkung geht daher von der<br />

Voraussetzung aus, dass sich durch das Mietsystem die<br />

marktbeherrschende Stellung von Soda-Club auf dem Zylindermarkt<br />

festigt. Auf diese Weise befinden sich in grö-<br />

2 OLG Düsseldorf, Beschluss vom 14. März 2007, VI-Kart 5/06 (V),<br />

WuW/E DE-R 1935.<br />

3 BGH, Beschluss vom 4. März 2008, KVR 21/07.

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