2. schul - Stiftsschule Einsiedeln
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echt. Tatsächlich bin ich letzthin auf ebendiesem facebook unter der Rubrik Freunde auf<br />
die Zahl 3766 gestossen. Da hat also jemand 3766 Freunde. Eine beeindruckende Zahl.<br />
Ein anderer hat immerhin 67 – ich kann meine Freunde an einer Hand abzählen. Welch<br />
ein erschütternder Befund, auf den ersten Blick. Auf den zweiten: wir müssen auch hier<br />
unterscheiden zwischen Menschen, die wir persönlich, also aus der Nähe kennen, und<br />
jenen, die wir nur als elektronische Phantome kennen, die uns nur sagen können, dass sie<br />
unsere Freunde sind, und uns den Beweis <strong>schul</strong>dig bleiben.<br />
Was ist besser? Ich weiss es nicht, möchte nicht das eine gegen das andere ausspielen.<br />
Was ich hingegen gehört oder gelesen habe, ist Folgendes: gegen das Internet-<br />
Mobbing, gegen Sucht und Abhängigkeit von all diesen social media ist grundsätzlich<br />
kaum ein Kraut gewachsen, bis auf eines. Experten empfehlen Jugendlichen, ihre persönlichen,<br />
unmittelbaren Beziehungen zu ihren Freunden nicht zu vernachlässigen bzw.<br />
zu stärken. Echte Freundschaften, also Freundschaften, die auf Nähe beruhen, sind das<br />
wirksamste Mittel gegen das Mobbing durch eine Internet-Gemeinschaft, gegen deren<br />
Verunglimpfun gen, Beschimpfungen, Beleidigungen.<br />
Liebe Maturae und Maturi, jeder Einzelne von Ihnen darf natürlich 3766 Freunde haben.<br />
Ebenso wichtig ist aber, dass Sie Ihre persönlichen Beziehungen und Freundschaften<br />
pflegen, zumal Sie in wenigen Tagen in alle Richtungen auseinanderstreben. Gerade die<br />
Stifts<strong>schul</strong>e bietet dazu Hand: Wir haben die Matura-Tage, wir haben die Alumni. Leben<br />
Sie nach dem Motto des königlichen Boten in Schillers «Demetrius-Fragment», der dem<br />
Bischof von Krakau anlässlich einer Abstimmung sagt: «Ihr sollt die Stimmen wägen, und<br />
nicht zählen.»<br />
Das ist natürlich völlig undemokratisch, wie Sie aus dem Geschichtsunterricht bei Herrn<br />
Zurfluh wissen. Aber wir reden ja nicht von Politik, sondern von Zwischenmenschlichem.<br />
Zählen Sie Ihre Freunde von mir aus, aber vergessen Sie das Abwägen nicht, setzen<br />
Sie dem Zwang, viele Freunde haben zu müssen, auch mal die Frage entgegen, wer<br />
in Wahrheit und aus der Nähe betrachtet Ihre Freunde sind. Und wenn Sie dann zum<br />
Resultat kommen, dass Sie diese Freunde an nur einer Hand abzählen können, dann denken<br />
Sie daran: es gibt andere, denen es genau so ergeht. Und vielleicht sind diese anderen<br />
sogar in der Mehrheit.<br />
Und wenn Sie jetzt, gewappnet mit Ihren Matura-Zeugnissen und gepanzert mit<br />
Wissensplunder aller Art, in die Welt hinaustreten – verlieren Sie diese Welt nicht aus<br />
Ihren Augen, und vor allem: verlieren Sie sich selber nicht aus den Augen.<br />
Ich wünsche Ihnen dabei alles Gute.<br />
Marcel Oswald<br />
138 5. SCHULNACHRICHTEN