Regeln und Werte seien durch absichtsvolles, geplantes Handeln hervorgebrachtworden. Vielmehr dürften sie durch das Ineinandergreifen der Pläne, Handlungen,Ideen und Argumente vieler einzelner entstanden sein, das zu ideellenGestaltungen geführt hat, <strong>die</strong> kein einzelner je hätte schaffen können 77 . Ohne uns<strong>die</strong>ser Regeln, Werte oder Ideale im einzelnen bewußt zu sein, leiten sie uns, sowie eine anfänglich vage Idee einen Wissenschaftler, Philosophen oder Dichterbei der Ausarbeitung eines Werkes leitet.Die Orientierung an übergreifenden Idealen der Erziehung dürfte durchausVorteile haben, und es könnte sich als Fehler erweisen, wenn man im wesentlichenrangniedere und möglichst in Verhaltensbegriffen formulierte Erziehungsziele<strong>auf</strong>stellen wollte. Wenn Erziehung nach möglichst genauen Plänen erfolgt,muß das nicht notwendig zu besseren Ergebnissen führen, als wenn sie vonallgemeinen Zielen geleitet ist 78 . Geht man bei Normbestimmungen nur von denKenntnissen und Einstellungen aus, über <strong>die</strong> Menschen im wirtschaftlichen undsozialen Leben verfügen sollten, dann könnte es außerdem sehr wohl dahinkommen, daß unsere Curricula keine wesentlichen Unterschiede zu Curricula intotalitären Systemen <strong>auf</strong>weisen 79 . Es könnte also der Fall eintreten, daß das, wasfreiheitlich-demokratische Kulturstaaten lange als ihre zentrale Erziehungs<strong>auf</strong>gabebetrachteten, nämlich <strong>auf</strong> das Leben und <strong>die</strong> selbständige Lebensgestaltungin einer freien Gesellschaft vorzubereiten, verfehlen würde. Versuche einerRekonstruktion der Erziehungs- oder Bildungsideale, <strong>die</strong> <strong>die</strong> Erziehung, <strong>die</strong>Arbeit an der Verbesserung spezieller Erziehungsnormen und an Erziehungstechnologienleiten können, scheinen mir daher zu den schwierigsten und bedeutsamstenAufgaben der Erziehungswissenschaft zu gehören.Dazu ist es wichtig zu wissen, wie wir <strong>die</strong> Welt oder worin wir den Sinn desLebens sehen. Denn <strong>die</strong>se oft ungeklärten Voraussetzungen sind von Belang für<strong>die</strong> Ziele, <strong>die</strong> wir der Erziehung zuschreiben. Wenn wir der Auffassung sind, daß<strong>die</strong> Welt sich in einem ständigen Fortschreiten hin zu neuen, unbekanntenHorizonten befindet, werden wir andere Erziehungsziele für wichtig halten, alswenn wir davon überzeugt sind, daß <strong>die</strong> Zivilisation nur bestehen und erhaltenwerden kann, wenn ihre Grundlagen möglichst unverändert überliefert werden.Und wiederum anders werden <strong>die</strong> Ziele der Erziehung beurteilt, wenn man77 Vgl. ELIAS 1978, Bd. 2, S. 312 ff.78 Vgl. dazu den Literaturüberblick von SCHÜMER 1992, S. 26 ff.; zur Kritik der LehrzieloperationalisierungMACDONALD-ROSS 1973; LEHNER 1979, S. 124 ff.; 1981; KOZDON 1981.79 Vgl. z.B. <strong>die</strong> Kritik WHITEs (1990) am britischen National Curriculum.128
glaubt, daß das Überleben der Menschheit von unserer Ausrichtung <strong>auf</strong> ewigeWerte abhänge, oder wenn man meint, ein menschenwürdiges Leben erfordereimmer wieder <strong>die</strong> Formulierung neuer Ideale und Visionen 80 .Die Untersuchung solcher weltanschaulicher Voraussetzungen ist sozusageneine Analyse der Basisregeln, <strong>die</strong> unserer Kultur und Gesellschaft zugrunde liegen81 . So kann man davon ausgehen, daß im L<strong>auf</strong>e der biologischen und kulturellenEntwicklung eine Vielzahl von Schichten solcher Regeln hervorgebrachtworden sind. Diese Schichten könnten sich überlagert, einander also nicht immerverdrängt haben. Es ist nicht unwahrscheinlich, daß es sowohl innerhalb als auchzwischen ihnen Widersprüche gibt 82 .Es scheint mir ferner ein Irrtum anzunehmen, <strong>die</strong> Empiriker als Vertretereiner werturteilsfreien Erziehungswissenschaft könnten in ihrem Denken vonsolchen allgemeinen Erziehungsidealen absehen. Auch ihre Auswahl von Untersuchungsgegenständenund Problemen, ihre Interpretations- und Verwendungsvorschlägefür ihre Ergebnisse dürfte in aller Regel <strong>auf</strong> solchen Idealen bzw.allgemeinen Wunsch- oder Zielvorstellungen von Erziehung beruhen. Es wirdspäter noch dargestellt werden, daß der Grundsatz der Werturteilsfreiheit, d.h.der Grundsatz, in der Wissenschaft nur über Sachverhalte zu informieren, sieaber nicht im Hinblick <strong>auf</strong> erkenntnisfremde Werte zu beurteilen, dadurch nichtverletzt zu werden braucht (vgl. Kap. 4).Da <strong>die</strong> verschiedenen Erziehungsideale einen Hauptpunkt des Richtungsstreitsin der Pädagogik darstellen, könnte es zur Klärung der Situation beitragen,wenn jede Richtung ihre Erziehungsideale analysieren, in klarer, nachvollziehbarerForm formulieren und angeben würde, was <strong>die</strong>se Ideale für <strong>die</strong> Erziehungsproblemeunserer Zeit bedeuten und welche sonstigen Gründe man zu ihrerRechtfertigung nennen kann. Erziehungsideale können allerdings nicht wahroder falsch sein. Man kann sie daher nicht bestätigen oder widerlegen. Man kannnur Argumente für oder gegen sie vorbringen und andere von ihnen zu überzeugenversuchen. Daraus folgt nicht notwendigerweise, daß alle Erziehungsidealegleichwertig wären. So kann der Versuch, eines <strong>die</strong>ser Ideale zu verwirklichen,zu Konsequenzen führen, <strong>die</strong> zu akzeptieren <strong>die</strong> meisten nicht bereitwären. In einem solchen Fall würde man <strong>die</strong>ses Ideal wahrscheinlich fallen80 Einen Überblick über <strong>die</strong> verschiedenen Auffassungen und ihre Implikationen für Erziehungsvorstellungengibt BRAMFELD 1971.81 Vgl. v. HAYEK 1979, S. 23 f.82 Ebenda, S. 19 ff.129
- Seite 3 und 4:
EINFÜHRUNG IN DIEEMPIRISCH-ANALYTI
- Seite 5 und 6:
VorwortDie Diskussion erkenntnisthe
- Seite 7 und 8:
Inhalt1. Einleitung ...............
- Seite 9 und 10:
3.2.2 Technologie und Praxis ......
- Seite 11 und 12:
1. Einleitung1.1 Der Richtungsstrei
- Seite 13 und 14:
können. Tatsächlich muß man vor
- Seite 15 und 16:
Pädagogik als "Gesetzeswissenschaf
- Seite 17 und 18:
nissen ermöglichen, die unter best
- Seite 19 und 20:
der "richtigen" bzw. "falschen" Erz
- Seite 21 und 22:
interessierte Verkündigung dessen,
- Seite 23 und 24:
Pluralismus der Ansätze und Meinun
- Seite 25 und 26:
sie nicht eine kräftige und ehrlic
- Seite 27 und 28:
2. Wissenschaftsbegriff und Methodo
- Seite 29 und 30:
unter Erkenntnis verstehen wollen.
- Seite 31 und 32:
Wie der folgende Abschnitt zeigt, l
- Seite 33 und 34:
c) Zur Universalität der wissensch
- Seite 35 und 36:
fen, ob das Ziel der Berufstüchtig
- Seite 37 und 38:
d) Selektion von TheorienDer Selekt
- Seite 39 und 40:
werden, unabhängig vom Untersucher
- Seite 41 und 42:
entspringen und doch in ihrer Besti
- Seite 43 und 44:
lichen Eindruck einer Wesensgestalt
- Seite 45 und 46:
alles enthält, "was in allgemeiner
- Seite 47 und 48:
sie Ideen als bloß psychische Phä
- Seite 49 und 50:
optimistische These, daß "Entmytho
- Seite 51 und 52:
2.1.3 Die Diskussion des empirisch-
- Seite 53 und 54:
versucht werden. Erforscht man näm
- Seite 55 und 56:
Gründen dieses Ziel befürwortet b
- Seite 57 und 58:
Gewiß steckt in methodologischen F
- Seite 59 und 60:
Wenden wir uns nun dem Einwand zu,
- Seite 61 und 62:
nämlich nicht die übliche Bedeutu
- Seite 63 und 64:
würde zugleich Verantwortungslosig
- Seite 65 und 66:
2.2 Zur Methodologie der Erkenntnis
- Seite 67 und 68:
gabe kann nicht unabhängig vom jew
- Seite 69 und 70:
Belieben der Forschergemeinschaft e
- Seite 71 und 72:
tungsaussagen feststellbar, "indem
- Seite 73 und 74:
wichtige Einsichten in das Menschli
- Seite 75 und 76:
Beobachtungserlebnissen. Sofern die
- Seite 77 und 78: einleuchtend erscheinen, daß Mißt
- Seite 79 und 80: edenken, daß auch die Falsifikatio
- Seite 81 und 82: Richtungen zumindest partiell zugru
- Seite 83 und 84: a) Der Gegenstand ergibt sich aus d
- Seite 85 und 86: von Tatsachen) herleiten ..." 8 . D
- Seite 87 und 88: Dualismus von Tatsachen und Forderu
- Seite 89 und 90: mehr oder weniger großen Unvollst
- Seite 91 und 92: Verhalten gebracht werden, das mit
- Seite 93 und 94: notwendig etwas mit ihrer praktisch
- Seite 95 und 96: Ein weiterer pädagogischer Aufgabe
- Seite 97 und 98: Zusammenhänge in ihrer Bedeutung f
- Seite 99 und 100: ob zwischen Erklärungen und techno
- Seite 101 und 102: ) Diskussion der Strukturähnlichke
- Seite 103 und 104: alternative Randbedingungen vorlieg
- Seite 105 und 106: Erziehungsziele gesetzte psychische
- Seite 107 und 108: Theo HERRMANN gibt zwei Hauptmögli
- Seite 109 und 110: Da es nicht möglich ist, die Menge
- Seite 111 und 112: Abschlußtest fragte lediglich Grun
- Seite 113 und 114: Das Ideal des "rational man", das M
- Seite 115 und 116: Methoden zwanghaft angewandt werden
- Seite 117 und 118: 3.3 Klärung und Konstruktion von E
- Seite 119 und 120: Erkenntnisse oder absolut gültige
- Seite 121 und 122: erzieherischen oder bildungspolitis
- Seite 123 und 124: Erziehungsnormen aufgestellt und wi
- Seite 125 und 126: als oberste Instanz betrachtet werd
- Seite 127: Erziehungskonzeptionen darlegen, we
- Seite 131 und 132: könnte. Dazu müßte die Lernumgeb
- Seite 133 und 134: So werden insbesondere in der Wirts
- Seite 135 und 136: Bestehendem Vorrang vor Veränderun
- Seite 137 und 138: 4. Das Problem der Werturteilsfreih
- Seite 139 und 140: tungen, die die Wahrheit bzw. Wahrh
- Seite 141 und 142: Bezug kann auch zu veränderten Ein
- Seite 143 und 144: Theorie glaubt, kann gegenteilige B
- Seite 145 und 146: Das Argument der Relativität der W
- Seite 147 und 148: chung. Sie tat das in engagierter A
- Seite 149 und 150: halten und darüber hinausgehende,
- Seite 151 und 152: vierung ... für jeden Bildungsraum
- Seite 153 und 154: Solchen Auffassungen von Zielentsch
- Seite 155 und 156: der Moral zu erforschen ..., die de
- Seite 157 und 158: Dennoch wird natürlich immer wiede
- Seite 159 und 160: Erziehungswirklichkeit" 103 . Wenn
- Seite 161 und 162: ontologischen Voraussetzungen der E
- Seite 163 und 164: tion ... verstehend auszuschöpfen"
- Seite 165 und 166: Es wäre jedoch unzutreffend, (nur)
- Seite 167 und 168: 4.3 Befürchtete Folgen der Werturt
- Seite 169 und 170: daß man die Zusammenhänge zwische
- Seite 171 und 172: werde 160 . "Der Educand wird zum '
- Seite 173 und 174: Technologien und Techniken zur För
- Seite 175 und 176: 5. Zusammenfassung und WertungEs is
- Seite 177 und 178: ationale pädagogische Diskussion w
- Seite 179 und 180:
zunehmende Differenzierung und grö
- Seite 181 und 182:
LiteraturverzeichnisABEL, THEODORE
- Seite 183 und 184:
BÖHME, GERNOT: Alternativen in der
- Seite 185 und 186:
DÖRNER, DIETRICH: Empirische Psych
- Seite 187 und 188:
GUSS, KURT: Erziehungsziel und Erzi
- Seite 189 und 190:
- 'On Reading Carr and Kemmis'. 'Be
- Seite 191 und 192:
- Die Grundformen der wissenschaftl
- Seite 193 und 194:
- Ethik. Auf der Suche nach dem Ric
- Seite 195 und 196:
- Realism and the Aim of Science. F
- Seite 197 und 198:
SCHWARZER, RALF/STEINHAGEN, KLAUS (
- Seite 199 und 200:
VOGEL, PETER: Zur Rekonstruktion p
- Seite 201 und 202:
201