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ALTANA kultur stiftung

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Georg Baselitz<br />

Das Naturmotiv<br />

<strong>ALTANA</strong> Kultur<strong>stiftung</strong><br />

Sinclair-Haus Bad Homburg<br />

4. März bis 20. Mai 2012<br />

Landesmuseum für Kunst<br />

und Kulturgeschichte, Oldenburg<br />

3. Juni bis 2. September 2012<br />

altana <strong>kultur</strong><br />

<strong>stiftung</strong>


Diese Publikation erscheint<br />

anlässlich der Ausstellung<br />

Georg Baselitz. Das Naturmotiv<br />

<strong>ALTANA</strong> Kultur<strong>stiftung</strong><br />

im Sinclair–Haus, Bad Homburg<br />

4. März – 20. Mai 2012<br />

Landesmuseum für Kunst und<br />

Kulturgeschichte Oldenburg<br />

3. Juni – 2. September 2012<br />

Herausgeber<br />

<strong>ALTANA</strong> Kultur<strong>stiftung</strong> gGmbH<br />

Andrea Firmenich, Johannes Janssen<br />

Redaktion<br />

Johannes Janssen<br />

Lektorat<br />

Julia Frohnhoff<br />

Verlagsredaktion<br />

Doris Hansmann<br />

Gestaltung<br />

Christian Padberg, LPG, Bonn<br />

Lithografie<br />

adhoc media GmbH, Köln<br />

Wienand Verlag, Köln<br />

www.wienand-verlag.de<br />

ISBN 978–3–86832–095–4<br />

© <strong>ALTANA</strong> Kultur<strong>stiftung</strong> gGmbH,<br />

Bad Homburg v. d. Höhe,<br />

Wienand Verlag und Autoren<br />

© 2012 Georg Baselitz<br />

Fotonachweis<br />

© Carl Brunn, Aachen S. 72, 73, 75, 100,<br />

101, 121; Anne Gold, Aachen S. 66, 68, 69;<br />

Karl Arendt, Köln S. 145; Kunstmuseum<br />

Basel, Martin P. Bühler S. 8, 39, 47, 48, 97,<br />

132; Archiv Georg Baselitz S. 27; Herbert<br />

Boswank, Dresden S. 22, 93, 103–119;<br />

Collection Gemeentemuseum Den Haag,<br />

The Hague, The Netherlands S. 49, 50, 51,<br />

57, 87, 140, 141, 144; Sammlung Deutsche<br />

Bank S. 65; Courtesy Galerie Fred Jahn,<br />

München S. 159; Guy Jost, Bern S. 151;<br />

Benjamin Katz S. 25; Achim Kukulies, S. 45,<br />

53; Jochen Littkemann Umschlagabbildung,<br />

S. 16, 35, 36, 37, 40, 41, 42, 44, 55, 61,<br />

63, 67, 76, 77, 79, 81, 83, 85, 88, 89, 90,<br />

91, 95, 96, 99, 120, 122, 123, 125, 127,<br />

130, 131, 134, 135, 136, 137, 139, 143,<br />

146, 147, 149, 152, 153, 154, 155, 157,<br />

160, 161, 162, 163, 164, 165; Museum<br />

Morsbroich, Leverkusen S. 43; Martin<br />

Müller, Berlin S. 2; Staatliche Graphische<br />

Sammlung München, WAF PF 187 / WAF PF 36<br />

S. 33, 129; Frank Oleski, Köln S. 133; Moritz<br />

Partenheimer, München S. 71; Friedrich<br />

Rosenstiel, Köln S. 31; Uwe H. Seyl, Stuttgart<br />

S. 59; Siegfried Wameser, München S. 82.<br />

Umschlagabbildung<br />

Blauer Baum – P.M., 2009 (Abb. S. 164)<br />

Inhalt<br />

Andrea Firmenich | Johannes Janssen<br />

6 Vorwort<br />

Johannes Janssen<br />

9 Georg Baselitz<br />

»Die Landschaft, die ich kenne, kann Modell werden.«<br />

Thomas Wagner<br />

17 Das Bild umgraben<br />

Georg Baselitz und die Natur<br />

Rainer Stamm<br />

23 Das Kunstwerk im Kopf<br />

Überlegungen zum Naturmotiv bei Georg Baselitz<br />

29<br />

Werke<br />

Anhang<br />

168 Georg Baselitz: Leben und Werk<br />

Zusammengestellt von Detlev Gretenkort<br />

173 Verzeichnis der abgebildeten Werke


9<br />

Georg Baselitz<br />

»Die Landschaft, die ich kenne, kann Modell werden.« 1<br />

Johannes Janssen<br />

Das Zitat landschaftlicher Motive gehört von Beginn an zum bildnerischen Vokabular von Georg<br />

Baselitz. In der umfassenden Rezeption seines Werkes und auch in den Kommentaren des Künstlers<br />

selbst wird dabei die Bedeutung seiner Herkunft für seine Arbeit deutlich: »In meinen frühen Bildern<br />

habe ich das zurückerinnert, was ich verlassen musste. Bis heute zitiere ich Personen, Landschaften,<br />

Situationen, die im Osten liegen. Das sind meine Vokabeln geblieben.« 2 Wer die Bildsprache des<br />

Künstlers umfassend verstehen will, sollte also den Blick auch auf die semantische und syntaktische<br />

Bedeutung der frühen Arbeiten richten, die aus der Kulmination von Erinnerungen und bildlichen<br />

Vorlagen entstanden sind und eben nicht »vor dem Motiv« 3 . Die Künstlerbiografie verweist auf<br />

erste »gültige« Bilder seit 1960. Das mag in Kenntnis der bedeutenden »Rayski-Porträts« und der<br />

anamorphotischen Landschaften aus diesem Jahr seine Berechtigung haben, dennoch stellen wir<br />

die Landschaft von Trier von 1958 (S. 31) an den Anfang. Sie ist – neben anderen Arbeiten dieser<br />

Zeit – wie ein Prolog zu sehen, wie ein besonderes Vorspiel zum Akt der künstlerischen (Selbst-)<br />

Findung von Georg Baselitz. Diese frühe Landschaft malte der zwanzigjährige Künstler, nachdem er<br />

wegen »gesellschaftspolitischer Unreife« der Hochschule in Ostberlin verwiesen worden war, um<br />

anschließend im Westen der Stadt in der Klasse von Hann Trier weiterzustudieren. Im Rückblick ist<br />

nur zu vermuten, wie hoch die Spannung für den jungen Künstler gewesen sein muss, der gerade die<br />

Lehre des »sozialistischen Realismus« hinter sich gelassen hatte und sich nun mit dem Selbstverständnis<br />

einer informellen Malerei auseinandersetzen musste. Die Landschaft von 1958 scheint diese<br />

»Anspannung« auf Leinwandgröße zu komprimieren. Der nervöse, kleinteilige Pinselstrich mit einer<br />

breit angelegten Farbpalette und einem rotflächigen Zentrum scheint aus heutiger Sicht zunächst den<br />

Anforderungen der tachistischen Lehre zu folgen. Aber das Stakkato der Farben und die Unruhe der<br />

Strichakkorde werden durch eine zurückhaltende, jedoch prägende Bildordnung eingefasst. Mit<br />

wenigen Linien – im Sinne der informellen Lehre fast subversiv – implementiert Baselitz landschaftliche<br />

Andeutungen. Eine zentrale Bergkontur, ein Bogen, der wie ein Weg anmutet, und die farbliche<br />

Andeutung einer Himmelszone zeugen schon eher von einer zeitgenössischen Antwort auf Gemälde<br />

des Mont Sainte-Victoire von Paul Cézanne. Baselitz selbst hat seine Hochschulzeit beschrieben, in<br />

der er vieles hinter sich gelassen hat »bis auf eben diese Idee, dass selbst, wenn es nur mehr Flecken<br />

und keine Gegenstände mehr gibt auf den Bildern, dass diese Flecken doch noch irgendeine dialektische<br />

Beziehung zum Leben auf der Straße haben mußten. Deshalb malte ich dann in der ersten Zeit


freizusetzen. Immer wieder hat Georg Baselitz darauf hingewiesen, dass es sich bei Motiven wie dem<br />

»Sandteichdamm« nicht nur um Orte der Kindheit und Jugend im sächsischen Deutschbaselitz handelt,<br />

sondern um Aufgaben, Arbeiten, Bildanlässe, an denen er sich teilweise seit mehr als fünfzig<br />

Jahren – in immer neuen Fassungen, Gattungen und Formen – ausprobiert und abarbeitet. Motive<br />

vagabundieren somit durch das Werk, noch oder erst recht nach Jahren oder Jahrzehnten des<br />

ursprünglichen Seherlebnisses und unabhängig davon, ob es sich bei der ersten Begegnung um eine<br />

Seherfahrung vor der Natur oder ein gesehenes Bild – wie etwa bei den Waldstücken des Malers Ferdinand<br />

von Rayski – handelte.<br />

Beides zugleich macht die Eigenart der Bilder von Baselitz aus: Die in der versuchten Negation des<br />

Motivs freigesetzte, eruptive Sinnlichkeit von Farbe und Faktur ermöglicht den kulinarischen »Augenschmaus«,<br />

7 als den sich seine Bilder darbieten. Der verbleibende Rest eines Motivs und dessen –<br />

letzthin intime – Relevanz schützen den Maler vor der Willkür einer unverbindlichen »peinture<br />

pure«.<br />

Nicht zuletzt hat das eigenwillige Festhalten am Motiv – zwischen den vermeintlichen Dogmen<br />

von abstraktem Expressionismus und Pop-Art der Sechzigerjahre – trotz aller Abkehr einen dritten<br />

Weg eröffnet, der eine »Neue deutsche Malerei«, paradoxerweise eine figurative Malerei, begründet<br />

und ermöglicht hat. Mit dem Arbeiten, nicht »sur le motif«, sondern mit dem Motiv, gegen das Motiv<br />

und durch Umkehrung des Motivs hat Georg Baselitz dabei en passant – ebenso wie Gerhard Richter<br />

mit den nach Fotografien entstandenen Verwischungen und Grisaillen – eine Bildgattung wiederbelebt<br />

und ermöglicht, die ohne diese Kunstgriffe dem Kitsch oder der Hobbymalerei überlassen worden<br />

wäre: In den Landschaftsbildern von Baselitz und Richter (auch Anselm Kiefer) ist Landschaft als<br />

Motiv wieder möglich geworden. Bei aller Unterschiedlichkeit der Ergebnisse ist diesen Malern<br />

gemein, dass sie das »sur le motif« gemieden haben, um zu ihrer Form der Bewältigung und der<br />

Befreiung des Motivs von den damit verbundenen Konventionen zu gelangen. Dem »Abmalen« hat<br />

Baselitz das Erfinden von Bildern entgegengesetzt: »Wesentlich ist es, ein neues Bild zu machen […]<br />

Die Umkehrung des Motivs im Bilde gab mir die Freiheit, mich mit malerischen Problemen auseinanderzusetzen.«<br />

8 Für Baselitz ist die Umkehrung der direkte Weg vom Motiv zur Autonomie des Bildes,<br />

von den Bildern im Kopf zur Erfindung.<br />

26 27<br />

Atelier Schloss Derneburg, 1975<br />

1 Georg Baselitz, »Purzelbäume<br />

sind auch Bewegung<br />

und noch dazu macht es<br />

Spaß« (1992), in: Ders.,<br />

Gesammelte Schriften und<br />

Interviews, hrsg. von Detlev<br />

Gretenkort, München 2011,<br />

S. 242–257, hier: S. 244.<br />

2 Ebd., S. 243.<br />

3 Ebd., S. 244.<br />

4 Paul Celan, »Der Meridian.<br />

Rede anläßlich der Verleihung<br />

des Georg-Büchner-<br />

Preises, Darmstadt, am 22.<br />

Oktober 1960«, in: Ders.,<br />

Der Meridian und andere<br />

Prosa, Frankfurt am Main<br />

1988, S. 40–62, hier: S. 58.<br />

5 Georg Baselitz, »Das Rüstzeug<br />

der Maler« (1985), in:<br />

Baselitz 2011 (wie Anm. 1),<br />

S. 131–136, hier: S. 135.<br />

6 »Georg Baselitz im Gespräch<br />

mit Evelyn Weiss« (1975), in:<br />

Baselitz 2011 (wie Anm. 1),<br />

S. 32–54, hier: S. 32.<br />

7 Wie Anm. 1, S. 245.<br />

8 Wie Anm. 6, S. 50f.


Beatrix, 1964<br />

44<br />

45<br />

Wald mit Kreuz, 1964


Der Wald, 1965<br />

54<br />

55


oben: Birken, 1974 | rechts: Gebüsch, 1974<br />

96


Sandteichdamm, 1974<br />

98 99<br />

Titel, 1990, Öl auf Leinwand


oben: Schneespitzen, 1991 | rechts: Wurzeln, 1991<br />

144<br />

145


Blauer Baum – P.M., 2009<br />

164<br />

165<br />

Die zwei Eichen, 2011

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