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2. schul - Stiftsschule Einsiedeln

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Die Schule ist dabei der Ort, wo die Vermittlung von Wissen aus abstrakten<br />

Wissensinhalten zum System geworden ist – ein System mit ganz kleinen Nischen, wo<br />

dann doch wieder versucht wird, den Schülern Erfahrung und Anschauung zu ermöglichen.<br />

Vor kurzer Zeit lag auf dem Schulareal ein Smart – er lag tatsächlich, in seine<br />

Einzelteile zerlegt, seziert gewissermassen, seine Innereien zugänglich gemacht dem<br />

Auge, damit es erfahren könne, was das ist, ein Auto. Geschickte Hände konnten sogar<br />

erfahren, was das heisst, ein Auto zusammenzusetzen. Ich erinnere mich an meine<br />

eigene Schulzeit, an das Sezieren eines Regenwurms im Biologieunterricht, ein schauriges<br />

Unterfangen, aber eine Erfahrung, die bis heute nachwirkt. Zu sehen, dass dieser<br />

Regenwurm einen Darm hat, ein Herz vielleicht.<br />

Es geht tatsächlich um dieses Herz. Die Erfahrung gibt uns etwas zurück, möglicherweise<br />

das, was wir unter Respekt verstehen, Respekt den Dingen dieser Welt gegenüber. Ich<br />

werde den Regenwurm nicht mehr mit derselben Gleichgültigkeit zertreten, wenn ich<br />

den biologischen Bauplan dieser Kreatur gesehen habe. Vielleicht werde ich ihn gar nicht<br />

mehr zertreten. Unmittelbare Erfahrung vermittelt eine emotionale Beziehung, die sich in<br />

Wert schätzung, Akzeptanz oder eben Respekt ausdrückt – oder einfach im Bewusstsein.<br />

Ich behaupte also: wo die Erfahrung fehlt, nehmen Gleichgültigkeit und Schulterzucken<br />

zu. Es ist kein Zufall, dass Co-Rektor Peter Lüthi in seiner Eröffnungsrede zum Schuljahr<br />

2011/2012 das Motto geprägt hat: Wir geben Acht. Das war eine Kampfansage gegen<br />

ebendiese Gleichgültigkeit, die zum Verhaltensmuster einer ganzen Gesellschaft zu werden<br />

droht.<br />

Wie aber steht es mit dem anderen Wissen, dem eingangs dieser Rede bezeichneten abstrakten<br />

Wissen, den millionenfach verbreiteten Informationen, die wir täglich irgendwo<br />

abrufen, zum Beispiel beim Verfassen einer Maturaarbeit? Sie haben das Stimmrecht,<br />

liebe Maturae und Maturi. Wer informiert Sie? Wer hat überhaupt die finanziellen Mittel,<br />

um Meinungen in grossem Rahmen zu streuen? Wer bestimmt, welche Informationen verbreitet<br />

werden, welche nicht? In welcher Absicht wird informiert? Oder nicht informiert?<br />

Aus der Geschichte wissen wir, dass die Erkenntnis, wonach die Erde eine Kugel ist, den<br />

Menschen lange Zeit vorenthalten worden ist. Was wird uns heute vorenthalten? Welche<br />

Wissensinhalte?<br />

Das sind Fragen, die wir uns im Allgemeinen zu wenig häufig stellen, wie ich meine. Unser<br />

Umgang mit abstraktem Wissen und entsprechenden Informationen ist allzu sorglos<br />

und bestärkt uns in der Meinung, informiert und wissend zu sein. Von dieser fröhlichen<br />

Wissensgewissheit ist man beispielsweise im 17. Jahrhundert noch weit entfernt. Da heisst<br />

es etwa in einer Schrift eines Geistlichen: «Weder weiss ich, wer mich in die Welt setzte,<br />

noch was die Welt ist, noch was ich selbst bin. In einer furchtbaren Unwissenheit über alles<br />

und jedes bin ich. Ich weiss nicht, was mein Leib ist, noch was meine Sinne sind, noch was<br />

136 5. SCHULNACHRICHTEN

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