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Deutscher Bundestag Unterrichtung

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Drucksache 16/10140 – 134 – <strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> – 16. Wahlperiode<br />

horizontalen Konzentrationserfassung, die sich auf die<br />

Bestimmung der Marktanteile in einzelnen Wirtschaftszweigen<br />

beschränkt. Als Merkmale marktübergreifender<br />

Unternehmensmacht sind gemäß § 19 Abs. 2 Nr. 1 GWB<br />

neben dem Marktanteil insbesondere die Finanzkraft, der<br />

Zugang zu den Beschaffungs- und Absatzmärkten und die<br />

Verflechtungen mit anderen Unternehmen zu berücksichtigen.<br />

Die Wirkungen, die von den aufgeführten Merkmalen<br />

ausgehen, lassen sich nur durch eine stärker unternehmensbezogene<br />

Betrachtungsweise darstellen. 6<br />

329. Die Beurteilung der Unternehmensgröße und damit<br />

die Abgrenzung des Untersuchungskreises erfolgt anhand<br />

der Wertschöpfung der Unternehmen. Die Wertschöpfung<br />

einer Unternehmung lässt sich auf zweierlei<br />

Weise sinnvoll interpretieren. Einerseits stellt sie bei einer<br />

realgüterwirtschaftlichen Betrachtung den Wert dar, der<br />

den von anderen Unternehmen bezogenen Realgütern<br />

(einschließlich Dienstleistungen) durch den in der Unternehmung<br />

abgelaufenen Leistungserstellungsprozess insgesamt<br />

hinzugefügt wurde. Andererseits entspricht die<br />

Wertschöpfung aus nominalgüterwirtschaftlicher Perspektive<br />

der Summe der (Eigen- und Fremd-)Kapital- und<br />

Arbeitseinkommen vor Steuern.<br />

Anders als die in der Wirtschaftspresse häufig als Größenkriterien<br />

herangezogenen Jahresabschlussgrößen Umsatzerlöse,<br />

Bilanzsumme und Beitragseinnahmen erlaubt<br />

die Wertschöpfung den Vergleich des wirtschaftlichen<br />

Gewichts von Unternehmen mit unterschiedlicher Branchenzugehörigkeit<br />

(Produzierendes Gewerbe, Handel,<br />

Dienstleistungen, Verkehr, Kreditwirtschaft, Versicherungsgewerbe).<br />

Das Konzept der betrieblichen Wertschöpfung<br />

ermöglicht entsprechend die Herstellung einer<br />

Beziehung zwischen Unternehmung und gesamtwirtschaftlicher<br />

Bezugsgröße. Die Wertschöpfung ist außerdem<br />

unabhängig von der Rechtsform der betrachteten<br />

Unternehmen ermittelbar. Handelt es sich bei dem betrachteten<br />

Unternehmen weder um ein Versicherungsunternehmen<br />

noch um ein Kreditinstitut, so hat die Finanzstruktur<br />

ebenfalls keinen Einfluss auf die Wertschöpfung.<br />

Auch ist die Wertschöpfung besser geeignet als der Umsatz,<br />

die Leistung der einzelnen Unternehmen zu erfassen.<br />

Je nach Grad der vertikalen Integration kann das Verhältnis<br />

von Wertschöpfung zu Umsatz und damit der<br />

Anteil des Unternehmens an der Gesamtleistung unterschiedlich<br />

ausfallen. So ist z. B. bei Handelsunternehmen,<br />

die nicht oder nur in unbedeutendem Umfang vertikal<br />

integriert sind, das Verhältnis von Wertschöpfung zu<br />

Umsatz regelmäßig geringer als bei Unternehmen anderer<br />

Branchen. 7<br />

Die aggregierte Konzentration auf der Grundlage des<br />

Merkmals Wertschöpfung ist ferner geeignet, Anhaltspunkte<br />

über die wirtschafts- und gesellschaftspolitische<br />

Dimension der Unternehmenskonzentration zu liefern.<br />

Die Wertschöpfung setzt sich neben dem handelsrechtli-<br />

6 Vgl. hierzu Monopolkommission, Mehr Wettbewerb ist möglich,<br />

Hauptgutachten 1973/1975, Baden-Baden 1976, Tz. 4 ff., 207 f.<br />

7 Vgl. Monopolkommission, Fortschritte bei der Konzentrationserfassung,<br />

Hauptgutachten 1980/1981, Baden-Baden 1982, Tz. 345 ff. 8 Vgl. Tz. 352 f.<br />

chen Jahresergebnis der Unternehmen zu einem Großteil<br />

aus den Personalaufwendungen und in Abhängigkeit der<br />

erzielten Umsatzerlöse aus den Steuern vom Einkommen<br />

und vom Ertrag zusammen. Die erfassten „100 Größten“<br />

repräsentieren somit gleichsam, gemessen an den gezahlten<br />

Löhnen und Gehältern, bedeutende Arbeitgeber und<br />

Steuersubjekte in der Bundesrepublik Deutschland. Die<br />

Höhe des auf die „100 Größten“ entfallenden Anlagevermögens<br />

verdeutlicht zudem die Bedeutung, die von diesen<br />

Unternehmen auf das volkswirtschaftliche Investitionsvolumen<br />

ausgeht.<br />

Aus dieser wirtschaftspolitischen Betrachtungsweise lässt<br />

sich die Vermutung ableiten, dass Unternehmen, selbst<br />

wenn sie keine Marktmacht ausüben, dennoch über politische<br />

Einflussmöglichkeiten verfügen und somit die Rahmenbedingungen<br />

wirtschaftlichen Handelns beeinflussen<br />

können. Gemäß der politökonomischen Theorie spielen<br />

insbesondere die Indikatoren Arbeitsplätze und Steuereinnahmen<br />

eine entscheidende Rolle dafür, in welchem<br />

Maße auf die politischen Entscheidungsträger Einfluss<br />

ausgeübt werden kann. Erfahrungen aus der Vergangenheit<br />

zeigen, dass Unternehmen bestimmter Branchen, die<br />

auf globalen Märkten keine marktmächtige Stellung einnehmen,<br />

aufgrund ihrer Größe das nationale politische<br />

Geschehen mit beeinflussen können. In einigen Fällen<br />

können Marktmacht und politische Macht auch zusammenfallen.<br />

Personelle und finanzielle Verflechtungen können<br />

den beschriebenen Effekt bei gleichgerichteten Interessen<br />

der betreffenden Unternehmen weiter verstärken.<br />

In diesem Zusammenhang könnte auch auf die Höhe der<br />

empfangenen Subventionen abgestellt werden. Anhand<br />

dieses Merkmals ließe sich die Vermutung überprüfen, inwieweit<br />

Unternehmen mit bedeutendem wirtschaftlichem<br />

Gewicht überproportional hohe staatliche Förderungen<br />

erhalten. Eine Quantifizierung lässt sich aufgrund bestehender<br />

Rechnungslegungsvorschriften, der Vielschichtigkeit<br />

von Subventionen sowie unterschiedlicher Begriffsdefinitionen<br />

nicht umsetzen.<br />

330. Mit der Berichterstattung über die aggregierte<br />

Konzentration folgt die Monopolkommission ihrem gesetzlichen<br />

Auftrag, die Entwicklung der Unternehmenskonzentration<br />

in der Bundesrepublik Deutschland regelmäßig<br />

zu begutachten (§ 44 Abs. 1 Satz 1 GWB). In der<br />

Vergangenheit hat sie diesen Auftrag auf die nach der inländischen<br />

Wertschöpfung hundert größten Unternehmen<br />

in Deutschland bezogen. Aus diesem Grund hat die Monopolkommission<br />

das Inlandskonzept ihrer Berichterstattung<br />

zugrunde gelegt. Die infolge der Globalisierung zunehmende<br />

internationale Ausrichtung der Produktionsund<br />

Beschaffungsprozesse und die damit verbundene<br />

Ausgliederung von Geschäftsbereichen ins Ausland führt<br />

zu der Frage, inwieweit ein Inlandskonzept noch ausreicht,<br />

das wirtschaftliche Gewicht der für diese Unternehmen<br />

zuständigen Entscheidungszentralen angemessen<br />

zu erfassen. Deswegen analysiert die Monopolkommission<br />

seit dem Sechzehnten Hauptgutachten ergänzend die<br />

weltweite Wertschöpfung der zehn größten Unternehmen.<br />

8 Zusätzlich wurden im Siebzehnten Hauptgutachten

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