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Deutscher Bundestag Unterrichtung

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<strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> – 16. Wahlperiode – 217 – Drucksache 16/10140<br />

Kapitel IV<br />

Missbrauchsaufsicht über marktbeherrschende Unternehmen und Fusionskontrolle<br />

1. Missbrauchsaufsicht<br />

1.1 Überblick über die Amtspraxis<br />

453. Die Missbrauchsaufsicht stellt anders als die Fusionskontrolle<br />

ein rechtliches Instrumentarium für eine<br />

Verhaltenskontrolle von Unternehmen dar, die bereits<br />

eine marktbeherrschende bzw. marktmächtige Stellung<br />

innehaben. Da angenommen wird, dass der Verhaltensspielraum<br />

marktmächtiger Unternehmen nicht mehr ausreichend<br />

durch den Wettbewerb kontrolliert wird, ist das<br />

Bundeskartellamt damit beauftragt, missbräuchliches<br />

Verhalten der als marktbeherrschend erkannten Unternehmen<br />

zu unterbinden. Anders als im Fusionskontrollverfahren,<br />

bei dem Zusammenschlüsse im Vorhinein einer<br />

Ex-ante-Meldepflicht unterliegen, muss das Kartellamt<br />

auf einen Missbrauch zunächst aufmerksam werden, um<br />

wettbewerbsbeschränkendes Verhalten ex post unterbinden<br />

zu können. Die unterschiedlichen Missbrauchstatbestände<br />

und die oftmals schwierige Abgrenzung zu<br />

gewöhnlichen Wettbewerbsparametern erschweren den<br />

Nachweis des Missbrauchs einer marktbeherrschenden<br />

Stellung und erklären die im Vergleich zur Fusionskontrolle<br />

geringere Anzahl durchgeführter Verfahren durch<br />

das Bundeskartellamt. Der Schwerpunkt der im Berichtszeitraum<br />

durchgeführten Verfahren lag dabei weiterhin<br />

auf Behinderungstatbeständen.<br />

454. Traditionell stellt der Energiesektor einen Schwerpunkt<br />

der Arbeiten des Bundeskartellamtes in der Missbrauchsaufsicht<br />

dar. Im Berichtszeitraum hat dabei die<br />

Novellierung des Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG) auf<br />

die Amtspraxis Einfluss genommen. Mitte 2005 begann<br />

die Bundesnetzagentur mit der Regulierung der Gas- und<br />

Elektrizitätsnetze nach den Vorschriften des novellierten<br />

EnWG. Damit entfällt die Zuständigkeit des Bundeskartellamtes,<br />

Missbrauchsfälle beim Netzzugang und Netzanschluss<br />

nach nationalem Recht gemäß § 111 EnWG zu<br />

ahnden. Der Schwerpunkt der Kartellamtstätigkeit liegt<br />

nunmehr in den nicht regulierten Beschaffungs-, Erzeugungs-<br />

und Absatzmärkten. Das Bundeskartellamt hat<br />

wegen des Verdachts des Missbrauchs einer marktbeherrschenden<br />

Stellung unter anderem Verfahren gegen langfristige<br />

Gaslieferverträge mit Weiterverteilern und gegen<br />

die Berücksichtigung bestimmter Kostenelemente auf der<br />

Grundlage des CO 2-Emmissionshandels bei der Strompreisbildung<br />

geführt.<br />

455. In der Berichtsperiode ist es auch über den Energiesektor<br />

hinaus zu einer Reihe erwähnenswerter Verfahren<br />

gekommen. Eine wesentliche Aufgabe des Bundeskartellamtes<br />

lag dabei in der Durchsetzung des Untereinstandspreisverbotes<br />

gemäß § 20 Abs. 4 des Gesetzes gegen<br />

Wettbewerbsbeschränkungen (GWB). Der Preismissbrauch<br />

im Einzelhandel findet besondere Aufmerksam-<br />

keit, da die gesetzlichen Grundlagen mit Wirkung vom<br />

22. Dezember 2007 für den Verkauf von Lebensmitteln<br />

nochmals deutlich verschärft wurden. Bereits unter der<br />

alten Norm ist es nur vereinzelt zu einer Anwendung des<br />

Untereinstandspreisverbotes gekommen, da sich in der<br />

Verfahrenspraxis bei der Ermittlung der Einstandspreise<br />

deutliche Schwierigkeiten ergaben, die sich in der abgelaufenen<br />

Berichtsperiode insbesondere im Verfahren gegen<br />

den Drogerieartikelhändler Rossmann gezeigt haben.<br />

Der Fall befindet sich zur Zeit im Beschwerdeverfahren<br />

beim Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf. Von ihm wird<br />

eine Signalwirkung für die Einzelhandelsbranche erwartet.<br />

456. In einem weiteren Verfahren rügte das Bundeskartellamt<br />

die unbillige Behinderung abhängiger Unternehmen,<br />

welche erstmals im Rahmen eines Franchisesystems<br />

festgestellt wurde. Der hier festgestellte Preis-Kosten-<br />

Scheren-Effekt war zudem ebenfalls Gegenstand einer<br />

Änderung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen,<br />

was die Beweisführung des Bundeskartellamtes in<br />

ähnlich gelagerten Missbrauchsfällen zukünftig deutlich<br />

vereinfachen soll. Ebenfalls zum ersten Mal wurde ein<br />

Mietsystem zur Abschottung eines Sekundärmarktes als<br />

Missbrauch geahndet. Die Einschränkung von Wettbewerb<br />

auf Märkten für Verbrauchs- oder Ersatzgüter zu einem<br />

Sekundärprodukt stellt eine in zahlreichen Wirtschaftsbranchen<br />

verbreitete Preissetzungsstrategie dar.<br />

1.2 Missbräuchliche Abschottung eines<br />

Sekundärmarktes<br />

457. Im Februar 2006 schloss das Bundeskartellamt ein<br />

Missbrauchsverfahren gemäß § 19 GWB und Artikel 82<br />

EGV gegen die Soda-Club GmbH ab. 1 Das Verfahren ist<br />

vor allem deshalb von Bedeutung, da das Bundeskartellamt<br />

erstmals ein Mietsystem als Behinderungsmissbrauch<br />

auf einem Sekundärmarkt ahndete. Der Missbrauch betraf<br />

den Markt für Besprudelungsgeräte mit CO 2-Zylindern.<br />

Die Geräte dienen Endverbrauchern dazu, Leitungswasser<br />

mit Kohlensäure zu versetzen, um auf diese Weise<br />

Sprudelwasser herzustellen. Während die Besprudelungsmaschinen<br />

eine langfristige Haltbarkeit aufweisen, wird<br />

das notwendige Kohlenstoffdioxid in austauschbaren Zylindern<br />

verschiedener Größen aus Aluminium oder Stahl<br />

gelagert, die nach dem Verbrauch wiederbefüllt werden<br />

können. Zur Befüllung bringt der Kunde den leeren Zylinder<br />

zu einem Händler, der diesen gegen einen gefüllten<br />

Zylinder austauscht. Dabei sind Zylinder von Soda-Club<br />

mit denen der Wettbewerber grundsätzlich austauschbar,<br />

sofern sie die gleiche Kapazität besitzen.<br />

1 BKartA, Beschluss vom 9. Februar 2006, B3 – 39/03, WuW/E DE-V<br />

1177.

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