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Info-Broschüre zu Horst Wessel von der [AIWP]

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grundlegendes S.04 „duweißt schon wofür...“S.05 wessels rolle in <strong>der</strong>sa S.06 die sa S.08 horstwessel als märtyrer in<strong>der</strong> nazizeit S.10 nazistischesgedenken anhorst wessel heute S.11wi<strong>der</strong>stand im prenzlauerberg währenddes ns S.12 halbe beiberlin S.13impressum herausgegeben <strong>von</strong> <strong>der</strong> Antifaschistischen Initiative WeinrotesPrenzlauer Berg [<strong>AIWP</strong>] und <strong>der</strong> Antifaschistischen Aktion Prenzlauer Berg [AAPB]Mit freundlicher Unterstüt<strong>zu</strong>ng <strong>der</strong> Antifa Friedrichshain und <strong>der</strong> VVN/BDA BO 08. MaiV.i.S.d.P.: Sarah Fox, Breite Str. 57, 13597 Berlin


Jedes Jahr, um den 23. Februar, gedenken Nazis dem Todestagihres“Märtyrers“ <strong>Horst</strong> <strong>Wessel</strong>. Überall tauchen Aufkleber & Plakatemitseinem Konterfei und nazistischem Inhalt auf. Um dagegenan<strong>zu</strong>treten,möchten wir euch mit dieser <strong>Broschüre</strong> informieren.Viel Spaß beim lesen.


Das Autor_innenkollektiv verwendet statt <strong>der</strong> Begriffe Rechtsextremismusund Nationalsozialismus vor allem aus zwei Gründen den desNazismus. Für die historische Debatte ist die Selbstbe-zeichnung desNazismus als Nationalsozialismus zwar inzwischen in vielerlei HinsichtTeil <strong>der</strong> lingua tertii imperii, <strong>der</strong> Sprache des sog. 3. Reiches, sitztdamit aber <strong>der</strong> verlogenen und demagogischen Selbstdarstellung <strong>der</strong>NSDAP und des Naziregimes als Teil <strong>der</strong> sozialistischen Bewegung auf.Nazismus beinhaltet dagegen den Ansatz, dass <strong>der</strong> deutsche Faschismusbzw. <strong>der</strong> Faschismus in Deutschland durch die planmäßig-industrielleVernichtung <strong>der</strong> europäischen Jüdinnen und Juden und <strong>der</strong>Sinti und Roma über Merkmale des Fasch-ismus in an<strong>der</strong>en Län<strong>der</strong>nwie bspw. in Italien hinausgeht und somit auch begrifflich eine an<strong>der</strong>eKategorie erfor<strong>der</strong>t. Da in <strong>der</strong> <strong>Broschüre</strong> nicht <strong>zu</strong>letzt aktuelle Ereignissemit ihren historischen Verknüpfungen dargestellt werden, dieeine Identifi zierung des Problems „Nazismus“ in <strong>der</strong> Bundesrepublikverbessern sollen wird systematisch <strong>der</strong> Begriff „Nazismus“ und fürdessen Anhängerinnen und Anhänger verschiedenster Richtungen dieKennzeichnung „Nazi“ verwendet. Der Begriff Nazismus ist sprachlichin <strong>der</strong> Zeit <strong>der</strong> Anti-Hitler-Koalition politisch üblich geworden. Statt<strong>der</strong> Eigenbezeichnung <strong>der</strong> Nazis verwendeten auch die Überlebendendes KZ Buchenwald im „Schwur <strong>von</strong> Buchenwald“ bewusstden Begriff Nazismus: „Die Vernichtung des Nazismus mit seinen Wurzelnist unsere Losung.“Die Verwendung des Begriffs „Rechtsextremismus“ ist deshalb ab<strong>zu</strong>lehnen,weil suggeriert wird, es gäbe einen entsprechenden Gegenpol.Die Konzentration auf die beiden „Extreme“ erfi ndet eine „Mitte“,die es so nicht gibt. Die Reduktion auf den „Extremismus“ versuchtdarüber hinaus durch die Gleichset<strong>zu</strong>ng <strong>von</strong> „Links-“ und „Rechtsextremismus“die unterschiedlichen politischen Ziele <strong>zu</strong> nivellieren.…geboren am 09.10.1907 inBielefeld…Vater: evangelischer Pastor,Gegner des Versailler Vertrages,propagierte “Gewalt germanischenChristenglaubens”…besuchte Gymnasium in Berlin…in Jugendjahren Angehörigkeitin Wehrsportverbänden “Bismarckjugend”,“Wiking Bund”…1926: beginnt Jurastudium,Eintritt in NationalsozialistischeDeutsche Arbeiterpartei (NS-DAP) und Sturmabteilung (SA)…1928: gibt Studium auf, wirdTaxifahrer und Schipper beimU-Bahnbau…1929: wird SA-Sturmführer desSA-Sturms 5, Erstveröffentlichungseines Gedichts “Die Fahne hoch,die Reihen fest geschlossen!”in <strong>der</strong> Propagandazeitung <strong>der</strong>Nazis “Der Angriff”…1. Mai: wird “Truppführer” undorganisierte die SA-Arbeit imStadtteil Friedrichshain…Dezember: Bru<strong>der</strong> Werner(ebenfalls bei SA und NSDAP-Mitglied) stirbt…1930: wird am 14. Januarin seiner Wohnung vom kommunistischenRoten Frontkämpferbund(RFB) angegriffen unddabei angeschossen 23. Februar:stirbt an seinen Verlet<strong>zu</strong>ngen imKrankenhaus…1. März: Begräbnis wird <strong>zu</strong>rPropagandaveranstaltung mitprominenten Gästen u.a. Goebbels


Bereits als 15-Jähriger trat <strong>Horst</strong> <strong>Wessel</strong> demBismarck-Orden (später Deutschnationale Volkspartei- DNVP) und 1924 dem Wiking-Bund(später Stahlhelm) bei.Am 12.2.1925 verließ er den Bismarck-Orden,um seine Energie beim Wiking <strong>zu</strong> verschwenden,<strong>der</strong> allerdings einen Monat späterverboten wurde. Für <strong>Wessel</strong>, nunmehr politischarbeitslos, bot sich als Alternative die im Aufbaubefi ndliche, bis dato wirkungslose SplittergruppeBerliner SA an, <strong>der</strong> er im Oktober1926 beitrat. Am 1. November 1926 übernahmJoseph Goebbels die Führung des zerfallendenGaues und machte sich an dessen Reorganisation.Im Gegensatz <strong>zu</strong>r landläufigen Meinungwar <strong>Wessel</strong> nicht gerade überzeugt <strong>von</strong> denFähigkeiten seines neuen Gauleiters. Trotzdemtrat er noch im selben Jahr in die NSDAP ein.Für kurze Zeit führte er während seines Jura-Studiums,das er 1926 aufnahm und 1928 abbrach,eine Einheit des Bundes Deutscher Arbeiterjugend(später Hitler-Jugend). Während dieserZeit beteiligte er sich an den Krawallen gegen dieJazzoper „Johnny spielt auf“. U.a. aufgrund dieseroffenen Gewaltbereitschaft machte er sichin <strong>der</strong> Naziszene bald einen Namen und übernahm1928 die SA-Straßenzelle am Alexan<strong>der</strong>platz,die <strong>zu</strong>m „sozialrevolutionär“ eingestelltenSA-Sturm 1 <strong>der</strong> Standarte 4 gehörte. Die Ortsgruppen<strong>der</strong> SA wurden <strong>zu</strong>nächst wie Sportabteilungenorganisiert und hatten durch ihr<strong>der</strong>bes Auftreten als Ordner bei Aufmärschen,durch Flugblattaktionen und Straßenschlachteneine hohe Anziehungskraft für Nazis wie <strong>Horst</strong><strong>Wessel</strong>. Joseph Goebbels, erkannte schnell<strong>Wessel</strong>s propagandistische Fähigkeiten und ließihn innerhalb des „permanenten Wahlkampfs“<strong>der</strong> NSDAP Seminare geben und auf DiskussionsveranstaltungenReden schwingen. Der ideolo-


gisch gefestigte <strong>Wessel</strong> sah seine Aufgabe vor allemdarin, die Jugend für die Nazibewegung <strong>zu</strong> gewinnenund die Kampfbereitschaft <strong>der</strong> eigenen Anhängerinnenund Anhänger <strong>zu</strong> stärken. In einem Briefan die Hitler-Jugend (HJ) schrieb er: „Wir sind Hitlersbraune Haufen, und mit an erster Stelle wollen wirunser Hakenkreuzbanner <strong>zu</strong>m Sturme tragen. Kämpferwollen wir sein, Soldaten unserer Idee, Soldaten instiller und eiserner Pflichterfüllung kämpfen.“ Ferner tater sich als Propagandaredner hervor. Beispielsweiseattackierte <strong>Wessel</strong> am 15.1.1929 in Berlin-Friedenauheftig die Deutschnationalen. Im Anschluss bedauerteer im Gespräch mit Goebbels den mangelndenAktivismus innerhalb <strong>der</strong> SA. Der Gauleiter dagegennotierte: „Ich sitze in einer Zwickmühle. Werden wirin Berlin aktivistisch, dann schlagen unsere Leute alleskurz und klein.“Kaffeekränzchen, in denen <strong>Wessel</strong> und Goebbels v.a.das Verhältnis <strong>der</strong> NSDAP <strong>zu</strong> den Deutschnationalenbzw. dem Stahlhelm und <strong>zu</strong>r „nationalsozialistischenRevolution“ diskutierten, folgten. Auch Goebbelszeigte sich wenig begeistert, als Hitler im April 1929die Annäherung an die „bürgerliche Rechte“ einleiteteund sich gar positiv <strong>zu</strong>r parlamentarischen Arbeitaussprach: „Und gerade jetzt, wo es darauf ankommt,die Nerven <strong>zu</strong> behalten. Es ist <strong>zu</strong>m Auswachsen.Wir haben noch <strong>zu</strong> viele Spießer in <strong>der</strong> Partei. DerMünchener Kurs ist <strong>zu</strong>weilen unerträglich. Ich binnicht bereit, einen faulen Kompromiss mit<strong>zu</strong>machen.Ich werde, und wenn es meine persönliche Positionkosten soll, den geraden Weg gehen. Ich zweifl emanchmal an Hitler...Es hat in den SA-Gruppen schonernste Verwirrungen gegeben.“ Dieser Weg führte <strong>zu</strong>rHarzburger Front, <strong>zu</strong>r Verfolgung <strong>von</strong> „Parteilinken“und unorganisierten Nazis während des „Dritten Reiches“.<strong>Wessel</strong> fungierte seit dem 1. Mai 1929 als SA-Sturmführer des SA-Sturms 5 in Berlin-Friedrichshain,einem Bezirk, in dem beson<strong>der</strong>s hohe soziale Notherrschte. Die Arbeitslosigkeit betrug hier beispielsweiseüber 40%.<strong>Wessel</strong>s SA-Sturm erweiterte sich innerhalbeines halben Jahres <strong>von</strong> 30auf knapp 250 Mitglie<strong>der</strong>.


Die SA war ein unabhängiger Schlägertrupp und ab 1926die paramilitärische Kampforganisation <strong>der</strong> NSDAP. DieseSchläger spielten eine entscheidende Rolle beim Aufstieg<strong>der</strong> Nazis. Die Organisation wurde 1921 <strong>von</strong> Ernst Röhmgegründet und war berüchtigt für ihr brutales und menschenverachtendesAuftreten. In <strong>der</strong> Anfangszeit solltesie lediglich die offi ziellen Versammlungen <strong>der</strong> NSDAPschützen, aber schnell nahmen auch Aufmärsche sowie gewalttätigeÜbergriffe gegen Menschen jüdischen Glaubensund politische Feinde wie Kommunistinnen und Kommunistensowie Sozialdemokratinnen und Sozialdemokratendeutlich <strong>zu</strong>. Die SA wurde wie die NSDAP im Jahr 1923kurzzeitig verboten. Wenig später gründeten sich beidefaschistische Organisationen jedoch neu. Die SA wurdeerst spät unter die Obhut <strong>der</strong> NSDAP gestellt, vorher warsie eine eigenständige nazistische Organisation.Aufgrund interner Machtkämpfe und persönlicher Differenzeninnerhalb <strong>der</strong> Reihen <strong>der</strong> Nazis verlor die SA nach <strong>der</strong>„Ernennung“ Hitlers <strong>zu</strong>m Reichskanzler enorm an Einfl uss.Die Zahl ihrer Mitglie<strong>der</strong> stieg jedoch <strong>von</strong> 60.000-80.000(1930) über ca. 220.000 (1932) bis <strong>zu</strong> ca. 3,5 Millionen(1934) stetig an.Nach diesem 30. Januar 1933 konnte die SA mit staatlicherAutorität Menschen einschüchtern, verfolgen un<strong>der</strong>morden. SA-Trupps organisierten auf eigene Faust Hausdurchsuchungenund Verhaftungen. Dabei starben allein inBerlin mehrere Menschen und viele wurden verletzt. DieSA-Präsenz auf den Straßen wirkte einschüchternd auf diewenigen regulären Polizeikräfte, die sich <strong>der</strong> Nazi-Diktaturnoch nicht freiwillig angepasst hatten. Zu dieser Zeit wurdenbereits etwa 5.000 SA-Männer <strong>zu</strong> Hilfspolizisten ernannt.Die SA war wie alle nazistischen Organisationen strenghierarchisch <strong>von</strong> oben nach unten aufgebaut. Offi ziellerFührer <strong>der</strong> SA war ab 1930 Hitler selbst. Am 30. Juni1934 ließ Hitler den <strong>zu</strong> mächtig gewordenen SA-StabschefRöhm und etwa 130 seiner Gefolgsleute liquidieren. MitErnst Röhm, dem Obersten Stabschef <strong>der</strong> SA, hat sich <strong>der</strong>Mann an <strong>der</strong> Spitze <strong>der</strong> NSDAP auch des vermutlich Letztenentledigt, <strong>der</strong> ihm intern vielleicht hätte gefährlich wer-


den können. Doch auch wenn Röhm mit seiner SAin den vergangenen Wochen lautstark eine „zweiteRevolution“ gefor<strong>der</strong>t hat – die Gerüchte über einenPutsch, den die Regierung im letzten Moment nie<strong>der</strong>schlagenmusste, waren inszeniert.Viktor Lutze wurde Röhms Nachfolger. Nach dessenUnfalltod 1943 wurde Wilhelm Schepmann<strong>zu</strong>m SA-Stabschef ernannt. Politisch setzte damit<strong>der</strong> Nie<strong>der</strong>gang <strong>der</strong> SA ein, wodurch <strong>der</strong> Weg fürden Aufstieg <strong>der</strong> Schutzstaffel (SS) frei wurde.Zur Machtsicherung, seine Expansions- und Aggressionspolitikbenötigte Hitler nun die Gunst<strong>der</strong> Großbourgeoisie, vor allem <strong>der</strong> deutschenSchwerindustrie. Eine SA mit pseudosozialistischenIdeologieversatzstücken war da er hin<strong>der</strong>lich. Zueinem landesweiten Einsatz kam die SA nochmalsam 9.November 1938, <strong>der</strong> Reichspogromnacht, alszahlreiche jüdische Geschäfte und Synagogen inBrand gesteckt wurden. Die heutige Assoziierung<strong>von</strong> Nazis mit <strong>der</strong> Farbe braun geht übrigens auf diehellbraunen Uniformen <strong>der</strong> SA <strong>zu</strong>rück.<strong>Wessel</strong> als Sturmführer,1929 in Nürnberg


Sofort nach seinem Tod wurde <strong>Horst</strong><strong>Wessel</strong> für die Nazipropaganda <strong>zu</strong>mMärtyrer; <strong>zu</strong>m sog. „Blutzeugen <strong>der</strong>Bewegung“, <strong>der</strong> sich für die Idee des„Nationalsozialismus“ geopfert hat.Er diente somit als Vorbild und galtgleichzeitig als Symbolfigur für die Verfolgungpolitischen Gegnerinnen undGegner innerhalb <strong>der</strong> NSDAP.<strong>Wessel</strong>s Tod bot dem späterenPropagandaminister Joseph Goebbelsdie Gelegenheit, einen „Helden“ <strong>zu</strong>schaffen. Er organisierte ein öffentlichesStaatsbegräbnis, das den Charaktereiner propagandistischen Inszenierungtrug. Bei <strong>der</strong> Trauerrede verschwieg erdie wahren Hintergründe des Todes<strong>Wessel</strong>s und schuf damit eine Legendeum den verstorbenen SA-Sturmführer,wie auch ein klares Feindbild.An den Jahrestagen seines Todeswurden in <strong>der</strong> Nazizeit regelmäßigGedenkfeiern veranstaltet. Außerdemwurden bereits kurz nach seinem TodGedenksteine errichtet, Straßen undPlätze nach ihm benannt. Nach <strong>der</strong>„Machtübernahme“ wurde <strong>der</strong> BerlinerStadtbezirk Friedrichshain in „<strong>Horst</strong>-<strong>Wessel</strong>-Stadt“ umbenannt. Diesen Namentrug er bis 1945. Auch das Krankenhaus,in dem <strong>Wessel</strong> starb, erhielt denNamen „<strong>Horst</strong>-<strong>Wessel</strong>-Krankenhaus“.Der heutige Rosa-Luxemburg-Platz(ehemaliger Bülowplatz) hieß „<strong>Horst</strong>-<strong>Wessel</strong>-Platz“. Beson<strong>der</strong>s Jugendlichesollten <strong>Wessel</strong> als ihr Idol anerkennen.Daher wurden häufig auch Schulen nachihm benannt. Als Bekenntnis <strong>zu</strong>m Staatgalt es, seinen Söhnen nach <strong>der</strong> Geburtden Vornamen „<strong>Horst</strong>“ <strong>zu</strong> geben.Der damals bekannte SchriftstellerHanns Heinz Ewers schrieb dasSchicksal des SA-Mannes in dem Roman„<strong>Horst</strong> <strong>Wessel</strong>“ 1932 nie<strong>der</strong>. 1933wurde dieser verfilmt, wobei <strong>der</strong> Name<strong>der</strong> Hauptperson in Hans Westmar umgewandeltwurde.Beson<strong>der</strong>e Bedeutung erlangte das<strong>Horst</strong>-<strong>Wessel</strong>-Lied: Von <strong>Wessel</strong> selbstEnde <strong>der</strong> Zwanziger komponiert, wurdees mit <strong>der</strong> eingängigen Marschmelodie<strong>zu</strong>m offi ziellen Kampflied <strong>der</strong> SA. Balddarauf wurde es im “Völkischen Beobachter”abgedruckt, fand Verwendungals Parteihymne und wurde nach<strong>der</strong> „Machtübernahme“ schließlich inoffiziell <strong>zu</strong>r zweiten deutschen Nationalhymne,die bei öffentlichen Anlässenund Parteiveranstaltungen abgesungenwurde.Immer wie<strong>der</strong> gern gesungen,das “<strong>Horst</strong> <strong>Wessel</strong> Lied”


Das Grab <strong>von</strong> <strong>Horst</strong> <strong>Wessel</strong> wurde wie alle Nazi-Denkmäler nach 1945 unkenntlichgemacht. Er liegt neben seinem ebenfalls auf diesem Friedhof beerdigtenVater. Am 23. Februar 1997, am Todestag <strong>von</strong> <strong>Horst</strong> <strong>Wessel</strong>, gingen Nazis daserste Mal seit <strong>der</strong> Zerschlagung des Nazismus auf den St.- Nicolai- Friedhofan <strong>der</strong> Prenzlauer Allee Ecke Mollstraße (Prenzlauer Berg in Berlin) und legtenunter polizeilicher Aufsicht Kränze auf seinem Grab nie<strong>der</strong>. Seitdem gibt esjährlich an diesem Datum Aktionen und Kundgebungen <strong>von</strong> antifaschistischenKräften rund um den Friedhof. Damit ist es den Nazis unmöglich auf den Friedhof<strong>zu</strong> gelangen.Angeblich wurde im Jahre 2000 <strong>der</strong> Schädel <strong>Horst</strong> <strong>Wessel</strong>sausgegraben und in die Spree geworfen. Nazis behaupten,dass dies eine Aktion aus dem Antifa-Spektrum gewesensei, und so wurde <strong>von</strong> dem Nazi Oliver Oeltze eine Protestdemonstrationangemeldet, die jedoch <strong>von</strong> <strong>der</strong> Polizei verbotenwurde. Zwei Tage später versammelten sich rund 50Nazis an dem Friedhof und hielten eine Kundgebung unterdem Motto „Gegen Grabschändung“ ab. Diese Aktion wie<strong>der</strong>holtensie eine Woche später am selben Ort. 2001 und2002 beteiligte sich an den Gegenprotesten <strong>zu</strong>m „<strong>Horst</strong>-<strong>Wessel</strong>–Gedenken“ neben vielen Antifaschistinnen undAntifaschisten auch <strong>der</strong> Grünen -Politiker Wolfgang Wieland.In diesen beiden Jahren konnte die Gedenkkundgebungen<strong>der</strong> Nazis gestoppt werden. Erst 2004 veranstalteten Naziswie<strong>der</strong> eine Kundgebung, diesmal jedoch vor dem KrankenhausFriedrichshain, in dem <strong>Wessel</strong> starb. Dort zeigten siesich jedoch bloß kurz, um ihre Transparente in die Luft <strong>zu</strong>halten und um einige Sprechchöre <strong>zu</strong> skandieren. Ein Jahrspäter wurden in Berlin, Potsdamund Umgebung vermehrt<strong>Horst</strong> <strong>Wessel</strong> Plakate und Aufklebergefunden, die <strong>zu</strong> einerunangemeldeten Gedenkveranstaltungam 23.02.05 aufriefen.Rund 150 Antifaschistinnenund Antifaschistenkonnten diese allerdings verhin<strong>der</strong>n.Doch nicht nur inBerlin gibt es den Versuch,des SA-Mannes <strong>zu</strong> gedenken.2001 verteilte beispielsweisedie inzwischen aufgelöste„Pommersche Aktionsfront“Flugblätter und Aufkleber inMecklenburg-Vorpommern.


Noch heute erinnern zahlreiche Straßennamen an den antifaschistischen Wi<strong>der</strong>standim Bezirk.Antifaschistische Persönlichkeiten wie die Künstlerin Käthe Kollwitz, ErnstKnaack, <strong>der</strong> Dichter Erich Weinert o<strong>der</strong> das antifaschistische Ehepaar Sredzki,zeugen noch heute <strong>von</strong> aktiver Gegenwehr gegen die Nazis. Der Wi<strong>der</strong>standstützte sich vor allem auf den RFB, gegründet <strong>von</strong> <strong>der</strong> KPD, <strong>der</strong> SozialistischenArbeiterjugend (SAJ), dem Reichsbanner (Sozialdemokraten) undunabhängige Kommunistinnen und Kommunisten sowie Anarchistinnen undAnarchisten. Um den Nazis vor allem auf <strong>der</strong> Straße entgegen<strong>zu</strong>treten unddie lokalen „proletarischen Kräfte“ <strong>zu</strong> binden, wurde 1932 die „AntifaschistischeAktion“ gegründet. Antifaschistischer Wi<strong>der</strong>stand lebte nach den Reichstagswahlen1933 beson<strong>der</strong>s stark auf. Im Prenzlauer Berg teilte sich diese ineinzelne Zellen auf, so existierte <strong>zu</strong>m Beispiel die Zelle „Lychener Straße“ amals „rote Hochburg“ bekannten Helmholtzplatz mit <strong>der</strong> Schliemannstraße. DesWeiteren gab es eine ausgeprägte „Swing-Jugend“-Szene im Bezirk, namens„Broadway“. Diese wi<strong>der</strong>setzte sich <strong>der</strong> nazistischen Ordnungs- und Disziplinvorstellungund orientierte sich stark an <strong>der</strong> als „entartet“ diffamierten „Swing-Kultur“ in den USA, welche die Grundlager ihrer Subkultur bildete. Die Cliquekonnte sich in zwei Kaffeehäusern an <strong>der</strong> Schönhauser Allee treffen.Um politische Feinde ein<strong>zu</strong>sperren, funktionierten die Nazis die Maschinenhalledes Wasserturmes an <strong>der</strong> Rykestraße <strong>zu</strong> einem Konzentrationslager (KZ)um. Die SA versuchte die Existenz des KZ’s <strong>zu</strong> verheimlichen. So wurden Gefangenemeistens in <strong>der</strong> Nacht gebracht, damit die Anwohnerinnen und Anwohner„ahnungslos“ bleiben sollten. Beim Abriss <strong>der</strong> Maschinenhalle 1935,wurden mehrere verweste Leichen entdeckt. Zudem wurde <strong>von</strong> Anwohnerinnenund Anwohnern über Schüsse auf dem Gelände berichtet.„Zehn bis zwölf SA-Männer schlugen auf michein - mit Peitschen, Gummiknüppeln und Revolverknüppeln.“Werner Rosenberg (1911-1990), Gefangener desKZ WasserturmMehr <strong>Info</strong>rmationen imkostenlos <strong>zu</strong> beziehenden Band:Sandvoß, Hans-Rainer Wi<strong>der</strong>stand in PrenzlauerBerg und Weißensee / Hans-Rainer SandvoßBerlin: Gedenkstätte Deutscher Wi<strong>der</strong>stand, 2000


Nazi-Heldenverehrung in HalbeNeben den Aufmärschen in Wunsiedel und Dresden zählte in den letzten Jahren das„Heldengedenken“ im brandenburgischen Dörfchen Halbe <strong>zu</strong> den Top-Events <strong>der</strong> deutschenNaziszene. 2005 versammelten sich dort am Vortag des „Volkstrauertages“ ca. 1.600 Neonazis.2006 am Ersatzkundgebungsort Seelow immerhin 1.300 Rechte. Erfolgreich ist <strong>der</strong> Halbe-Aufmarsch innerhalb <strong>der</strong> Naziszene vor allem, weil er Anknüpfungspunkte für zentrale Punkte<strong>der</strong> Naziideologie bietet: das „Heldentum“ <strong>der</strong> eingekesselten Wehrmachtssoldaten, die „Verteidigung<strong>der</strong> Reichshauptstadt“, die zahllosen Gefallenen als Opfer <strong>der</strong> „asiatischen Russen“.Die KesselschlachtIn Halbe fand im April 1945 die letzte große Kesselschlacht des Zweiten Weltkrieges statt. Ca.40.000 Menschen fi elen in dieser Schlacht, <strong>zu</strong> <strong>der</strong> außer verschiedenen Wehrmachts- und SS-Einheiten zahlreiche Volkssturm-Angehörige und HJ-Mitglie<strong>der</strong> herangezogen worden waren.Unter den Toten befanden sich auch viele Flüchtlinge aus dem Osten und Bewohnerinnen undBewohner des Umlandes. Nur etwa zwei Wochen später endete <strong>der</strong> Zweite Weltkrieg und dieNaziherrschaft mit <strong>der</strong> bedingungslosen Kapitulation Nazideutschlands.Der FriedhofIm Jahr 1951 wurde in Halbe auf Initiative eines Pfarrers begonnen, einen zentralen Friedhof vorallem für die deutschen Opfer <strong>der</strong> Kesselschlacht an<strong>zu</strong>legen. Ca. 22.000 Menschen wurdenhierher umgebettet. Neben den zahlreichen Soldaten und den zivilen Toten bestattete man inHalbe einige sowjetische Zwangsarbeiterinnen und -arbeiter, Opfer <strong>der</strong> deutschen Militärjustiz(sog. „Deserteure“, „Wehrkraftzersetzer“ und „Plün<strong>der</strong>er“) und ca. 5.000 Tote aus dem „SpeziallagerKetschendorf“, in dem nach dem Krieg vor allem Nazifunktionäre und Kriegsverbrecherinterniert worden waren.


Ein Nazi-WallfahrtsortNach dem Fall <strong>der</strong> Mauer und dem Zusammenbruch<strong>der</strong> DDR trafen sich auf demWaldfriedhof in Halbe immer häufiger Nazis.Uniformierte Mitglie<strong>der</strong> <strong>der</strong> Wiking-Jugendund an<strong>der</strong>er Organisationen marschierten mitTrommel und Fahnen am „Volkstrauertag“ aufund gedachten mit martialisch-pathetischenRitualen <strong>der</strong> gefallenen deutschen Soldatenbis das Spektakel 1992 verboten wurde. ZehnJahre später begann sich die Nazi-Szenewie<strong>der</strong> verstärkt für Halbe <strong>zu</strong> interessieren.Ab 2003 fanden erneut regelmäßig Aufmärschein dem brandenburgischen Dorf statt.Die Mystifi zierung soldatischen Lebens (undSterbens), die Glorifi zierung <strong>von</strong> Soldaten als„Helden“ und „Märtyrer“ bleibt ein Charakteristikumnazistischer Propaganda.Die KriegsgräberfürsorgeDoch nicht nur Nazis kümmern sich um deutscheSoldaten: seit einigen Jahren engagiertsich <strong>der</strong> VdK, <strong>der</strong> „Verein deutsche Kriegsgräberfürsorge“in Halbe. Der VdK wurdenach dem Ersten Weltkrieg gegründet undfühlt sich <strong>der</strong> Pfl ege deutscher Soldatengräberin aller Welt verpflichtet. Nicht verwun<strong>der</strong>lichalso, dass dieser Verein gelegentlich Überschneidungenmit den Interessen <strong>der</strong> Naziszeneaufweist bzw. die Ähnlichkeit <strong>der</strong> politischenFor<strong>der</strong>ungen ignoriert. Mit dem VdK kann eskein gemeinsames Gedenken geben und deshalbrichten sich unsere Proteste auch gegendie deutschnationale Kriegsgräberfürsorge.Die ProtesteNachdem in den vergangenen Jahren die antifaschistischeMobilisierung nach Halbe unterpolizeilichen Maßnahmen <strong>zu</strong> leiden hatteund 2005 einen Tiefpunkt erreichte, bessertesich die Situation 2006: Ein Bündnis BerlinerAntifa-Initiativen begann sich mit dem„Heldengedenken“ <strong>zu</strong> befassen, führte Veranstaltungendurch und protestierte mit Unterstüt<strong>zu</strong>ngBrandenburger Antifaschistinnenund Antifaschisten vor Ort gegen die Nazi-Aufmärsche. In diesem Jahr soll antifaschistischerProtest in Halbe ebenfalls wie<strong>der</strong> lautvernehmbar sein. Parallel <strong>zu</strong> den Aktivitätendes breiten Bürger(innen)-Bündnisses (demes immerhin 2005 gelang, den Naziaufmarschdurch eine Blockade <strong>zu</strong> verhin<strong>der</strong>n und dasauch im November 2006 präsent war) wirdes auch am 3. März 2007 Protestaktionen <strong>von</strong>Antifaschistinnen und Antifaschisten geben.Aktuelle <strong>Info</strong>rmationen, Aufrufeund Hintergrundtexte <strong>zu</strong>m Thema„Heldengedenken“ und Halbe gibt esunter www.redhalbe.de.vu.ein text <strong>der</strong> gruppe “fels”für eine linke strömung

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