Beispiel: Bei Therapieversuchen wurden mehr als doppelt so viele "Erfolge"gemeldet, wenn <strong>die</strong> Kontrolle in qualitativen Beurteilungen bestand, als beigenauer, direkter Verhaltensbeobachtung. Bei Anwendung weiter verschärfterTests verringerte sich <strong>die</strong> Zahl der "Erfolge" nochmals um über <strong>die</strong> Hälfte 186 . Istnun das strenge Kriterium auch das genauere und zuverlässigere? Vielleichtwerden bei der qualitativen Beurteilung ja Besserungssymptome bemerkt, <strong>die</strong> beiverschärften Tests unbeachtet bleiben 187 . Und vielleicht sind <strong>auf</strong> Dauer gerade<strong>die</strong>se Symptome von Bedeutung. Jedenfalls sollte man sich nicht dar<strong>auf</strong>verlassen, daß ein möglichst scharfer empirischer "Gendarm" immer <strong>die</strong> bestenEntscheidungen trifft. Sicher dürfte sich der Bewährungsgrad unseres Wissensüber Erziehung am ehesten durch empirische Überprüfungen vergrößern, aber<strong>auf</strong>grund unzureichender Prüfungsmethoden können irrtümlich auch an sichzutreffende Hypothesen verworfen werden. Das ist ein Grund, warum mancheVertreter der geisteswissenschaftlichen Pädagogik <strong>die</strong> Empirie als ein <strong>die</strong>Erkenntnis auch begrenzendes Instrument betrachten 188 .Die Bedenken gegen derartige Einengungen sind ja nicht unbegründet.Wenn man zu sehr <strong>auf</strong> strengen Prüfungen besteht, kann das zu einer Vernachlässigungwichtiger Untersuchungsgegenstände führen, bei denen nur relativungenaue oder qualitative Forschungsergebnisse zu erwarten sind 189 . Das Strebennach größtmöglicher empirischer Absicherung trägt ferner dazu bei, daß mutigeund interessante Hypothesen allzu leichtfertig verworfen oder gar nicht erst veröffentlichtwerden. Daher ist es auch zu verstehen, wenn heute in den Sozialwissenschaftenein "erweitertes Empirieverständnis" gefordert wird, nach dem "Empirieals Sammelbegriff für jegliche Art begründeter und methodisch kontrollierterErfahrungsbildung, soweit sie <strong>die</strong> Auszeichnung empirischer Wahrheitenermöglichen", verstanden wird 190 .Es ist also durchaus verständlich, wenn geisteswissenschaftliche Erziehungstheoretikerimmer wieder eingewendet haben, das Beharren <strong>auf</strong> empirischerPrüfbarkeit erziehungswissenschaftlicher Theorien könne dazu führen, daß186 Vgl. SULZBACHER 1979.187 Vgl. dazu POLANYI 1974, S. 118 f.188 Vgl. z.B. XOCHELLIS 1975, S. 13 u. 15; MEINBERG 1979, S. 227.189 DÖRNER 1983.190 ASCHENBACH/ BILLMANN-MAHECHA/ STRAUB/ WERBIK 1983, S. 127; vgl. fernerSCHWEMMER 1983; SEILER 1987; HAMILTON/ JENKINS/ KING/ MacDONALD/ PARLETT1977. Auch William JAMES' "Radical Empiricism" (1976), den er vor allem <strong>auf</strong>grund derProbleme seiner religionspsychologischen Untersuchungen vorgeschlagen hat, wäre hier zunennen; vgl. dazu auch HERMS 1976.72
wichtige Einsichten in das Menschliche, <strong>die</strong> nicht oder nicht hinreichend geprüftwerden können, <strong>auf</strong>gegeben werden müssen 191 . Das spezifisch Menschliche entziehesich jeder Prüfung und erschließe sich nur "tieferer Einsicht". Das magmanchmal durchaus zutreffen, aber gerade ein Beispiel, mit dem BOLLNOW dasverdeutlichen will, zeigt, daß - wenngleich nicht ausschließlich - auch der Hermeneutikernach Gesetzen sucht, <strong>die</strong> mehr oder weniger streng prüfbar sind.BOLLNOW fragt in seinem Beispiel, welche "Bedeutung ein dem Kind entgegengebrachtesVertrauen für ... Erziehung hat, welche ... Wirkungen umgekehrtdas Mißtrauen ..." 192 . Er meint, daß "<strong>die</strong>se Zusammenhänge, wenn man sie einmalerfaßt hat, von innen her einsichtig" sind 193 . Eine empirische Prüfung <strong>die</strong>ser"Einsicht" hält er nicht nur für überflüssig, sondern für unmöglich, weil aus ethischenGründen <strong>die</strong> Wirkungen des Mißtrauens nicht experimentell untersuchtwerden könnten. Es ist zwar richtig, daß dem Experiment hier Grenzen gesetzt sind,aber <strong>die</strong> Annahme einer gesetzmäßigen Beziehung kann - mit Einschränkungen -auch durch "ex post-facto"-Untersuchungen geprüft werden, d.h. man prüft anvergangenen, nicht vom Experimentator beeinflußten Fällen aus dem Alltag, indenen Educanden Mißtrauen entgegengebracht wurde, ob und in welchem Ausmaß<strong>die</strong> vermuteten Wirkungen tatsächlich eingetreten sind 194 . Es ist also nicht so, daß<strong>die</strong> empirische Erziehungswissenschaft "solche Zusammenhänge aus dem Umkreiseiner pädagogischen Wissenschaft von vornherein" ausschließen muß 195 .Geisteswissenschaftler betonen nicht selten, in der Hermeneutik eine derEmpirie überlegene Methode zu besitzen. Wo <strong>die</strong> Hermeneutik heute aber weiterausgearbeitet wird, läuft <strong>die</strong>s <strong>auf</strong> eine Einbeziehung empirischer Verfahren bzw. <strong>auf</strong><strong>die</strong> Ausarbeitung neuer qualitativer empirischer Verfahren hinaus 196 . SofernErziehungstheoretiker <strong>auf</strong> mehr oder weniger strenge empirische Prüfungenverzichten, ist <strong>die</strong> Wahrscheinlichkeit groß, daß sie das Risiko methodisch kaum zukontrollierender Irrtümer eingehen. Es dürfte im allgemeinen nicht vorteilhaft für<strong>die</strong> Erkenntnis der Wirklichkeit sein, wenn <strong>die</strong> "höheren Dimensionen desPädagogischen" der zugegebenermaßen partiellen Blindheit der Empirie vorgezo-191 Vgl. KIUCHI 1990, S. 99 und passim.192 BOLLNOW 1969, S. 27.193 Ebenda.194 Dar<strong>auf</strong> weist auch BOLLNOW selbst hin. Zu <strong>die</strong>sem Verfahren siehe MAYNTZ/HOLM/HÜBNER 1974, S. 186 f. Zur Problematik von ex-post-facto-Untersuchungen vgl. COOK/CAMPELL 1979.195 BOLLNOW 1969, S. 27.196 Vgl. REICHERTZ 1986; SOMMER 1987.73
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1. Einleitung1.1 Der Richtungsstrei
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können. Tatsächlich muß man vor
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Pädagogik als "Gesetzeswissenschaf
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nissen ermöglichen, die unter best
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der "richtigen" bzw. "falschen" Erz
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Theorie glaubt, kann gegenteilige B
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Technologien und Techniken zur För
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ationale pädagogische Diskussion w
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zunehmende Differenzierung und grö
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LiteraturverzeichnisABEL, THEODORE
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BÖHME, GERNOT: Alternativen in der
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- 'On Reading Carr and Kemmis'. 'Be
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SCHWARZER, RALF/STEINHAGEN, KLAUS (
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