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EINFÜHRUNG IN DIEEMPIRISCH-ANALYTISCHEERZIEHUNGSWISSENSCHAFTWissenschaftsbegriff, Aufgaben undWerturteilsproblematikvonHelmut Lehner1994VERLAG JULIUS KLINKHARDT · BAD HEILBRUNN3


Die Deutsche Bibliothek — CIP-Einheits<strong>auf</strong>nahmeLehner, Helmut:Einführung in <strong>die</strong> empirisch-analytischeErziehungswissenschaft: Wissenschaftsbegriff, Aufgaben undWerturteilsproblematik / von Helmut Lehner. - Bad Heilbrunn:Klinkhardt, 1994ISBN 3-7815-0751-31994.1. Ki. © by Julius KlinkbardtDas Werk ist einschließlich aller seiner Teile urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertungaußerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung desVerlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen,Mikroverfilmungen und <strong>die</strong> Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischenSystemen.Gesamtherstellung: WB-Druck GmbH & Co. Buchproduktions-KG, RiedenPrinted in Germany 1994ISBN 3—7815—0751-3Gedruckt <strong>auf</strong> chlorfrei gebleichten Papier4


VorwortDie Diskussion erkenntnistheoretischer Voraussetzungen ist in der Pädagogiksehr verbreitet. Da das Fach sich in eine Vielfalt von Richtungen verzweigt, sindfast alle Grundlagenfragen mehr oder weniger umstritten, auch wenn es soaussieht, als ob <strong>die</strong> anhaltende Diskussion zu gewissen Annäherungen geführthätte. Aber selbst dort, wo nicht über Erkenntnisfragen gesprochen wird,beherrschen <strong>die</strong>se Probleme implizit und in der Gestalt von Vorurteilen <strong>die</strong>Diskussion.Bei Durchsicht der Literatur fällt <strong>auf</strong>, daß insbesondere <strong>die</strong> empirisch-analytischeErziehungswissenschaft oft noch mißverstanden und – manchmal auchvon Empirikern selbst – <strong>auf</strong> einen allzu begrenzten Bereich von Aufgaben beschränktwird. Das liegt nicht zuletzt daran, daß im Rahmen der empirisch-analytischenErziehungswissenschaft seit Jahren kein breitenwirksamer Versuchmehr unternommen worden ist, <strong>die</strong> Ergebnisse <strong>die</strong>ser Diskussion zu systematisierenund den Standort empirisch-analytischer Pädagogik in ihrer Beziehung zuanderen Richtungen zu bestimmen.Bisher wurde vom empirischen Standpunkt aus meist <strong>die</strong> Ansicht vertreten,daß andere Richtungen, wenn sie wissenschaftlich sein wollten, erst einmal <strong>die</strong>empirisch-analytische Position übernehmen müßten. Der Pluralismus der Richtungengalt eher als Hindernis <strong>auf</strong> dem Weg zur Erziehungswissenschaft.In der hier vorgelegten Einführung wird der Pluralismus der Richtungendagegen als Chance verstanden. Wenn man den Pluralismus akzeptiert, kannman, auch wenn man einen klaren Standpunkt bezieht, nicht dar<strong>auf</strong> bestehen, <strong>die</strong>Wahrheit für sich gepachtet zu haben. Erst wenn man sich gegenseitig ernstnimmt, wird man sich mit der wechselseitigen Kritik angemessen auseinandersetzenund von ihr profitieren. Im Idealfall könnten sich daraus neue Lösungenergeben, <strong>die</strong> besser <strong>auf</strong> <strong>die</strong> Gegebenheiten, wie sie in Erziehungsfeldern vorliegen,abgestimmt sind. Es wäre zu wünschen, daß <strong>die</strong> Pädagogik <strong>auf</strong> solcheWeise das ihrem Gegenstand angemessene Rüstzeug und Selbstverständnis alsWissenschaft gewinnen und damit effektiver zur Lösung von Erziehungsproblemenbeitragen kann.Erziehungsprobleme sind im wesentlichen im Rahmen von drei Aufgaben-5


ereichen zu untersuchen: Erstens durch Theorien über <strong>die</strong> Zusammenhänge inErziehungsfeldern; zweitens durch <strong>die</strong> Analyse und Verbesserung von Mittelnder Erziehung; drittens durch <strong>die</strong> Klärung der Erziehungsziele.Empirisch-analytische Theorien gelten nun vielfach als <strong>auf</strong> zähl- undmeßbare Fakten beschränkt. Leider haben manche Empiriker <strong>die</strong>sen Eindruckeher bestätigt als widerlegt. Bedeutsam und interessant sind für den Pädagogenaber vor allem <strong>die</strong> subtileren Zusammenhänge, <strong>die</strong> er für das Verständnis undden Umgang mit jungen Menschen braucht. Solche Zusammenhänge sollten daherauch Gegenstand unserer Theorien sein.Dem empirisch-analytischen Programm der Untersuchung von Technologienund Techniken der Erziehung wird von anderen Richtungen vielfach mitSkepsis begegnet. Diese Skepsis ist insofern angebracht, als Empiriker manchmalgeneigt zu sein scheinen, sich <strong>auf</strong> engbegrenzte Zusammenhänge zu konzentrierenund weiterreichende werthaltige Implikationen Ihrer Vorschläge außerBetracht zu lassen.Zudem haben Vertreter der empirisch-analytischen Erziehungswissenschaft<strong>die</strong> für <strong>die</strong> Pädagogik zentrale Aufgabe der Aufstellung und Analyse von Erziehungszielenmanchmal zu einer außer- oder nicht-wissenschaftlichen Aufgabeerklärt. Damit würde <strong>die</strong> Frage nach den Zielen der wissenschaftlichen Diskussionentzogen und in einen rein ideologischen Bereich abgedrängt. Aber <strong>die</strong>,wenn auch deskriptiv und nicht präskriptiv zu erfolgende Klärung der Ziele kanndurchaus auch als wissenschaftliche Aufgabe betrachtet werden.Die vorliegende Arbeit soll u.a. zeigen, <strong>auf</strong> welche Weise <strong>die</strong> empirischanalytischeErziehungswissenschaft zur Lösung pädagogischer Probleme in dengenannten Aufgabenbereichen beitragen kann. Dabei wird insbesondere auch <strong>die</strong>Kritik, <strong>die</strong> von anderen Richtungen aus vorgebracht worden ist, Anlaß zuverbesserten Vorschlägen geben.Bei der Erstellung der Arbeit haben mir eine Reihe von Personen geholfen.Weit mehr Dank als in wenigen Worten zum Ausdruck gebracht werden kann,schulde ich Dr. R. Schümer. Ferner danke ich, Dr. S. Uhl, Dr. K. Schneider, F.Zimmermann, Prof. Dr. F. von Cube, Prof. Dr. W. Brezinka und Prof. Dr. G.Zecha. B. Fratz-Karremann bin ich für <strong>die</strong> Erstellung einer Reinschrift und <strong>die</strong>unermüdliche Geduld, <strong>die</strong> bei meinen vielen Änderungen notwendig war, zuDank verpflichtet.Konstanz, Oktober 1993Helmut Lehner6


Inhalt1. Einleitung ................................................................................................ 111.1 Der Richtungsstreit in der Pädagogik: Ausgangspunkt undAufgabenstellung ......................................................................................111.2 Die Hauptstreitpunkte zwischen der empirisch-analytischenErziehungswissenschaft und den anderen Richtungen .............................141.3 Pluralismus in der Pädagogik: Gefahr oder Chance? ...............................212. Wissenschaftsbegriff und Methodologie derErziehungswissenschaft ..........................................................................272.1 Der empirisch-analytische Wissenschaftsbegriff .....................................272.1.1 Die Vielfalt der Wissenschaftsbegriffe und <strong>die</strong> Universalität derwissenschaftlichen Methode ....................................................................27a) Wissenschaft, Wissenschaftsbegriffe und Erkenntnis ..........................28b) Zur Brauchbarkeit von Wissenschaftsbegriffen ...................................31c) Zur Universalität der wissenschaftlichen Methode .............................33d) Selektion von Theorien..........................................................................372.1.2 Ontologische Voraussetzungen des Wissenschaftsbegriffs .....................38a) Der Realismus ......................................................................................38b) Der Idealismus .....................................................................................42c) Überlegungen zur Angemessenheit von Realismus und Idealismusfür <strong>die</strong> wissenschaftliche Erkenntnis .....................................................462.1.3 Die Diskussion des empirisch-analytischen Wissenschaftsbegriffs in derPädagogik ................................................................................................51a) Die Frage des "Wesens" der Wissenschaft...........................................51b) Relativierung durch Paradigmenpluralismus ......................................53c) Der Vorwurf des Dogmatismus ...........................................................56d) Der Positivismusvorwurf .....................................................................58e) Zum Kausal- bzw. Determinismusproblem .........................................607


2.2 Zur Methodologie der Erkenntnisgewinnung in der Pädagogik .............652.2.1 Methodologische Regeln als Festsetzungen ............................................65a) Methodologische Regeln und ihr Zweck .............................................65b) Ist <strong>die</strong> Festsetzung methodologischer Regeln willkürlichoder rational? .......................................................................................672.2.2 Prüfung und "Wahrheit" von Hypothesen und Theorien ........................69a) Logische und empirische Prüfung wissenschaftlicher Aussagen .......69b) Bedeutung und Problematik strenger Prüfungen ...............................71c) Zur Frage der "Wahrheit" ...................................................................75d) Prüfung von Erziehungsnormen............................................................762.2.3 Begründung und Verwerfung von Hypothesen und Theorien ................78a) Widerspruchsfreiheit, Bewährung und vernünftige Verwerfung ........78b) Zur Bewährung normativer Aussagen ................................................792.3 Schlußfolgerungen ...................................................................................803. Gegenstand und Aufgaben der Erziehungswissenschaft ....................823.1 Abgrenzung von Gegenstand und Aufgabenbereichen ............................823.1.1 Der Gegenstandsbereich ..........................................................................82a) Der Gegenstand ergibt sich aus den Problemen der Erziehung ..........83b) Die Grenzen erziehungswissenschaftlicher Fragestellungen ...............833.1.2 Die Unterscheidung und Abgrenzung von Aufgabenbereichen ...............87a) Erklärung als Aufgabe der Erziehungswissenschaft ...........................87b) Abgrenzung des Aufgabenbereichs der Erziehungstechnologie...........89c) Der Aufgabenbereich der Konstruktion und Analyse vonErziehungsnormen.................................................................................93d) Der Aufgabenbereich der historischen Pädagogik...............................943.2 Beiträge zur Lösung praktischer Erziehungs<strong>auf</strong>gaben: Probleme derTechnologie der Erziehung .....................................................................983.2.1 Erklärung und Technologie .......................................................................99a) Die Annahme des Zusammenhangs von Erklärung, Prognoseund technologischer Problemlösung ...................................................99b) Diskussion der Strukturähnlichkeit von Erklärung, Prognoseund technologischer Problemlösung .................................................1018


3.2.2 Technologie und Praxis ..........................................................................1063.2.3 Technologie und Menschenbild ..............................................................111a) Die Annahme des rationalen Menschen ...........................................111b) Reduziert <strong>die</strong> Erziehungstechnologie den Menschen <strong>auf</strong>Mechanismen? ....................................................................................1083.3 Klärung und Konstruktion von Erziehungsnormen alswissenschaftliche Aufgabe ....................................................................1173.3.1 Das Problem der Begründung von Erziehungsnormen .........................117a) Empirisch-analytische Normbegründung ..........................................117b) Die Kritik an der empirisch-analytischen Normbegründung.............121c) Die Unterscheidung von Aufgaben der Vernunft und des Willens ....123d) Das Problem der Willkür ...................................................................1243.3.2 (Re)Konstruktion und Analyse von Erziehungsidealen bzw. -normen .126a) Erziehungsideale.................................................................................126b) Beispiel eines Erziehungsideals..........................................................130c) Ziel und Mittelspezifizierung ............................................................131d) Realisierbarkeit...................................................................................133e) Beiträge zur rationalen Gestaltung der Erziehungspraxis ................1354. Das Problem der Werturteilsfreiheit in der Pädagogik ..................1374.1 Diskussion der Forderung nach Werturteilsfreiheit ..............................1384.1.1 Die Norm der Werturteilsfreiheit ..........................................................1384.1.2 Einwände gegen <strong>die</strong> Forderung nach Werturteilsfreiheit .....................141a) Die angebliche Paradoxie der Werturteilsfreiheit ...........................141b) Philosophisch-ontologische Einwände .............................................143c) Wissenschaftspraktische Einwände ..................................................146d) Gesellschaftspolitische Einwände ....................................................1484.2 Analyse von Alternativen zu einer werturteilsfreien Pädagogik ..........1504.2.1 Transzendentalpädagogik ......................................................................1504.2.2 Emanzipatorische und (gesellschafts-)kritische Pädagogik ..................1514.2.3 Pädagogische Anthropologie ................................................................1534.2.4 Besondere Denkformen .........................................................................157a) Phänomenologie, Hermeneutik und Dialektik ..................................1579


) Die ontologische Grundlage der besonderen Denkformen ..............160c) Die Begründung der Denkformen durch <strong>die</strong> Besonderheitihres Gegenstands ..............................................................................1614.2.5 Wissenschaftstheoretische Konstruktionen einer wertendenErziehungswissenschaft .........................................................................1634.3 Befürchtete Folgen der Werturteilsfreiheit .............................................1674.3.1 Das Problem der Verantwortung ............................................................1674.3.2 Herabwürdigung des Educanden zum Objekt .......................................1704.3.3 Rücksichtslose Effizienzsteigerung.........................................................1725. Zusammenfassung und Wertung .........................................................175Literaturverzeichnis ......................................................................................18110


1. Einleitung1.1 Der Richtungsstreit in der Pädagogik: Ausgangspunkt undAufgabenstellungAuf den ersten Blick scheint das Hauptproblem der Pädagogik <strong>die</strong> Vielfaltihrer Richtungen zu sein 1 . Sie bietet ein Bild der Zerrissenheit und der Zerstreuungder Kräfte. Jede der Richtungen möchte mehr oder weniger eigeneLösungen für Erziehungsfragen anbieten. In ihren Forschungsbemühungen orientierensie sich an unterschiedlichen erkenntnistheoretischen Grundsätzen. ÜberJahre hinweg bestand <strong>die</strong> Auseinandersetzung zwischen den Richtungen imwesentlichen in Versuchen, den jeweils anderen grobe Mängel, grundlegendeFehler oder eine prinzipielle Eingeschränktheit ihres theoretischen Programmsnachzuweisen. So entstand ein Richtungsstreit, der sehr heftig gewesen ist unddessen Kontroversen noch heute, wenn auch abgeschwächt, weiterwirken.Die naheliegende Annahme, daß sich der Streit um Lösungen oder Lösungsvorschlägedreht, <strong>die</strong> <strong>die</strong> verschiedenen Richtungen für Erziehungsproblemeanbieten, ist allerdings unzutreffend. Es geht nämlich nicht so sehr um <strong>die</strong>wissenschaftliche Qualität von Erklärungen für bestimmte Phänomene, um <strong>die</strong>Brauchbarkeit konstruktiver Ziel- und Mittelvorschläge im Hinblick <strong>auf</strong>übergeordnete Erziehungsziele oder um <strong>die</strong> Untersuchung der Wirkungen undNebenwirkungen von Erziehungsmaßnahmen. Wo solche Fragen behandeltwerden, läßt sich ja in gewissen Grenzen eine Entscheidung über <strong>die</strong> besten oderbrauchbarsten Lösungsvorschläge herbeiführen. Die Auseinandersetzung drehtsich vielmehr darum, welche Fragen einer Lösung überhaupt zugänglich seinkönnen und welche der Richtungen <strong>auf</strong>grund ihrer erkenntnistheoretischenVoraussetzungen in der Lage ist, überhaupt brauchbare Lösungsvorschläge zumachen.Dieser erkenntnistheoretische Streit spielt sich im wesentlichen zwischen1 Diese Situation wird deutlich z.B. in der Enzyklopä<strong>die</strong> Erziehungswissenschaft 1983, Bd. 1, S. 81ff.;vgl.auch TENORTH 1988, S. 213 ff. u. 302 ff.; RÖHRS/SCHEUERL 1989; RÖSSNER 1992; BREZINKA1989, S. 322 ff.; CUBE 1977; NEEMANN 1970.11


zwei Hauptrichtungen ab: Auf der einen Seite befinden sich <strong>die</strong> empirisch-analytischeoder kritisch-rationalistische Pädagogik und <strong>auf</strong> der anderen <strong>die</strong> geisteswissenschaftliche,<strong>die</strong> emanzipatorische, <strong>die</strong> phänomenologische, <strong>die</strong> transzendentalkritischePädagogik usw. Der Einfachheit halber bezeichne ich <strong>die</strong>beiden Hauptrichtungen im folgenden zusammenfassend als "empirisch-analytische"und als "geisteswissenschaftliche" Pädagogik.Die Empiriker argumentieren, <strong>die</strong> Fortschritte in unserem Fach seien sogering geblieben, weil man in der geisteswissenschaftlichen Pädagogik einerseitsempirischen Prüfungen ausgewichen sei und weil man sich andererseits vorallem mit der wissenschaftlich unlösbaren Frage befaßt habe, wozu erzogenwerden solle. Nur Tatsachenfragen könnten wissenschaftlich untersucht werden.Die Kluft zwischen Sein und Sollen sei allein mit logischen Mitteln nicht zuüberbrücken. Vielmehr sei <strong>die</strong> Bevorzugung oder Ablehnung bestimmter Zieleoder Mittel der Erziehung von subjektiven oder sozialen Wertungen abhängigund ergebe sich somit niemals zwingend allein aus den vorhandenen Tatsachen.Die Geisteswissenschaftler argumentieren, daß <strong>die</strong> uneingeschränkte Anwendungder Empirie und der Wertrelativismus der Empiriker in der Pädagogikzu großen Problemen führen würden. So könne <strong>die</strong> besondere Qualität psychischerErlebnisse mit dem Instrument der Empirie nicht hinreichend erfaßt werden.Durch ihr Streben nach Quantifizierung und durch den Versuch, menschlichesVerhalten in Gesetzmäßigkeiten zu fassen, beschränkten sich <strong>die</strong> Empiriker<strong>auf</strong> <strong>die</strong> Analyse von Äußerlichkeiten und verfehlten so das eigentlichMenschliche. Es entgleite ihnen sozusagen zwischen den bloßen Zahlen, undübrig blieben scheinbare Gesetzmäßigkeiten, <strong>die</strong> das individuelle Denken undErleben <strong>auf</strong> mechanische Reaktionen zurückzuführen versuchten, <strong>die</strong> am Endedann aber doch recht vage und unbestimmt bleiben müßten. Vor allem aber habe<strong>die</strong> quasi naturwissenschaftliche Art der Untersuchung von Erziehung zur Folge,daß alle Erscheinungen als gleichwertig, als gleich gültig <strong>auf</strong>gefaßt würden.Durch <strong>die</strong>sen Wertrelativismus würden <strong>die</strong> Empiriker blind für <strong>die</strong> Unterscheidungdes pädagogisch Guten oder Wertvollen vom pädagogisch Schlechtenoder Wertlosen, des erzieherisch Wünschenswerten vom Abzulehnenden. Wer<strong>die</strong>se Unterscheidungen nicht mache, könne natürlich auch keine wissenschaftlichbegründeten Entscheidungen darüber treffen, wozu überhaupt erzogenwerden solle.Das gegenseitige Unverständnis prägt <strong>die</strong> Diskussion bis heute. Dabei ist esnicht so, daß <strong>die</strong> Richtungen nichts von der gegenseitigen Kritik hätten lernen12


können. Tatsächlich muß man vor allem den Geisteswissenschaftlern zugestehen,daß manche von ihnen bereit waren, empirische Prüfungsverfahren in ihreMethoden einzubeziehen und sie so zu verbessern. Dennoch wäre es wohl kaumzutreffend, wenn man davon ausginge, es sei zu einem gegenseitigen Verständnis<strong>auf</strong> breiter Basis oder gar zu einer Einigung gekommen 2 . Es hat sich aber auchnicht <strong>die</strong> Vorherrschaft einer überlegenen Richtung herausgebildet. Vielmehrkann man heute von einer Art friedlicher Koexistenz der Richtungen sprechen,unterbrochen nur von gelegentlichen Scharmützeln. Man hat sich eingerichtet,und <strong>die</strong> Lage hat sich stabilisiert 3 .Damit verschiebt sich aber auch das Problem. Suchte man bisher meist nachder einzigen, wissenschaftlich überlegenen Richtung, so stellt sich jetzt <strong>die</strong>Frage, wie <strong>die</strong> verschiedenen Aufgaben in der Pädagogik gelöst werden könnenund was jede der Richtungen zur Lösung beitragen kann. Zu <strong>die</strong>ser Arbeit, wennsie nicht weiter durch den unfruchtbaren Richtungsstreit gelähmt undbeeinträchtigt, sondern gemeinsam bewältigt werden soll, bedarf es dergegenseitigen Verständigung. Diese Verständigung ist vermutlich am ehesten zuerreichen, wenn man sich innerhalb einer jeden Richtung mit den Einwänden derjeweils anderen auseinandersetzt, anstatt sie einfach zurückzuweisen. Es ist nichtwahrscheinlich, daß eine Richtung in allen Fällen recht hat. Was sie zumErkennt-nisgewinn beitragen kann, läßt sich letztlich nur an ihren Theorien unddem Erfolg oder Mißerfolg der Anwendung ihrer Theorien entscheiden. Allerdingskönnen <strong>die</strong> Voraussetzungen einer Richtung, um zu brauchbaren Ergebnissenzu kommen, günstiger oder ungünstiger sein. Bestimmte metatheoretischeGrundsätze, Maßstäbe und Regeln können sich besser eignen als andere. Sie sindwie mehr oder weniger gut geeignete Werkzeuge.Deshalb ist <strong>die</strong> Klärung der erkenntnistheoretischen Grundlagen von großerBedeutung. Diese Klärung wird am besten innerhalb jeder einzelnen Richtungvorgenommen. Sie erfolgt hier vom empirisch-analytischen Standpunkt aus.Dabei soll unter Beachtung der Kritik, <strong>die</strong> von anderen Auffassungen ausvorgebracht wird, nach Verbesserungen oder Modifikationen gesucht werden.Zwei-fellos wäre es von Vorteil, <strong>die</strong> verschiedenen Positionen zu transzen<strong>die</strong>renund sozusagen völlig frei und außerhalb von ihnen zu einem objektiven Urteil zugelangen. Das würde jedoch eine Art archimedischen Punkt der Erkenntnis voraussetzen,der nicht existiert. Um zu Urteilen gelangen zu können, müssen wir2 Vgl. z.B. RÖHRS/SCHEUERL 1989.3 Vgl. BENNER/HERRMANN u.a. 1990.13


stets von Auffassungen und Überzeugungen ausgehen, <strong>die</strong> wir nicht allesamtbeweisen können. Wenn also jemand von sich behauptet, er nehme einenobjektiven, systemtranszendenten Standpunkt ein, bedeutet das bloß, daß manden eigenen Standpunkt als systemtranszendent sehen möchte. Auf <strong>die</strong>se Weisewill man ihn <strong>auf</strong>werten und gegen <strong>die</strong> Kritik von anderen Positionen schützen.1.2 Die Hauptstreitpunkte zwischen der empirisch-analytischenErziehungswissenschaft und den anderen RichtungenDie Hauptstreitpunkte zwischen der empirisch-analytischen Erziehungswissenschaftund den anderen Richtungen lassen sich nach den zentralenpädagogischen Aufgaben ordnen.Als erstes ist <strong>die</strong> Aufgabe der Reflexion über Erziehungsphänomene zunennen. Sie soll zum Verstehen dessen führen, was in der Erziehung geschieht.Aus empirisch-analytischer Sicht versteht man Erziehungsphänomene erst dannin befriedigender Weise, wenn man sie durch empirisch geprüfte Gesetzmäßigkeitenerklären kann.Der zweite Aufgabenbereich betrifft <strong>die</strong> Verbesserung der Praxis. Die Frageist, was <strong>die</strong> pädagogische Theorie zu einer solchen Verbesserung beitragen kann,also das sogenannte Theorie-Praxis-Problem. Aus empirisch-analytischer Sichtist es – verkürzt gesagt – durch <strong>die</strong> Anwendung von Gesetzen <strong>auf</strong> Zweck-Mittel-Beziehungen zu lösen. Wenn man beispielsweise weiß, welche Bedingungen <strong>die</strong>Entstehung oder Veränderung bestimmter Persönlichkeitsmerkmale fördern,dann kann man <strong>die</strong>se Persönlichkeitsmerkmale (als Ziele) durch <strong>die</strong> Herstellungjener Bedingungen (als Mittel), soweit das möglich ist, zu erreichen versuchen.Aussagensysteme über Zweck-Mittel-Beziehungen werden als Technologienbezeichnet.Der dritte Aufgabenbereich betrifft <strong>die</strong> Ziele, Zwecke oder Normen derErziehung. Wer über tatsächliche und mögliche Ziele und über Argumente füroder gegen sie informieren möchte, muß Wertstandpunkte berücksichtigen. DieFrage ist also, ob <strong>die</strong> empirisch-analytische Erziehungswissenschaft als werturteilsfreieDisziplin hier wesentliche Beiträge leisten kann. Doch zunächst zumersten Aufgabenbereich.14


Pädagogik als "Gesetzeswissenschaft"?Die Auffassung, Pädagogik als Wissenschaft habe nach den "Gesetzen", <strong>die</strong> inErziehungsfeldern bestehen, zu forschen, wird von Seiten der geisteswissenschaftlichenRichtungen mit dem Einwand abgelehnt, daß menschlichesVerhalten nicht von Gesetzen, wie sie für physikalische Phänomene gefundenwerden können, bestimmt sei. Wer <strong>die</strong> Pädagogik als eine Disziplin <strong>auf</strong>fasse, <strong>die</strong>Gesetze und Technologien konstruiere, orientiere sich an den Naturwissenschaften.Aber der Gegenstand der Naturwissenschaften unterscheide sich von dem derPädagogik so gravierend, daß <strong>die</strong> Pädagogik andere, dem Gegenstand angemessenereMethoden benötige.Nun wird man bereitwillig zugeben können, daß Gegenstand und Problemeder Pädagogik von anderer Art als beispielsweise Gegenstand und Probleme derPhysik sind. So haben Gefühle, Ideen, Willensimpulse usw. eine andere Quali-tätals physische Erscheinungen. Wichtiger dürfte aber <strong>die</strong> Frage sein, ob überinhaltliche Verschiedenheiten hinaus auch aus erkenntnistheoretischer SichtUnterschiede zwischen physischen und psychischen Phänomenen bestehen. Dasscheint aber nicht der Fall zu sein. Denn aus erkenntnistheoretischer Sicht geht esunabhängig vom Phänomen um <strong>die</strong> Möglichkeit der Erkenntnis regelhafterZusammenhänge. Mit Hilfe solcher Zusammenhänge kann man Einzelphäno-meneverstehen. Wir "verstehen" oder "erklären" beispielsweise das Beleidigt-sein einesIndividuums in einer bestimmten Situation, indem wir unser Wissen über folgendenregelhaften Zusammenhang anwenden: "Immer wenn Indivi-duen <strong>die</strong> Handlungenanderer so deuten, daß sie glauben, ihre Ehre sei verletzt worden, dann erleben siedas Gefühl des Beleidigtseins." Es scheint also keinen prinzipiellen Unterschied inder Erkenntnis physischer und psychischer Phä-nomene zu geben; bei beiden gehtes um das Auffinden regelhafter, wiederkeh-render Zusammenhänge, mit derenHilfe wir sie besser zu verstehen versuchen.Das Ziel der Wissenschaft ist <strong>die</strong> Erkenntnis der Wirklichkeit. Sie soll unsüber <strong>die</strong> Erscheinungen der physischen und psychischen Realität in objektiver undzuverlässiger Weise informieren, vor allem aber sie erklären, sie verstehbar oderdurchschaubar machen. Wenn uns bestimmte Phänomene im Rahmen bekannterTheorien rätselhaft erscheinen, wenn ein Problem, eine Unklarheit vorliegt, dannversuchen wir mit Hilfe unseres vorhandenen Wissens <strong>die</strong> Bedin-gungen, <strong>die</strong> zuden zu erklärenden Phänomenen geführt haben könnten, zu analysieren. Auf derGrundlage solcher Analysen konstruieren wir dann neue Theorien. Wir prüfen15


<strong>die</strong>se Theorien, indem wir Folgerungen daraus <strong>auf</strong> ihre Widerspruchsfreiheituntersuchen und/oder sie mit gezielten, oft unter kontrollierten bzw. experimentellenBedingungen zustande gekommenen Beobachtungen der Wirklichkeitvergleichen. Dieses Vorgehen kann – wie gezeigt werden soll – in allen Aufgabenbereichender Pädagogik angewendet werden.Allerdings ist dabei zu beachten, daß <strong>die</strong> psychischen Ereignisse, <strong>die</strong> für dasVerhalten des Menschen von Bedeutung sind, vermutlich außerordentlichkomplex und in ihrer Struktur äußerst schwierig zu erfassen und oft nur schwer,wenn überhaupt, zu messen sein werden. In der Erziehung wird man also vermutlichnur ein mehr oder weniger unvollständiges Wissen über <strong>die</strong>se Bedingungengewinnen können. Es wäre daher gewiß ein Fehler, <strong>die</strong> vorhandenenKenntnisse als mehr denn als vorläufiges und eher oberflächliches Wissen zubetrachten. Falls wir bei der Analyse psychischer Phänomene in erster Linie <strong>auf</strong>Meßbarkeit Wert legen sollten, könnte sich am Ende möglicherweise herausstellen,daß <strong>die</strong>ses Bestreben uns verführt hat, wirklich wesentliche, aber schwierigzu erfassende Elemente außer acht zu lassen 4 .Auch ohne tiefschürfende Analyse wird man davon ausgehen müssen, daßin der Erziehungswissenschaft wohl kaum wirklich exakte Gesetze zu entdeckensind. Während <strong>die</strong> Naturwissenschaften präzise Gesetze <strong>auf</strong>stellen und genauberechenbare Voraussagen machen können, wird man in der Pädagogik - undauch in den anderen Sozialwissenschaften - eine derartige Präzision nicht erreichen.Um beispielsweise <strong>die</strong> Reaktionen einzelner Individuen bei Lob und Tadelgenau erklären und voraussagen zu können, müßte man – determinierteAbhängigkeiten vorausgesetzt – Kenntnis von so vielen Variablen undsingulären Randbedingungen besitzen, daß es uns kaum möglich wäre, sie ineiner den jeweiligen Fällen angemessenen Weise in Beziehung zu setzen, um <strong>die</strong>richtigen Schlüsse deduzieren zu können. Da also Erklärungen menschlichenVerhaltens nicht alle Bedingungsfaktoren berücksichtigen können, sind wir gezwungen,mit vereinfachten Annahmen zu arbeiten. Einfache Theorien komplexerPhänomene sind aber "wahrscheinlich notwendigerweise falsch", es seidenn wir ergänzen sie durch genau spezifizierte ceteris-paribus-Annahmen,wodurch <strong>die</strong> Theorien aber sehr kompliziert würden 5 .Man muß also - wie HAYEK das ausdrückt - im wesentlichen mit "Erklärungendes Prinzips" vorliebnehmen. Sie können zwar kaum zuverlässiges Wissenüber den Einzelfall vermitteln, aber doch Aussagen über Muster von Ereig-4 Vgl. hierzu auch HAYEK 1972.5 Ebenda, S. 16.16


nissen ermöglichen, <strong>die</strong> unter bestimmten Bedingungen mit größerer oder geringererWahrscheinlichkeit <strong>auf</strong>treten 6 . Wenn daher von geisteswissenschaftlicherSeite der Anspruch, <strong>die</strong> Erziehungswissenschaft als Wissenschaft von den Gesetzenzu verstehen, <strong>die</strong> in Erziehungsfeldern wirksam sind, als mechanistischeoder szientistische und für <strong>die</strong> Pädagogik ungeeignete Auffassung zurückgewiesenwird 7 , ist das durchaus berechtigt, solange der Ausdruck "Gesetz" im Sinneder Naturwissenschaften verstanden wird. Die etwas unglückliche Bezeichnung"nomologische" oder "nomothetische" Erziehungswissenschaft darf also nur entsprechend<strong>die</strong>ser Modifikation verstanden werden, d.h. als Wissenschaft, <strong>die</strong>nach jenen Prinzipien sucht, <strong>die</strong> das Auftreten bestimmter Muster von Ereignissenerklären und voraussagen können.Der szientistische Irrtum, wie er etwa der Annahme zugrunde liegt, durchein <strong>die</strong> Naturwissenschaften nachahmendes Vorgehen sei menschliches Verhaltenvollständig <strong>auf</strong> Reiz-Reaktions-Mechanismen zurückzuführen, schließtaußerdem <strong>die</strong> Annahme der vollständigen Determiniertheit ein und würde damitabsurde Konsequenzen nach sich ziehen. Man müßte dann beispielsweise auchvorhersagen können, bei welchen Reizkombinationen Menschen <strong>die</strong> Vorstellungdes freien Willens haben oder Philosophen Theorien des freien Willens formulierenwürden 8 . Aber auch wenn man den Menschen als freies bzw. nichtvollständig determiniertes Wesen betrachtet, braucht man nicht davon auszugehen,daß sein Verhalten keinerlei regelhaften Bedingungen unterliegt. Wennman beispielsweise <strong>die</strong> prinzipiellen Bedingungen kennt, <strong>die</strong> mit einiger Sicherheitstarke Abhängigkeitsgefühle bei Menschen hervorrufen, weiß man damitzumindest, daß man <strong>die</strong> Schaffung solcher Bedingungen vermeiden sollte, wennman Schüler zur Autonomie erziehen möchte. Aussagensysteme über <strong>die</strong> Bedingungenzur Erreichung von Erziehungszielen bezeichnet man als Erziehungstechnologie.Pädagogik als "Erziehungstechnologie"?Aufgrund solcher Konstruktionen von "Erziehungstechnologien" glaubensich <strong>die</strong> Geisteswissenschaftler in ihren Befürchtungen bestätigt, daß <strong>die</strong> empirisch-analytischenErziehungstheoretiker der Versuchung eines vereinfachenden,reduktionistischen Denkens erliegen. Jedoch folgt aus den Einschränkungen, <strong>die</strong>6 Vgl. ebenda.7 Vgl. z.B. KIUCHI 1990; ZABECK 1968, S. 91 f.; LEONHARD 1978; 1989.8 Vgl. auch POPPER 1973, S. 247 ff.; VOGEL 1991, S. 21.17


einer "Gesetzeswissenschaft" von der Erziehung <strong>auf</strong>zuerlegen sind, daß <strong>die</strong> umstritteneErziehungstechnologie ebenfalls nicht so verstanden werden darf, alsließen sich Erziehungsprobleme <strong>auf</strong> <strong>die</strong> präzis berechenbare Weise des Ingenieurslösen. Wenn der "Erziehungstechnologe" bei der Entwicklung von Lehrmaterialdas Vorwissen der Schüler berücksichtigt, den Stoff nach zunehmenderKomplexität ordnet und Aufgaben von mittlerem Schwierigkeitsgrad stellt, dannkann er damit keinesfalls exakte Steuerungsmaßnahmen in Gang setzen. Er mußzudem damit rechnen, daß <strong>die</strong> Schüler oder Studenten <strong>die</strong>se Maßnahmen individuellunterschiedlich deuten und <strong>die</strong>se Deutungen ihr weiteres Verhaltenbeeinflussen 9 . Dennoch können beispielsweise <strong>die</strong> "Prinzipien-Erklärungen" derkognitiven Lerntheorie und <strong>auf</strong> ihrer Grundlage konstruierte Lehrgangstechnikenzu einer erstaunlichen Steigerung des Lehrerfolgs beitragen 10 .So gesehen scheint also <strong>die</strong> Auffassung der Pädagogik als einer Gesetze undTechnologien konstruierenden Wissenschaft keine weiteren Probleme <strong>auf</strong>zuwerfen.Die Frage ist aber, ob nicht schon mit dem theoretischen Ansatz sozusagenunbewußt ein "mechanistisches" bzw. deterministisches Modell zugrundegelegt wird 11 , ein Modell also, nach dem der Mensch als beliebig formbar undbeherrschbar betrachtet wird. Durch ein solches Modell sehe sich der Empirikerveranlaßt, nach immer effektiveren Methoden der Beeinflussung zu suchen.Pädagogik als Technologie führe damit zu dem Problem, ob Erzieher ihre Educandennach bestimmten Vorstellungen formen oder ob sie <strong>die</strong> Entwicklung ihrerindividuellen Anlagen und Fähigkeiten fördern sollen.In der Erziehung nehmen solche ethischen Fragen berechtigterweise einenhohen Stellenwert ein, denn es kann uns nicht gleichgültig sein, wozu erzogenwird. Es ist daher nicht verwunderlich, daß <strong>die</strong> erkenntnistheoretische Forderungnach Werturteilsfreiheit der Wissenschaft gerade in der Pädagogik so vehementdiskutiert und in Frage gestellt wird 12 .Erziehungsziele und das Problem der WerturteilsfreiheitWer erzieht, will Educanden in bestimmter Hinsicht fördern. Erziehungsetzt also Wertungen und Normen voraus. Es stellt sich vor allem <strong>die</strong> Frage nach9 Vgl. LEHNER 1981, S. 515.10 Vgl. HERDT 1990, S. 410 f.; ausführlicher hierzu auch Kap. 3.2.2.11 Vgl. HERZOG 1984.12 Zur Norm der Werturteilsfreiheit vgl. vor allem MAX WEBER 1985, S. 489 ff. (1. Aufl. 1917);ALBERT 1980; KEUTH 1989.18


der "richtigen" bzw. "falschen" Erziehung. Sofern <strong>die</strong> Pädagogik als Wissenschaftjedoch werturteilsfrei sein soll, kann sie dar<strong>auf</strong> nur im Hinblick <strong>auf</strong> vorausgesetzteübergeordnete Ziele Antworten zu geben suchen, so wie <strong>die</strong> MedizinAntworten <strong>auf</strong> <strong>die</strong> Frage nach der besten Art und Weise der Gesundung eineskranken Organismus zu geben versucht. Welches <strong>die</strong> vorauszusetzenden übergeordnetenZiele oder Normen sein sollen, kann jedoch nicht wissenschaftlichbestimmt werden. Denn wenn <strong>die</strong> Pädagogik nicht weltanschaulich begrenzte,sondern allgemein gültige Antworten geben soll, dann dürfen in <strong>die</strong>sen Antwortenkeine Wertsetzungen vorgenommen werden, sondern es darf nur überWerte und Normen informiert werden. Damit scheinen aber grundlegende ethischeFragen aus dem Bereich der Erziehungswissenschaft ausgeschlossen.Genau da liegt der Ansatzpunkt für zahlreiche Einwände. Auch in derWissenschaftstheorie wird zunehmend eine Wissenschafts<strong>auf</strong>fassung diskutiert,in der das Problem der moralischen Verantwortung eine zentrale Rolle einnimmt13 . Gerade <strong>die</strong> Wissenschaft dürfe nicht durch eine unangebrachte Werturteilsfreiheitmoralisch verwerfliches Tun und Denken fördern.Nun ist es aber nicht Aufgabe der Wissenschaft, in moralischer Absicht zumissionieren. Wissenschaft soll vielmehr über tatsächliche und mögliche Realität<strong>auf</strong>klären. Wenn man aber <strong>die</strong> Frage nach den "richtigen" Erziehungsidea-lennicht so versteht, daß moralische Normen gesetzt werden sollen, sondern daßlediglich über mögliche Erziehungsideale und ihre möglichen Konsequenzensowie deren Beurteilung im Hinblick <strong>auf</strong> übergeordnete Kriterien informiertwird, damit Erzieher oder Bildungspolitiker begründete Entscheidungen treffenkönnen, dann läßt sich <strong>die</strong>ses Problem wissenschaftlich untersuchen, ohne normativeAussagen zu machen und Werturteile zu fällen.Auf den ersten Blick mag <strong>die</strong>se Beschränkung <strong>auf</strong> bloße Information demmoralisch engagierten Erziehungstheoretiker ungenügend erscheinen. Er solltejedoch bedenken, daß <strong>die</strong> Erziehungswissenschaft nur <strong>auf</strong> <strong>die</strong>se Weise den Charaktereiner unabhängigen Instanz bewahren und trotzdem bedeutsame Leistungendurch Normanalyse und hypothetische Normvorschläge erbringen kann.Wichtige zu lösende Normfragen entstehen beispielsweise dadurch, daß bestehendeErziehungsziele durch den Wandel der übrigen Lebensbedingungen in derGesellschaft und den dadurch geänderten Anforderungen nicht mehr gerechtwerden. Das Bildungssystem kann als unzeitgemäß empfunden werden, wenn es13 Vgl. z.B. BÖHME 1978; EBERLEIN 1987.19


den herrschenden Wertvorstellungen nicht mehr gerecht wird oder wenn sichgrößere Unstimmigkeiten zwischen Ausbildungs- und Beschäftigungssystemergeben usw. Zur Klärung <strong>die</strong>ser Situation sowie zur Lösung der dadurch entstandenenSpannungen kann der Erziehungswissenschaftler beitragen, indem erangemessenere hypothetische Normen vorschlägt und feststellt, ob sie mit dengewandelten moralischen Auffassungen und dem System der übrigen Bedingungenharmonieren. Der von der empirischen Erziehungswissenschaft zuleistende Beitrag bestünde demnach in der Information über Lösungsmöglichkeitenfür Normprobleme. Das würde <strong>die</strong> hypothetische Konstruktion undAnalyse von Erziehungsnormen voraussetzen und empirische Untersuchungenüber mögliche Nebenwirkungen einschließen. Nach <strong>die</strong>ser Auffassung kann <strong>die</strong>wissenschaft-liche Pädagogik Normfragen frei von erkenntnisfremden Werturteilenuntersuchen.Beispielsweise kann man Erzieher <strong>auf</strong> <strong>die</strong>se Weise über das Problem <strong>auf</strong>klären,welche Erziehungsziele eine hochindustrialisierte liberale Gesellschaft imöffentlichen Schulwesen verfolgen kann. Nicht alle Vorschläge können imHinblick <strong>auf</strong> mehr oder weniger allgemein geteilte Wertungsvoraussetzungengleich gut sein. Die Lösung des Problems erfordert eine Analyse der gesellschaftlichenBedingungen und Erwartungen. Die unter Berücksichtigung derErgebnisse <strong>die</strong>ser Analyse konstruierten hypothetischen Normvorschläge sindkritisch dar<strong>auf</strong>hin zu prüfen, ob Widersprüche zu bestehenden, übergeordnetenWerten und Normen entstehen, ob sie zu Konsequenzen führen, <strong>die</strong> als schädlichfür <strong>die</strong> Entwicklung junger Menschen betrachtet werden usw. Wenn <strong>die</strong> Wissenschaftauch nicht <strong>die</strong> Gültigkeit von Werten und Normen in der Erziehung begründenkann, kann sie uns doch über ihre Bedeutung im Rahmen anderergesellschaftlicher Werte und Normen und über ihre Konsequenzen <strong>auf</strong>klären.Die Beschränkung <strong>auf</strong> Information oder Deskription (statt Präskription) und<strong>die</strong> Ablehnung weltanschaulicher oder parteilicher Standpunkte als wissenschaftlicherKriterien haben einen großen Vorzug: Sie fördern eine unvoreingenommene,kritische Überprüfung von Erziehungstheorien und Behauptungenjeder Art. Es wird eine kritische Unabhängigkeit ermöglicht, während erkenntnisfremdeWertgesichtspunkte eher Parteilichkeit und damit Blindheit gegenüberFakten, <strong>die</strong> der eigenen Werteinstellung widersprechen, fördern und unvoreingenommenePrüfungen erschweren.Parteilichkeit ist beispielsweise in einer Auffassung zu erkennen, nach derPädagogik "nicht uninteressierte Erkenntnis dessen" darstellt, "was ist, sondern20


interessierte Verkündigung dessen, was sein soll" 14 , eine Auffassung, nach der<strong>die</strong> Aufgabe der Pädagogik in der Bestimmung dessen liege, wozu erzogen werdensoll, was pädagogisch an sich gut und was pädagogisch an sich schlecht sei 15 .Die Norm der Werturteilsfreiheit wird in der Pädagogik also nicht immerfür angebracht gehalten. Die Kritiker der Werturteilsfreiheit befürchten, daßdurch <strong>die</strong> Beachtung <strong>die</strong>ser Norm <strong>die</strong> Verantwortung für das Wohl der Educandenbeeinträchtigt würde. Es sind daher verschiedene Alternativen zur werturteilsfreienErziehungswissenschaft vorgeschlagen worden. Aus empirisch-analytischerSicht kann man aber <strong>auf</strong>grund von Erkenntnissen nicht verbindlichsagen, welche Ziele als "gut" und "richtig" zu betrachten und daher zu verfolgenseien. Vielmehr kann man nur über mögliche Ziele, Handlungsmöglichkeitenund deren jeweilige Folgen <strong>auf</strong>klären. Es ist zu fragen, ob alternative wertendePädagogiken tatsächlich etwas darüber hinaus leisten können. Außerdem ist esnicht unwahrscheinlich, daß gerade durch den Anspruch, wissenschaftlich zugültigen und verbindlichen Wertungen gelangen zu können, <strong>die</strong> schon für <strong>die</strong>frühere geisteswissenschaftliche Pädagogik bedrohliche, von SPRANGER diagnostizierte"Weltanschauungszersplitterung" vorangetrieben wird 16 .Andererseits können aber weltanschauliche Festlegungen, parteiische Voreingenommenheitenoder andere Einseitigkeiten auch unter Empirikern nichtausgeschlossen werden. Es dürften daher vor allem <strong>die</strong> gegenseitige Kritik und<strong>die</strong> Korrektur durch <strong>die</strong> Realität sein, <strong>die</strong> letztlich eine gewisse Objektivitätschaffen 17 . Die Frage ist, welche Rolle der Pluralismus der Richtungen für <strong>die</strong>segegenseitige Kritik, Kontrolle und möglicherweise auch für <strong>die</strong> gegenseitigeideelle Befruchtung spielt.1.3 Pluralismus in der Pädagogik: Gefahr oder Chance?Der Pluralismus der Richtungen wird in der Pädagogik nicht einhellig begrüßt.Nicht selten dürfte er eher wie ein notwendiges Übel hingenommen werden.Man begegnet ihm also durchaus zwiespältig. Manche begrüßen ihn vielleichtnur deshalb, weil er eine minimale Rechtfertigung für <strong>die</strong> eigene Richtunggeben kann. Man empfindet ihn aber zumindest dann als störend, wenn man <strong>die</strong>eigene Richtung als einzige, beherrschende oder bedeutsamste durchsetzen14 FRISCHEISEN-KÖHLER 1921, S. 18.15 Vgl. BOLLNOW 1969, S. 162; ähnlich STRASSER 1972; LANGEVELD 1969, S. 162.16 SPRANGER 1964, S. 17.17 Vgl. POPPER 1970, Bd. S. 266 ff.21


möchte. Außerdem steht der Pluralismus unserem Bestreben nach Einfachheitund Überschaubarkeit entgegen. Im besten Fall kann er den Erkenntnisfortschrittdurch gegenseitige Kritik fördern, er kann ihn aber auch behindern und er bleibtrelativ unwirksam, solange <strong>die</strong> Richtungen nur koexistieren, statt gegenseitigeKritik zu üben und <strong>die</strong>se Kritik auch innerhalb jeder Richtung zu verarbeiten.Ein Fortschrittshindernis stellt der Pluralismus dann dar, wenn rascheLösungen für klar definierte Ziele gesucht werden. Nur wenn alle Kräfte <strong>auf</strong><strong>die</strong>ses eine Ziel konzentriert werden - was der Pluralismus der Richtungen ja inder Regel erschweren dürfte -, ist es schnell zu verwirklichen. Durch <strong>die</strong> Richtungsvielfaltausgelöste, immer wieder erneute Diskussionen der Bedeutung einesZiels im Verhältnis zu anderen Zielen, der angewandten Mittel, der Wissenschafts<strong>auf</strong>fassungusw. dürften unvermeidlich Verzögerungen nach sich ziehen.In Situationen mit Handlungsdruck wird deshalb in der Regel kein oder nur einsehr begrenzter Pluralismus der Auffassungen akzeptiert. Aber auch um einewissenschaftliche Theorie schnell voranzubringen, scheint es vorteilhaft, wennalle Beteiligten sich pragmatisch <strong>auf</strong> einen relativ begrenzten Rahmen vonZielen, Mitteln, Maßstäben usw. beziehen und es vermeiden, ihre Kräfte zu zerstreuen.Betrachtet man <strong>die</strong> Situation in der Pädagogik, dann scheinen alle genanntenPunkte dar<strong>auf</strong> zuzutreffen. Die Richtungsvielfalt und der Richtungsstreitbildeten ja auch den Ausgangspunkt <strong>die</strong>ser Untersuchung. Gerade in unseremFach gibt es eine unentwegte Diskussion über <strong>die</strong> Wissenschafts<strong>auf</strong>fassung, <strong>die</strong>Forschungsziele usw. Gerade in unserem Fach drängen <strong>die</strong> vielen, an praktischenRatschlägen interessierten Erzieher <strong>die</strong> Wissenschaftler zur Konzentration <strong>auf</strong>einzelne, ihnen besonders bedeutsam erscheinende Fragen. Aber auch wenn <strong>die</strong>Richtungsvielfalt in der Pädagogik einerseits Nachteile mit sich bringt, sollteman doch untersuchen, ob sie nicht auch Vorteile haben kann.Es kann nämlich sein, daß schnelle Fortschritte in Wirklichkeit nicht seltennur scheinbare Erfolge bedeuten. Wenn alle vom gleichen Denkrahmen ausgehenund darin gefangen sind, werden <strong>die</strong> dadurch bedingten Fehler undEinschränkungen nicht so leicht bemerkt, oder wenn sie bemerkt werden, werdensie vielleicht eine Weile verdrängt. Damit nimmt <strong>die</strong> Wahrscheinlichkeit zu, daßwichtige Komponenten oder Nebenwirkungen unbeachtet bleiben. Nicht nur derPluralismus, sondern auch Übereinstimmung und <strong>die</strong> damit meist einhergehendeEinseitigkeit können also problematisch sein. Zumindest was <strong>die</strong> Wissenschaftund das öffentliche Leben betrifft, scheint es mehr Argumente für einen22


Pluralismus der Ansätze und Meinungen zu geben als dagegen. Die entscheidendenArgumente hat m.E. John Stuart MILL am klarsten und überzeugendstendargestellt 18 .MILL nennt vier Gründe: Erstens, das ist sein wichtigstes Argument, kannman nie sicher sein, daß <strong>die</strong> Auffassung, <strong>die</strong> man für falsch hält, wirklich falschist. Und selbst wenn man sicher wäre, daß sie falsch ist, hält er ihre Vernichtungfür ein Übel, weil man damit anderen <strong>die</strong> Mittel nehmen würde, sich selbst einUrteil zu bilden. Für alle zu entscheiden, welche Auffassungen wahr und welchefalsch sind, bedeute, sich Unfehlbarkeit anzumaßen 19 . Man kann aber letztlichnicht beweisen, ob eine Auffassung, eine Hypothese oder Theorie wahr ist. Auch"in den empirischen Wissenschaften" haben wir "niemals genügend Argu-mentefür <strong>die</strong> Behauptung, wir hätten tatsächlich <strong>die</strong> Wahrheit erreicht" 20 .Andererseits ist jedoch nicht alles Wissen unterschiedslos fragwürdig undunsicher. Außerdem muß jeder, um überhaupt argumentieren und handeln zukönnen, eine Position einnehmen, von der er mehr oder weniger überzeugt ist. Esdürfte ferner auch nicht möglich sein, <strong>die</strong> Grundlagen des eigenen Denkensständig in Frage zu stellen. Da es immer Einwände gibt, käme man vermutlichnie dazu, seine Gedanken auch nur einigermaßen zu systematisieren. Aber gerade<strong>die</strong> Tatsache, daß es dem einzelnen nicht möglich ist, einen Gegenstand vollständigzu erfassen, alle Gründe und Gegengründe erschöpfend zu erwägen oderalle Folgen zu beachten, spricht für einen Pluralismus der Auffassungen, Richtungen,Ansätze, Theorien und Meinungen. Das gilt auch für den Pluralismus inder Pädagogik. Denn nur wenn es einen solchen Pluralismus gibt, besteht einegewisse Gewähr dafür, daß zumindest <strong>auf</strong> lange Sicht unsere unvollkommenenAuffassungen, Theorien usw. verbessert werden können. Letztlich dürften wirfür unsere bestgegründeten Überzeugungen keine andere Gewähr besitzen, "als<strong>die</strong> einer fortwährend an <strong>die</strong> ganze Welt gerichteten Einladung, ihre Haltlosigkeitzu erweisen" 21 .Das Vorhandensein gut bewährter Auffassungen kann aber nun mit derForderung verknüpft werden, <strong>die</strong>se, eben weil sie unzweifelhaft seien, außerhalbder weiteren Erörterung zu lassen. Auch dagegen wendet sich MILL, denn einen18 Vgl. MILL 1973 (1859), S. 138 ff.; zusammenfassend S. 183 f.; vgl. ferner FEYERABEND 1981,S. 7 ff., der MILLs Argumente übernimmt.19 Vgl. MILL 1973, S. 140.20 Vgl. POPPER 1973, S. 71.21 MILL 1973, S. 145.23


"Satz gewiß nennen, solange noch jemand vorhanden ist, der seine Gewißheitleugnen möchte, ... heißt uns und unsere Gesinnungsgenossen zu Richtern überGewißheit <strong>auf</strong>werfen, zu Richtern, <strong>die</strong> sich der Gegenseite verschließen" 22 .Damit ist nicht gemeint, daß jedermann seine festen und gutbegründetenÜberzeugungen ständig in Frage stellen sollte. Es wurde schon dar<strong>auf</strong> hingewiesen,daß das psychisch nicht möglich sein dürfte. Denn wenn beispielsweiseErzieher gezwungen wären, ihre Erziehungsgrundsätze ständig zu hinterfragen,würden sie in ihrer Handlungsfähigkeit stark behindert. Darum geht es abernicht. Es ist vielmehr nur gemeint, daß andere Auffassungen nicht unterdrücktwerden sollten; sie sollten aus der wissenschaftlichen, öffentlichen oder zwischenmenschlichenAuseinandersetzung nicht ausgeschlossen werden 23 .Im Hinblick <strong>auf</strong> Wissenschafts<strong>auf</strong>fassungen kommt hinzu, daß nicht seltender bloße Zufall darüber entscheidet, ob man Geisteswissenschaftler oder Empirikerwird. In unserem Fach kommt es vor allem dar<strong>auf</strong> an, an welcher Hochschuleman zu welcher Zeit Erziehungswissenschaft stu<strong>die</strong>rt. Im einen Fall wirdman mit einiger Wahrscheinlichkeit zum überzeugten kritischen Theoretiker oderTranszendentalpädagogiker und im anderen zum kritischen Rationalisten oderPositivisten 24 . Daraus folgt nicht, daß wir durch das Aufwachsen oder dasStudium im Kreis einer bestimmten Schule notwendig und unabänderlich <strong>auf</strong>eine bestimmte Position festgelegt würden. Gerade der Pluralismus kann dazubeitragen, daß wir unsere Theorien und Lehren ändern oder verbessern und fürandere Anschauungen offen bleiben.Zweitens ist der Pluralismus nach MILLs Auffassung auch dann zu befürworten,wenn man eine Richtung in überzeugender Weise als falsch erkannt zuhaben glaubt, weil sie doch einen Teil der Wahrheit enthalten könne. Da wohlnur selten eine Auffassung "<strong>die</strong> ganze Wahrheit enthält, so hat nur durch denZusammenstoß entgegengesetzter Meinungen der Rest der Wahrheit <strong>die</strong> Chance,anerkannt zu werden" 25 . So könnte auch <strong>die</strong> Auseinandersetzung zwischen denRichtungen in der Pädagogik zu Erkenntnissen führen, <strong>die</strong> keine der Richtungenfür sich allein hätte finden können.Drittens könne selbst im Fall, daß eine Position als wahr oder richtig erkanntist, das Verschwinden der anderen Richtungen von Nachteil sein, weil <strong>die</strong>richtige Position dann von allen derart internalisiert sein könnte, daß sie, "wenn22 Ebenda, S. 146.23 Vgl. ebenda, S. 142 ff.24 Ein ähnliches Beispiel führt MILL 1973, S. 141 im Hinblick <strong>auf</strong> <strong>die</strong> Religion an.25 Ebenda, S. 183.24


sie nicht eine kräftige und ehrliche Anfechtung erfährt, von den meistenAnhängern nur als Vorurteil, das heißt mit geringem Verständnis oder Gefühl fürihre vernünftigen Gründe, vertreten werden" wird 26 . Wenn also in der Päd-agogikeine einzige Richtung beherrschend wäre oder werden würde, dann könnte esgeschehen, daß eine neue, von Richtungskämpfen verschonte Wissenschaftlergenerationgrundlegenden Voraussetzungen ihrer eigenen Forschungsarbeiteher mit Unverständnis gegenüberstünde und sie daher vielleicht sogarleichtherzig zugunsten von etwas weniger Wertvollem <strong>auf</strong>gäbe. Das führt uns zueinem weiteren Argument für den Pluralismus.Denn viertens ist der Pluralismus nach MILL wichtig, weil ohne ihn der Sinneiner Lehre in Gefahr gerät, "zugrunde zu gehen oder geschwächt zu werden" 27 .Ohne einen Pluralismus der Auffassungen wird ein Student nicht gezwungensein, <strong>die</strong> Gründe für seine Auffassungen genau zu kennen und darzulegen. Erwird daher selbst schwachen Gegenargumenten leicht erliegen 28 . Außer-demwird er es nicht wagen, seinen eigenen Ideen zu folgen, wenn sie ihn zuSchlußfolgerungen führen sollten, <strong>die</strong> keine allgemeine Anerkennung genießen.MILL geht also davon aus, daß das Bestehen eines Pluralismus selbständigesDenken fördert, während sein Fehlen es behindert. Vielleicht, gibt er zu bedenken,würden herausragende Denker sich auch unter solchen restriktivenBedingungen durchsetzen, aber eine geistig rege Mehrheit "hat es in einer solchenLuft nie gegeben und wird es niemals geben" 29 . Wendet man <strong>die</strong>sesArgument <strong>auf</strong> <strong>die</strong> Pädagogik an, dann sollte man annehmen, daß <strong>die</strong> Richtungsvielfaltzur Hervorbringung kreativer, selbständig denkender Erziehungstheoretikerbeitragen müßte.Aus all dem folgt nun aber nicht, daß der vollständige "Mangel anEinstimmigkeit eine unerläßliche Bedingung wahrer Erkenntnis" sei 30 . Es dürftedurchaus einen Fortschritt bedeuten, wenn bei freier Diskussion <strong>die</strong> Zahl derunbestrittenen Lehren wächst, obgleich <strong>die</strong> Konsequenzen der Einstimmigkeitkeineswegs "wohltätig sein müssen", wie MILL ausdrücklich betont. Um ihreNachteile "für <strong>die</strong> klare und lebhafte Erfassung der Wahrheit" zu mildern, sollten26 Ebenda.27 Ebenda.28 Ebenda, S. 162.29 Ebenda, S. 160.30 Ebenda, S. 172.25


zumindest in der Lehre aus didaktischen Gründen <strong>die</strong> Gegenpositionen stetsmiteinbezogen werden 31 .Solange nun der Pluralismus in der Pädagogik besteht, so kann man annehmen,ist keine der Wissenschafts<strong>auf</strong>fassungen, <strong>die</strong> <strong>die</strong>se Richtungen kennzeichnen,vollkommen ausgereift und daher für alle überzeugend, und keiner derRichtungen ist es gelungen zu zeigen, daß sie den Gegenstand der Pädagogik inbefriedigender Weise zu erforschen gestattet. Gegenseitige Mißverständnisse,unklare Annahmen oder auch falsche und einseitige Auffassungen innerhalbeiner Richtung können <strong>die</strong> Ursache dafür sein. Es ist daher von großer Bedeutung,<strong>die</strong> eigene Position in Abgrenzung zu anderen immer wieder <strong>auf</strong>s neue zubestimmen und <strong>die</strong> kritischen Einwände, <strong>die</strong> von den anderen Richtungen erhobenwerden, zu berücksichtigen.Diese Aufgabe wird im folgenden eher aus der vergleichsweise pragmatischenSicht des Erziehungstheoretikers als der des reinen Wissenschaftstheoretikersangegangen. Vorhandene Lösungsvorschläge sind im Licht der erkenntnistheoretischenEinwände, <strong>die</strong> von Erziehungstheoretikern verschiedener Richtungenvorgebracht werden, zu erörtern. Auf <strong>die</strong>se Weise sollen Unstimmigkeitenund Fehler <strong>auf</strong>gedeckt werden. Es wird nach Änderungen oder Verbesserungengesucht, <strong>die</strong> dem Gegenstand und den Aufgaben der Pädagogik möglichstgerecht werden. Ziel der Arbeit sind also nicht neuartige oder perfektioniertewissenschaftstheoretische Problemlösungen, sondern Vorschläge für eineverbesserte erkenntnistheoretische Grundlage der empirisch-analytischenErziehungswissenschaft. Im Ergebnis braucht das nicht zu einer Annäherung derRichtungen zu führen. Eine Zunahme gegenseitigen Verständnisses im Sinneeiner Zunahme an sachlicher Diskussion und genauerer Bestimmung der strittigenFragen wäre schon ein wünschenswertes und hinreichendes Ergebnis.31 Ebenda, S. 173; zum genannten Lehrverfahren vgl. auch WAGENSCHEIN 1970; LEHNER 1979.26


2. Wissenschaftsbegriff und Methodologie derErziehungswissenschaft2.1 Der empirisch-analytische WissenschaftsbegriffDer empirisch-analytische Wissenschaftsbegriff ist in der Pädagogik ersteingeführt worden, als er in anderen Sozialwissenschaften bereits Fuß gefaßthatte. Wie in der Einleitung bereits dargestellt, ist unser Hauptproblem, ob undwie der empirisch vorgehende Erziehungstheoretiker zur Lösung der jeweiligenFragen, zu denen auch Normfragen zählen, <strong>auf</strong> wissenschaftlich zu nennendeWeise beitragen kann. Dazu ist zunächst zu klären, was allgemein unterWissenschaft verstanden wird.In allen Wissenschaften scheint man <strong>die</strong>selbe allgemeine wissenschaftlicheMethode zu verwenden. Man stellt Vermutungen oder Hypothesen <strong>auf</strong> und prüft<strong>die</strong>se dann möglichst streng <strong>auf</strong> ihre Wahrheit oder Gültigkeit. Trotz <strong>die</strong>serUniversalität der wissenschaftlichen Methode gibt es aber mehrere Wissenschaftsbegriffe.2.1.1 Die Vielfalt der Wissenschaftsbegriffe und <strong>die</strong> Universalität derwissenschaftlichen MethodeEs gibt verschiedene Auffassungen von Wissenschaft (a). Aber wenn <strong>die</strong>Erkenntnis der Wirklichkeit unser Ziel ist, wird man eine bestimmte Form derWissenschaft anderen Vorstellungen vorziehen müssen (b). Wenn zudem nahezualle Wissenschaften nach einer sozusagen universalen Methode vorgehen sollten,brauchen wir nicht anzunehmen, daß <strong>die</strong> Wissenschaften so verschieden sind,wie es <strong>die</strong> theoretischen (Re-)Konstruktionsversuche nahelegen. Diewissenschaftliche Methode ist dann nicht nur für <strong>die</strong> Konstruktion und Prüfungvon Theorien, sondern auch bei der empirisch-analytischen Normenanalyseanzuwenden (c). Die wissenschaftliche Methode stellt allerdings nur ein Schemabereit, wie verbesserte Theorien gefunden werden können, sie zeigt nicht, wie27


und warum sie sich gegenüber Konkurrenten durchsetzen bzw. durchgesetztwerden (d).a) Wissenschaft, Wissenschaftsbegriffe und ErkenntnisEs ist klar, daß <strong>die</strong> Wissenschaft eine Schöpfung des Menschen ist, denn sieexistiert nicht von Natur aus. Es kann daher auch keine Erkenntnis eines vomMenschen unabhängigen, naturgegebenen 'Wesens' der Wissenschaft geben. In derWissenschaftstheorie versucht man vielmehr, angemessene Konstruktionen für dasvorzulegen, was man als Wissenschaft bezeichnet 32 . Auch wenn man "Wissenschaft"als existierendes Phänomen nicht beliebig definieren kann, sind dochverschiedene theoretische Konstruktionen möglich 33 . Es gibt daher in der Wissenschaftstheorieauch verschiedene "Schulen" 34 . Diese "Schulen" sind wiederum inUntergruppen gegliedert; sie ändern sich zudem ständig und es kommen neuehinzu.Bei oberflächlicher Betrachtung der Lage sieht es so aus, als ob man je nachVorliebe den einen oder anderen Wissenschaftsbegriff wählen könnte. Bedenktman jedoch den Zweck wissenschaftlicher Arbeit, dann wird <strong>die</strong> Auswahlerheblich eingeschränkt. Wenn <strong>die</strong> Wissenschaft zuverlässige Erkenntnisse über<strong>die</strong> Wirklichkeit liefern soll, dann besteht unser Hauptproblem darin, welchemethodologischen Regeln für den Erkenntnisgewinn am fruchtbarsten sind. Vonder Wissenschaftspraxis her gesehen sind zumindest einige der Grundprinzipienfestgelegt. Sofern Wissenschaftler möglichst wirklichkeitsangemessene Theorienzu konstruieren suchen, sollten ihre Hypothesen und Theorien empirisch geprüftwerden können. Ein Erkenntnisgewinn wird vor allem dadurch erzielt, daß manWidersprüche zwischen alternativen Erklärungen beseitigt. Wenn man Theorienweiter erklärt, gelangt man so zu umfassenderen Theorien, <strong>die</strong> scheinbarwidersprüchliche partikulare Theorien im Idealfall einheitlich erklären können 35 .Umfassendere Theorien sollen zudem einen reicheren empirischen Gehalt<strong>auf</strong>weisen, so daß sie an mehr Fällen als eingeschränktere Erklärungen geprüftwerden können 36 .Wenn wir vom Erkenntnisgewinn sprechen, müssen wir wissen, was wir32 Vgl. STEGMÜLLER 1973a, Bd. II, 2, S. 8 ff. und KAPLAN 1964, S. 6 ff.33 Vgl. STEGMÜLLER 1974, Bd. I, S. XXII.34 Vgl. RADNITZKY 1970, Bd. 2, S. 39 f. und FIJALKOWSKI 1967.35 Vgl. POPPER 1973, S. 218 ff.36 Vgl. ebenda, S. 215.28


unter Erkenntnis verstehen wollen. So kann der religiöse Mensch empirisch ungeprüfteund möglicherweise unprüfbare Theorien über Tod, Wiedergeburt unddas Wirken eines oder auch vieler Götter als <strong>die</strong> für das Leben entscheidendenErkenntnisse überhaupt betrachten, während dem modernen Menschen der westlichenZivilisation eher das in wissenschaftlichen Fachbüchern <strong>auf</strong>gezeichneteund oft schnell "veraltende" Wissen als Erkenntnis gilt.Auch der Erkenntnisbegriff ist also im Zusammenhang wissenschaftlicherForschung von Menschen festgesetzt worden. Im Rahmen der empirischen Wissenschaftenhat er <strong>die</strong> Bedeutung "wahre Aussagen" erhalten.Allerdings ist der Wahrheitsbegriff ebenso umstritten und wird in ebensoverschiedener Weise definiert wie der Erkenntnisbegriff 37 . Da es kein vonmenschlichen Festsetzungen unabhängiges "Wesen" der Wahrheit gibt, kannman nur <strong>die</strong> Vorzüge und Problematik verschiedener Wahrheitsdefinitionen diskutieren.In allen empirischen Wissenschaften wird unter Wahrheit <strong>die</strong> Übereinstimmungtheoretischer Aussagen mit empirischen Prüfaussagen oder, verkürztausgedrückt, mit der Realität verstanden.Dieser Wahrheitsbegriff hängt mit der Art der Suche nach Erkenntniszusammen. Wenn man <strong>die</strong> Übereinstimmung theoretischer Voraussagen mit derWirklichkeit als Wahrheit definiert, dann wird man Theorien empirischenPrüfungen unterwerfen, um so <strong>die</strong> wirklichkeitsadäquateste herauszufinden. DiesesVerfahren hat sich hervorragend bewährt und den Erfolg der Naturwissenschaftenund der Technik ermöglicht.Aufgaben wie <strong>die</strong> Erzeugung von Nahrungsmitteln, der Bau von Maschinenoder <strong>die</strong> Behandlung Kranker können sehr viel erfolgreicher bewältigt werden,wenn man falsche Annahmen ausschaltet und nur <strong>die</strong> bewährtesten beibehält.Das gilt auch für unser Wissen über soziale Zusammenhänge und seineerfolgreiche Nutzung. Wenn man beispielsweise relativ zuverlässig weiß, unterwelchen Bedingungen prosoziales Verhalten entsteht, kann man gezieltereMaßnahmen zu seiner Förderung zu ergreifen suchen 38 . Daher sind Gesellschaften,<strong>die</strong> über möglichst wirklichkeitsgerechtes Wissen verfügen, das sie auchpraktisch nutzen können, jenen Gesellschaften, <strong>die</strong> solches Wissen nichtbesitzen, weit überlegen. Deshalb dürfte sich auch <strong>die</strong> Tradition der wissenschaftlichenBemühung um wirklichkeitsgerechte Erkenntnis, <strong>die</strong> vor allem37 Vgl. SKIRBEKK 1977.38 Vgl. hierzu STAUB 1978/79.29


durch den Nachweis von Fehlern in unseren Theorien vorangetrieben wird, invielen Disziplinen durchgesetzt haben.Die Pädagogik kann man nicht, zumindest nicht eindeutig zu den empirischenDisziplinen zählen. In unserem Fach hat sich vielmehr - und deutlich stärkerals in den anderen Sozialwissenschaften - eine Auffassung etabliert, <strong>die</strong> voneiner Pluralität von Erkenntnisarten ausgeht, auch wenn <strong>die</strong>se logisch nicht miteinanderzu vereinbaren sind 39 . Insbesondere wird in einigen Richtungen aneinem Erkenntnisbegriff festgehalten, bei dem <strong>die</strong> "Evidenz" für <strong>die</strong> Wahrheitvon Urteilen maßgeblich ist."Evidenz bezeichnet <strong>die</strong> in der Geschichte der Philosophie gleichermaßenzentrale wie umstrittene Instanz der offenkundigen, unmittelbar einleuchtendenSelbstbezeugung wahrer Erkenntnis und der immanenten Legitimation von Urteilen"40 . In der Praxis bedeutet das, daß eine Behauptung, <strong>die</strong> den verstandesundgefühlsmäßigen Eindruck hervorruft, es müsse sich so verhalten, als wahrhingenommen wird. Aber ohne kritische Prüfungen <strong>auf</strong> der Basis von Erfahrungen,<strong>die</strong> im Prinzip von anderen jederzeit wiederholt werden können, dürfte derGrad der Gewißheit, ob das Behauptete zutreffend ist, relativ gering sein. Evidenzist also ein recht schwaches Kriterium, da es von subjektiven Deutungenabhängig ist. Was dem einen einleuchtend, "wahr" oder evident erscheint, kannfür einen anderen zweifelhaft sein.Selbst wenn alle <strong>die</strong> gleichen Evidenzerlebnisse hätten, aber das Erlebtenicht prüfbar wäre, könnte nicht von einer Übereinstimmung der als evidentbetrachteten Aussagen mit der Wirklichkeit ausgegangen werden. Es ist jaallgemeiner Brauch bei Urteilen, Behauptungen oder Theorien, <strong>die</strong> empirischnicht belegt werden können, möglichst viele Leute zu zitieren, <strong>die</strong> ebenso denkenwie man selbst oder sich <strong>auf</strong> anerkannte Autoritäten zu berufen, <strong>die</strong> in Frage zustellen sich niemand so leicht traut. Beides sind aber letztlich unzureichendeMittel, um Behauptungen oder Theorien nach ihrem Bewährungsgrad oder ihrerWahrheitsähnlichkeit zu unterscheiden. Wer Evidenz als Kriterium für <strong>die</strong> Wahrheitvon Aussagen anerkennt, wird daher einen Fortschritt hin zu wirklichkeitsgerechterenTheorien nur relativ begrenzt fördern können. Es muß aber auchzugegeben werden, daß beispielsweise bei der Teorienkonstruktion durchausEvidenz als Kriterum verwendet wird, auch wenn man es später durch logischeund empirische Prüfungen ergänzt.39 Vgl. darstellend und kritisch OELKERS/TENORTH 1991.40 HALBFASS 1972, Sp. 829. Kritisch hierzu ALBERT 1969, S. 21 f.30


Wie der folgende Abschnitt zeigt, läßt das Kriterium der Evidenz darüberhinaus auch Wertungen zu, da man auch für bestimmte Werturteile undSollensforderungen "Evidenz" beanspruchen kann. Dadurch wird seine Tauglichkeitfür <strong>die</strong> Gewinnung wirklichkeitsadäquater Theorien aber noch weitereingeschränkt.b) Zur Brauchbarkeit von WissenschaftsbegriffenWenn der Zweck der Wissenschaft in der Gewinnung wahrer Aussagenüber <strong>die</strong> Wirklichkeit gesehen wird, kommt es vor allem <strong>auf</strong> den empirischenGehalt von Theorien an. Die empirische Prüfbarkeit setzt einerseits voraus, daßman wegen der intersubjektiven Verständlichkeit eine einfache Sprache undmöglichst klare Begriffe verwendet und andererseits, daß alle Aussagen sich <strong>auf</strong><strong>die</strong> Wirklichkeit beziehen. Dabei sollte der Wissenschaftler sich <strong>auf</strong> Beschreibungenbeschränken und in seinen Aussagen keine eigenen Bewertungen undSollensforderungen zum Ausdruck bringen 41 . Denn ob er oder ein anderer einenSachverhalt als schön oder häßlich, moralisch gut oder schlecht bewertet, und ober bestimmte Sollensforderungen stellen möchte, ist für <strong>die</strong> Erkenntnis derWirklichkeit belanglos. Es ist vielmehr zu befürchten, daß <strong>die</strong>se Wertungen denWissenschaftler voreingenommen machen. Da solche Voreingenommenheit freilichnie ganz ausgeschlossen werden kann (wir sind alle nur Menschen), gilt es,sie durch gegenseitige Kritik <strong>auf</strong>zudecken und auszuschalten.Es ist etwas anderes, wenn <strong>die</strong> Werturteile oder Sollensforderungen bestimmterPersonen oder Gruppen, <strong>die</strong> in bestimmten Situationen getroffen oder erhobenworden sind, untersucht werden. In solchen Fällen sind <strong>die</strong> Werturteile undSollensforderungen für den Wissenschaftler Teil der zu erkennenden Wirklichkeit,stellen also Sachverhalte dar, nicht Wertungen oder Aufforderungen zum Handeln.Sollensforderungen können aber auch als hypothetische Imperative oderhypothetische Normen betrachtet werden. So kann <strong>die</strong> Forderung, Erziehungsolle Talente in jungen Menschen entwickeln helfen, <strong>auf</strong> ihre Folgen für <strong>die</strong>Gesellschaft und deren <strong>Institution</strong>en untersucht werden. Man kann sie <strong>auf</strong> ihreÜbereinstimmung oder Nicht-Übereinstimmung mit anderen Erziehungsnormenund eventuell notwendige Änderungen analysieren. Wenn man darüber hinausbereits weiß, unter welchen Bedingungen Individuen Talente entwickeln, kannman untersuchen, welche speziellen Erziehungsziele gesetzt und welche Metho-41 Vgl. ALBERT 1980; POPPER 1975b, S. 113 ff.31


den angewandt werden könnten, um das übergeordnete Ziel zu erreichen 42 .Brauchbare wissenschaftliche Satzsysteme sollten im wesentlichen prinzipiellprüfbare Aussagen über das, was ist oder unter bestimmten Bedingungenmit einiger Wahrscheinlichkeit eintreten würde, enthalten, denn nur wenn realwissenschaftlicheAussagen das Seiende betreffen, können sie an der Wirklichkeitüberprüft werden. Je mehr Werturteile und Sollensforderungen daher einwissenschaftlicher Text enthält, desto geringer ist seine empirische Prüfbarkeit 43 .Bei dem <strong>auf</strong> Evidenz beruhenden Erkenntnisbegriff hingegen brauchenWerturteile und Sollensforderungen nicht ausgeschlossen zu werden. Der Eindruckder Stimmigkeit und Richtigkeit des Gesagten ist nicht davon abhängig,daß nur beschreibende Aussagen gemacht werden. Gerade Werturteile, <strong>die</strong> manselbst teilt, können den Eindruck der Stimmigkeit hervorrufen 44 . Wenn <strong>die</strong> Worte"wahre Erkenntnis" in der sehr weiten und nicht genau bestimmten Bedeutungder "Stimmigkeit", des "Einleuchtens" usw. verwendet werden, kann manWerturteile und Forderungen in <strong>die</strong>sem vagen Sinn als "wahr" bezeichnen 45 . InWirklichkeit aber unterliegt man einem Trugschluß. Man glaubt, aus demWissen über <strong>die</strong> Wirklichkeit allein Forderungen gewinnen zu können. Aber ausTatsachen allein kann man keine Forderungen ableiten. Wenn Kinder imDurchschnitt eine bestimmte Anzahl von Stunden in der Woche fernsehen, läßtsich daraus allein noch nicht <strong>die</strong> Forderung gewinnen, daß sie in Zukunft mehr,weniger oder auch gleich viel fernsehen sollen. Man muß vielmehr, um logischgültig schließen zu können, zusätzliche normative Prämissen oderÜberbrückungsprinzipien einführen.Wenn man in der Pädagogik Fortschritte im Sinne einer größeren Wirklichkeitsangemessenheitder Theorien und einer effektiveren Lösung erziehungspraktischerProbleme erreichen will, dürfte es wohl kaum unzweckmäßig sein,sich an den anderen erfolgreicheren Wissenschaften zu orientieren 46 . In allenscheint man <strong>die</strong> eine wissenschaftliche Methode anzutreffen, <strong>die</strong> auch denempirisch-analytischen Wissenschaftsbegriff kennzeichnet 47 .42 Vgl. BLOOM (Hg.) 1985; HOWE 1990.43 Vgl. LENK 1975, S. 58.44 Vgl. KAINZ 1962, Bd. 1, S. 224 ff.45 Vgl. auch <strong>die</strong> Kritik bei BRECHT 1976, S. 461 ff.46 Zum Problem des Erkenntnisfortschritts vgl. RADNITZKY/ANDERSSON 1980; LAKATOS/MUSGRAVE 1974.47 Vgl. BUNGE 1983, S. 38; POPPER 1971, S. 102 ff.; BRECHT 1976, S. 29 ff.32


c) Zur Universalität der wissenschaftlichen MethodeDie wissenschaftliche Methode ist – nach BUNGE – <strong>auf</strong> alle Disziplinenanwendbar, auch <strong>auf</strong> <strong>die</strong> Geistes- und <strong>die</strong> Sozialwissenschaften 48 . Dieverschiedenen Wissenschaften gehen also im wesentlichen <strong>auf</strong> <strong>die</strong> gleiche Weisevor. Die Auffassung, daß <strong>die</strong> wissenschaftliche Untersuchung der Natur und <strong>die</strong>Untersuchung der sozialkulturellen Wirklichkeit oder von Normfragen völligverschieden seien, beruht zumindest zum Teil <strong>auf</strong> Mißverständnissen, <strong>die</strong>dadurch hervorgerufen werden, daß man <strong>die</strong> allgemeine wissenschaftlicheMethode mit den fachspezifischen Forschungstechniken verwechselt. Während<strong>die</strong> fachspezifischen Forschungstechniken als <strong>die</strong> "Taktiken der Forschung" zubetrachten sind, besteht <strong>die</strong> wissenschaftliche Methode in einer allgemeinenStrategie 49 . Dabei werden folgende Phasen durchl<strong>auf</strong>en:(1) Entdeckung eines Problems, eines Widerspruchs oder einer Lücke inden vorhandenen Annahmen oder Kenntnissen über ein Phänomen und <strong>die</strong> klareFormulierung <strong>die</strong>ses Problems 50 . Erkenntnisse kann man in der Pädagogik wie inanderen Disziplinen nur gewinnen, wenn man Fragen stellt. Ohne daß man sichwundert, daß etwas ist, wie es ist oder daß etwas nicht so eintrifft, wie man eserwartet hat, hätte man keinen Anlaß zu wissenschaftlicher Untersuchung. Dennum aus der Fülle vorhandener Gegenstände oder Erscheinungen und ihrerBetrachtungsmöglichkeiten eine Auswahl treffen zu können, braucht man einenGesichtspunkt, eine Fragestellung. Diese Fragestellung ist von Erwartungen,theoretischen Annahmen oder auch von impliziten Hypothesen bestimmt, <strong>die</strong> denStand unseres Wissens über einen Gegenstand bilden. Daraus folgt, daß es keinenvoraussetzungslosen Zugang zu den Tatsachen gibt 51 .(2) "Suche nach Kenntnissen" 52 , <strong>die</strong> für <strong>die</strong> Beantwortung des Problemswichtig sind. Sind keine Daten oder Theorien verfügbar, so beginnt man miteiner Beschreibung des Sachverhalts. Dabei ist zu bedenken, daß einer solchenBeschreibung dann unsere Alltagstheorien zugrunde liegen.(3) Lösungsversuche: <strong>die</strong> Konstruktion von Hypothesen und Theorien, <strong>die</strong>empirisch oder logisch prüfbar sind und/oder mit vorhandenen, möglichstempirisch bewährten wissenschaftlichen Kenntnissen übereinstimmen 53 .48 Vgl. BUNGE 1983, S. 38 f.49 Ebenda.50 Vgl. BUNGE 1983, S. 31.51 Vgl. hierzu POPPER 1982, S. 60 ff.52 BUNGE 1983, S. 31.53 Vgl. BUNGE 1983, S. 31 und 30.33


(4) Prüfung (Widerlegungsversuch) von Hypothesen und Theorien. DiesePrüfung erfolgt durch <strong>die</strong> "Gegenüberstellung mit der Gesamtheit der Theorien"und/oder der "einschlägigen empirischen Information" 54 . Ist das Ergebnis derPrüfung nicht zufriedenstellend, geht man über zur(5) Fehlerkorrektur. Die Fehler können beispielsweise darin bestehen, daßder Hypothesenbildung unzulängliche Daten zugrundelagen, daß bestimmteRandbedingungen übersehen wurden, daß das Problem nicht klar genugformuliert war oder daß bei der Hypothesenbildung bestimmte Daten unberücksichtigtgeblieben sind. Nach dem erfolgreichen Abschluß der Fehlerkorrekturverfügt man nur vorläufig über zufriedenstellend bewährte Hypothesen undTheorien. Der Forschungsprozeß ist also nicht beendet. Vielmehr wird <strong>die</strong> Problemsituationdurch unsere Theorien nur verändert oder differenziert. Die neueProblemsituation unterscheidet sich also von der vorangegangenen 55 .Das Schema des Zyklus, der mit einer Problemsituation beginnt und übervorläufige Lösungen und Fehlerbeseitigungen zu einer neuen Problemsituationführt, beschreibt nach POPPER nicht nur das Vorgehen bei der wissenschaftlichenEntdeckung, sondern ist darüber hinaus - wenn auch in vereinfachter Form -grundlegend für <strong>die</strong> Erklärung evolutionärer Prozesse, zu denen er auch <strong>die</strong>wissenschaftliche Erkenntnisgewinnung zählt 56 . Nicht nur Wissenschaftler gehennach <strong>die</strong>ser Methode vor, sondern - überspitzt ausgedrückt - auch Amöben. Derentscheidende Unterschied liege darin, daß <strong>die</strong> Wissenschaftler ihre vorläufigenLösungen kritisieren, testen und ausscheiden können, wenn sie fehlerhaft sind.Bei Amöben dagegen werde eine "falsche Hypothese oder Erwartung durchAusmerzung der an sie glaubenden Organismen beseitigt" 57 .Diese Methode kann auch bei der empirisch-analytischen Normenanalyseangewandt werden. Beispielsweise könnte <strong>auf</strong>grund von Befragungen undanderen Untersuchungen der Eindruck entstehen, daß ein Großteil der Schülerrelativ berufsuntüchtig aus der Schule entlassen wird. Wenn wir angenommenhatten, <strong>die</strong> Schule erziehe zur Berufstüchtigkeit, dann entsteht ein Widerspruch,ein Problem. Wir fragen uns, warum ist das so? Was könnte getan werden? DieseFragen lassen sich wissenschaftlich untersuchen.Man könnte zunächst einmal <strong>die</strong> offiziellen Erziehungsziele dar<strong>auf</strong>hin prü-54 BUNGE 1983, S. 32.55 Vgl. POPPER 1973, S. 269 ff.56 Vgl. ebenda, S. 270 f.57 Ebenda, S. 274.34


fen, ob das Ziel der Berufstüchtigkeit dazu gehört. Selbst wenn <strong>die</strong>ses Ziel genanntwird, wissen wir nicht, ob <strong>die</strong> vielen speziellen Ziele zu seiner Erreichungbeitragen oder sie vielleicht sogar behindern. Vermutlich wissen wir nicht einmalzu sagen, welche Eigenschaften einen berufstüchtigen Menschen im einzelnenauszeichnen. Wir haben vielmehr nur eine vage Vorstellung davon. Die Problemstellungkönnte also jetzt lauten, durch welche Persönlichkeitsmerkmale sichIndividuen auszeichnen müssen, damit sie von Beurteilern als berufstüchtig eingeschätztwerden. Möglicherweise ließen sich nur einige allgemeine Bedingungenwie frühe Interessenbildung und eine später zunehmende Konzentrationdar<strong>auf</strong> als wesentlich für <strong>die</strong> Tüchtigkeit im Berufsleben nachweisen.Weitere Fragen wären, welche speziellen Ziele geeignet und welche ungeeignetsind, um das übergeordnete Ziel der Berufstüchtigkeit in der Schule erreichenzu können; welche der bestehenden anderen Lehrziele <strong>die</strong>sen Zielenwidersprechen würden usw. Man könnte empirisch prüfen, ob <strong>die</strong> <strong>auf</strong> <strong>die</strong>ser Wissensgrundlageausgearbeiteten Normvorschläge realisierbar sind und zumgewünschten Resultat führen.Die wissenschaftliche Arbeit würde sich auch in Bezug <strong>auf</strong> Normfragen <strong>auf</strong><strong>die</strong> Gewinnung intersubjektiv prüfbarer Information über Erziehungsphänomenebeschränken. Sollensforderungen können durch wissenschaftliche Untersuchungennicht gewonnen werden; es sind nur Normvorschläge möglich, <strong>die</strong> übereventuelle und verbesserte Zielsetzungen informieren, <strong>die</strong> zur Lösung bestehenderProbleme <strong>die</strong>nen können. In der dargestellten Weise ist <strong>die</strong> wissenschaftlicheMethode also auch <strong>auf</strong> <strong>die</strong> Untersuchung von Normfragen anwendbar.Die Annahme der Universalität der wissenschaftlichen Methode ist nichtunwidersprochen geblieben. So hält beispielsweise FEYERABEND <strong>die</strong>se Annahmeeinfach für ein Dogma. Andere Erkenntnisweisen seien dadurch verdrängt oderausgeschaltet worden, nicht nur zu unserem Nutzen, sondern häufig zum Schaden.Tatsächlich könnte es ja sein, daß <strong>die</strong> Leistungen anderer Erkenntnisweisen mitdem Instrumentarium der Wissenschaft nur unzulänglich zu beurteilen sind. DieBehauptung, Erkenntnisse könnten nur <strong>auf</strong> eine bestimmte Weise gewonnenwerden, hält FEYERABEND daher für ein Zeichen der Arroganz und Ignoranz 58 .Sofern nun unter dem Ausdruck "wissenschaftliche Methode" einebestimmte Taktik verstanden wird, mit der man <strong>auf</strong> sichere Weise zu wahrenErgebnissen zu gelangen hofft, ist ihm gewiß nicht zu widersprechen. Die Tak-58 Vgl. FEYERABEND 1976, S. 35 ff.35


tik, <strong>die</strong> in einem Entdeckungszusammenhang angewandt wird, ist aber für <strong>die</strong>Geltung einer Theorie nicht bedeutsam. Entscheidend ist vielmehr <strong>die</strong> Prüfungder Ergebnisse. Da jedoch Prüfungen nie endgültig sein können, sollten bestimmteLösungen, mit welchen Methoden sie auch gewonnen und wie immer sieauch geprüft worden sein mögen, nicht dogmatisch als <strong>die</strong> wissenschaftlichgefundenen und daher wahren ausgegeben werden 59 .Außerdem - so fährt FEYERABEND in seiner Kritik fort - treffe es nicht zu,daß sich der Fortschritt der Wissenschaft durch bewußte Auslese der am bestenbewährten Theorien vollziehe. Vielmehr zeige sich an der Untersuchung historischerWissenschaftsepisoden, daß nur ein Grundsatz befolgt werde, nämlich:"Anything goes (Mach, was du willst)" 60 . Auch im Hinblick <strong>auf</strong> das Ziel desErkenntnisfortschritts vertritt er eine anarchistische Auffassung. Seine "These ist,daß der Anarchismus zum Fortschritt in jedem Sinne beiträgt, den man sichaussuchen mag" 61 .Auch wenn man <strong>die</strong>sen Anarchismus nicht teilt, muß man bei genauererBetrachtung der Sachlage zugeben, daß in der Wissenschaft verschiedene Zieleverfolgt werden. "Fortschritt in jedem Sinne" kann eigentlich nur einen Fortschritt,ein Weiterkommen zu verschiedenen Zielen hin bedeuten. Wenn mansich nicht <strong>auf</strong> <strong>die</strong> reine Wissenschaft begrenzt, sondern auch <strong>die</strong> Technologieoder <strong>die</strong> Konstruktion und Analyse hypothetischer Normen hinzunimmt, siehtman sofort, daß auch hier andere Ziele als <strong>die</strong> Wahrheit von Aussagen oderTheorien angestrebt werden. Es geht dabei um Effizienz, um Standardisierbarkeit,Realisierbarkeit, <strong>die</strong> bestmögliche Förderung von Educanden usw.Darüber hinaus muß man auch zugeben, daß Theorien sich keineswegsimmer deswegen durchsetzen, weil sie besser geprüft sind und sich besserbewährt haben als ihre Konkurrenten. Vielmehr spielen dabei auch "Überredungund 'Propaganda' eine entscheidende Rolle, ..." 62 FEYERABENDs Kritik verweistuns damit <strong>auf</strong> das Problem der Durchsetzung von Theorien. Die wissenschaftlicheMethode ist ja nur <strong>die</strong> allgemeine Strategie, nach der bessere Lösungengefunden werden können. Sie sagt nichts darüber, wie sie sich im Wissenschaftsbetriebdurchsetzen.59 Vgl. ALBERT 1969, S. 3660 FEYERABEND 1976, S. 45; ähnlich POLLAK 1987, S. 163 f. Zur Kritik an FEYERABEND vgl. SAHNER 1978.61 Vgl. FEYERABEND 1976, S. 44; ähnlich HERZOG 1987, S. 153 ff.; MENRATH 1978,S. 232.62 STEGMÜLLER 1980, S. 127.36


d) Selektion von TheorienDer Selektionsdruck, der zur Auswahl der am besten bewährten Theorieführen soll, geht zum einen vom Ziel der Erfahrungswissenschaften aus, immerwahrheitsähnlichere bzw. wirklichkeitsadäquatere Theorien zu finden, und andererseitsvom Wettbewerb der Wissenschaftler untereinander.Theorien können nur durchgesetzt werden, wenn man sie diskutiert. Theorien,<strong>die</strong>, auch wenn sie gut bewährt sind, von ihrem Urheber nicht in <strong>die</strong> Diskussion gebrachtoder nicht mit Nachdruck vertreten werden, dürften eine deutlich verringerteChance haben, einen Einfluß <strong>auf</strong> <strong>die</strong> Forschung auszuüben. In <strong>die</strong>sem Prozeß derDurchsetzung sind "Überredung und Propaganda" sicherlich von nicht zuunterschätzender Bedeutung, während Bescheidenheit und Zurückhaltung eher vonNachteil sein dürften. Denn um <strong>auf</strong> breiter Basis diskutiert zu werden, muß für eineTheorie bei vielen Wissenschaftlern um Aufmerksamkeit geworben werden. Nursehr wenige Theorien dürften an sich so überzeugend sein, daß sie unmittelbar alsgroßer Erkenntnisfortschritt erkannt und akzeptiert werden.Im Wissenschaftsbetrieb ist also der Drang eines Wissenschaftlers zureüssieren, von größter Bedeutung. Wenn er seine Theorie nicht <strong>auf</strong> Tagungenoder Kongressen, in Zeitschriften und anderen Me<strong>die</strong>n darstellt, geht seine Theoriemit einiger Wahrscheinlichkeit mit ihm unter. Bei interessanten und aussichtsreichenTheorien ist das auch ein Schaden für den Erkenntnisfortschritt desjeweiligen Faches. Die Konstruktion von neuen und mutigen Theorien und ihrestrenge Prüfung kann zwar für einen einzigen Wissenschaftler einen Erkenntnisgewinnbedeuten, bleibt aber für <strong>die</strong> Wissenschaft unfruchtbar, wenn <strong>die</strong>serWissenschaftler kein oder zuwenig Geschick in der öffentlichen Darstellung hat.Die Medaille hat jedoch zwei Seiten. Wenn es einem oder einer Gruppe vonWissenschaftlern gelingt, mit unfruchtbaren Theorien <strong>die</strong> Diskussion zubeherrschen, wird damit ebenfalls der wissenschaftliche Fortschritt beeinträchtigt.Eine solche Situation kann zudem das Bewußtsein der Maßstäbe, <strong>die</strong> für <strong>die</strong>Auffindung wirklichkeitsadäquaterer Theorien gebraucht werden, abstumpfen. DerSelektionsdruck verändert sich dann in Richtung guter Darstellung für einebestimmte Gruppe von Leuten. Andere Ziele, <strong>die</strong> einen Selektionsdruck ausüben,wären beispielsweise, daß Theorien möglichst stark <strong>auf</strong> <strong>die</strong> Praxis bezogen sind,oder daß sie möglichst provokativ oder unverständlich und beeindruckendformuliert sind.Wichtig ist hier nur, daß <strong>die</strong> Maßstäbe, <strong>die</strong> sich aus dem Wissenschafts-37


verständnis der Wissenschaftler ergeben, <strong>die</strong> Richtung des Selektionsdrucks bestimmenund daß <strong>die</strong> Auswahl der <strong>die</strong>sen Maßstäben am besten entsprechendenTheorien auch von individuellen Faktoren wie der Darstellungsfähigkeit desWissenschaftlers abhängt. Solange es in der Wissenschaft in erster Linie um <strong>die</strong>Erkenntnis der Wirklichkeit geht, dürfte auch der Selektionsdruck mehr oderweniger <strong>die</strong>ser Richtung folgen. Allerdings kommt es dabei dar<strong>auf</strong> an, was unterWirklichkeit verstanden wird. Dazu müssen wir <strong>die</strong> ontologischen Voraussetzungen,<strong>die</strong> den verschiedenen Wissenschafts<strong>auf</strong>fassungen zugrunde liegen,analysieren.2.1.2 Ontologische Voraussetzungen des WissenschaftsbegriffsDie Ontologie ist <strong>die</strong> Lehre vom Sein oder vom Wirklichen. Die Frage, waswirklich ist, welches <strong>die</strong> Grundprinzipien allen Seins sind, wird sehr verschiedenbeantwortet. Der Physikalismus z.B. reduziert alles <strong>auf</strong> physische Prozesse.Zahnschmerzen sind dann das Ergebnis einer bestimmten Neuronentätigkeit imGehirn. Er führt alles <strong>auf</strong> ein einziges Grundprinzip zurück. Aus der Sicht desRealismus dagegen hat der Zahnschmerz seine eigene psychische Realität. Eineweitere Schwierigkeit besteht darin, daß <strong>die</strong> Ausdrücke Physikalismus, Realismus,Idealismus usw. keine einheitliche Bedeutung haben. Es gibt vielmehr eineMannigfaltigkeit von Schulen oder Richtungen, so daß unter jedem <strong>die</strong>serNamen sehr verschiedene Lehren vertreten werden.Hier kommt es jedoch nur dar<strong>auf</strong> an, verschiedene erziehungstheoretischeZugangsweisen zur Analyse pädagogischer Phänomene besser zu verstehen.Deshalb scheint es mir gerechtfertigt, <strong>die</strong> für <strong>die</strong>sen Zweck wichtigstenPositionen - den Realismus (a) und den Idealismus (b) - in charakteristischenZügen zu skizzieren und (c) <strong>die</strong>se Ontologien <strong>auf</strong> ihre Angemessenheit für <strong>die</strong>wissenschaftliche Erkenntnis zu prüfen.a) Der RealismusDie empirisch-analytische Pädagogik, setzt den Realismus als ontologischeGrundlage voraus 63 . Denn wenn man unter Wahrheit <strong>die</strong> Übereinstimmung vonTheorien mit der Wirklichkeit versteht, dann müssen <strong>die</strong> Dinge, <strong>die</strong> untersucht63 Zum Realismus und zur Verteidigung des Realismus vgl. POPPER 1973, S. 49 f.; 1983; QUINE 1985, S. 218 f.; zurKritik vgl. REININGER 1970, Bd. 2, S. 99.38


werden, unabhängig vom Untersucher existieren. Weil sie unabhängig vomErleben, Fühlen und Denken des einzelnen existieren, kann man über siediskutieren, Theorien über sie <strong>auf</strong>stellen und prüfen.Der Realismus ist ein Bestandteil des Alltagsverstandes 64 . Jedermann weiß,daß <strong>die</strong> Dinge auch außerhalb unserer Wahrnehmung existieren, aber auch, daßman <strong>die</strong> Wirklichkeit in eine Oberfläche (<strong>die</strong> Erscheinung) und eine Tiefenwirklichkeitunterscheiden kann. Die Dinge sind eben nicht immer das, als wassie scheinen, wie man z. B. an folgender Beurteilung sehen kann: "Wenn mannur <strong>auf</strong> seine Ergebnisse schaut, bekommt man den Eindruck, er habe nichts begriffen.Sieht man sich aber seine Lösungswege im einzelnen an, dann ist zuerkennen, daß zum Teil treffende und durchaus interessante Überlegungen hinter<strong>die</strong>sen falschen Lösungen stehen."Darüber hinaus setzt der Realismus, wie POPPER ihn formuliert hat,verschiedene Arten von Wirklichkeiten oder wirklichen Welten voraus, <strong>die</strong>miteinander interagieren; er nennt sie "Welt 1", "Welt 2" und "Welt 3"."Welt 1" ist <strong>die</strong> Welt der physischen Gegenstände 65 . In der Pädagogikkönnte man hier als Beispiele Lehrmittel, Schulgebäude oder Hefte nennen."Welt 2" meint <strong>die</strong> Welt der psychischen Ereignisse, der Hoffnungen undÄngste, der Willensimpulse und Lernprozesse, der bewußten und unbewußten Erfahrungen,der Dispositionen zu handeln, zu reagieren usw. Für den Erziehungstheoretikersind <strong>auf</strong> <strong>die</strong>ser Ebene vor allem <strong>die</strong> Interaktionen zwischen Erzieher undEducand und <strong>die</strong> dadurch bei beiden ausgelösten psychischen Prozesse wichtig."Welt 3" bezeichnet <strong>die</strong> Welt der Erzeugnisse des menschlichen Geistes, alsovor allem wissenschaftliche Theorien und Probleme, ferner Kunstwerke, soziale<strong>Institution</strong>en, Werte und Normen usw. Zahlreiche ihrer Gegenstände wie Bücher,Bilder, Schallplatten usw. gehören sowohl "Welt 3" als auch "Welt 1" an. Viele dermenschlichen "Welt 3"-Erzeugnisse dürften nicht bewußt entstanden sein.<strong>Institution</strong>en wie <strong>die</strong> Sprache, das Geld 66 , <strong>die</strong> Ehe oder auch manche Grundrechtesind in ihren Anfängen wohl nicht in dem Sinne bewußt geschaffen worden, daßjemand sie konstruiert und den anderen als zu akzeptierendes oder zu diskutierendesErgebnis vorgesetzt hätte. Sie sind vermutlich Ergebnisse menschlichenHandelns, nicht aber bewußter Konstruktion 67 .64 Vgl. POPPER1973, S. 49.65 Vgl. hierzu und zum folgenden POPPER 1973, S. 172 ff; 1982 b, S. 114 ff.66 Vgl. UHL 1990.67 Vgl. HAYEK 1969, S. 97 ff.; ELIAS 1978, Bd. 2, S. 312 ff.39


Pädagogische Theorien beziehen sich in der Regel <strong>auf</strong> ein komplexesGeflecht von Interaktionen zwischen den "Welten". Ein Beispiel: Wenn Lehrerdurch Handlungen Einfluß <strong>auf</strong> das Verhalten von Schülern nehmen, dann habenwir es mit "Welt 2"-Interaktionen zu tun. Die Lehrer orientieren sich bei ihrenMaßnahmen an pädagogischen Theorien und verfolgen bestimmte Ziele, <strong>die</strong> beispielsweisein Lehrplänen vorgegeben sind, also an Gegenständen der "Welt 3".Ferner interpretieren <strong>die</strong> Lehrer <strong>die</strong>se Theorien und Zielvorgaben in subjektiverWeise; dabei handelt es sich dann um "Welt 2"/ "Welt 3"-Interaktionen. Nehmenwir nun weiterhin an, <strong>die</strong> Schüler sollen Wissen über <strong>die</strong> Vererbungstheorieerwerben ("Welt 3"/ "Welt 2"-Interaktion). Da <strong>die</strong>se Theorie sich <strong>auf</strong> physischeProzesse bezieht ("Welt 1"), sollte das "Wissen" <strong>die</strong> Kenntnis <strong>die</strong>ser Beziehungund deren Untersuchung einbeziehen. Wenn nun aber nur geprüft wird, ob dasSchülerwissen ("Welt 2") mit dem Lehrstoff ("Welt 3") übereinstimmt, wirdungefragt vorausgesetzt, <strong>die</strong> Theorie sei wahr. Die Schüler lernen dann, daß sieeinfach bestimmtes Wissen hinnehmen sollen. Sie lernen nichts oder nur wenigüber <strong>die</strong> Erforschung von "Welt 1" und den dadurch möglichen Erkenntnisgewinnin "Welt 3". Das sich daraus ergebende pädagogische Problem ist wiederumGegenstand von "Welt 3".Dieser Drei-Welten-Realismus ist für <strong>die</strong> erziehungswissenschaftliche Forschungdurchaus bedeutsam. Denn Lernen im Sinn einer Zwei-Welten-Ontologie,d.h. als Angleichung das Schülerwissens ("Welt 2") an den Lehrstoff ("Welt 3")kann zu einer Reihe unerwünschter Nebenwirkungen führen 68 .Während <strong>die</strong> Existenz von "Welt 1" und "Welt 2" den meisten Realisteneinsichtig sein dürfte, ist <strong>die</strong> Existenz der abstrakten "Welt 3" weniger offensichtlich.Wie POPPER gezeigt hat, zeichnet sich <strong>die</strong>se Welt sogar durch einepartielle Autonomie aus, obwohl sie vom Menschen erzeugt ist. Zum Beispiel sind<strong>die</strong> natürlichen Zahlen zwar ein Produkt menschlicher Tätigkeit, aber ihre Anzahlist unendlich und geht über das hinaus, was Menschen "jemals benennen oderRechenmaschinen verarbeiten können". Noch bemerkenswerter ist, daß neueProbleme als "unerwartetes Nebenprodukt der Folge der natürlichen Zahlen"entstehen. WITTENBERG spricht auch von "mathematischen Wesenheiten, <strong>die</strong> nurin unserem Denken zu existieren scheinen und <strong>die</strong> uns doch mit wohlbestimmten,höchst bemerkenswerten Eigenschaften und zwingenden Notwendigkeiten ...entgegentreten, <strong>die</strong> anscheinend unserer schöpferischen rationalen Phantasie68 Vgl. dazu LEHNER 1979.40


entspringen und doch in ihrer Bestimmtheit und Unausweichlichkeit von unsentdeckt und nicht geschaffen werden" 69 .POPPER weist dar<strong>auf</strong> hin, daß <strong>die</strong>se Probleme "offensichtlich selbständig"sind. Wir "entdecken" sie, "und in <strong>die</strong>sem Sinne existieren sie schon vor ihrerEntdeckung" 70 . Wir können also in der "Welt 3" "theoretische Entdeckungenmachen, ähnlich wie wir in der Welt 1 geographische Entdeckungen machenkönnen" 71 . Und wenn wir einige der <strong>auf</strong>gefundenen Probleme lösen und neueTheorien (er-)finden, dann erzeugen <strong>die</strong>se Theorien ihrerseits wiederum "neue,unbeabsichtigte und unerwartete Probleme, selbständige Probleme, <strong>die</strong> entdecktwerden müssen" 72 . Da nun auch Werte und Normen Gegenstände der objektiven"Welt 3" sind, ist es möglich, Widersprüche und mögliche Konsequenzen zuuntersuchen. Dazu gehören Konsequenzen für Schulordnungen, <strong>die</strong> ebenfalls"Welt 3"-Gegenstände sind, als auch Konsequenzen für das psychische Erlebenvon Erziehern und Educanden ("Welt 2"), denn <strong>die</strong> Erzwingung bestimmterNormen könnte beispielsweise als Folge Aggression und Zerstörungswut bei denSchülern zeitigen. Solche Folgen können Probleme <strong>auf</strong>werfen, <strong>die</strong> <strong>auf</strong>grund dervorausgesetzten Werte und Normen und der sie bedingenden Sanktionen ingewisser Weise schon als implizit vorhanden betrachtet werden können.Von entscheidender Bedeutung ist nun, daß Werte und Normen ("Welt 3")das psychische Erleben und Handeln nicht automatisch, sondern erst über Vermittlungsprozessein "Welt 2" beeinflussen können. Wer bestimmte Normennicht befolgen will, muß das nicht tun. So braucht niemand allein <strong>auf</strong>grund desder "Welt 3" angehörenden empirisch-analytischen Wissenschaftsbegriffs, dendamit verknüpften Maßstäben gerecht werden wollen. Wenn er einer Prüfungunterworfen ist, in der ihre Einhaltung untersucht wird, geht der damit verbundeneZwang von menschlichen Handlungen aus, <strong>die</strong> der "Welt 2" angehören.Eine wichtige Konsequenz des pluralistischen und interaktionistischenRealismus liegt ferner darin, daß keine der drei Welten als abgeschlossen unddamit auch nicht als vollständig determiniert gelten kann 73 . So kann <strong>die</strong>Einführung von Plänen, Zielen oder Normen, <strong>die</strong> zur "Welt 3" gehören,Änderungen in der Welt der physischen Gegenstände und der Welt der psychischenEreignisse bewirken. Dagegen ist der Materialismus oder Physikalis-69 WITTENBERG 1963, S. 47.70 POPPER 1973, S. 180.71 Vgl. ebenda, S. 88.72 Vgl. ebenda, S. 181.73 Vgl. POPPER 1982 b, S. 128 ff.41


mus deterministisch. Das gilt aber auch für bestimmte Formen des Idealismus,z.B. dann, wenn alle Phänomene als durch <strong>die</strong> von einem Gott oder Schöpferemanierten Ideen vollständig bestimmt gedacht werden.b) Der IdealismusDer Idealismus ist eine so vielgestaltige Lehre, daß es kaum möglich ist,ihm - vor allem in stark verkürzter Form - auch nur einigermaßen gerecht zuwerden. Im Grundsatz behauptet er, daß alles, was existiert, geistig, ideell oder inVorstellungen besteht. Unser Wissen über <strong>die</strong> Welt setzt sich aus unserenVorstellungen darüber zusammen. Man kann sich das an einem einfachen Beispielverdeutlichen: Da ein Blinder wahrscheinlich andersartige Erfahrungen mitalltäglichen Gegenständen macht als ein Sehender, müssen beide auch verschiedeneVorstellungen von ihnen haben. Man kann daher sagen, daß sie in mehroder weniger verschiedenen Welten leben. Von da ist es für manche nur einSchritt zu der Auffassung, daß <strong>die</strong> Welt und alle ihre Erscheinungen nur inunserer Vorstellung bestehen, ja daß <strong>die</strong> Wirklichkeit nur im subjektiven Erlebnisbesteht. Damit kehrt sich das Verhältnis von "Wirklichkeit und Weltbewußtsein"in einer Weise um, wie es der monistische Idealist REININGER beschreibt:Das "Weltbewußtsein ist das Primäre, <strong>die</strong> Weltwirklichkeit das Sekundäre,nämlich eine Objektivation des Bewußten, <strong>die</strong> sich aber auch nur wieder innerhalbdes Bewußtseins vollziehen kann" 74 . Damit aber können <strong>die</strong> Unterscheidungenzwischen Subjektivem und Objektivem, zwischen Ideellem und Materiellemprinzipiell <strong>auf</strong>gehoben werden. "Das Reale wird hier aus einer Umformungvon Erlebnissen abgeleitet, nicht das Auftreten der Erlebnisse aus einer für sichbestehenden Realität" 75 , und somit ist "<strong>die</strong> Dingwelt eine Erscheinung derErlebniswirklichkeit im intentionalen Bewußtsein, nicht deren An-sich" 76 .Eine solche monistische Weltsicht scheint eine Parallele im Mythos zuhaben. Denn für <strong>die</strong> Menschen, <strong>die</strong> noch eine mythische Welt<strong>auf</strong>fassung hatten,waren Begriff und Wirklichkeit, Zeichen und Bezeichnetes vermutlich ebenfallsnichts Verschiedenes 77 . Und bei Redewendungen wie "liebliches Tal" oder"majestätischer Berg" mögen wir auch heute noch alle den "geradezu unwillkür-74 REININGER 1970, Bd. 2, S. 43 und 44 f. Zur Kritik der Auffassung REININGERs siehe TOPITSCH 1969, S. 113 f.; zur Kritik desIdealismus vgl. POPPER 1973, S. 51 f. u. 1983, S. 83ff.75 REININGER 1970, Bd. 2, S. 152.76 Ebenda, S. 194.77 Vgl. WITHERSPOON 1977, S. 47 ff., 81 ff., 151 ff.; ELIAS 1983, S. 94 f.; CASSIRER 1977, Bd. 1, S. 56; TOPITSCH 1972.42


lichen Eindruck einer Wesensgestalt" des Lieblichen, des Majestätischen alsunmittelbarer Wirklichkeit haben 78 . Deshalb wird <strong>die</strong> idealistische Ontologievorzugssweise dort angewandt, wo man seine Absichten oder Gefühle als Teildes Gegenstandes oder Vorganges erlebt, <strong>auf</strong> den sie sich beziehen. Das unmittelbarsinnhafte Erleben scheint uns <strong>auf</strong> eine wirklich gegebene Einheit hinzudeuten.Dann ist ein Berg majestätisch oder es ist das Wesen der Vernunft,Emanzipation anzustreben usw. Auf <strong>die</strong>se Weise durchdringen sich für denidealistischen Denker Begriff und Wirklichkeit gegenseitig 79 . Es wird angenommen,"daß das absolut-Ideale auch das absolut-Reale sey" 80 . Die Welt scheintbeseelt und voller "Seinssinn", auch wenn <strong>die</strong>ser "Seinssinn" nicht unmittelbarerfahren werden kann, sondern durch Deutung gewonnen werden muß 81 .Der monistische Idealismus ist zweifelsohne eine höchst interessante Philosophie.Es dürfte jedoch fraglich sein, ob er in letzter Konsequenz durchgehaltenwerden kann, da schon in der Sprache der Unterschied zwischen Subjekt undObjekt nicht zu umgehen ist. Die Einheit kann vermutlich nur in Gedankenhergestellt werden. In der "Realität" unterscheiden wir, um ein triviales Beispielzu nehmen, notgedrungen zwischen uns und dem Stück Kuchen, das wir essen,oder uns und dem Buch, das wir lesen 82 . Deshalb ist für REININGER der "Realismuseine Lebensform" und "der Idealismus ein reiner Denkstandpunkt ... Dahersind wir auch alle Realisten als Menschen und Idealisten nur als Denker" 83 .Eine sinnhafte Deutung der Wirklichkeit ist im Rahmen der realistischenOntologie und mit den dar<strong>auf</strong> bezogenen logischen Mitteln nicht möglich. Sinnist danach etwas, das erst <strong>die</strong> Menschen den Dingen beigeben. Welchen Sinnman einem Gegenstand beimißt, hängt im wesentlichen von den vorausgesetztenWertungsgrundlagen ab. Von den Dingen allein kann also logisch nicht <strong>auf</strong> einenbestimmten Sinn geschlossen werden. Um eine Sinninterpretation, wenn auch<strong>auf</strong> nicht-logischem Wege vornehmen zu können, haben <strong>die</strong> geisteswissenschaftlichenSchulen <strong>auf</strong> der Grundlage des Idealismus <strong>die</strong> auch heute umstrittenen undvieldiskutierten Methoden der Hermeneutik, Phänomenologie und Dialektikgeschaffen (vgl dazu 4.2.4).Nun lassen sich Anwendungen <strong>die</strong>ser Methoden durchaus logisch interpre-78 HÜBNER 1985, S. 25 (Hervorhebung im Original).79 Vgl. ebenda, S. 23 und S. 265.80 SCHELLING 1966, Bd. 2, S. 58.81 Vgl. STRASSER 1964, S. 61 f. und S. 191 f; LANGEVELD 1977, S. 123 f.; 1969, z.B. S. 18 und S. 165; BOLLNOW 1971, S. 701.82 Vgl. hierzu POPPER 1983, S. 83 ff.83 REININGER 1970, Bd. 2, S. 138 f.43


tieren 84 . Doch können <strong>die</strong>se Interpretationen und Weiterentwicklungen der ursprünglichenIntention nicht ganz gerecht werden. Das ist offensichtlich, wennbeispielsweise KÜMMEL betont, daß bei der hermeneutischen Methode logischeArgumentationen "meist kein großes Gewicht" haben 85 . Diese Form der Hermeneutikkenne keine "logischen Schnitte zwischen Sein und Sollen, zwischen Formalemund Realem bzw. zwischen Begriff und Wirklichkeit". Sie beschäftigesich mit Problemen, "in denen auch das logisch Unmögliche möglich und wirklichist. Die Verbindung des Rationalen mit dem Irrationalen und nicht dessenAussonderung ist ihr Problem" 86 .Trotz solcher Zitate wäre es gewiß ungerechtfertigt, davon auszugehen, demDenken geisteswissenschaftlicher Erziehungtheoretiker läge grundsätzlich einmonistischer Idealismus zugrunde. In anderen Fällen jedoch wird er offenbar inder einen oder anderen Form vorausgesetzt. Die Über- oder "Antilogik" bestimmterAnwendungen ihrer Methoden wäre sonst auch nicht verstehbar. Gerade<strong>die</strong>se Überschreitung der Logik jedoch macht idealistische Lehren für den Realistensuspekt. Denn <strong>die</strong> hermeneutische, phänomenologische und dialektischeVerneinung der Logik schränkt <strong>die</strong> Prüfungsmöglichkeiten erheblich ein.Dennoch ist <strong>die</strong>se Verneinung nach WEIZSÄCKER "nicht Unlogik oder Ferne vonder Logik"; sie sei vielmehr "Antilogik" und damit "<strong>auf</strong> Logik bezogen als ihrGegensatz. Sie will etwas, aber eben das nicht, was <strong>die</strong> Logik will. Sie enthülltdas Willenselement in der Logik. Was hier in den Blick rückt, ist gleichsam <strong>die</strong>Subjektivität des Objektivismus" 87 .Sofern idealistische Erziehungstheoretiker das eigentliche Wesen von "mitbestimmten Wörtern bezeichneten Erscheinungen" 88 erkennen wollen oder einefundamentale Philosophie "der menschlichen Existenz" schaffen möchten, <strong>die</strong>84 Vgl. zur Hermeneutik POPPER 1973, S. 182 ff.; REICHERZ 1986; zur Dialektik POPPER1972, S. 312 ff.; zur Phänomenologie und Dialektik SOMMER 1987.85 KÜMMEL 1979, S. 147.86 Ebenda. Vgl. auch <strong>die</strong> Zusammenfassung der Doktrinen und Prinzipien bei ROBINSON 1978, S. 189 ff.; grundlegendWILLMANN 1894-97. Diese Darstellung der idealistischen Ontologie wird auch durch HÜBNERs (1985, S. 109 f.)Analyse der Ontologie des Mythos gestützt. Daß <strong>die</strong> ontologischen Grundlagen monistisch-idealistischer Systeme mitdenen des Mythos überein-stimmen, geht auch aus der Untersuchung von TOPITSCH (1972 und aus TOPITSCH 1969,S. 78 ff.) hervor.Es könnte ferner durch eine Fülle weiterer Zitate <strong>die</strong> im Text implizierte Behauptung belegt werden, daß Hermeneutik,Dialektik und Phänomenologie Methoden sind, <strong>die</strong> sich zur Deutung der Wirklichkeit im Sinn der idealistischenOntologie eignen und, wenn auch nicht ausschließlich, in <strong>die</strong>ser Weise verwendet werden; vgl. hierzu J. KRAFT 1977;KOCKELMANS 1973.87 C. F. v. WEIZSÄCKER 1978, S. 224.88 BOLLNOW 1971, S. 698.44


alles enthält, "was in allgemeiner und notwendiger Weise ... gültig ist" 89 , dannmöchten sie über bloße Datenerfassung und theoretische Annahmen hinausgehenund etwas Grundlegenderes verstehen. Wer <strong>die</strong> Wirklichkeit so in ihrer Komplexitätzu erklären sucht, wird entdecken, daß gerade menschliches Verhalten,Ideen- und Wertsysteme widersprechende Eigenschaften und Merkmale<strong>auf</strong>weisen. Gerade <strong>die</strong>se Vielgestaltigkeit versucht man dann in einer als evidenterlebten Einheit oder Ganzheit, <strong>die</strong> der verwirrenden Vielfalt der Erscheinungenzugrundeliegend gedacht wird, zusammenzufassen. Eine gewisse Bestätigung für<strong>die</strong>ses Vorgehen glaubt man unter anderem der Untersuchung der "religiösenErfahrung" entnehmen zu können. Denn dort pflegt der Eindruck der Einheit vonSinn und Sein, der <strong>die</strong> logische Weltdeutung übersteigt, mit absoluter Autoritätund Unabweisbarkeit <strong>auf</strong>zutreten 90 .Wenn man <strong>die</strong> verwirrende Komplexität menschlichen Seins bedenkt, wird<strong>die</strong> für den Idealismus grundlegende Annahme des Primats des Geistes, derIdeen und Ideale gegenüber physischen und psychischen Impulsen verständlich.Von den Ideen her (oder wie POPPER sagen würde, "von der Welt 3", der Weltder Ideen) sind <strong>die</strong> Handlungsweisen von Erziehern am ehesten zu begreifen.Durch <strong>die</strong> Bestimmung von Idealen wird auch das praktische Problem, wie undwozu man handeln sollte, zu lösen versucht. Aus idealistischer Sicht stellt sichdeshalb für den Erziehungstheoretiker <strong>die</strong> Aufgabe, "gegenüber einer abgelebtenund von der Skepsis zermürbten Zeit" aus der Interpretation der Wirklichkeit einIdeal zu gewinnen, das eine neue und bessere Erziehung ermöglicht 91 .Die idealistische Ontologie wird daher vor allem bei der Beantwortung vonSinnfragen zugrunde gelegt. Sie stellt uns Auffassungsweisen bereit, mit derenHilfe wir versuchen können, <strong>die</strong> Welt sinnhaft zu deuten. Diese sinnhafteAuffassung der Welt ist für den Menschen nicht unwichtig. Da er weitgehendinstinktfrei ist und Dinge und Ereignisse in ihrer Bedeutung für sich selbst bewertenmuß, um handeln zu können, ist er für derartige Deutungen <strong>auf</strong>geschlossen.Solche Deutungen geben uns <strong>die</strong> Möglich-keit (oder: <strong>die</strong> Illusion), <strong>die</strong> Weltals Ganzes zu verstehen, uns überhaupt erst ein Weltbild, d.h. eine Gesamt-89 STRASSER 1964, S. 282.90 Vgl. JAMES 1979, S. 323 ff. Kritisch dazu MACKIE 1985, S. 282 ff. Im übrigen scheinen - <strong>auf</strong> einer anderen Ebene - auch Intuitionenund "Aha"-Erlebnisse ähnliche Merkmale <strong>auf</strong>weisen zu können, zumindest aber den Eindruck des Unabweisbaren, Richtigen zu erwecken.Vgl. K. BÜHLER 1908, S. 12 ff.91 NOHL 1911/12, S. 350. NOHLs Aufgabenbestimmung bezieht sich <strong>auf</strong> den "Deutschen Idealismus". Daß der Idealismus in anderenKulturkreisen in der gleichen Weise verstanden zu werden scheint, zeigen <strong>die</strong> Ausführungen von GORDON/ WHITE 1979.45


deutung ihres Sinns zu verschaffen. In Sprache, Religion, in Moral und Alltagswissenstehen soziale Deutungssysteme bereit, <strong>die</strong> uns dabei helfen.c) Überlegungen zur Angemessenheit von Realismus und Idealismus für <strong>die</strong>wissenschaftliche ErkenntnisOntologien sind metaphysische Theorien über <strong>die</strong> grundlegende Strukturder Welt. Solche Satzsysteme sind weder beweisbar noch widerlegbar. So ist z.B.<strong>die</strong> Behauptung, <strong>die</strong> Welt sei "bloß mein Traum", weder zu beweisen noch zuwiderlegen, wie POPPER anschaulich gezeigt hat. Denn was immer andere Leuteunternehmen mögen, um mich von <strong>die</strong>ser Überzeugung abzubringen, z.B. "mitmir sprechen, einen Brief schreiben, oder vielleicht mich schlagen -, es kanngrundsätzlich keine Widerlegung sein; ich würde weiterhin sagen, ich träume,daß man mit mir spricht, daß ich einen Brief bekomme, daß ich einen Schlagempfinde" 92 .Ebensowenig ist freilich der Realismus beweisbar. Bei dem Eindruck, derRealismus habe sich <strong>auf</strong> ganzer Linie durchgesetzt und damit "<strong>die</strong> Unmöglichkeiteines haltbaren Idealismus" gezeigt, wie HERBART annahm 93 , könnte essich um eine zeitgebundene Erscheinung handeln. Denn sollte der "Zeitgeist"einmal wieder stärker idealistischen Auffassungen zuneigen, dann dürften Argumentezugunsten des Realismus, <strong>die</strong> heute fast jedem einleuchtend erscheinen,ihre Überzeugungskraft für viele einbüßen, zumal der Idealismus eine weit ältereLehre als der Realismus ist und auch in nahezu allen Kulturen, Mythologien undReligionen anzutreffen ist.In der gegenwärtigen Diskussion scheint es nun eine gewisse Annäherungzwischen den beiden Positionen gegeben zu haben. Der Primat des Geistes, derIdeen und Ideale, der im Idealismus immer behauptet worden ist - und der insbesonderevom Materialismus bzw. Physikalismus negiert wird - , scheint zumindestim pluralistischen Realismus POPPERs anerkannt zu werden. Deshalb mußder Realismus auch vom Materialismus unterschieden werden. Die materialistischeAnnahme des Menschen als Maschine wurde schon früh zugunsten einesmehr oder weniger strengen psychophysischen Parallelismus zurückgewiesen. Sogelangte man zum dualistischen Realismus, der physische und psychischePhänomene unterscheidet. Auch <strong>die</strong>se Auffassung erscheint unzureichend, weil92 POPPER 1973, S. 51; ausführlicher ders. 1972, S. 193 ff.; ähnlich HÜBNER 1985, S. 410; KOLAKOWSKI 1973, S. 59 f.;ALBERT 1987, S. 44 ff.93 HERBART 1912, S. 276.46


sie Ideen als bloß psychische Phänomene einzuordnen gestattet. Wenn aber nachneueren neurophysiologischen Theorien dem Selbst oder "Geist" eine steuerndeFunktion in der Programmierung des Gehirns zugewiesen wird, dann spielt dabeiinsbesondere auch der Umgang mit Begriffen und Ideen (also überindividuellen"Welt 3"-Erzeugnissen) eine entscheidende Rolle. Allerdings ist es nicht so, daßdas Selbst sein Gehirn beliebig programmieren könnte. Darüber hinaus gibt esnatürlich auch physiologische Einflüsse <strong>auf</strong> das Bewußtsein 94 .Der pluralistische und interaktionistische Realismus stellt m.E. eine entscheidendeDifferenzierung unseres Weltverständnisses dar. Wie im Idealismusnimmt man an, daß es <strong>die</strong> Ideen, vor allem <strong>die</strong> als "Welt 3"-Gegenstände objektiviertenIdeen sind, <strong>die</strong> uns bei der Veränderung von "Welt 1" und "Welt 2"leiten. Obwohl wir <strong>die</strong>se Ideen hervorbringen, haben sie eine von uns unabhängigeExistenz und sie können <strong>auf</strong> uns zurückwirken. Solche Interaktionenwerden inzwischen <strong>auf</strong> allen Ebenen angenommen. So versucht man beispielsweisein der Neurophysiologie, physiologische Prozesse zum Teil durch mentaleVorgänge zu erklären, während man lange Zeit glaubte, alle mentalen Prozessephysiologisch erklären zu können. Um beispielsweise zu verstehen, "<strong>auf</strong> welcheWeise <strong>die</strong> über weite Bereiche des Gehirns und über eine Unzahl von Neuronenverteilte Information zu einer Einheit, wie wir sie im Bewußtsein erfahren, zusammengefaßtwird", scheint man dem Bewußtsein selbst eine solche integrierendeFunktion zuweisen zu müssen 95 .In den Naturwissenschaften scheinen also reduktionistische Auffassungenzunehmend zurückgedrängt zu werden. Auf der anderen Seite dürfte aber auchder monistische Idealismus, der alles <strong>auf</strong> Ideen oder Vorstellungen reduziert, keinebeherrschende Rolle spielen. Im Lager der nicht-empirischen Richtungen derPädagogik wird m.E. kaum noch eine strenge idealistische Position vertreten, wieman auch aus der zunehmend rationaleren Diskussion geisteswissenschaftlicherMethoden ersehen kann 96 . Dennoch sind idealistische Deutungen auch heute ingeisteswissenschaftlich-pädagogischen Theorien zu finden.Die entscheidende Leistung geisteswissenschaftlicher Pädagogik und damitauch der zugrundeliegenden Ontologie des Idealismus wird von ihren Vertreternin der Entdeckung oder Aufdeckung des Wesens und der Ideale der Erziehunggesehen. Diese Redeweise ist freilich mißverständlich, denn es gibt nicht das94 Vgl. ausführlich dazu POPPER/ECCLES 1977; CREUTZFELDT 1981; PENFIELD 1975.95 CREUTZFELDT 1981, S. 274.96 Vgl. z.B. REICHERTZ 1986; SOMMER1987.47


Ideal oder das Wesen der Erziehung. Jede Richtung, wenn nicht beinahe jederInterpret, sieht Wesen und Ideal in etwas anderem. Die Erkenntnis von Wesenund Ideal der Erziehung setzt voraus, daß der Sinn in den Dingen, in denPhänomenen zu finden ist. Wenn der Sinn den Dingen nämlich inhärent gedachtwird, dann läßt sich durch <strong>die</strong> Interpretation des seienden Sinns auch Wissenüber das Sollen gewinnen. Nach <strong>die</strong>ser Auffassung besteht also eine Einheit vonSein und Sollen 97 . Da es aber logisch keinen Weg vom Sein zum Sollen gibt,muß man zumindest partiell <strong>die</strong> Logik außer Kraft setzen. Damit entfällt <strong>die</strong>Prüfung hinsichtlich der logischen Konsistenz entsprechender Erziehungstheorien.Da <strong>die</strong>se Art von Erziehungstheorien <strong>auf</strong> metaphysischer Ebene verbleibt,entfällt notgedrungen auch <strong>die</strong> empirische Prüfung. Das sind gewiß nicht zuunterschätzende Probleme <strong>die</strong>ses Ansatzes.Andererseits läßt sich aber <strong>die</strong> Frage nach dem "Sinn" auch <strong>auf</strong> derGrundlage der realistischen Ontologie lösen. Wenn man sieht, daß <strong>die</strong> MenschenIdeale und Zwecke in <strong>die</strong> Welt einführen und alle Dinge für sie nur eineBedeutung im Hinblick <strong>auf</strong> <strong>die</strong>se Ideale und Zwecke haben, dann ist es möglich,hypothetisch Ziele zu formulieren. Ideale und Ziele sind Gegenstände der "Welt3". Man kann sie <strong>auf</strong> ihre Übereinstimmung mit anderen gleich- oder übergeordnetenZielen prüfen. Man kann sie mit konkurrierenden Zielsystemen hinsichtlichihrer Konsequenzen <strong>auf</strong> das Verhalten von Erziehern und Educanden untersuchen(Interaktion von "Welt 3" mit "Welt 2"). Man kann ihre Realisierbarkeit, denAufwand für <strong>die</strong> Realisierung und <strong>die</strong> verschiedenen Mittel dafür untersuchen. Dasalles erleichtert es – auch wenn das außerhalb der Erziehungswissenschaftgeschehen muß –, erzieherische Entscheidungen zu treffen. Bei Uneinigkeit lassensich Kompromisse aushandeln, während bei widersprüchlichen "Wesensdeutungen"eigentlich nur eine einzige von ihnen wahr sein kann. Behaupten zweiInterpreten <strong>die</strong> Wahrheit ihrer verschiedenen Auslegungen, wird manchmal – z.B.bei religiösen oder politischen Doktrinen – nur noch <strong>die</strong> Lösung durch Macht oderKampf oder friedliche Koexistenz gesehen. Die Frage der persönlichen undsozialen Verantwortung kann zugunsten der Behauptung oder Durchsetzung des"wahren" Sinns der Lehre <strong>auf</strong>gegeben werden 98 . Doch dürfte das Erhebenungerechtfertigter oder nicht zu rechtfertigender Wahrheitsansprüche eher <strong>auf</strong>menschliche Schwächen wie Rechthaberei oder Herrschsucht zurückzuführen seinals <strong>auf</strong> bestimmte Erkenntnismethoden. Deshalb ist es vermutlich doch eine zu97 Vgl. z.B. STRASSER 1972, S. 671; BOLLNOW 1971, S. 701.98 Zum genannten Abschnitt vgl. auch POPPER 1970, Bd. 2, S. 320 ff.48


optimistische These, daß "Entmythologisierung", also <strong>die</strong> Annahme des Realismus,und Rationalität ein "Weg zur Humanität" seien 99 .Der Versuch der Wesenserkenntnis, der <strong>auf</strong> der Annahme beruht, daß esden Dingen inhärente Prinzipien, Ideen oder Sinngehalte gibt, stellt aus realistischerSicht eine Projektion von subjektiven oder Gruppenvorstellungen in soziale,psychische oder Naturphänomene dar 100 . Aber das ist, wie gesagt, eine Überzeugung,keine beweisbare oder wenigstens widerlegbare Annahme.Man kann von Seiten des Idealismus gegen den Realismus einwenden, daßer uns zwar <strong>die</strong> Schaffung erfolgreicher Theorien zur Erklärung von Phänomenenund zur Lösung technologischer Probleme ermöglicht habe, daß er uns aberkein Verständnis der Welt als Ganzes vermittelt hat. Das Verstehen des Ganzenist das Ziel idealistischer Philosophie 101 , aber <strong>die</strong>ses Verstehen darf nicht mitwissenschaftlicher Erklärung verwechselt werden, denn es ist möglich, auch daszu verstehen, was man nicht wissenschaftlich, das heißt mittels prüfbarer undprinzipiell auch widerlegbarer Theorien, erklären kann. Verständlich ist auchalles das, was <strong>auf</strong>grund von unprüfbaren Deutungssystemen - damit sindinsbesondere religiöse, mythische usw. gemeint - <strong>auf</strong>gefaßt oder verstandenwerden kann 102 . So können wir unser Schicksal nicht wissenschaftlich erklären,aber wir können es verstehen bzw. glauben, es zu verstehen. Die idealistischeDeutung der Welt als sinn- und zweckerfülltes Ganzes, in dem man sich geborgenfühlen kann, dürfte seine Anziehungskraft daher <strong>auf</strong> viele kaum jemals ganzverlieren. Möglicherweise gehen viele auch je nach Situation von verschiedenenontologischen Grundannahmen aus. Ein Naturwissenschaftler beispielsweisewird in seiner Arbeit den Realismus voraussetzen. Falls er zugleich gläubigerChrist sein sollte, wird er aber in seinen Gebeten zu Gott von einer idealistischenWelt<strong>auf</strong>fassung ausgehen. Während er in seiner Arbeit <strong>auf</strong> empirischen Prüfungenbesteht, wird er sie in Bezug <strong>auf</strong> seine Gebete entrüstet ablehnen.Im Unterschied zum Idealismus beruht der Realismus <strong>auf</strong> der Annahme, daßunsere wissenschaftlichen Theorien - insbesondere <strong>die</strong> naturwissenschaftlichen -der Wahrheit immer näher kommen, "das heißt, der wahren Beschreibungbestimmter Tatsachen oder Seiten der Wirklichkeit" 103 . Die erstaunliche und99 PAUL 1986, S. 187 ff.100 Vgl. vor allem TOPITSCH 1972; 1986, S. 59. Zu dem hier verwendeten Begriff der Projektion vgl. FREUD 1982, Bd. III, S. 189; 1968,Bd. 9, S. 141.101 Vgl. ROMBACH 1965/1966; ähnlich HARTMANN/JOURDAN 1987, S. 160 ff.102 Vgl. GOMPERZ 1929, S. 190 ff.103 POPPER 1973, S. 5349


zutiefst beeindruckende Präzision mancher naturwissenschaftlicher Voraussagenstützt <strong>die</strong>se Auffassung in hohem Maß. Wenn aber, wie im Idealismus, dem vieleVertreter der traditionellen Pädagogik den Vorzug geben 104 , unprüfbare Theorienzulässig sind, ist ein Erkenntnisfortschritt unwahrscheinlich. Denn in <strong>die</strong>sem Fallgibt es keinen inneren Druck, <strong>die</strong>se Theorien fallen zu lassen. Man kann siejederzeit mit den weiten ontologischen Annahmen des Idealismus rechtfertigen,für <strong>die</strong> man stets Belege finden kann 105 . "Es ist", wie KOERTGE anmerkt, "eineIronie, daß Leute, <strong>die</strong> nicht davon träumen würden, eine Arznei zu nehmen,bevor sie gründlich getestet wurde, so bereitwillig pädagogische, psychologischeoder politische Theorien schlucken, <strong>die</strong> nicht nur nicht geprüft wurden, sondernsogar im Prinzip unprüfbar sind, zumindest in ihrer gegenwärtigenFormulierung" 106 .Darin kann man eine Zuflucht zu polemischen Argumenten sehen, weil eskeine letzte Rechtfertigung für den Realismus oder Idealismus geben kann. Wirwissen nicht, wie <strong>die</strong> Welt wirklich ist. Wir können lediglich bestimmtenArgumenten eher als anderen zuneigen und müssen dann unsere (vorläufige)Entscheidung treffen. Ähnlich ist es mit vielen Alltagstheorien. Wenn wir zuhandeln gezwungen sind, bleibt uns manchmal keine andere Wahl, als uns <strong>auf</strong>ungenügend geprüfte Theorien zu verlassen. Aber es wäre nicht sehr vernünftig,wenn wir nicht versuchen würden, <strong>die</strong>se Theorien zu verbessern, und dazu ist esnotwendig, sie <strong>auf</strong> eine mehr oder weniger zuverlässige Weise zu prüfen.Die Diskussion verschiedener Ontologien erbringt also keine zwingendenGründe für eine bestimmte Wissenschafts<strong>auf</strong>fassung. Sie vertieft aber und erweitertunser Verständnis für <strong>die</strong> Verschiedenheiten in den Wissenschafts<strong>auf</strong>fassungen.Im folgenden wende ich mich nun den Einwänden zu, <strong>die</strong> in der Pädagogikgegen den empirisch-analytischen Wissenschaftsbegriff und seine Voraussetzungenvorgebracht wurden.104 Auch RADNITZKY (1970, Bd. 2, S. 66 f.) führt <strong>die</strong> Diskussion zwischen analytischer und hermeneutisch-dialektischer Position <strong>auf</strong>zwei zugrundeliegende Ontologien zurück.105 Das ist auch der Grund dafür, daß <strong>die</strong> "Pädagogik ... als Einfallstor weltanschaulicher Doktrinen jeder Herkunft bisher unübertroffen seindürfte" (ALBERT/STAPF 1979, S. 10).106 KOERTGE 1979, S. 79.50


2.1.3 Die Diskussion des empirisch-analytischen Wissenschaftsbegriffs inder PädagogikNach den Erfolgen einiger Sozialwissenschaften wie der Ökonomie und derPsychologie, zumindest in einigen Teilbereichen, kann der empirisch-analytischeWissenschaftsbegriff für <strong>die</strong> Erziehungswissenschaft heute nicht mehr rundherausabgelehnt werden. Erziehungstheoretiker mit anderen Wissenschaftsbegriffenbegnügen sich daher im wesentlichen mit Infragestellungen oder Relativierungsversuchen.Man hält <strong>die</strong> Einführung des empirisch-analytischen Wissenschaftsbegriffsin <strong>die</strong> Pädagogik (a) für unzureichend begründet, weil das "Wesen" der Wissenschaftnicht erkannt worden sei; man will (b) <strong>die</strong> Empirische Erziehungswissenschaftals ein Paradigma unter anderen verstehen; man versucht (c), ihr einen sieselbst disqualifizierenden Dogmatismus nachzuweisen. Weiter (d) wird der erkenntnistheoretischeAusgangspunkt als kruder Positivismus abgewertet, derdoch eigentlich längst überwunden sei, und schließlich (e) sei auch <strong>die</strong> impliziteAnnahme kausaler Zusammenhänge bei Erziehungsphänomenen fragwürdig.a) Die Frage des "Wesens" der WissenschaftWie oben dargestellt wurde, sind Wissenschaftsbegriffe Setzungen. JedeSetzung ist relativ. Auch wenn man Argumente dafür anführen kann, ist eineabsolute Begründung ausgeschlossen. Letztlich muß man also entsprechendeFestsetzungen wählen und sich entscheiden, "was man als Wissenschaft und wenman als Wissenschaftler anerkennen will" 107 . Durch eine solche Entscheidung,wendet BENNER ein, entledige man sich der Aufgabe, "zu klären, wasWissenschaft sei" 108 . Der Grund dafür sei darin zu suchen, daß der "Unterschiedzwischen Entscheidung und Unterscheidung" verkannt werde 109 . In verschlungenerArgumentation führt BENNER aus: "Die Unterscheidung zwischen Entscheidungund Unterscheidung kann selbst aber kein Gegenstand der Entscheidungmehr sein, da dann <strong>die</strong> durch Entscheidung gewonnene Unterscheidungzwischen Entscheidung und Unterscheidung in sich selbst dem Unterschiedzwischen Entscheidung und Unterscheidung widerspräche" 110 .107 POPPER 1982, S. 25.108 BENNER 1978, S. 182; ähnlich LEONHARD 1978, S. 104 ff.109 BENNER 1978, S. 183.110 Ebenda.51


BENNER will eine Erkenntnis dessen, was Wissenschaft ist; er verlangt eineletztgültige Wesenserkenntnis, der man zustimmen müsse, weil sie wahr sei undnicht, weil man sich aus guten Gründen für sie entscheidet. Er selber versuchtdann aber auch nicht zu klären, was Wissenschaft ist 111 , sondern nach längererDiskussion von Entscheidung und Unterscheidung kommt er <strong>auf</strong> <strong>die</strong> ontologischeFrage, was <strong>die</strong> Wirklichkeit sei zu sprechen 112 . Eine "positivistisch vorgehendeWissenschaft" vermöge darüber nichts auszusagen, sie verliere vielmehr"jedes Maß und jede Kontrolle über sich selbst", denn sie habe "immer bereitsdarüber entschieden, was <strong>die</strong> Wirklichkeit als Gegenstand des Erkennens sei" 113 .Allerdings geht es BENNER auch nicht um <strong>die</strong> Diskussion der ontologischen Voraussetzungenvon Wissenschaft, <strong>auf</strong> sie er sich gar nicht einläßt, sondern um <strong>die</strong>Aufhebung der "radikalen Trennung zwischen Sein und Sollen" 114 .Der empirisch-analytische Wissenschaftsbegriff wird von ihm abgelehnt, weildanach Fragen nach dem Sinn des Lebens und dem, was wir tun sollen, letztlichnicht wissenschaftlich beantwortet werden können. Allerdings kann man ausempirisch-analytischer Sicht Sinn- und Zielvorstellungen hypothetisch annehmenund sie beispielsweise <strong>auf</strong> ihre Vereinbarkeit mit anderen Zielsetzungen oder ihreKonsequenzen hin untersuchen. Nach idealistischer Auffassung jedoch ist der Sinnin den Phänomenen verborgen. Durch Interpretation <strong>die</strong>ses Sinnes glaubt manherausfinden zu können, was man in der Erziehung tun soll. In der Pädagogik versuchtman das seit langem. Freilich gelangt jede Schule zu anderen Interpretationen.Das hat zu unfruchtbaren Diskussionen über <strong>die</strong> Wissenschaftlichkeit bzw.Nichtwissenschaftlichkeit von Entscheidungen für Erziehungsnormen geführt.Unabhängig jedoch von den Zielvorstellungen, den Wissenschafts- undontologischen Auffassungen können <strong>die</strong> vorgebrachten Normvorschläge und ihreBegründungen, denn um solche handelt es sich aus empirisch-analytischer Sicht,wertvolle Beiträge darstellen, <strong>die</strong> auch empirisch <strong>auf</strong> ihre Realisierbarkeit, ihreKonsequenzen und analytisch <strong>auf</strong> ihre Konsistenz, ihre logischen Beziehungenzu gesellschaftlichen Idealen usw. untersucht werden können.Auch <strong>die</strong> weiterführende Frage, unter welchen Bedingungen Menschen dazugelangen, ihr Leben als sinnvoll zu betrachten, ist nicht nur pädagogischinteressant, sondern kann auch <strong>auf</strong> hypothetische, prüfbare Weise zu beantworten111 Vgl. ebenda, S. 182 ff.112 Ebenda, S. 186.113 Ebenda.114 Ebenda.52


versucht werden. Erforscht man nämlich <strong>die</strong> Bedingungen, bei deren VorliegenMenschen lernen, ihr Leben in einer Hinsicht als sinnvoll oder sinnlos zuerfahren und zu deuten, dann kann man <strong>die</strong>ses Wissen möglicherweise auch fürerziehungstechnologische Vorschläge nutzen, wie Menschen geholfen werdenkann, ihr Leben als sinnvoll anzusehen 115 . Freilich ist hier dann auch an dasProblem des Mißbrauchs zu denken.Auch <strong>auf</strong> der Basis des Realismus und im Rahmen der empirisch-analytischenErziehungswissenschaft kann man also Sinnfragen in gewissen Grenzendurchaus wissenschaftlich behandeln. Allerdings dürfte <strong>die</strong> Diskussion um ontologischeVoraussetzungen in solchen Zusammenhängen nur dann zu brauchbarenErgebnissen führen, wenn sie sich aus Lösungsversuchen zu einem Sachproblemergibt. Ontologische Annahmen können, wie wissenschaftliche Theorien, immernur vorläufig bewährte Ausgangspositionen sein, <strong>die</strong> verändert werden sollten,wenn Theorien <strong>auf</strong> der Grundlage anderer ontologischer Annahmen erfolgreichersind, d.h. bessere Erklärungen und präzisere Vorhersagen ermöglichen.Der Anspruch einer Erkenntnis des "Wesens" der Wissenschaft kann gewißnicht <strong>auf</strong>recht erhalten werden. Die Wissenschaft ist nicht entdeckt und dannweitergegeben worden, sondern sie ist historisch entstanden durch Versuche,Erkenntnisse über <strong>die</strong> Wirklichkeit zu gewinnen; sie ist ein Ergebnis menschlicherTätigkeit und Erfindungskraft und nicht zuletzt sozialer Setzung. DieseAuffassung relativiert freilich jegliches Wissenschaftsverständnis.b) Relativierung durch ParadigmenpluralismusDer KUHNsche Paradigmenbegriff bezieht sich – bei aller Mehrdeutigkeit 116 –ausdrücklich <strong>auf</strong> einheitliche, "ausgereifte" und allgemein akzeptierte theoretischeAuffassungen, wie sie in der Physik vorliegen 117 . Dieser gemeinsame theoretischeKern kann bei sich häufenden Anomalien und bei Vorhandensein einer neuenTheorie durch <strong>die</strong>se ersetzt werden, wobei "alle Leistungen der überwundenenTheorie" <strong>auf</strong> <strong>die</strong> neue übertragbar sind. Es kommt also nicht zu einem bloßen"Wandel in den Überzeugungen", sondern zu einem echten "Wachstum desWissens nach objektiven Maßstäben" 118 .115 Vgl. dazu <strong>die</strong> wissenschaftlich allerdings problematische Logotherapie V. FRANKLs (1987).116 Vgl. <strong>die</strong> Kritik bei MASTERMAN 1974, S. 59 f.117 Vgl. KUHN 1976, S. 37 ff.; ferner STEGMÜLLER 1973a, Bd. II, 2, S. 203 ff. In der Erzie-hungswissenschaft verfügen wir nicht übersolche Theorien. Das ist auch der Grund, warum in <strong>die</strong>ser Arbeit vom "statement-view" ausgegangen und der "non-statement-view" garnicht berück-sichtigt wird.118 STEGMÜLLER 1973a, Bd II,2, S. 253.53


In der sozialwissenschaftlichen Diskussion sind mit dem Wort "Paradigma"einerseits Theorien und andererseits verschiedene Auffassungen von Wissenschaftgemeint. Um letztere Bedeutung geht es meist, wenn vom Paradigmenpluralismusin der Pädagogik gesprochen wird. Durch <strong>die</strong> Annahme eines Paradigmenpluralismuswird <strong>die</strong> Auffassung von der Universalität der wissenschaftlichenMethode in Frage gestellt. Tatsächlich vertreten verschiedene Erziehungstheoretiker<strong>die</strong> Ansicht, daß <strong>die</strong> Probleme der Pädagogik nicht gelöst werden könnten,wenn man nur ein einziges Paradigma zulasse119. Um sowohl empirische wieauch normative Aufgaben erfüllen zu können, bedürfe es eines Paradigmenpluralismus120 .Dieser Pluralismus, schränkt etwa Zabeck ein, sei aber nur <strong>auf</strong> der Grundlageparadigmenübergreifender Prinzipien möglich, <strong>die</strong> anerkannt werden müssen, umin <strong>die</strong> Gemeinde der Erziehungswissenschaftler <strong>auf</strong>genommen werden zukönnen 121. Insbesondere müsse <strong>die</strong> Grundhaltung der "Wahrhaftigkeit" gefordertwerden, <strong>die</strong> als Streben nach intellektueller Redlichkeit und neutraler Distanz zuverstehen sei 122 . Außerdem müsse "Parteilichkeit, <strong>die</strong> Verfolgung praktischerInteressen <strong>auf</strong> dem Felde der Erziehung, <strong>die</strong> sich immer gegen andere Interessenrichten müßte", ausgeschlossen werden. "Deshalb ist auch <strong>die</strong> emanzipatorischePädagogik nur insoweit der Erziehungswissenschaft zugehörig, als sie sich dar<strong>auf</strong>beschränkt, Sinndeutungen vorzunehmen und <strong>auf</strong> ein praktisches politischesEngagement verzichtet" 123 .Die genannten paradigmenübergreifenden Prinzipien stellen <strong>die</strong> vermutlichallgemeinsten Grundlagen von Wissenschaft dar, <strong>die</strong> eine gemeinsame Diskussionüber erkenntnistheoretische Voraussetzungen in der Pädagogik ermöglichen. DieParadigmendiskussion wird aber auch geführt, weil man <strong>die</strong> Geltung von Normenwissenschaftlich erweisen möchte.Nun kann <strong>die</strong> Wissenschaft aus empirisch-analytischer Sicht zwar keine Normensetzen, aber man kann Normen auch in <strong>die</strong>sem Rahmen durchaus wissenschaftlichund teilweise auch empirisch untersuchen. Dazu ein Beispiel:Man könnte erforschen, was unter dem Ziel der Emanzipation in der älterenund jüngeren Vergangenheit verstanden worden ist, von wem und aus welchen119 Vgl. ZABECK 1978, S. 305 ff.; POLLACK 1987, S. 163 ff. und passim; KÖNIG/RAMSENTHALER 1979, S. 441 ff.; GARZ 1989, S.17 ff.; WULF 1977, S. 96.120 Vgl. ZABECK 1978, S. 307.121 Vgl. ebenda, S. 231.122 Vgl. ebenda, S. 323.123 Ebenda, S. 324.54


Gründen <strong>die</strong>ses Ziel befürwortet bzw. abgelehnt und bekämpft worden ist. Das isteine Aufgabe der Sinndeutung, der Interpretation von Texten, bei der man methodisch<strong>auf</strong> Inhaltsanalyse und Hermeneutik zurückgreifen wird (zu anderen Auffassungenvon Hermeneutik vgl. 4.2.4). Wenn man <strong>auf</strong>grund solcher Untersuchungenzu einer Konkretisierung des Ziels der Emanzipation gelangt ist, könnteman herauszufinden suchen, ob sich eine <strong>die</strong>sem Ziel entsprechende Dispositionfinden läßt, und unter welchen Bedingungen sie entstehen kann. Man könnte dazuIndividuen identifizieren, <strong>die</strong> dem zuvor formulierten Ziel der Emanzipiertheit inmöglichst hohem Maße genügen. Durch Interviews mit ihnen, ihren Eltern,Lehrern usw. ließe sich vielleicht herausfinden, wodurch sie sich in verschiedenenBereichen auszeichnen usw. Man könnte auch <strong>auf</strong> experimentelle Untersuchungenzurückgreifen oder sie durchführen, <strong>die</strong> <strong>die</strong> Bedingungen für den Erwerb <strong>die</strong>serspeziellen Fähigkeiten und Persönlichkeitsmerkmale prüfen. Auf <strong>die</strong>se Weisekönnte man <strong>die</strong> hypothetische Norm der emanzipierten Persönlichkeit durchempirisch gestütztes Wissen differenzieren und präzisieren. Man würde außerdemzeigen, durch welche Eigenschaften Individuen, <strong>die</strong> der Norm der Emanzipiertheitentsprechen, sich im Leben besonders auszeichnen und – wenigstensnäherungsweise – unter welchen Bedingungen Educanden <strong>die</strong>se Merkmaleerwerben können. Man würde nicht nur Informationen über das allgemeineErziehungsideal "Emanzipation" und <strong>die</strong> speziellen Ziele, <strong>die</strong> im L<strong>auf</strong>e der Jahreangestrebt werden müßten, um dem Ideal näherzukommen, gewinnen. Man würdeu.U. auch erfahren, welche Eigenschaften emanzipierter Personen in verschiedenenLebensbereichen von wem aus welchen Gründen als besonders wertvoll oder auchals nicht wünschenswert betrachtet werden. Auf <strong>die</strong>sem Informationshintergrundwäre es dann möglich, verschiedene Normvorschläge differenzierter zu diskutierenund insbesondere Folgen entsprechender Normenentscheidungen <strong>auf</strong>zuzeigen.Danach wäre also gar kein Pluralismus von Wissenschafts<strong>auf</strong>fassungen nötig,sondern ein Puralismus theoretischer Ansätze wäre ausreichend. Wenn aber <strong>die</strong>empirisch-analytische Wissenschafts<strong>auf</strong>fassung und auch der RealismusFestsetzungen sind, muß man dann nicht konsequenterweise zulassen, daß auchandere Festsetzungen vorgenommen werden? Die Antwort lautet, daß man es wohlmuß. <strong>die</strong> Frage ist allerdings ob man beliebige Festsetzungen akzeptieren soll,denn dann könnte alles Mögliche als Wissenschaft ausgegeben werden. Wenn aberim Prinzip verschiedene Wissenschafts<strong>auf</strong>fassungen möglich sind, ist es dann nichtso, daß der empirisch-analytische Wissenschaftsbegriff nur dogmatisch <strong>auf</strong>rechtzuerhaltenist?55


c) Der Vorwurf des DogmatismusDer Kern des Dogmatismus der empirisch-analytischen Wissenschafts<strong>auf</strong>fassungist in ihren Maßstäben zu sehen. Nur Theorien, <strong>die</strong> <strong>die</strong>sen Maßstäenentsprechen, dürfen als wissenschaftlich bezeichnet werden.Insbesondere das Kriterium der empirischen Prüfbarkeit ist Gegenstand derKritik. Diese Kritik ist unter anderem dann berechtigt, wenn <strong>die</strong>ses Kriteriumbenutzt wird, um unliebsame oder ungewöhnliche und mutige Theorien aus demBereich der Wissenschaft oder der wissenschaftlichen Diskussion auszuscheiden.Das können beispielsweise Theorien sein, <strong>die</strong> gegen herrschende Vorstellungenund Zielsetzungen verstoßen und daher unter schulischen Bedingungen vielleichtnicht zu prüfen sind oder Theorien, <strong>die</strong> in wesentlichen Punkten lediglich einerlogischen Prüfung zugänglich sind, wie das bei hypothetischen Normsystemender Erziehung der Fall sein kann. Wenn aber argumentiert wird, <strong>die</strong> Annahme,daß man durch empirische Prüfungen falsche Behauptungen erkennen undaussondern könne, sei überhaupt ein bloßes Dogma, an das zu halten sich nichtlohne, dann dürfte man das nur mit ihrerseits nicht fraglos hinzunehmendenBehauptungen untermauern können. Tatsächlich kommt <strong>die</strong> Kritik über weiteStrecken über polemische Vorwürfe kaum hinaus.So meint MEINBERG, den Empirikern sei "nicht <strong>auf</strong>gegangen", daß <strong>die</strong> Ideeder kritischen Prüfung "in der Wendung gegen den Dogmatismus selberdogmatisch" geworden sei 124 , womit er sicher nicht ganz unrecht hat. MEINBERGselber möchte dagegen "<strong>die</strong> Bereiche des Seins und Sollens, der Deskription undPräskription" 125 in einer an HUSSERL orientierten - und nun nicht mehr irrationalenTiefen entquellenden - nicht-empirischen phänomenologischen Alternativevereinen 126 . Er beruft sich <strong>auf</strong> <strong>die</strong> Phänomenologie, weil dort unter Zugrundelegungdes Idealismus Wesenserkenntnis durch Intuition und Einsicht fürmöglich gehalten wird, wobei eine intersubjektive Prüfung der Ergebnisse jedochausgeschlossen sein dürfte 127 . MEINBERG vergißt m.E. dabei, daß <strong>die</strong> Berufung<strong>auf</strong> eine von anderen nicht nachprüfbare Wesenserkenntnis auch so interpretiertwerden kann, daß sie nur dogmatisch <strong>auf</strong>recht zu erhalten ist.124 MEINBERG 1979, S. 53, vgl. ferner S. 59 und S. 60 sowie MEINBERG 1988, S. 25; ähnlich BENNER 1978, S. 185, 186, 188.125 Ebenda, S. 227.126 Vgl. ebenda, S. 59.127 Kritisch zur Phänomenologie HUSSERLs vgl. J. KRAFT 1977, S. 14 f.; v. MISES 1990, S. 391 ff.56


Gewiß steckt in methodologischen Forderungen immer ein Moment vonDogmatismus oder Quasi-Dogmatismus 128 . Allerdings führt es nicht weiter, sichDogmatismus vorzuwerfen und sich gegenseitig <strong>die</strong> Wissenschaftlichkeit abzusprechen.Wenn alle Seiten sich <strong>auf</strong> eine gemeinsame Problemsituation beziehenund ernsthaft eine Lösung der Probleme anstreben, müßte eine kritischeDiskussion der Leistungen, <strong>die</strong> von den verschiedenen Richtungen in derPädagogik erbracht werden, möglich sein. Aus der Sicht des Erziehungspraktikershat bisher jedenfalls weder <strong>die</strong> empirische noch <strong>die</strong> hermeneutischphänomenologischeRichtung <strong>die</strong> von ihnen erwarteten Hilfen bereitstellen können129 .Man könnte ferner nicht-empirische, also geisteswissenschaftlich-phänomenologisch-dialektischeTheorien als Ausgangspunkte für <strong>die</strong> Formulierung überprüfbarerTheorien nehmen. Eine solche Theorienergänzung kann durchausfruchtbar sein und eine gegenseitige Bereicherung sowohl durch inhaltliche alsauch methodologische Ideen ermöglichen 130 . So hätte man vielleicht nicht nachMöglichkeiten empirisch-analytischer Normdiskussion Ausschau gehalten, wenndas Problem nicht durch <strong>die</strong> beharrende geisteswissenschaftliche Pädagogik in derSchwebe gehalten worden wäre. Es gibt außerdem Probleme, <strong>die</strong>, weil sie z.B.<strong>auf</strong>grund von Untersuchbarkeitsbarrieren oder ethischen Grenzen der Untersuchbarkeitnicht empirischer Erforschung zugänglich sind, deshalb nicht von jederBemühung um wissenschaftliche Aufklärung ausgeschlossen werden sollten. Sokönnten durch Erziehungsnormen oder durch Unterrichtsmethoden vermutlichmitverursachte Nebenwirkungen, <strong>die</strong> etwa das Selbstvertrauen einiger Educandendauerhaft beeinträchtigen, dennoch kaum meßbar sein, wenn <strong>die</strong> Betroffenen <strong>die</strong>sin Befragungen überspielen. Solche Fehlerquellen sind in der Statistik nichtunbekannt, denn es ist keineswegs immer eindeutig zu entscheiden, ob eineHypothese oder ihre Alternativhypothese angenommen werden sollte. Zudemdürften <strong>auf</strong>grund der bei Erziehungsphänomenen bestehenden multifaktoriellenZusammenhänge selbst dann, wenn solche Neben-wirkungen festgestellt werden,kaum eindeutige Ursachen <strong>auf</strong>zufinden sein. Wenn wir aber unzureichend meßunderschließbare Zusammenhänge als nicht-existent betrachten, kann man sieauch nicht zunehmend genauer zu erkennen versuchen. Zudem ergeben sichmoralische Probleme, wenn man Schädigungen von Educanden in K<strong>auf</strong> nimmt,128 Vgl. HOYNINGEN-HUENE 1989, S. 189 ff.129 Vgl. WEINERT/SCHRADER/HELMKE 1990, S. 173 f.130 Vgl. SOMMER 1987.57


<strong>die</strong> sich zwar vermuten, aber nicht sicher nachweisen und <strong>auf</strong> bestimmte Ursachenzurückführen lassen.Auch wenn man solche Einschränkungen anerkennen und hinnehmen mußund der empirische Standpunkt keineswegs unangreifbar ist, sollte <strong>die</strong> Forderungnach empirischen Prüfungen im Grundsatz nicht leichtfertig <strong>auf</strong>gegeben werden.Würde man grundsätzlich <strong>auf</strong> empirische Prüfungen verzichten, hätte das vermutlichzur Folge, daß man schwierig zu erfassende Zusammenhänge nicht mehrgenauer zu analysieren versuchen und das wichtigste Werkzeug zur Verbesserungvon Theorien fallenlassen würde. Wenn <strong>die</strong> empirische Prüfung ein Werkzeug zurEntdeckung von fehlerhaften Theorien ist, dann kann ein solches Werkzeug seinenZweck in manchen Fällen gut, in anderen schlecht oder gar nicht erfüllen.Jedenfalls besteht <strong>die</strong> Möglichkeit, den Nutzen von Prüfungsmethoden imEinzelfall zu analysieren. Darüber hinaus kann man empirische Methoden - auchwenn es Untersuchbarkeitsbarrieren gibt - zunehmend verfeinern. Es wäre alsogewiß nicht sehr vernünftig, das Werkzeug der Empirie, weil es in seinerAnwendung begrenzt ist, <strong>auf</strong>zugeben, solange wir kein besseres haben 131 .d) Der PositivismusvorwurfGegen <strong>die</strong> empirisch-analytische Erziehungswissenschaft wird in der Kritikmißverständlich und in abwertender Absicht der Vorwurf des Positivismus erhoben132 . Es werden zwei Kritikpunkte genannt: Zum einen <strong>die</strong> Beschränkung derempirischen Erziehungswissenschaft <strong>auf</strong> das Gegebene, Unmittelbare, Zweifelloseoder Positive; zum anderen <strong>die</strong> Ablehnung jeglicher Metaphysik.Die Metaphysik braucht im Rahmen der empirisch-analytischen Wissenschafts<strong>auf</strong>fassungkeinesfalls als sinnlos abgelehnt zu werden. Vielmehr mußheute akzeptiert werden, daß auch jede wissenschaftstheoretische Position <strong>auf</strong>Voraussetzungen beruht, <strong>die</strong> letztlich metaphysischer Natur und grundsätzlichnicht widerlegbar sind, <strong>die</strong> aber dennoch rational diskutiert werden können 133 . Esist ja auch möglich, <strong>die</strong> Ansprüche religiöser Auffassungen durch logische, historischeund vergleichende Untersuchungen kritisch zu analysieren. Rationalität istalso nicht <strong>auf</strong> Wissenschaft beschränkt 134 .131 Vgl. STEGMÜLLER 1973a, Bd. II, S. 293.132 Vgl. z.B. XOCHELLIS 1971, S. 388; DERBOLAV 1978, S. 332; MENRATH 1978, S. 186; LANGE 1979, S. 411 f.; BENNER 1978,S. 171 ff.; GAMM 1989, S. 140 f.; DIENELT 1989, S. 8.133 Vgl. POPPER 1972, S. 184 ff.134 Vgl. LENK 1986; HÜBNER 1983.58


Wenden wir uns nun dem Einwand zu, <strong>die</strong> Empirische Erziehungswissenschaftmüsse "notwendig bei ... Einzelfakten einsetzen" 135 und könne nur "Materialhäufung"betreiben 136 , Erfahrung vermittle uns nur einen "rohen Stoff sinnlicherEindrücke" 137 . Tatsächlich ist ja das Problem nicht zu leugnen, daß <strong>die</strong>verfügbaren empirischen Methoden nicht immer geeignet sind, <strong>die</strong> Zusammenhängeeiner komplexen Struktur zu erfassen. Auch durch <strong>die</strong> Konstruktion vonTheorien können Erziehungsphänomene nicht vollständig erfaßt werden. Dasdürfte aber gleichermaßen für geisteswissenschaftliche Theorien gelten.Eine gewisse Gefahr ergibt sich auch daraus, daß <strong>die</strong> Erkenntnis einer Reiherelativ einfach <strong>auf</strong>zudeckender und mehr oder weniger auch zuvor bekannterZusammenhänge zu einer unangemessenen Überschätzung der Möglichkeitenempirisch-analytischer Pädagogik führen kann. Hier ist insbesondere <strong>die</strong>Erwartung zu nennen, daß <strong>die</strong> verbesserte Einsicht in einige grundlegende Zusammenhängerasch eine erheblich verbesserte bewußte oder geplante Beherrschungdurch entsprechende Mittel nach sich ziehen wird. Die Folge <strong>die</strong>ser Haltung war inden 60er Jahren an dem Optimismus zu erkennen, mit dem man <strong>die</strong> Entwicklungvon Lernmaschinen oder <strong>die</strong> Operationalisierung von Lernzielen vorantrieb undglaubte, das Handeln von Lehrern und Schülern möglichst weitgehend nach Plansteuern zu können 138 . So sehr uns aber Theorien bei der Konstruktion oderVerbesserung von Lehrmitteln helfen können, bieten sie doch keine Möglichkeit,jene unglaubliche Vielfalt mehr und weniger bedeutsamer Einzeltatsachenfestzustellen, <strong>die</strong> in den komplexen Prozeß des Lernens oder des Erwerbs vonDispositionen eingehen, so daß immer eine gewisse Bescheidenheit hinsichtlichder durch <strong>die</strong> Wissenschaft eröffneten Möglichkeiten angebracht erscheint.Es ist jedoch ein allzu enges Verständnis von empirischer Wissenschaft,wenn man meint, sie könne nur vom Beobachtbaren ausgehen und nicht über "rohesinnliche Eindrücke" oder über "Einzelfakten" hinauskommen. Wenn zum Beispielein Beobachtungssatz besagt, daß <strong>die</strong> Schüler schreiben, so liegt <strong>die</strong>serBeschreibung eine zwar unbemerkte, aber komplexe Interpretation des Tuns derSchüler zugrunde. Die Tätigkeit des Schreibens kann nur im Licht kulturellerZusammenhänge verstanden werden, <strong>die</strong> Alltagstheorien über Sprache, <strong>Institution</strong>en,soziales Verhalten usw. einschließen.135 LASSAHN 1974, S. 65.136 RÖHRS 1971, S. 139; ähnlich 1988, S. 528.137 SCHURR 1987a, S. 89.138 Zur Kritik <strong>die</strong>ser Auffassung vgl. RUMPF 1971; LEHNER 1981; 1986.59


Im übrigen geht <strong>die</strong> Erziehungswissenschaft wie jede empirische Wissenschaftnicht von Tatsachen, sondern von Problemen aus. Sehr häufig sind es praktischeProbleme: beispielsweise <strong>die</strong> Frage, wie man Educanden zu moralischer,beruflicher usw. Selbständigkeit erziehen kann. Solche Probleme führen zu einerVielfalt erziehungstheoretischer Fragen. Um sie zu beantworten, müssen <strong>die</strong>gesetzmäßigen oder gesetzesartigen Zusammenhänge, <strong>die</strong> zwischen Erscheinungenbestehen, erforscht werden. Dieses Wissen kann in gewissen Grenzen zurErklärung konkreter Erziehungsphänomene verwendet werden, zur Voraussageüber <strong>die</strong> Wirkung bestimmter Erziehungshandlungen sowie zur Konstruktion vonMitteln zur Erreichung von Erziehungszielen. Die Annahme, <strong>die</strong> Erziehungswissenschaftgehe lediglich von sinnlich wahrnehmbaren Tatsachen aus und könnenicht darüber hinaus kommen, trifft also in <strong>die</strong>ser Form gewiß nicht zu.e) Zum Kausal- bzw. DeterminismusproblemPOPPER hat <strong>die</strong> Idee des Kausalismus oder Determinismus treffend miteinem Film veranschaulicht 139 . Die gerade projizierten Bilder stellen <strong>die</strong> Gegenwartdar, <strong>die</strong> schon gezeigten und <strong>die</strong> noch zu zeigenden <strong>die</strong> Vergangenheit und<strong>die</strong> Zukunft. Dem Schöpfer des Films ist alles bekannt, er hat alles festgelegt, sowie es im l<strong>auf</strong>enden Film ist, gewesen ist und sein wird. "Die Idee des Determinismushat einen religiösen Ursprung, auch wenn es große Religionen gibt, <strong>die</strong>an den Indeterminismus glauben ...". Im "wissenschaftlichen Determinismus"wird das "göttliche Gesetz" durch das "Naturgesetz" ersetzt 140 Alle Formen desDeterminismus zeichnen sich dadurch aus, "daß jedes Ereignis in der Weltvorherbestimmt ist" 141 . Es wird - um es gleich vorwegzunehmen - heute auch inder Physik kaum noch eine deterministische oder kausalistische Auffassung in<strong>die</strong>sem Sinne vertreten 142 .Verschiedene Kritiker meinen aber nun, <strong>die</strong> Physik als Prototyp einer kausalenWissenschaft sei das Vorbild der Empirischen Erziehungswissenschaft 143 ,<strong>die</strong> im "'naturwissenschaftlichen Denkstil' zu begründen versucht werde" 144 .Damit ist gemeint, daß kausale Beziehungen erforscht werden sollen. Dieentscheidende Frage hierbei ist, was man unter "Kausalität" versteht. Legt man139 Vgl. POPPER 1982 b, S. 5.140 Ebenda141 Ebenda, S.6.142 Ebenda, S. 125.143 Vgl. z.B. BLANKERTZ 1979, S. 32; HERZOG 1987, S. 238 und passim; VOGEL 1990, S. 24 ff.144 HERZOG 1987, S. 138. Das Zitat im Zitat ist von RÖSSNER 1976, S. 64.60


nämlich nicht <strong>die</strong> übliche Bedeutung zugrunde, nach der <strong>die</strong> gleiche Ursachestets <strong>die</strong> gleiche Wirkung hervorruft 145 , sondern meint damit nur, daß jedesEreignis mehr oder weniger durch bestimmte Umstände bedingt ist 146 , dannbeinhaltet <strong>die</strong>ses Verständnis von Kausalität nicht, daß wir <strong>die</strong> speziellenUmstände, <strong>die</strong> ein Ereignis determinieren, angeben könnten, oder daß <strong>auf</strong>grundbestimmter vorliegender Umstände eine Vorhersage über bestimmte Einzelfällemöglich wäre. Erziehungsphänomene sind ja kaum jemals monokausal, sondernnahezu immer multifaktoriell bedingt und außerdem nur probabilistisch zuerfassen. Es handelt sich hier also um eine ebenso "weiche" Definition des Kausalbegriffes147 , wie wir sie ähnlich für den Gesetzesbegriff vorgezogen haben.Die Suche nach <strong>die</strong>ser Art kausaler oder multikausaler Zusammenhänge istdann freilich nicht <strong>auf</strong> <strong>die</strong> Naturwissenschaften beschränkt. Auch Erziehung istnur möglich und sinnvoll unter der Annahme, daß es Bedingungen für dasVerhalten von Educanden gibt, <strong>die</strong> durch Erziehung beeinflußt werden können.Es wäre jedoch absurd, Kausalität im Bereich der Erziehung als vollständigeoder gar mechanische Determination zu verstehen. Dennoch wird <strong>die</strong>Auffassung vertreten, <strong>die</strong> empirische Erziehungswissenschaft setze sie notwendigvoraus 148 . "Der Mechanizismus" der Erziehungswissenschaft, <strong>die</strong> den Educanden"in den Kategorien der klassischen Mechanik" beschreibt, ist aber meinesWissens bei keinem ihrer heutigen Vertreter anzutreffen, auch wenn manchmaleinige mißverständliche Formulierungen das zu belegen scheinen. HERZOGmeint, <strong>die</strong> empirische Erziehungswissenschaft schreibe "... sich selbst, als demSubjekt der Erkenntnis, ... omnipotente Züge zu. Der Anspruch, im Prinzip alleFaktoren einer konkreten Erziehungssituation zu kennen", rücke den Erziehungswissenschaftler"in ein göttliches Licht ..." 149 .Abgesehen davon, daß <strong>die</strong>s ein unzutreffendes, polemisches Bild der empirischenErziehungswissenschaft ist, geht HERZOG von zwei problematischenAnnahmen aus. Erstens nimmt er an, Gesetzmäßigkeiten vermittelten uns <strong>die</strong>Kenntnis aller Faktoren konkreter Erziehungssituationen. Zweitens setzt er Kausalitätund Mechanizismus gleich. Zunächst zur ersten Annahme: Gesetzmäßigkeitenvermitteln uns immer nur Wissen über einzelne Zusammenhänge. DieseZusammenhänge können <strong>auf</strong>grund der prinzipiellen Offenheit von Erziehungs-145 Vgl. BUNGE 1987, S. 3 f.146 Vgl. z.B. BREZINKA 1989, S. 178.147 Vgl. COOK/ CAMPBELL 1979, S. 9 ff.148 Vgl. HERZOG 1988, S. 99 und passim. Vgl. hierzu auch <strong>die</strong> Antwort BREZINKAs 1989, S. 177 ff.149 HERZOG 1987, S. 145 im Original z.T. kursiv. Ähnlich argumentiert KIUCHI 1990, S. 38 ff., S.162, 165.61


phänomenen aber nicht vollständig erklärt werden. Deshalb können wir auch niesicher sein, daß unsere Theorien wahr sind.Nun zum zweiten Einwand. Wenn Kritiker Kausalität oder Determiniertheitals vollständige Bestimmung des Menschen durch mechanisch wirkende Gesetzmäßigkeitenverstehen 150 , so daß es keinen Platz mehr für Sinn 151 undVerantwortung 152 gebe und <strong>die</strong> Erziehung der "Maschinentechnik" vergleichbarwerde 153 , der Educand zum "manipulierbaren Objekt" 154 und <strong>die</strong> Erzieher zusouveränen "Manipulatoren des Kausalgefüges" 155 würden, dann versuchen sieeinen Alptraum des Determinismus 156 zu beschwören, wie er beispielsweise imPhysikalismus gegeben ist. Die Annahme eines solchen vollständigen Determinismus,bei dem alle Ereignisse durch physikalische Prozesse in allen ihrenEinzelheiten vorherbestimmt sind, hat absurde Konsequenzen. Wir selbst wärenAutomaten, deren Denken, Tun und Fühlen bis ins kleinste vorhersagbar wäre.So könnte "ein tauber Physiker, der nie einen Ton Musik gehört hat, sämtlicheSinfonien und Konzerte von Mozart und Beethoven schreiben, indem er einfachden genauen physikalischen Zustand ihres Körpers untersucht und voraussagt,wo sie schwarze Zeichen <strong>auf</strong> ihr liniertes Papier machen würden". Er könntesogar untersuchen, welche Musik "sie geschrieben hätten, wenn sie zum BeispielHammelfleisch statt Hühnerfleisch gegessen oder Tee statt Kaffee getrunkenhätten" 157 . Ein entsprechend determinierter Erziehungswissenschaftler könntedann alle Faktoren einer Abfolge von Erziehungssituationen angeben, um Educandenzu Mathematikgenies, zu Dichtern, Handwerkern oder zu Dieben undVersagern zu machen. Freilich könnte man als Beispiel für einen solchenvollständigen Determinismus anstelle eines reduktionistischen Physikalismusauch eine extreme Schicksalsbestimmtheit anführen.Aber nicht nur der Alptraum des Determinismus, auch der Indeterminismusist unbefriedigend. Wenn unser Verhalten vollständig vom Zufall bestimmt wäre,wäre das Handeln von Erziehern und Educanden völlig unvorhersehbar; alleEreignisse wären beliebig und austauschbar. Diese Zufälligkeit des Handelns150 Vgl. BRÜGGEN 1980, S. 9 f.; STRAUSS 1982, S. 20 ff.; VOGT 1977, S. 23; KIUCHI 1990, S. 34 ff.; HERZOG 1984, S. 103 ff.; 1986,S. 319; 1987, S. 145; MEINBERG 1988, S. 18; RITZEL 1978, S. 505.151 Vgl. LANGEVELD 1977, S. 125; BENNER 1979, S. 50 ff.152 Vgl. HERZOG 1987, S. 147 ff.153 RUHLOFF 1980, S. 78.154 BENNER 1979, S. 54.155 HERZOG 1988, S. 102.156 Vgl. POPPER 1973, S. 247 ff.157 Ebenda, S. 248.62


würde zugleich Verantwortungslosigkeit bedeuten 158 . Man kann sagen, daßunsere Handlungen in freier Verantwortlichkeit erfolgen, "weil sie durch Gesetzeund Sitten determiniert" bzw. beeinflußt sind 159 ; somit können wir auchentscheiden, an welche Normen wir uns halten wollen. Auch unsere Worte undÜberlegungen sind beeinflußt durch unsere Gewohnheiten, unser Wissen, unsereLektüre und das, was andere sagen, also durch "Welt 3" und "Welt 2" derOntologie des pluralistischen Realismus. Die Annahme der Determiniertheitmenschlichen Verhaltens scheint daher für Erzieher und Erziehungswissenschaftlerunabdingbar 160 , sofern man darunter keine vollständige Determiniertheitversteht.Es kann also verschiedene Arten der Determination 161 unterscheiden, wobeifür Erziehung vor allem <strong>die</strong> psychische Determination durch den Einfluß anderer("Welt 2"-Interaktionen, <strong>die</strong> das Verhalten mehr oder weniger beeinflussen) und<strong>die</strong> Determination durch objektivierte Zwecke und Regeln z.B. in Lehrplänenoder Lehrmaterialien bedeutsam ist. In letzterem Fall handelt es sich umEinflüsse, <strong>die</strong> durch unseren Umgang mit Gegenständen der "Welt 3" <strong>auf</strong> unsausgeübt werden. Das sind Arten einer nur graduellen Determiniertheit bzw.Indeterminiertheit. Auch der Zufall ist sozusagen nicht absolut zufällig, aber esist auch nicht alles vorherbestimmt. Denn wenn alles vorherbestimmt wäre, gäbees für uns keine Möglichkeit zu gezielten Eingriffen, ebensowenig wie beivollständiger Indeterminiertheit. "Erst <strong>die</strong> Kombination von Zufall und Gesetzgibt uns <strong>die</strong> Möglichkeit, neue Alternativen ins Auge zu fassen und - trotzunvollkommener Kenntnis und Beeinflussungsmöglichkeit des Details - bestimmteZiele anzusteuern" 162 .Die praktische Brauchbarkeit erziehungswissenschaftlichen Wissens beruht<strong>auf</strong> Regelhaftigkeit und <strong>die</strong>se setzt das Bestehen von regelhaften Zusammenhängenvoraus. Ohne Wissen um <strong>die</strong> regelhaften Zusammenhänge zwischen Erziehungsmaßnahmenund den durch sie hervorgerufenen Wirkungen ist zweckmäßigesHandeln nirgendwo möglich 163 . Schon der Verweis <strong>auf</strong> praktischpädagogischeErfahrung ist grundsätzlich ein Verweis <strong>auf</strong> ein implizites Wissen158 Vgl. ebenda, S. 252.159 HERBART 1964b, S. 244. Ähnlich v. WRIGHT 1979, S. 429; MILL 1988, S. 22 ff.160 Vgl. HERBART 1919, Bd. 3, S. 597.161 Vgl. BUNGE 1987, S. 21 ff.162 EIGEN 1977, S. 191.163 Vgl. allgemein hierzu auch GOMPERZ 1979, S. 386 sowie TOPITSCH 1979, S. 374 ff.63


um derartige regelhafte Zusammenhänge, das für Überlegungen zur Erreichungvon Erziehungszielen genutzt werden kann.Wenn bestimmte Handlungen der Erzieher nicht unausweichlich bestimmteFolgen bei den Educanden hervorrufen, kann Erziehung nur als Versuchshandelnverstanden werden 164 . Versuche, wenn sie nicht blind sein sollen, setzen aberzumindest ein begrenztes Wissen darüber voraus, wovon das Verhalten derEducanden abhängt. Die völlige Nicht-Determiniertheit dagegen ließe nur <strong>die</strong>Möglichkeit reinen Zufallshandelns, nicht aber eines Versuchshandelns zu. Dassteht im Widerspruch zu unserem Wissen vom Menschen und zu unsereralltäglichen Erfahrung.164 Vgl. BREZINKA 1990, S. 87 ff.64


2.2 Zur Methodologie der Erkenntnisgewinnung in der Pädagogik2.2.1 Methodologische Regeln als FestsetzungenDie Gewinnung von Erkenntnis ist eine Tätigkeit und wie für jede Tätigkeitbraucht man dafür Regeln und Maßstäbe, wenn man nicht zufällig und willkürlichhandeln will. Diese Maßstäbe und Regeln könnte man <strong>die</strong> Spielregeln des"Spiels" Wissenschaft nennen 165 . Diese Spielregeln oder Festsetzungen könnennicht beliebig sein, weil nur bestimmte Regeln eine Annäherung an das Ideal derobjektiven Erkenntnis ermöglichen und fördern.a) Methodologische Regeln und ihr ZweckErkenntnisgewinnung beginnt nicht mit Beobachtungen oder "Tatsachen,sondern mit Problemen und Lösungsversuchen" 166 . Man staunt oder wundert sichüber etwas, das man nicht versteht; man entdeckt einen Widerspruch zwischentheoretischen Auffassungen oder zwischen Behauptungen und Wirklichkeit, undman schlägt Lösungen dafür vor und testet sie. Solche Erkenntnisversuche werdendann zu einer gemeinsamen wissenschaftlichen Bemühung oder zu einemgemeinsamen "Wissenschaftsspiel", wenn man sich dabei an Regeln hält, <strong>die</strong>geeignet sind, <strong>die</strong> Erkenntnis zu fördern.Als erstes ist <strong>die</strong> intersubjektive Verständlichkeit der Aussagen wichtig.Man kann ein Problem nur dann gemeinsam bearbeiten, wenn alle Beteiligten<strong>die</strong>ses Problem in derselben Weise verstehen. Die Suche nach wahren Theoriensetzt voraus, daß "wir klar und einfach reden und unnötige technische Komplikationenvermeiden." Aber auch um Verwirrung und Mißverständnisse zuverringern, bedarf es einer klaren Sprache. Und "Kürze ist in Anbetracht derVeröffentlichungslawine ebenfalls wichtig ..." 167 .Intersubjektivität ist allerdings kein hinreichendes Kriterium, weil man ja auchin gemeinsam geteilten Irrtümern verharren kann. Um wahre oder objektiveErgebnisse zu erreichen, ist <strong>die</strong> Beachtung weiterer Regeln vorteilhaft. So kann <strong>die</strong>Objektivität vor allem dadurch gefördert werden, daß man Aussagen und Ergebnisselogisch und empirisch prüft. In logischen Prüfungen wird <strong>die</strong> Konsistenz, <strong>die</strong>Widerspruchsfreiheit bzw. <strong>die</strong> Vereinbarkeit von Hypothesen und Theorien "mit165 Vgl. POPPER 1982, S. 25.166 POPPER 1973, S. 163 ff.; BUNGE 1967, Bd. 1, S. 165 ff.167 POPPER 1973, S. 57.65


der Gesamtheit der relevanten Kenntnisse" eines Gebiets 168 untersucht. Mittelsempirischer Methoden prüft man <strong>die</strong> Übereinstimmung von Aussagen oderTheorien mit der Wirklichkeit.Eine weitere Bedingung der Objektivität wissenschaftlicher Ergebnisse bestehtdarin, daß Tatsachenaussagen nicht unkritisch mit Werturteilen und Forderungenvermengt, sondern voneinander unterschieden werden. Forderungen ergebensich nicht allein aus Tatsachen, sondern können nur unter Zugrundelegungbestimmter Wertungsvoraussetzungen erhoben werden. Wenn Filme, in denenaggressive Handlungen gezeigt werden, bei den Betrachtern Aggressionenverstärken, dann läßt sich daraus keine Forderung gewinnen. Unter derVoraussetzung jedoch, daß Aggressionen als schädlich bewertet und vermiedenwerden sollen, kann man logisch eine Forderung ableiten. Während <strong>die</strong> Gültigkeitvon Tatsachenaussagen von der Übereinstimmung mit der Wirklichkeitabhängt, hängt <strong>die</strong> Geltung von Wertungen und Forderungen von den jeweiligenWertungsvoraussetzungen ab, <strong>die</strong> man aber im Gegensatz zu Tatsachen annehmenoder ablehnen kann (vgl. Kap. 4.).Damit sind einige der grundlegenden methodologischen Regeln genannt,<strong>die</strong> das Handeln des Forschers im Rahmen der empirisch-analytischen Erziehungswissenschaftleiten sollen. Sie legen es aber nicht im einzelnen fest. Vielmehrbleibt es dem Wissenschaftler überlassen, <strong>die</strong>se und andere Regelnsituationsangemessen anzuwenden. Er muß in der konkreten Forschungssituationbeispielsweise entscheiden, welche Prüfungen jeweils möglich sind, ob sie das,was geprüft werden soll, auch erfassen und ob sie es mit hinreichenderGenauigkeit erfassen 169 . So können beispielsweise <strong>die</strong> erkenntnistheoretischenRegeln für <strong>die</strong> in Untersuchungs- und Prüfsituationen zu treffenden Entscheidungennur Richtlinien darstellen. Denn <strong>die</strong> Gestaltung solcher Situationen kannein erhebliches Maß an Kreativität erfordern. Die wissenschaftliche Arbeit kannalso durch erkenntnistheoretische Maßstäbe und Regeln zwar in gewisser Weisegefördert, keineswegs aber vorherbestimmt werden 170 .Es ist eine grundlegende Aufgabe des Wissenschaftlers und der Wissenschaftstheorie,solche Maßstäbe und Regeln zu konstruieren, im Hinblick <strong>auf</strong>ihre Eignung für <strong>die</strong> Erkenntnis zu untersuchen und zu verbessern 171 . Diese Auf-168 BUNGE 1983, S. 38.169 Vgl. COOK/ CAMPBELL 1979, S. 37 ff.170 Vgl. hierzu auch ALBERT 1978, S. 27 ff.171 Vgl. POPPER 1982, S. 22 ff.66


gabe kann nicht unabhängig vom jeweiligen Gegenstandsbereich einer Wissenschaftgelöst werden. Es dürfte vielmehr angebracht sein, von den bestehendenTheorien auszugehen. Auf <strong>die</strong>se Weise läßt sich vermutlich am ehesten feststellen,welche erkenntnistheoretischen Regeln sich am besten bewährt haben.Daß methodologische Regeln nicht naturgegeben sind, sondern festgesetztwerden, relativiert ihre Gültigkeit. Sie gelten nicht absolut, und bestimmteRegeln gelten nur, wenn das übergeordnete Ziel oder Ideal objektiver Erkenntnisakzeptiert wird. Man kann daher fragen, warum bestimmte Regeln wie <strong>die</strong>logische und empirische Prüfbarkeit oder Werturteilsfreiheit denn akzeptiertwerden sollen, da man doch prinzipiell auch andere Regeln festsetzen könnte.b) Ist <strong>die</strong> Festsetzung methodologischer Regeln willkürlich oder rational?HERZOG beispielsweise sieht in der Entscheidung für <strong>die</strong> methodologischenFestsetzungen der Erziehungswissenschaft einen irrationalen Entschluß, weil<strong>die</strong>se Festsetzungen ohne Rücksicht <strong>auf</strong> den Gegenstand der Pädagogik aus dernaturwissenschaftlichen Forschungsmethodologie übernommen worden seien 172 .Das ist nun kein schlagendes Argument, denn sofern <strong>die</strong>se Regeln auch in derErziehungswissenschaft zu brauchbaren Ergebnissen führen, dürfte gegen einesolche Übertragung nichts einzuwenden sein.Wenn man dabei nicht dogmatisch vorgehen will, sollten solche Entscheidungenallerdings weiterhin diskutierbar bleiben. Das kann man beispielsweisean der Forderung nach Werturteilsfreiheit sehen. Einige Wissenschaftstheoretikersind hier von der Forderung nach absoluter Enthaltung von Werturteilenabgerückt und befürworten eine Minimalforderung, nach der Werturteile desForschers zulässig sein sollen, sofern sie als solche gekennzeichnet werden 173 .Als Alternative zu methodologischen Festsetzungen skizziert HERZOG <strong>die</strong>"Konturen eines 'neuen' Verständnisses von wissenschaftlicher Erkenntnis".Auch er geht davon aus, daß <strong>die</strong> Wissenschaft nicht ohne Regeln und Maßstäbeauskommen kann. Die Kriterien, anhand derer der Wert von Theorien zu beurteilenist, sind danach ausschließlich Sache der Forschergemeinschaft. Jedes Kriterium,<strong>auf</strong> das sie sich einigen, ist für sie gültig. Was man als Wissenschaft betrachtenwill, wäre danach ausschließlich von <strong>die</strong>ser Gemeinschaft abhängig 174 .172 Vgl. HERZOG 1987, S. 136.173 Vgl. PRIM/TILMANN 1973, S. 143 f.; VETTER 1971, S. 15; BREZINKA 1978, S. 101 f.174 Vgl. HERZOG 1987, S. 153 ff.67


Ein so weitgehender Relativismus scheint einiges unberücksichtigt zu lassen.Wenn wir beispielsweise Erscheinungen der Wirklichkeit betrachten, stellenwir fest, daß sie Eigenschaften besitzen, <strong>die</strong> nicht von uns abhängig sind. Wennetwa Erziehungsziele vorgeschlagen werden, von denen eines <strong>die</strong> Forderungselbständigen Denkens und ein anderes <strong>die</strong> fraglose Befolgung jeglicher Gebotezum Inhalt hat, dann besteht der logische Widerspruch zwischen <strong>die</strong>sen Zielenauch dann, wenn er von niemandem bemerkt werden sollte. Phänomene undSätze haben also "objektive Eigenschaften" 175 .Auf objektive Eigenschaften und Bedingungen beziehen sich auchempirische Erziehungstheorien. Sie werden <strong>auf</strong>grund objektiver Problemsituationenentwickelt. Beispielsweise sollen Schüler im Unterricht bestimmte Regelnbeachten. Wenn sie dagegen verstoßen, wird das als Disziplinproblem bezeichnet.Um Disziplinverstöße gering zu halten, strafen Erzieher häufig. Aber Strafenhaben oft keine, eine geringe oder nicht <strong>die</strong> erwünschte Wirkung. DiesesProblem besteht nicht nur subjektiv. Es zu erklären und wirksame Methoden zurHerbeiführung einer besseren Regeleinhaltung zu finden, geht nicht <strong>auf</strong> bloßwillkürliche Einzel- oder Gruppenentscheidungen zurück, sondern hängt vorallem von objektiven Gegebenheiten ab 176 .Nehmen wir weiter an, ein Erziehungstechnologe suche nach Möglichkeiten,wie Lehrer Regeleinhaltung bei weitgehendem Verzicht <strong>auf</strong> Strafen erreichenkönnen. Die dazu vorgeschlagenen Techniken oder Methoden können zudem gewünschten Ergebnis führen oder auch nicht. Das läßt sich nur empirischfeststellen. Zur Überprüfung müssen <strong>die</strong> Vorschläge zunächst intersubjektiv verständlichsein. Beispielsweise muß klar sein, was unter "Strafen" zu verstehen ist.Die Regeln der intersubjektiven Verständlichkeit und der empirischen Prüfbarkeitsind also keineswegs willkürlich oder beliebig.Wenn ferner <strong>die</strong> Möglichkeit der Übereinstimmung von Behauptungen mitTatsachen nicht bestünde, wäre <strong>die</strong> Forderung nach empirischer Prüfbarkeitsinnlos. Sofern aber <strong>die</strong>se Regel eine Entscheidung zwischen objektiv besserenoder erfolgreicheren und weniger erfolgreichen Erklärungen ermöglicht, dürftesie - trotz möglicher Bedenken, <strong>auf</strong> <strong>die</strong> noch einzugehen sein wird - für <strong>die</strong>Erkenntnisgewinnung bedeutsam sein.Die Auffassung, daß <strong>die</strong> Festsetzung methodologischer Regeln völlig in das175 Vgl. CHALMERS 1986, S. 136; ähnlich POPPER 1973, S. 123 ff.176 Die Existenz solcher objektiver Problemsituationen stellt im übrigen auch ein Argument zugunstendes Realismus dar ( vgl. 2.1.2a). Zum Disziplinproblem vgl. CLOER 1982.68


Belieben der Forschergemeinschaft eines Faches gestellt sei, übersieht zudem,daß auch <strong>die</strong>se Forschergemeinschaft an bestehende und nicht willkürlich änderbareTraditionen mit bestimmten Zielen und Vorgehensweisen gebunden undvon ihnen abhängig ist 177 . Man müßte sonst annehmen, daß jede Forschergemeinschaftsozusagen von vorne anfängt und über alle erforderlichen Regeln selbstentscheidet. Es ist aber auch in der Wissenschaft eher so, daß zahlreiche Regelnübernommen werden, weil sie sich bewährt haben, oder weil man ohne ihreAnnahme nicht in <strong>die</strong> Gemeinschaft <strong>auf</strong>genommen würde. Eine solcheFestlegung <strong>auf</strong> Traditionen muß nicht notwendig und immer vorteilhaft für <strong>die</strong>Erkenntnis sein. Da man aber nicht alle Regeln <strong>auf</strong> einmal in Frage stellen kann,ohne damit auch seine Beurteilungsgrundlagen zu verlieren und handlungsunfähigzu werden, wird man stets nur jene Regeln zur Diskussion stellenkönnen, <strong>die</strong> gerade als besonders problematisch gelten.Ohne mehr oder weniger feststehende Maßstäbe kann es keine Wissenschaftgeben. Es wäre so, als sollten Techniker <strong>auf</strong> ihre Normen und Maßstäbeverzichten und sie von Situation zu Situation im Gespräch neu bestimmen. EinZentimeter würde immer wieder etwas anderes sein, weil ja <strong>die</strong> Maßstäbe wechseln.Das würde <strong>die</strong> Technik weit hinter ihren jetzigen Stand zurückwerfen. Esist eine nicht belanglose metatheoretische Regel höheren Typs, bestehendeRegeln, auch wenn sie nicht sämtlichen Ansprüchen genügen können, erst dann<strong>auf</strong>zugeben, wenn bessere Regeln vorliegen 178 .2.2.2 Prüfung und "Wahrheit" von Hypothesen und Theoriena) Logische und empirische Prüfung wissenschaftlicher AussagenWie bereits ausgeführt, geht es bei der logischen Prüfung im Kern um <strong>die</strong>Konsistenz oder Widerspruchsfreiheit von Theorien und Aussagen mit den relevantenKenntnissen eines Gebietes. Werden Widersprüche zwischen Theorienoder zwischen empirischen Befunden entdeckt, kann das zu neuen Problemstellungenführen und so den Erkenntnisprozeß vorantreiben.Logische Analysen können generell zur Klarheit und Überprüfbarkeit vonwissenschaftlichen Texten beitragen. Es können beispielsweise auch verstecktvorgetragene normative Urteile nachvollziehbar gemacht werden, indem man <strong>die</strong>177 Vgl. CHALMERS 1986, S. 169 f.178 Vgl. POPPER 1982, S. 26.69


den jeweiligen Wissenschaftler bestimmenden Wertvoraussetzungen durch logischeAnalyse freilegt 179 . Gerade in der für normative Urteile besonders anfälligenErziehungswissenschaft könnte dadurch verständlich werden, warum ein Autordazu neigt, Argumente oder Daten in einer bestimmten Weise zu interpretieren.Erziehungswissenschaftler könnten natürlich auch selbst ihre außerwissenschaftlichenWertungsgrundlagen nennen, wenn sie im Rahmen deskriptiver Texte entsprechendeWertungen zum Ausdruck bringen möchten. Das mag im Zusammenhangrealwissenschaftlicher Theorien nicht mit der strikten Forderung nachWertfreiheit vereinbar sein, ist aber konsistent mit der hier vertretenen Minimalforderung,daß Werturteile, wenn sie als solche gekennzeichnet werden, auchin wissenschaftlichen Texten zulässig sind 180 .Gerade auch im Bereich der Erziehungsnormen sind logische Prüfungenwichtig. Sie können beispielsweise über unannehmbare Folgerungen oder überWidersprüche zu allgemein anerkannten Grundwerten <strong>auf</strong>klären. Allerdings bedeutetlogische Prüfbarkeit von Normen und Normsystemen sowie auch vonrealwissenschaftlichen Theorien nicht, daß dadurch ein einziges, allein gültigesNormensystem bzw. eine allein wahre Theorie durch <strong>die</strong> Elimination ungültiger<strong>auf</strong>zufinden sei. Denn es kann im Prinzip mehrere, in sich jeweils widerspruchsfreie,einander aber widersprechende Theorien geben. Das ist vermutlichin der Wissenschaftstheorie der Fall. Auch in der Mathematik gibt es einanderwidersprechende, aber in sich widerspruchsfreie Theorien wie euklidische undnichteuklidische Geometrien, Man läßt sie zunächst nebeneinander bestehen undsucht dann nach einer Integrationsmöglichkeit. Logische Konsistenz von Aussagensystemenin sich braucht also nicht zu einem einzigen, am besten bewährtenoder allein gültigen Aussagensystem zu führen.In den Realwissenschaften kommt zur logischen noch <strong>die</strong> empirische Prüfunghinzu. Dadurch sollen im Idealfall bei konkurrierenden Theorien alle <strong>die</strong>jenigenmit geringerem Wahrheitsgehalt eliminiert werden können. Tatsächlichwerden aber, wie beispielsweise in der Psychologie, verschiedene Lerntheoriennebeneinander akzeptiert, weil nicht jede Theorie alle Phänomene gleich guterklären kann und weil der Grad der größeren oder geringeren "Wahrheitsähnlichkeit"181 nicht immer eindeutig feststellbar ist.So ist eine Beziehung zwischen Variablen ist nur indirekt über Beobach-179 Vgl. PRIM/TILMANN 1973, S. 134 ff.180 Vgl. BREZINKA 1978, S. 101 f; PRIM/TILMANN 1973; S. 143 f.; VETTER 1971, S. 15.181 Zur Wahrheitsähnlichkeit vgl. POPPER 1973, S. 67 ff.70


tungsaussagen feststellbar, "indem man ihre singulären Konsequenzen untersucht.Weil aber jede allgemeine Aussage eine unendliche Klasse singulärerKonsequenzen festlegt, kann sie durch sie nicht endgültig und vollständigverifiziert, sondern nur mehr oder weniger gestützt werden ..." 182 .Die Forderung nach Prüfbarkeit besagt außerdem nicht, daß jeder Satztatsächlich logisch oder empirisch geprüft sein muß, sondern nur, daß jeder Satzprinzipiell nachprüfbar sein soll. Es sollte also in einer wissenschaftlichenTheorie keine Annahmen geben, "<strong>die</strong> einfach hingenommen werden müssen,weil es aus logischen Gründen nicht möglich ist, sie nachzuprüfen" 183 .b) Bedeutung und Problematik strenger PrüfungenDie Forderung nach empirisch prüfbaren Theorien stößt bei Erziehungstheoretikernhäufiger <strong>auf</strong> Ablehnung. Das ist verständlich, wenn man bedenkt,daß geisteswissenschaftliche Erziehungstheorien von Empirikern nicht selten unberechtigtund pauschal wegen unzureichender Prüfbarkeit zurückgewiesen wordensind. Mißverständnisse enstehen auch dadurch, daß sich in den verschiedenenRichtungen jeweils eigene Fachsprachen entwickelt haben, <strong>die</strong> <strong>die</strong> Kommunikationerschweren. Das verdeutlicht, wie wichtig Verständlichkeit ist.Es gibt durchaus triftige Einwände, <strong>die</strong> gegen eine Überschätzung der Möglichkeitenempirischer Prüfverfahren anzuführen sind. So ist unsere Wahrnehmungnicht fotografisch, sondern stets schon theoriegetränkt. Es können daheretwa <strong>auf</strong>grund gemeinsamer Vorurteile, optischer Täuschungen, Meßfehlernusw. - Irrtümer unterl<strong>auf</strong>en. Beobachtungssätze können also nicht "letzte Sätze"sein, <strong>auf</strong> <strong>die</strong> sich Urteile mit absoluter Sicherheit bauen ließen 184 . Sie sind"objektiv kritisierbar" in dem Sinn, daß man sie relativ leicht intersubjektiv kontrollierbarnachprüfen kann 185 . Auch wenn sie keine absolute Sicherheit gewähren,zeigt <strong>die</strong> Forschungspraxis doch, daß <strong>die</strong> wissenschaftliche Erkenntnis weiteher durch Beobachtungserlebnisse als durch Evidenzerlebnisse gefördert wird.Insbesondere sollte sich durch empirische Prüfungen <strong>die</strong> Zuverlässigkeitunseres Wissens steigern lassen. Je zuverlässiger unser Wissen über Regelhaftigkeitenist, umso eher und mit umso sichererem Erfolg können wir es auchpraktisch verwenden. Die entscheidende Frage ist, welche Art von Prüfungen amzuverlässigsten und zutreffendsten sind. Verdeutlichen wir das Problem an einem182 HEMPEL 1980, S. 99.183 POPPER 1982, S. 21.184 Vgl. POPPER 1982, S. 60 ff.185 Ebenda, S. 76.71


Beispiel: Bei Therapieversuchen wurden mehr als doppelt so viele "Erfolge"gemeldet, wenn <strong>die</strong> Kontrolle in qualitativen Beurteilungen bestand, als beigenauer, direkter Verhaltensbeobachtung. Bei Anwendung weiter verschärfterTests verringerte sich <strong>die</strong> Zahl der "Erfolge" nochmals um über <strong>die</strong> Hälfte 186 . Istnun das strenge Kriterium auch das genauere und zuverlässigere? Vielleichtwerden bei der qualitativen Beurteilung ja Besserungssymptome bemerkt, <strong>die</strong> beiverschärften Tests unbeachtet bleiben 187 . Und vielleicht sind <strong>auf</strong> Dauer gerade<strong>die</strong>se Symptome von Bedeutung. Jedenfalls sollte man sich nicht dar<strong>auf</strong>verlassen, daß ein möglichst scharfer empirischer "Gendarm" immer <strong>die</strong> bestenEntscheidungen trifft. Sicher dürfte sich der Bewährungsgrad unseres Wissensüber Erziehung am ehesten durch empirische Überprüfungen vergrößern, aber<strong>auf</strong>grund unzureichender Prüfungsmethoden können irrtümlich auch an sichzutreffende Hypothesen verworfen werden. Das ist ein Grund, warum mancheVertreter der geisteswissenschaftlichen Pädagogik <strong>die</strong> Empirie als ein <strong>die</strong>Erkenntnis auch begrenzendes Instrument betrachten 188 .Die Bedenken gegen derartige Einengungen sind ja nicht unbegründet.Wenn man zu sehr <strong>auf</strong> strengen Prüfungen besteht, kann das zu einer Vernachlässigungwichtiger Untersuchungsgegenstände führen, bei denen nur relativungenaue oder qualitative Forschungsergebnisse zu erwarten sind 189 . Das Strebennach größtmöglicher empirischer Absicherung trägt ferner dazu bei, daß mutigeund interessante Hypothesen allzu leichtfertig verworfen oder gar nicht erst veröffentlichtwerden. Daher ist es auch zu verstehen, wenn heute in den Sozialwissenschaftenein "erweitertes Empirieverständnis" gefordert wird, nach dem "Empirieals Sammelbegriff für jegliche Art begründeter und methodisch kontrollierterErfahrungsbildung, soweit sie <strong>die</strong> Auszeichnung empirischer Wahrheitenermöglichen", verstanden wird 190 .Es ist also durchaus verständlich, wenn geisteswissenschaftliche Erziehungstheoretikerimmer wieder eingewendet haben, das Beharren <strong>auf</strong> empirischerPrüfbarkeit erziehungswissenschaftlicher Theorien könne dazu führen, daß186 Vgl. SULZBACHER 1979.187 Vgl. dazu POLANYI 1974, S. 118 f.188 Vgl. z.B. XOCHELLIS 1975, S. 13 u. 15; MEINBERG 1979, S. 227.189 DÖRNER 1983.190 ASCHENBACH/ BILLMANN-MAHECHA/ STRAUB/ WERBIK 1983, S. 127; vgl. fernerSCHWEMMER 1983; SEILER 1987; HAMILTON/ JENKINS/ KING/ MacDONALD/ PARLETT1977. Auch William JAMES' "Radical Empiricism" (1976), den er vor allem <strong>auf</strong>grund derProbleme seiner religionspsychologischen Untersuchungen vorgeschlagen hat, wäre hier zunennen; vgl. dazu auch HERMS 1976.72


wichtige Einsichten in das Menschliche, <strong>die</strong> nicht oder nicht hinreichend geprüftwerden können, <strong>auf</strong>gegeben werden müssen 191 . Das spezifisch Menschliche entziehesich jeder Prüfung und erschließe sich nur "tieferer Einsicht". Das magmanchmal durchaus zutreffen, aber gerade ein Beispiel, mit dem BOLLNOW dasverdeutlichen will, zeigt, daß - wenngleich nicht ausschließlich - auch der Hermeneutikernach Gesetzen sucht, <strong>die</strong> mehr oder weniger streng prüfbar sind.BOLLNOW fragt in seinem Beispiel, welche "Bedeutung ein dem Kind entgegengebrachtesVertrauen für ... Erziehung hat, welche ... Wirkungen umgekehrtdas Mißtrauen ..." 192 . Er meint, daß "<strong>die</strong>se Zusammenhänge, wenn man sie einmalerfaßt hat, von innen her einsichtig" sind 193 . Eine empirische Prüfung <strong>die</strong>ser"Einsicht" hält er nicht nur für überflüssig, sondern für unmöglich, weil aus ethischenGründen <strong>die</strong> Wirkungen des Mißtrauens nicht experimentell untersuchtwerden könnten. Es ist zwar richtig, daß dem Experiment hier Grenzen gesetzt sind,aber <strong>die</strong> Annahme einer gesetzmäßigen Beziehung kann - mit Einschränkungen -auch durch "ex post-facto"-Untersuchungen geprüft werden, d.h. man prüft anvergangenen, nicht vom Experimentator beeinflußten Fällen aus dem Alltag, indenen Educanden Mißtrauen entgegengebracht wurde, ob und in welchem Ausmaß<strong>die</strong> vermuteten Wirkungen tatsächlich eingetreten sind 194 . Es ist also nicht so, daß<strong>die</strong> empirische Erziehungswissenschaft "solche Zusammenhänge aus dem Umkreiseiner pädagogischen Wissenschaft von vornherein" ausschließen muß 195 .Geisteswissenschaftler betonen nicht selten, in der Hermeneutik eine derEmpirie überlegene Methode zu besitzen. Wo <strong>die</strong> Hermeneutik heute aber weiterausgearbeitet wird, läuft <strong>die</strong>s <strong>auf</strong> eine Einbeziehung empirischer Verfahren bzw. <strong>auf</strong><strong>die</strong> Ausarbeitung neuer qualitativer empirischer Verfahren hinaus 196 . SofernErziehungstheoretiker <strong>auf</strong> mehr oder weniger strenge empirische Prüfungenverzichten, ist <strong>die</strong> Wahrscheinlichkeit groß, daß sie das Risiko methodisch kaum zukontrollierender Irrtümer eingehen. Es dürfte im allgemeinen nicht vorteilhaft für<strong>die</strong> Erkenntnis der Wirklichkeit sein, wenn <strong>die</strong> "höheren Dimensionen desPädagogischen" der zugegebenermaßen partiellen Blindheit der Empirie vorgezo-191 Vgl. KIUCHI 1990, S. 99 und passim.192 BOLLNOW 1969, S. 27.193 Ebenda.194 Dar<strong>auf</strong> weist auch BOLLNOW selbst hin. Zu <strong>die</strong>sem Verfahren siehe MAYNTZ/HOLM/HÜBNER 1974, S. 186 f. Zur Problematik von ex-post-facto-Untersuchungen vgl. COOK/CAMPELL 1979.195 BOLLNOW 1969, S. 27.196 Vgl. REICHERTZ 1986; SOMMER 1987.73


gen werden 197 .Der Ansicht, nicht der Empirie, sondern der "inneren Erfahrung" 198 , <strong>die</strong> alsein "Schauen und Deuten der erzieherischen Grunderscheinungen und -verhältnisse" <strong>auf</strong>gefaßt wird 199 , sei zu vertrauen, dürfte ein übersteigertes oderunzutreffendes Empirieverständnis zugrunde liegen. Es geht ja nicht darum, nurdas als wirklich anzuerkennen, was man sehen, greifen oder fühlen kann. DieKonstruktion und Deutung von Vorstellungen oder Theorien der "erzieherischenGrunderscheinungen" eines Bereichs ist vielmehr genau <strong>die</strong> Aufgabe, <strong>die</strong> sichauch <strong>die</strong> empirisch-analytische Erziehungswissenschaft stellt und zu lösen sucht.Solche Theorien erklären einen Phänomenbereich dann in befriedigenderer Weise,wenn ihre Folgerungen sich immer wieder empirisch bewähren und nicht nur<strong>auf</strong> ungeprüften oder unprüfbaren Behauptungen beruhen. Freilich ist es stets nureine (vorläufige) Erkenntnis eines Aspektes eines Erziehungsphänomens, <strong>die</strong>dabei erreicht wird. Wer behauptet, das Schauen ermögliche es, "denGegenstand der Erziehungswissenschaft in seiner vollen Realität zu sehen", dürfteeinem Irrtum erliegen 200 . Außerdem dürfte letztlich doch am ehesten durchsorgfältige empirische Prüfungen herauszufinden sein, ob <strong>die</strong> durch "Schau"gefundenen Aussagen auch der Realität gerecht werden.Ob eine Erkenntnis durch "Schau" oder Intuition oder Sinneswahrnehmungund gedankliche Konstruktion zustande kommt, ist unwesentlich. In allen Fällenkann man sich täuschen. Was als Intuition oder Einsicht bezeichnet wird, istvermutlich das Ergebnis unbewußter Denkoperationen, <strong>die</strong> als plötzliche Einfälleoder Ideen im Bewußtsein <strong>auf</strong>tauchen 201 . Ob jedoch eine Theorie <strong>auf</strong>grund vonBeobachtungen und Überlegungen konstruiert oder ob sie intuitiv "erschaut"wurde, in jedem Fall sollte <strong>die</strong> Theorie empirisch geprüft werden 202 . Empirischprüfbaren Erkenntnisansprüchen kommt in der Wissenschaft ein berechtigterVorrang zu 203 . Nicht das unmittelbare psychische Erlebnis oder <strong>die</strong> subjektiveErfahrung eines einzelnen Individuums entscheidet also über den Wahrheitswerteiner Aussage, sondern erst <strong>die</strong> empirische Prüfung, d.h. eine Reihe von197 ROMBACH 1967, S. 51; ähnlich DERBOLAV 1978, S. 341; REICH 1978, S. 124; HANSEL1989, S. 111-112.198 Zur Unterscheidung von innerer und äußerer Erfahrung siehe WOHLGENANNT 1969, S. 153 ff.199 RÖHRS 1967, S. 3.200 DANNER 1981, S. 143.201 Zu Intuition oder Einsicht vgl. BASTICK 1982; KLIX 1971, S. 389 ff.; LEHNER 1979, S. 76 ff.202 Zur Intuition und anderen Arten der Erfahrung vgl. WOHLGENANNT 1969, S. 156 ff. sowie V.KRAFT 1973, S. 22 ff.203 Vgl. WOHLGENANNT 1969, S. 118; V. KRAFT 1973, S. 27.74


Beobachtungserlebnissen. Sofern <strong>die</strong> geisteswissenschaftliche Pädagogik <strong>auf</strong><strong>die</strong>se Prüfung verzichtet, begibt sie sich in <strong>die</strong> Gefahr, sich - wiegeisteswissenschaftliche Pädagogiker zum Teil selbst eingestehen 204 - in weithin"leeren Formulierungen" und "in mehr oder weniger belanglosen und ungeprüftenempirischen Trivialitäten" zu verlieren 205 .c) Zur Frage der "Wahrheit"Wer Erkenntnis möchte, der geht in der Regel auch von der Annahme aus, daßTheorien wahr bzw. mehr oder weniger wahrheitsähnlich sein können. Nun ist <strong>die</strong>Wahrheit von Aussagen und Theorien nicht ganz einfach feststellbar. Wenn unsereBeobachtungen theoriegeleitet und theoriendurchtränkt sind, dann, so könnte manannehmen, gelten unsere Beobachtungen nur im Rahmen jeweils vorausgesetzterTheorien 206 . Da es aber doch vorkommt, daß empirische Prüfungen mittels Beobachtungzur Widerlegung von Theorien führen, weil Folgerungen aus ihnen mitden Beobachtungsaussagen kolli<strong>die</strong>ren, muß man annehmen, daß Beobachtungenkeineswegs vollständig durch <strong>die</strong> zu prüfenden Theorien determiniert sind 207 .Die Unerreichbarkeit absoluter Wahrheit 208 wird von manchen Kritikernzum Anlaß genommen, das Ziel, wahre erziehungswissenschaftliche Theorien zukonstruieren, als völlig aussichtsloses Unterfangen darzustellen 209 . Die Schwierigkeitender Theorienbildung in der Erziehungswissenschaft seien unüberwindbar.Weil Theorien sich <strong>auf</strong> "reine" oder "ideale" Fälle beziehen und nur seltenvollständige Erklärungen ermöglichen, wird <strong>die</strong> "Seltenheit und Inhaltsarmut derim Bereich der Erziehung nachweisbaren Gesetzmäßigkeiten" behauptet. Darausresultiere <strong>die</strong> weitgehende "Unmöglichkeit und Abstraktheit einer Theorienbildungfür den Gegenstandsbereich der Erziehung"; sie sei "zumindestunzweckmäßig, wenn nicht ungültig ..." 210 .Diese Argumentation ist m.E. unzutreffend und auch inkonsequent. Wennman davon ausgeht, daß <strong>die</strong> Übereinstimmung von "Gesetzeshypothesen mitempirischen Gleichförmigkeiten ... prinzipiell zufällig" sei 211 , dann könnten204 Vgl. z.B. KLAFKI 1971, S. 362 f.; DAHMER 1969, S. 22; 1970; ZENKE 1972, S. 124 ff.205 KÖNIG 1975, Bd. 1, S. 122.206 Vgl. HÜBNER 1986, S. 280; FEYERABEND 1970, S. 321 f.207 Vgl. CHALMERS 1986, S. 137; SCHEFFLER 1967, S. 42 ff.208 Vgl. POPPER 1973, S. 67 f..209 Vgl. z.B. BENNER 1978, S. 190 ff.; MEINBERG 1979, S. 57 f.; STRAUSS 1976.210 BENNER 1978, S. 191.211 Ebenda 1978, S. 192. BENNER zitiert hier HABERMAS 1966, S. 292.75


Theorien nicht in einem gewissen Grad konsistent empirisch bestätigt oderwiderlegt werden. Das ist aber der Fall. Wenn es keine oder nur sehr "seltene"Gesetzmäßigkeiten gäbe, hätte niemand einen Grund, gegen <strong>die</strong> "perfekte technologischeManipulation" 212 zu polemisieren, <strong>die</strong> ja bei nicht vorhandenen odernur sehr seltenen Gesetzmäßigkeiten kaum möglich sein dürfte.Wenn nun auch den Ergebnissen empirischer Erziehungswissenschaft keineendgültige Sicherheit oder Wahrheit zukommen kann, wird <strong>die</strong>ser Mangel anSicherheit doch durch einen Vorteil <strong>auf</strong>gewogen. Denn <strong>auf</strong>grund derUnsicherheit bleibt das Denken über Erziehungsphänomene beweglich. Eserstarrt nicht in unfruchtbarer Überheblichkeit, <strong>die</strong> der Glaube an angeblicheewige Wahrheiten hervorbringen könnte.Die Forderung nach empirisch prüfbarer Wahrheit oder Wahrheitsähnlichkeiterziehungswissenschaftlicher Theorien scheint unverzichtbar, wenn unserWissen über Erziehung verläßlicher und der Informationsgehalt von Erziehungstheorienreicher werden sollen. Ob eine Theorie mehr Information über einenSachverhalt gibt als eine andere, kann wohl nicht in erster Linie vom besonderenWissen, der Autorität oder der Einsicht eines Menschen abhängen. Trotz allerUnsicherheiten, <strong>die</strong> mit empirischen Prüfungen verknüpft sind, dürfte <strong>die</strong>Übereinstimmung einer Theorie mit den Tatsachen, <strong>die</strong> wir in der Wirklichkeitvorfinden, unsere zuverlässigste Quelle der "Wahrheit" sein. Wenn man <strong>die</strong>Theorien der verschiedenen pädagogischen Richtungen - soweit <strong>die</strong>s eben möglichist - empirischen Prüfungen unterwerfen würde, könnte einerseits <strong>die</strong>Ausscheidung ungenügender und andererseits <strong>die</strong> Konstruktion von zunehmendbefriedigenderen Theorien sehr gefördert werden.d) Prüfung von ErziehungsnormenNeben der empirischen Überprüfung der Realisierbarkeit und der Folgenvon Erziehungsnormen lassen sich <strong>auf</strong> logischem Wege <strong>die</strong> Ableitung, interneWidersprüche und normative Kollisionen von Erziehungsnormen untersuchen.Erziehungsnormen können nicht aus der Beobachtung oder Beschreibungder Wirkung von Erziehungshandlungen abgeleitet werden. BOLLNOW meintbeispielsweise, <strong>die</strong> Wirkung des Mißtrauens führe "notwendig ... zur Forderung",daß Mißtrauen nicht sein solle 213 . Es mag vom Gefühl her unmittelbar212 BENNER 1978, S. 199.213 BOLLNOW 1971, S. 703.76


einleuchtend erscheinen, daß Mißtrauen in der Erziehung etwas so Häßliches undmoralisch Verwerfliches sei, daß man es als Erzieher nicht <strong>auf</strong>kommen lassen,geschweige denn als Mittel einsetzen sollte. Diese Forderung ergibt sich jedochnicht unmittelbar aus den ungünstigen Wirkungen des Mißtrauens, sondern ausden Wertungsvoraussetzungen, <strong>die</strong> man zur Beurteilung <strong>die</strong>ser Wirkungenheranzieht. Wer beispielsweise der Auffassung ist, daß <strong>die</strong> Wirkung desMißtrauens gegen <strong>die</strong> Würde des Menschen verstoße, <strong>die</strong>se Würde aber unbedingterhalten werden solle, kann unter <strong>die</strong>ser Voraussetzung logisch korrektfolgern, daß Mißtrauen nicht sein soll. Um eine solche Forderung aus logischenGründen erheben zu können, braucht man also eine normative Prämissedergestalt, daß Handlungen, <strong>die</strong> bestimmte Wirkungen hervorbringen können,nicht ausgeführt werden sollen.Bei verschiedenen Wertungsvoraussetzungen sind selbstverständlich verschiedeneForderungen möglich. Wer das Mißtrauen und seine Wirkungen ineinem bestimmten Fall als moralisch schlecht bewertet, weil er es <strong>auf</strong>grund seinerfrüheren Erfahrungen und moralischen Maßstäbe so erlebt, fordert vermutlich,es in der Erziehung nicht anzuwenden. Ein anderer, vielleicht gerade derMißtrauische selbst, mag es dagegen als moralisch gerechtfertigt erleben und dasMißtrauen daher positiv bewerten; er fordert vielleicht sogar, Mißtrauen alsMittel anzuwenden. Der Vergleich solcher unterschiedlicher Werteinstellungenzeigt uns, daß weder <strong>die</strong> moralische Wertung noch <strong>die</strong> normative Forderung inder Sache selbst enthalten sind.Die Kritik unzulässiger Ableitungen von Erziehungsnormen oder vonWertungen ist wichtig, weil <strong>die</strong> "Motivationskraft von Werturteilen ... erheblichgesteigert [werden kann], wenn sie nicht unter ihrer echten Flagge, sondern inder Verkleidung als objek-tive Tatsachenaussagen <strong>auf</strong>treten, <strong>die</strong> wissenschaftlichgesichert und vom Wollen aller Beteiligten unabhängig sind" 214 .Ferner ist <strong>die</strong> Untersuchung von logischen Widersprüchen zwischen verschiedenenErziehungsnormen von Bedeutung. So konnte John WHITE zeigen,daß <strong>die</strong> Forderung nach Neutralität des liberalen Staates nicht <strong>auf</strong>rechtzuerhaltenist. Da der liberale Staat aus Prinzip niemandem vorschreibt, wie er leben soll,muß er jeden ertüchtigen, selbständig Entscheidungen in <strong>die</strong>ser Hinsicht zutreffen. Damit gibt der Staat aber seine Neutralität <strong>auf</strong>, was sich dann zeigt, wennes staatlicherseits zu Konflikten mit Gemeinschaften kommt, <strong>die</strong> ihre Kinder214 TOPITSCH 1965, S. 67.77


gerade nicht zur Selbständigkeit, sondern zur Abhängigkeit und blindenBefolgung von Traditionen erziehen möchten 215 . Grundsätzlich entsteht jedochbei der Untersuchung von Normsystemen das Problem, daß <strong>die</strong> Folgerungsmengennicht vollständig expliziert und damit auch nicht im einzelnen alle möglichenWidersprüche nachgewiesen werden können.2.2.3 Begründung und Verwerfung von Hypothesen und Theoriena) Widerspruchsfreiheit, Bewährung und vernünftige VerwerfungSätze, Hypothesen und Theorien der Erziehungswissenschaft können alsologisch und/oder empirisch geprüft werden. Wenn eine Hypothese beispielsweiseim Widerspruch zu gut bewährten Gesetzesaussagen oder Theorien steht, istanzunehmen, daß <strong>die</strong> Hypothese falsch ist. Sollte sie sich dennoch bewähren, soentsteht ein neues Problem: Wie kommt es zu <strong>die</strong>sem Widerspruch und wie kanner beseitigt werden? Widerspruchslosigkeit ist allerdings nur eine notwendige,aber keine hinreichende Bedingung für <strong>die</strong> Wahrheit oder Wahrheitsähnlichkeitvon Theorien; sie müssen - soweit <strong>die</strong>s eben möglich ist - auch empirischbestätigt sein 216 .Hinsichtlich empirischer Prüfmethoden gibt es zwei unterschiedliche Auffassungen.Einerseits versucht man Theorien und Hypothesen als falsch zuerweisen (zu falsifizieren) 217 und andererseits durch fortgesetzte empirischeBestätigung zu bewähren 218 . Auch nicht-universelle, d.h. räumlich und zeitlicheingeschränkte Gesetzesaussagen und aus ihnen <strong>auf</strong>gebaute Theorien beziehensich <strong>auf</strong> eine zumindest unbestimmte und daher nicht vollständig prüfbare Zahlvon Fällen; auch sie können nicht als endgültig wahr erwiesen werden. Statt denirreführenden Begriff der Verifikation verwendet POPPER daher den wenigeranspruchsvollen Begriff der Bewährung 219 . Eine Theorie ist umso besser bewährt,je strengeren Falsifikationsversuchen sie standgehalten hat. Dabei ist zu215 Vgl. John WHITE 1990, S. 22.216 Vgl. POPPER 1973, S. 65 ff.217 Zur Falsifikation siehe POPPER 1982, S. 47 ff. Schon Claude BERNARD (1813-1878), derBegründer der modernen Physiologie, hat <strong>die</strong>ses Verfahren vorgeschlagen (vgl. KOLAKOWSKI1971, S. 89 ff.).218 Dieses Verfahren kann auch als eingeschränkte Induktion bezeichnet werden. Man schließt voneinem oder wenigen Fällen <strong>auf</strong> unbeschränkt viele bzw. alle. Ausführlicher hierzu STEGMÜLLER1971. Zur Kritik am Induktivismus vgl. insbesondere POPPER 1973, S. 13 ff.; zur Diskussion verschiedenerPositionen siehe CHALMERS 1986, S. 39 ff.219 Vgl. POPPER 1982, S. 198 ff..78


edenken, daß auch <strong>die</strong> Falsifikation einer Theorie strenggenommen selbst inden Naturwissenschaften nur selten letztgültig sein kann 220 . In der Praxis führt sienur selten zur Verwerfung einer Theorie, da zunächst immer versucht wird, <strong>die</strong>Theorie zu verbessern 221 .Bei den in der Erziehungswissenschaft üblichen probabilistischen Hypothesenist eine Falsifikation ohnehin schwierig, da es ja immer Fälle gibt, <strong>die</strong> mitder Hypothese nicht übereinstimmen 222 . Man kann daher statt von Widerlegungoder Falsifikation auch von einer "vernünftigen Verwerfung" sprechen 223 . Wie <strong>die</strong>Revision ein Fehlurteil <strong>auf</strong>heben kann, wenn neue Fakten vorliegen, kann aucheine vernünftige Verwerfung rückgängig gemacht werden 224 .b) Zur Bewährung normativer AussagenWenn <strong>die</strong> Aufgabenbereiche der Erklärung von Erziehungsphänomenen, derErziehungstechnologie und der Konstruktion und Analyse von Erziehungsnormennicht als autonom, sondern als voneinander abhängig betrachtet werden,und wenn in <strong>die</strong>sen Aufgabenbereichen im wesentlichen <strong>die</strong> gleichen Kriteriengelten, wird man auch eine Art der Bewährung bei hypothetischen Normkonstruktionenerwarten müssen. Nun kann man normative Aussagen und Systemeals solche nicht <strong>auf</strong> ihren Wahrheitsgehalt hin prüfen (das ist nur im Hinblick <strong>auf</strong>ihre empirischen Anteile möglich). Aber Normsysteme und hypothetischeNormvorschläge können sich insofern empirisch bewähren, als sie realisierbaroder nicht realisierbar sein können und Folgen für <strong>die</strong> Educanden, <strong>die</strong> Erzieherund <strong>die</strong> Gesellschaft haben, <strong>die</strong> im Hinblick <strong>auf</strong> übergeordnete Bewährungskriterienuntersucht werden können.Solche Bewährungskriterien wären in der Pädagogik zu entwickeln. EinBeispiel dafür ist folgendes, von NOHL formulierte Kriterium: "Welchen Sinnbekommt <strong>die</strong> Forderung [<strong>die</strong> Erziehungsnorm] im Zusammenhang des Lebens<strong>die</strong>ses Kindes [oder aller Kinder], für seinen [ihren] Aufbau und <strong>die</strong> Steigerungseiner [ihrer] Kräfte, und welche Mittel hat [haben] <strong>die</strong>ses Kind [<strong>die</strong>se Kinder],um sie zu bewältigen?" 225 Zu berücksichtigen ist allerdings, daß solche Kriterienoder Prinzipien, an denen Erziehungsnormen sich zu bewähren hätten, nicht220 Vgl. LAKATOS 1971; JUHOS 1970; POPPER 1982, S. 73 ff.; CHALMERS 1986, S. 72 ff.221 Vgl. POPPER 1982, S. 425 f. und passim.222 Zur Falsifikation probabilistischer Hypothesen vgl. ebenda, S. 155 (Anm).223 STEGMÜLLER 1971, S. 40 f.; ähnlich BREZINKA 1978, S. 134.224 Vgl. STEGMÜLLER 1971, S. 40 f.225 NOHL 1963, S. 127 (Hinzufügungen in Klammern H.L.).79


Erkenntnisse, sondern nur "Konstruktionen der praktischen Vernunft ohne Erkenntnisanspruch"sein können und rational diskutierbar bleiben müssen, alsonicht dogmatisiert werden dürfen 226 .2.3 SchlußfolgerungenDas vielleicht folgenreichste Ergebnis der erkenntnistheoretischen Diskussionder letzten Jahrzehnte dürfte in der Verbreitung der Einsicht liegen, daß eskeine absoluten Grundlagen der Wissenschaft gibt. Die Wissenschaft isthistorisch geworden, sie ist eine Folge menschlicher Suche nach Erkenntnis, einErgebnis forscherischen Tuns. Jeder Anspruch <strong>auf</strong> einen allein gültigen Wissenschaftsbegriffwird dadurch relativiert.Andererseits ist aber auch zu bedenken, daß <strong>die</strong> Wissenschaft <strong>auf</strong>grundihres historischen Werdensprozesses in einen sehr viel breiteren Zusammenhangvon Zielen, Auffassungen, <strong>Institution</strong>en und anderen Ordnungssystemeneingebunden ist 227 . Wenn es schon schwierig sein dürfte, <strong>die</strong> relativ begrenzt undunbedeutend erscheinenden Gruß- oder Hygienegewohnheiten zu ändern, dürfteeine <strong>Institution</strong> wie <strong>die</strong> Wissenschaft noch weit weniger der Beliebigkeit irgendwelcherAuffassungen unterworfen sein. Sicher ist sie nicht unveränderbar, aberÄnderungsbestrebungen müssen im Systemzusammenhang ihrer Ziele undMethoden vermutlich <strong>auf</strong> Optimierungen hinausl<strong>auf</strong>en und sich zunächst inEinzelfällen bewähren, wenn sie Aussicht <strong>auf</strong> Durchsetzung haben sollen 228 .So ist es nicht verwunderlich, wenn gemäßigte Relativisten unter den Wissenschaftstheoretikerndavon ausgehen, daß Auffassungen nicht akzeptiert werdenkönnten, "gemäß denen <strong>die</strong> eine Theorie so gut ist wie <strong>die</strong> andere und nach denenalles eine Frage der subjektiven Meinung oder unserer subjektiven Wünsche ist ...".Es ist vom "Standpunkt des Realismus ... aus gesehen ... der Sinn einer jedenTheorie, einige Aspekte der Wirklichkeit in den Griff zu bekommen" 229 .Der in <strong>die</strong>ser Arbeit zugrunde gelegte empirisch-analytische Wissenschaftsbegriffdürfte <strong>die</strong> wesentlichen Merkmale der heutigen Natur- und Sozialwissenschaftenbeschreiben. Er kann nach der hier vertretenen Auffassung <strong>auf</strong> <strong>die</strong> Pädagogikals Ganze Anwendung finden. Dabei wird <strong>die</strong> manchen pädagogischen226 Vgl. ALBERT 1972, S. 241.227 Vgl. HÜBNER 1986, S. 392 ff.228 Vgl. ebenda, S. 394.229 CHALMERS 1986, S. 201.80


Richtungen zumindest partiell zugrunde liegende idealistische Ontologie samt denentsprechenden Sinnfindungsmethoden in Frage gestellt. Selbst wenn <strong>die</strong>möglichen Sinninterpretationen von Erziehung in gewissem Sinn gefunden oderentdeckt werden können, nämlich als Gegenstände der "Welt 3", der Welt derkulturellen Erzeugnisse des Menschen, läßt sich daraus nicht <strong>die</strong> normative Geltung<strong>die</strong>ser Sinninterpretationen ableiten. Sinninterpretationen von Erziehung könnennicht wissenschaftlich begründet, sie können nur hypothetisch vorgeschlagen unduntersucht werden. Daraus folgt allerdings nur, daß Erziehungsideale alsmenschliche Konstruktionen ohne Erkenntnisanspruch zu betrachten sind. Inwelchem Zusammenhang sie auch gefunden, erfunden oder konstruiert wordensind, in jedem Fall können sie Gegenstand kritischer und wissenschaftlicherUntersuchungen werden. Die Frage jedoch, ob sie in der Erziehung gelten sollenoder nicht, fällt nicht in den Bereich wissenschaftlich untersuchbarer Aufgaben.Aus der Tatsache, daß es keine absoluten Grundlagen der Wissenschaft gebenkann, folgt ferner, daß ein Standpunkt, von dem aus man alles, was damit nichtvereinbar ist, als Nicht-Wissenschaft beurteilt, nur dogmatisch <strong>auf</strong>rechtzuerhaltenist. Das bedeutet nicht, daß man seine wissenschaftstheoretische Position nicht klarbestimmen dürfte, sondern nur, daß es fragwürdig ist, wenn man sie zu einerIdeologie macht, um Wissenschaftlern mit abweichenden Positionen grundsätzlichden Wert ihrer Arbeit zu bestreiten (vgl. 1.3). Allgemeine Urteile <strong>auf</strong>grund derUntersuchung ontologischer und methodologischer Voraussetzungen mögen zwarnicht unbegründet und unberechtigt sein, aber letztlich ist nur durch <strong>die</strong> genaueAuseinandersetzung mit den Theorien oder Aussagen der kritisierten Positionen imeinzelnen herauszufinden, was sie leisten können 230 .Zusammenfassend bleibt festzuhalten, daß <strong>die</strong> metatheoretischen Grundlagender empirisch-analytischen Erziehungswissenschaft zwar relativ, aber nicht beliebigsind und <strong>auf</strong> <strong>die</strong> Pädagogik als Ganze angewandt werden können. Sie schließenneben dem deskriptiv-nomologischen Aufgabenbereich auch <strong>die</strong> hypothetischeNormkonstruktion und -analyse ein; sie sind aber nicht mit wertenden,normfindenden oder normerkennenden Positionen und Methodologien vereinbar,auch wenn <strong>die</strong> Ergebnisse <strong>die</strong>ser Positionen Gegenstand ihrer Untersuchung seinkönnen (wie auch umgekehrt <strong>die</strong> Ergebnisse empirisch-analytischer Pädagogikzum Gegenstand der Analyse anderer Richtungen genommen werden könne230 Vgl. ebenda, S. 202.81


3. Gegenstand und Aufgaben der ErziehungswissenschaftNachdem nun geklärt worden ist, was hier unter empirisch-analytischerWissenschaft verstanden werden soll, wird in <strong>die</strong>sem Teil zu den ProblemenStellung genommen, <strong>die</strong> sich aus der Anwendung <strong>die</strong>ses Wissenschaftsbegriffs<strong>auf</strong> den Gegenstand und <strong>die</strong> Arbeitsbereiche der Pädagogik ergeben. Das ersteKapitel (3.1) befaßt sich mit der Bestimmung des Gegenstands der Erziehungswissenschaftund der Abgrenzung von Aufgabenbereichen. Danach werden <strong>die</strong>zwei umstrittensten Aufgabenbereiche, nämlich <strong>die</strong> Erziehungstechnologie (3.2)und der Bereich der Normkonstruktion und Normanalyse (3.3) ausführlicherdargestellt und diskutiert.3.1 Abgrenzung von Gegenstand und Aufgabenbereichen3.1.1 Der GegenstandsbereichDie Bestimmung des Gegenstandsbereiches einer Disziplin enthält stets einElement der Willkür. Denn was als Gegenstandsbereich einer Wissenschaftbetrachtet wird, beruht im wesentlichen <strong>auf</strong> Tradition und Konvention und damitletztlich <strong>auf</strong> sozialer Setzung. Im Prinzip umfaßt der Gegenstand der Erziehungswissenschaftalle Fragen oder Fragenbereiche, <strong>die</strong> sich im Zusammenhang mitErziehung stellen und <strong>die</strong> man wissenschaftlich zu beantworten versuchen kann(a). Es scheint mir eine irrtümliche Auffassung, der Gegenstand könnewissenschaftstheoretisch und allgemein verbindlich begründet und festgelegtwerden 1 . Allerdings gibt es Grenzen dessen, was wissenschaftlich untersuchbarist. Es kann sich dabei aber nur um eine negative Abgrenzung und nicht um einepositive Bestimmung von Gegenständen handeln (b).1 Vgl. SCHÄFER 1989, S. 50.82


a) Der Gegenstand ergibt sich aus den Problemen der ErziehungDie grundlegenden Probleme, <strong>die</strong> im Zusammenhang mit Erziehung undunter den jeweils gegebenen Umständen <strong>auf</strong>tauchen können, betreffen <strong>die</strong> Zielesowie <strong>die</strong> Mittel zur Erreichung <strong>die</strong>ser Ziele. Ausländerfeindlichkeit, wiedererstarkenderNationalismus, zunehmende Gewalttätigkeit, Drogenkonsum und anderesoziale Erscheinungen sind auch und gerade für <strong>die</strong> Erziehung von Bedeutung.Sie erfordern oft neue Erklärungsansätze neue Zielsetzungen und Mittel.Man wird auch wissen wollen, ob ein angestrebtes Ziel überhaupt erreichbarist oder welche Voraussetzungen erfüllt sein müssen, wenn es erreichbar seinsoll; man kann fragen, welche Nebenwirkungen eintreten können, wenn man einbestimmtes Ziel verfolgt, und ob <strong>die</strong>se Nebenwirkungen zu anderen Zielen oderWerten des Erziehers in Widerspruch stehen usw.Andere Probleme betreffen den Erzieher, <strong>die</strong> Erziehungsmittel, <strong>die</strong> Erziehungsinstitutionenals Mittel, den Educanden, <strong>die</strong> psychischen und sozial-kulturellenBedingungen, in <strong>die</strong> alle <strong>die</strong>se Gegenstände eingebettet sind usw.Die Fragen können sich auch <strong>auf</strong> <strong>die</strong> Beziehungen zwischen den genanntenGegenständen beziehen. Sie werden sich oft aus dem Bemühen um Verbesserungvon Mitteln, vor allem aber aus dem Bestreben um immer genaueres Verständnisder Phänomene selbst ergeben. Dazu benötigt man wissenschaftliche Theorien,<strong>die</strong> nicht nur zur Erklärung gebraucht werden, sondern auch für <strong>die</strong>Mittelverbesserung wichtig sind.Eine genaue Festlegung des Gegenstandsbereiches der Erziehungswissenschaftscheint mir weder möglich noch besonders bedeutsam. Deshalb wird auch<strong>die</strong> Abgrenzung verschiedener Disziplinen unscharf bleiben müssen 2 .b) Die Grenzen erziehungswissenschaftlicher FragestellungenDie Grenzen erziehungswissenschaftlicher Fragestellung ergeben sich ausder logischen Kluft zwischen Sein und Sollen. Die Wissenschaft kann nur dasSeiende erforschen, nicht das Sein-Sollende, denn was sein soll, hängt von unsund unseren Entscheidungen ab, für <strong>die</strong> wir selbst <strong>die</strong> Verantwortungübernehmen müssen 3 .Um sich den Unterschied zwischen Sein und Sollen zu verdeutlichen,braucht man sich nur den Unterschied zwischen Gesetzmäßigkeiten (etwa <strong>die</strong>2 Vgl. auch POPPER 1972, S. 66 ff.3 Vgl. M. WEBER (1904) 1985, S. 151.83


Tendenz, daß leistungsschwache Schüler in kooperativen Gruppen eher Durchschnittsniveauerreichen 4 oder <strong>die</strong> Bedingungen der Entstehung von Erfolgsbzw.Mißerfolgsmotivation 5 ) und Forderungen oder Normen ("Die Schüler sollen...;gesetzliche Vorschriften usw.) zu vergegenwärtigen.In der Pädagogik entstehen zahlreiche Mißverständnisse, weil <strong>die</strong>se Dingeoft nicht hinreichend unterschieden oder <strong>die</strong> Unterschiede verwischt werden. Sobeschreibt eine hypothetisch angenommene Gesetzmäßigkeit eine Regel, <strong>die</strong> sichan der Wirklichkeit entweder bewährt oder nicht bewährt. Deshalb können sichHypothesen, <strong>die</strong> Gesetzmäßigkeiten behaupten, wie: "Wenn empfindsameIndividuen häufigem Tadel und eindeutigen Mißfallensäußerungen ausgesetztwerden, sinkt ihre Selbstwerteinschätzung", in empirischen Prüfungen als wahroder falsch herausstellen. Wenn <strong>die</strong> Hypothesen wahr sind, kann man sie nichtdurch irgendwelche Maßnahmen sozusagen außer Kraft setzen. Man könnte zwar<strong>die</strong> Bedingungen, <strong>die</strong> in der Wenn-Komponente genannt sind, ändern, aber dannwäre <strong>die</strong> Hypothese nicht mehr anwendbar. Wenn dagegen eine der Hypothesenein falscher Satz ist, kann der in ihr beschriebene Wirkungszusammenhang nichterzwungen werden 6 .Bei Forderungen oder Normen herrschen dagegen ganz andere Verhältnisse.Eine Forderung wie: "Schüler sollen im ersten Schuljahr <strong>die</strong> Kulturtechnikenbeherrschen lernen", kann, wenn <strong>die</strong>se Forderung überhaupt realisierbar ist, auchin gewissen Grenzen durchgesetzt werden. Außerdem kann man solcheForderungen ändern, man kann sie als gut oder schlecht, als angemessen oderunangemessen bewerten. Im Unterschied zu Gesetzesaussagen sind Forderungenkeine wahrheitsfähigen Aussagen, weil sie keine Tatsachen beschreiben, sondernRichtlinien des Verhaltens oder Handelns festlegen. Die Einhaltung <strong>die</strong>serRichtlinien kann nicht durch <strong>die</strong> Natur des Menschen oder der Dinge, sondernnur durch gezielte Maßnahmen gesichert werden 7 .Der zentrale Unterschied zwischen Gesetzmäßigkeiten und Forderungen istalso folgender: Forderungen oder Normen beruhen <strong>auf</strong> Entscheidungen, währendTatsachen unabhängig von unseren Entscheidungen existieren. Natürlichschaffen einmal getroffene Entscheidungen ebenfalls Tatsachen, aber <strong>die</strong> Entscheidungenselbst "lassen sich niemals aus Tatsachen (oder aus der Behauptung4 HOFSTÄTTER 1967, S. 85; vgl. ferner SHARAN 1990; SLAVIN 1983; DIETRICH 1991.5 Vgl. MEYER 1973.6 Vgl. POPPER 1970, Bd. 1, S. 91 f.7 Vgl. ebenda, S. 92 f.84


von Tatsachen) herleiten ..." 8 . Die Forderung, daß Kinder lesen lernen sollen,steht in einem grundlegenden Zusammenhang mit der Tatsache, daß Kinder lesenlernen können. Das ist insoweit von großer Bedeutung, als Forderungen sich ja<strong>auf</strong> Tatsachen beziehen. In <strong>die</strong>sem Bezug stellt das Können eine Voraussetzungfür das Sollen dar, wenn man möchte, daß das Sollen realistisch, also zuverwirklichen ist 9 .Aber das Sollen folgt keineswegs aus dem Können. Denn in bezug <strong>auf</strong> <strong>die</strong>Tatsache, daß Kinder lesen lernen können, kann man verschiedene Forderungenstellen. Man kann sich entschließen, <strong>die</strong>se Tatsache, falls sie geändert werdenkann (z.B. - um eine besonders zynische Möglichkeit zu erwähnen - durch einenneurochirurgischen Eingriff) zu ändern. Man kann <strong>die</strong>sem Entschluß derVerhinderung des Lesenkönnens Widerstand entgegenzusetzen und anstelledessen fordern, daß alle Kinder auch tatsächlich lesen lernen. Man kann sich aberauch entschließen, überhaupt nichts zu unternehmen. Tatsachen, ob sie nunveränderlich sind oder nicht, können also immer zu verschiedenen Entscheidungenhinsichtlich dessen, wie sie verändert oder genutzt werden sollen, Anlaßgeben. Das zeigt, daß keine <strong>die</strong>ser Entscheidungen logisch aus den Tatsachenfolgen kann 10 . Daher sind Sollens-Fragen nicht wissenschaftlich beantwortbar.Allerdings kann <strong>die</strong> Erziehungswissenschaft über tatsächliche und möglicheErziehungsnormen, über Bedingungen ihrer Realisierbarkeit, Nebenfolgen ihrerVerwirklichung usw. informieren (ausführlicher hierzu 3.3).Nur unter der Voraussetzung eines bestimmten Ziels kann man logisch zudem Ergebnis kommen, daß man etwas Bestimmtes tun muß, um <strong>die</strong>ses Ziel zuerreichen. Wenn Folgerungen aus Tatsachenaussagen abgeleitet werden, können<strong>die</strong>se nur den implizierten Inhalt des Obersatzes explizieren. Also kann aus derFeststellung einer Tatsache kein Satz hergeleitet werden, "der eine Norm, eineEntscheidung oder einen Vorschlag für ein bestimmtes Vorgehen ausspricht" 11 .Das vorstehende logische Argument wird meist verwendet, um Auffassungenzu widerlegen, nach denen es möglich sein soll, <strong>auf</strong>grund von Aussagen überSeinszustände Kriterien für das zu finden, "was falsch und was richtig ist" 12 .Doch scheint <strong>die</strong> logische Lösung des Sein-Sollen-Problems unerwartet schwierig.So kommt MORSCHER nach einer Diskussion von Versuchen, "Sollen" aus8 Ebenda, S. 969 Vgl. ALBERT 1972, S. 58.10 Vgl. POPPER 1970, S. 97.11 POPPER 1970, Bd. 1, S. 100; vgl. auch ALBERT 1972, S. 136, Anm. 24.12 BOLLNOW 1969, S. 19.85


"Sein" abzuleiten, und nach einer formal-logischen Prüfung einiger Versuche,<strong>die</strong> Unableitbarkeit von "Sollen" aus dem "Sein" nachzuweisen 13 , zu demErgebnis, daß <strong>die</strong> "bisherigen Unableitbarkeits-Beweise ... nicht stichhaltig"seien 14 . Das bedeutet jedoch logisch nicht, <strong>die</strong> versuchten Ableitbarkeitsbeweiseseien gültig.SEARLE versuchte, Ableitungen durch einen "Trick" zu ermöglichen. Erunterscheidet zwischen "rohen" und "institutionellen" Tatsachen; letztere enthaltenNormen 15 . Aus Aussagen über letztere lassen sich, da stillschweigend einenormative Zusatzprämisse mitgedacht wird, "normative Sätze logisch einwandfrei... deduzieren" 16 . Doch rein logisch zwingt uns nichts zur Annahme einerbestimmten institutionellen Prämisse, "und vor allem zwingt uns nichts dazu, <strong>die</strong>Erfordernisse einer <strong>Institution</strong>, wie selbstverständlich sie auch sein mag und wiesehr sie auch unser gewöhnliches Denken und Reden geprägt haben mag, alsobjektive, innere Ansprüche der Natur der Dinge zu interpretieren" 17 .Selbst wenn nun aus normativen Prämissen präskriptive Aussagen deduziertwerden können, bedeutet das nicht, daß aus allgemeinen Normen spezielle Erziehungszieleabgeleitet werden könnten, da inhaltsreichere nicht aus inhaltsärmerenNormen deduziert werden können; der größere Normgehalt kann nurdurch eine Zusatzprämisse eingeführt werden, <strong>die</strong> ihrerseits eine argumentativeDiskussion und - wenn <strong>die</strong> Norm gelten soll - eine Entscheidung erfordert 18 . Manbraucht aber in der Erziehungswissenschaft gar keine normativen Aussagen zumachen, man kann sich vielmehr <strong>auf</strong> rein hypothetische Normvorschlägebeschränken.Diese Grenze wissenschaftlich entscheidbarer Fragen kann natürlich andersgezogen werden, wenn man von Voraussetzungen ausgeht, wie sie der monistischeIdealismus annimmt (vgl. 2.1.2b). Nur muß man dann auch <strong>auf</strong> Intersubjektivitätund empirische Prüfbarkeit verzichten.Die Begrenzung <strong>auf</strong> das wissenschaftlich Mögliche - im Sinne desRealismus - führt in der Pädagogik also keineswegs dazu, daß sie ihrewichtigsten Aufgaben nicht mehr erfüllen könnte. Man kann den dargestellten13 Vgl. MORSCHER 1974.14 Ders. 1975, S. 112.15 Vgl. SEARLE 1969; zur Kritik von SEARLE vgl. MACKIE 1981, S. 82 ff.16 ZECHA 1984, S. 86; ähnlich LEONHARD 1978, S. 116 und ZECHA 1976, S. 631: Werturteile bzw.normative Sätze könnten "durch tautologische Transformationen aus deskriptiven Sätzen gewonnenwerden ...".17 MACKIE 1981, S. 101.18 Vgl. auch OPPENHEIM 1968, S. 101..86


Dualismus von Tatsachen und Forderungen auch als Hilfsmittel zur Befreiungvon weltanschaulichen und anderen vorurteilsbehafteten Auffassungen über <strong>die</strong>Wirklichkeit verstehen. Denn wir können in Theorien kritisch nach Forderungensuchen, <strong>die</strong> weltanschaulich beeinflußt sind, und sie eliminieren.3.1.2 Die Unterscheidung und Abgrenzung von AufgabenbereichenMan kann erziehungswissenschaftliche Fragestellungen nach den Zielen derErziehung, den Mitteln und den Erklärungen von Erziehungsphänomenen sowienach dem, was ist und dem, was gewesen ist, klassifizieren. Einer derwesentlichen Gründe für solche Unterscheidungen dürfte in der zunehmendenSpezialisierung und der damit verbundenen Anwendung von Spezialwissen undMethoden aus unterschiedlichen fachfremden Disziplinen bestehen (wie derPhilosophie, der Psychologie, der Soziologie, der Geschichtswissenschaft oderden Disziplinen der Schulfächer, <strong>die</strong> sich in den entsprechenden Fachdidaktikenspiegeln). Aus erkenntnistheoretischer Sicht kommt hinzu, daß in den Aufgabenbereichender Erklärungen von Erziehungsphänomenen (a), der Erziehungstechnologien(b), der Erziehungsnormen (c) und der Erziehungsgeschichte (d) zumindestteilweise verschiedene Bewährungskriterien gelten.a) Erklärung als Aufgabe der ErziehungswissenschaftMan kann annehmen, daß das Ziel der Erfahrungswissenschaften darinbesteht, "befriedigende Erklärungen zu finden für alles, was uns einer Erklärungzu bedürfen scheint" 19 . Mit dem Wort "Erklärung" sind dabei Sätze gemeint, <strong>die</strong>in zwei Gruppen unterschieden werden können. In der ersten Gruppe wird derSachverhalt beschrieben, den man erklären möchte. In der zweiten Gruppe ist <strong>die</strong>eigentliche Erklärung zu finden (das explicans) 20 ; sie besteht aus mehr oderweniger allgemeinen Aussagen oder Gesetzen und der Angabe bestimmter Randbedingungen.Als befriedigend werden "Erklärungen mit Hilfe von prüfbarenund falsifizierbaren ... Gesetzen und Anfangsbedingungen" betrachtet 21 .Nun wurde bereits in der Einleitung (vgl. 1.2) bemerkt, daß man in derErziehungswissenschaft kaum hoffen darf, so präzise Gesetzmäßigkeiten wie inden Naturwissenschaften zu entdecken. Darüber hinaus dürften Erziehungsphä-19 POPPER 1973, S. 213.20 Vgl. ebenda.21 Vgl. ebenda, S. 215 f.87


nomene einen zu hohen Komplexitätsgrad <strong>auf</strong>weisen, als daß sie sich durcheinfache gesetzmäßige Beziehungen beschreiben ließen. Die Bezeichnungen"Gesetz" und "Gesetzmäßigkeit" werden daher in einer Bedeutung gebraucht, <strong>die</strong>auch mit den Wörtern "Regelhaftigkeit" oder "Erklärung des Prinzips" 22 zumAusdruck gebracht werden kann.In der Forschungspraxis versucht man, <strong>die</strong> Schwierigkeiten, denen man sichbei der Erklärung komplexer Phänomene gegenübersieht, <strong>auf</strong> pragmatischeWeise zu lösen. Die Lösung besteht in der Bildung oder Konstruktion von"Modellen". Wie es vermutlich immer der Fall ist, wenn für ein schwierigesProblem neue Lösungen vorgeschlagen werden, gibt es sehr unterschiedlicheAuffassungen darüber, was unter "Modellen" zu verstehen ist 23 .Stellen wir uns eine Schemazeichnung vor, in dem <strong>die</strong> Beziehungen zwischenverschiedenen Komponenten etwa zur Entstehung von Motiven graphischveranschaulicht werden. Ein solches Modell kann hypothetisch angenommeneund zum Teil geprüfte Hypothesen der Entstehung von Motiven und Motivationendarstellen. Die im Modell angenommenen und eingeführten komplexen Beziehungenkönnen weitere Untersuchungen und Experimente anregen. Einsolches Modell stellt also ein Bezugssystem wissenschaftlicher Ergebnisse undungeprüfter Annahmen in relativ leicht überschaubarer Weise dar. Modelle habenden Vorzug, daß man <strong>auf</strong>grund der Überschaubarkeit gut mit den Elementen"spielen" und alternative Annahmen ausprobieren oder weitere Annahmen oderErgebnisse einfügen kann. Es erleichtert den Umgang mit komplexen Zusammenhängenund ist damit auch als Mittel zur Gewinnung von Erkenntnissen <strong>auf</strong>zufassen.Man kann Modelle als anschauliche, graphisch-symbolische Darstellungenverknüpfter Hypothesen oder Hypothesensysteme beschreiben. Die Verknüpfungder Hypothesen oder Hypothesensysteme kann dabei mehr oder wenigersystematisch sein. Häufig jedenfalls werden nicht immer alle der möglichenBeziehungen auch theoretisch expliziert worden sein. Nach <strong>die</strong>ser Beschreibungkönnte man Modelle auch als graphische Veranschaulichungen von Theorienbezeichnen. Wenn Modelle aber nur andere Formen der Repräsentation vonTheorien wären, könnte man gleich von Theorien sprechen. Aber <strong>die</strong> meistenSozialwissenschaftler halten an dem Namen "Modell" fest, um damit <strong>die</strong> Unterschiedezum Ausdruck zu bringen, <strong>die</strong> man in der stärkeren Vorläufigkeit, in der22 Vgl. HAYEK 1972; GRAF 1978.23 Vgl. z.B. STACHOWIAK 1973; 1980; HERZOG 1984; GRAF 1978.88


mehr oder weniger großen Unvollständigkeit und in der oft geringeren Prüfbarkeitvon Modellen sieht. Man spricht aber nicht von Theorien, um den Eindruckzu vermeiden, es handle sich um relativ gut gesicherte Ergebnisse.Die Frage ist, ob Modelle <strong>die</strong>ser Art überhaupt empirisch prüfbar sind. Prüfbarsind vermutlich <strong>die</strong> (meisten der) Hypothesen, <strong>die</strong> darin eingehen. Modelle alsGanzes dürften dagegen oft nur unter Einschränkungen prüfbar sein. Wenn einModell beispielsweise relativ viele Variablen enthält, <strong>die</strong> nicht nur linear, sondernauch durch nicht-additive Beziehungen zwischen den Variablen (alsoWechselwirkungen) verknüpft sind, können sich Schwierigkeiten ergeben, <strong>die</strong> <strong>die</strong>Prüfbarkeit erschweren. Die meisten kausalanalytischen Verfahren zur Analyse vonModellen (Pfadanalyse oder lineare Strukturgleichungsmodelle) unterstellen nämlichlineare Beziehungen. Zumindest zu einem Teil dürfte es sich dabei jedoch umProbleme handeln, <strong>die</strong> durch Weiterentwicklung oder Entdeckung neuerPrüfverfahren gelöst werden können. Unter sehr restringierten Rahmenbedingungensind komplexe Modelle auch mit den verfügbaren Verfahren relativ gut prüfbar.Allerdings dürfte es dann schwierig werden, <strong>die</strong>se Modelle <strong>auf</strong> Realsituationenanzuwenden.Man wird daher bei der Erklärung komplexer Erziehungsphänomene vorläufigmit recht allgemeinen und ungenügend prüfbaren Modellen vorlieb nehmenmüssen, wenn man mit ihnen konkrete Situationen erklären oder verstehbarmachen will. Es ist aber gut möglich, daß <strong>auf</strong> lange Sicht Erkenntnisfortschrittedurch <strong>die</strong> von umfassenden Annahmen geleitete Kombination von spezifischen,gut prüfbaren Theorien zu komplexen, aber zunächst nur sehr begrenzt prüfbarenModellen zu erreichen ist.Das durch Erklärungen bereitgestellte mehr oder weniger gut geprüfte Wissenüber <strong>die</strong> Bedingungen des Erwerbs oder <strong>die</strong> Veränderung bestimmter Dispositionengilt als Voraussetzung für <strong>die</strong> Konstruktion oder Verbesserung von Erziehungstechnologien,d.h. von Aussagen zu Zweck-Mittel-Beziehungen sowieden Konkretisierungen <strong>die</strong>ser Aussagen, d.h. den Techniken oder Erziehungsmitteln.Das gehört zum Aufgabenbereich der Erziehungstechnologie (vgl. 3.2).b) Abgrenzung des Aufgabenbereichs der ErziehungstechnologieAufgrund der engen Beziehung zwischen Erklärungen und technologischenProblemlösungen werden <strong>die</strong> beiden Aufgaben manchmal nicht weiterunterschieden. Nun werden Erziehungstechnologien zwar in der Regel unter Ver-89


wendung wissenschaftlicher Erkenntnis gewonnen, aber es wird dabei nur jenesWissen berücksichtigt, das für <strong>die</strong> Zielerreichung wichtig erscheint. WährendErklärungen vor allem wahr sein sollen, sollen Technologien vor allembrauchbar, zuverlässig usw. sein. Es wird nicht bedingungslos nach Wahrheit,sondern nach "brauchbarer Wahrheit" gesucht 24 .Auch traditionell wird ja zwischen reiner und angewandter Wissenschaftunterschieden. Beide werden als Teil<strong>auf</strong>gaben der Wissenschaft betrachtet. DieseAuffassung ist jedoch nicht unbestritten 25 . Man kann aber wohl davon ausgehen,daß ein Zusammenhang zwischen reiner und angewandter Wissenschaft besteht.Insbesondere dürften Technologien vor allem insofern dem Ziel der Erkenntnisder Wirklichkeit <strong>die</strong>nen, als technologische Untersuchungen zur Prüfung undDifferenzierung von Erklärungswissen beitragen können. Dennoch geht derInformationsgehalt von Erziehungstechnologien über den seiner theoretischenGrundlage, <strong>die</strong> keine hypothetischen Zielangaben und spezifischen Handlungsmöglichkeitenenthält, hinaus, aber ihre "Bedeutung hängt nur von <strong>die</strong>semGehalt und seiner Relevanz für <strong>die</strong> Lösung der betreffenden praktischen Problemeab" 26 . Die Grundlage von Technologien ist also Wirklichkeitserkenntnis,<strong>die</strong> praktisch verwertbar ist. Dieser Zusammenhang von Wissenschaft undTechnologie (ausführlicher dazu 3.2.1) wie auch ihre Unterschiede lassen es alsgerechtfertigt erscheinen, Technologien einerseits der Wissenschaft zuzurechnen,andererseits aber als gesondertes Aufgabengebiet zu verstehen. Unterschiede undGemeinsamkeiten von Erziehungstechnologie und erklärender Erziehungswissenschaftmöchte ich im folgenden noch etwas weiter ausführen.Sowohl erklärende als auch technologische Satzsysteme informieren über<strong>die</strong> Wirklichkeit. Zur Verbesserung der Praxis trägt <strong>die</strong> Erziehungstechnologienämlich nicht durch Handlungsanleitungen bei, sondern durch Information überZweck-Mittel-Beziehungen, <strong>die</strong> zur Planung von Erziehungstechniken verwendetwerden können 27 . Wenn man Handlungsmöglichkeiten als potentiell realisierbarePhänomene versteht, dann informiert Technologie in <strong>die</strong>sem Sinne überpotentielle Wirklichkeit. Angenommen, wir verfügen über eine Gesetzeshypothese,<strong>die</strong> uns über folgenden Zusammenhang informiert: Wenn Individuen mitbestimmten Einstellungen durch Erwartungsdruck, aber ohne Zwang zu einem24 Vgl. BUNGE 1977, s. 158 f.; THEO HERRMANN 1979, S. 137 f.25 DRERUP 1987b, S. 2.26 ALBERT 1972, S. 83.27 Vgl. HEILAND 1987, S. 73; ähnlich BREZINKA 1978, S. 164; KRUMM 1987, S. 25.90


Verhalten gebracht werden, das mit ihren Einstellungen nicht übereinstimmt,dann ändern sie <strong>die</strong>se Einstellungen 28 . Diese Gesetzeshypothese kann in zweiZielrichtungen verwendet werden. Man kann also zwei technologische Sätze <strong>auf</strong>stellen.Der eine besagt, daß das Ziel der Änderung einer bestimmten Einstellungvon Schülern erreicht werden kann, indem sie den in der Wenn-Komponenteangegebenen Bedingungen ausgesetzt werden, und der andere, daß das Ziel,bestehende Einstellungen beizubehalten, u.a. dadurch zu erreichen ist, daß vermiedenwird, sie <strong>die</strong>sen Bedingungen auszusetzen. In <strong>die</strong>sem Sinne können technologischeSatzsysteme - wie solche der reinen Wissenschaft - um ihrer selbstwillen formuliert werden, ohne irgendeine Absicht, <strong>die</strong> Wirklichkeit inbestimmter Hinsicht zu verändern, auch wenn sie dem Kriterium der Informationüber effektive Eingriffsmöglichkeiten genügen.Das Verhältnis von rein wissenschaftlicher und angewandter oder technologischerInformation ist insofern ähnlich wie das zwischen Wissenschaft undhypothetischen Normkonstruktionen. Wird bei der Konstruktion von Normensozialwissenschaftliches Wissen in hinreichender Weise beachtet, dürften sie inder Regel den Ansprüchen an Realisierbarkeit und andere Bewährungskriterienin höherem Maße genügen, als wenn <strong>die</strong>ses Wissen nicht beachtet wird.Aufgrund der genannten Gemeinsamkeiten und Unterschiede von Wissenschaftund Technologie scheint es angemessen, "erklärende Erziehungswissenschaft"und "Erziehungstechnologie" zu unterscheiden. Im Unterschied zu Erklärungensagen uns Erziehungstechnologien, was wir tun können, um Erziehungszielezu erreichen. Im einen Fall haben wir es mit "reiner", im anderen mit"angewandter" Wissenschaft zu tun.Diese Unterscheidung macht - mit anderen Namen - auch v. CUBE. Einerseitsversteht er Erziehungswissenschaft als "Konstruktive Erziehungswissenschaft"29 , d.h. als Technologie, und andererseits spricht er von "Erziehungswissenschaftim weiteren Sinn", deren Aufgaben auch Lehrzielanalyse, Lernpsychologie(einschließlich der Redundanztheorie des Lernens 30 ) und Sozialisationsforschungals Gegenstand umfassen. Die Erziehungstechnologie hat auchnach CUBEs Auffassung Aufgaben, <strong>die</strong> nicht durch eine einfache Anwendung28 Vgl. zusammenfassend hierzu McGUIRE 1969.29 CUBE 1977, S. 61 ff.; ähnlich ZIRZ 1979, S. 142. Vgl. ferner <strong>die</strong> differenzierte Darstellung derAufgaben bei CUBE 1977, S. 54 ff.30 Vgl. CUBE 1982.91


von Gesetzesaussagen oder Theorien zu lösen sind; vielmehr erfordert ihreLösung konstruktive Phantasie 31 .Im Gegensatz hierzu lehnt DIECKHOFF jede Unterscheidung von Aufgabenbereichenab. Da Erziehungswissenschaft ihren Ursprung in Problemen derErziehungspraxis habe, könne man sie im ganzen als "praktische Disziplin"bestimmen, <strong>die</strong> sich auch "nur als Bestandteil der Praxis identifizieren" lasse 32 .Die "Notwendigkeit einer Erziehungswissenschaft" sei kaum anders zu begründen"als durch eine Kritik am bestehenden Erziehungssystem" 33 , <strong>die</strong> ihrerseits"grundsätzliche, gesellschaftspolitische Probleme" <strong>auf</strong>werfe 34 . Ihr Ziel bestehedamit in einer "Veränderung der Praxis" 35 .Es ist sicher zutreffend, daß praktische Probleme Ausgangspunkte für vielewissenschaftliche Untersuchungen sind 36 . Aber wenn wir letztlich nur "verändern"wollten, was uns nicht gut erscheint, bräuchten wir dazu nicht unbedingt <strong>die</strong>Wissenschaft. Es dürfte vielmehr so sein, daß praktische Probleme rein theoretischeProbleme erzeugen, <strong>die</strong> ihrerseits zu immer weiteren Problemen führen, wodurch soetwas wie ein Erkenntnisfortschritt überhaupt erst entsteht. So führte das praktischeProblem, was man gegen <strong>die</strong> Unterschiedlichkeit der Schülerleistungen tun kann,zu dem Problem, wodurch <strong>die</strong>se Unterschiede entstehen, von da zu einer Fülleverschiedener Theorien, <strong>die</strong> ihrerseits immer neue Probleme <strong>auf</strong>werfen. Hierbeiwird aber nicht - zumindest nicht in erster Linie - nach Möglichkeiten praktischerBeeinflussung, sondern nach Erklärungen gefragt. "Daher sind", nach POPPERsAuffassung, "alle Probleme der reinen Erkenntnis Erklärungsprobleme" 37 . Sogesehen kann <strong>die</strong> Erziehungswissenschaft nicht nur eine "praktische Disziplin" sein.Sobald sie nach Erklärungen sucht, entfernt sie sich notwendig von der Praxis undwird zu einer erklärenden Wissenschaft.Allerdings bleibt damit das von DIECKHOFF angesprochene Problem, daß vieleTheorien keinen Bezug mehr zur Erziehungspraxis zu haben scheinen, ungelöst.Wenn Wissenschaftler in erster Linie an wahren Theorien interessiert sind, nichtaber an brauchbaren Theorien, dann entfernen sie sich meist immer weiter von dem,was als praktisch bedeutsam gilt. D.h., daß <strong>die</strong> Wahrheit von Theorien nicht31 Vgl. ders. 1977, S. 68 ff.; THEO HERRMANN 1979, S. 173.32 DIECKHOFF 1979, S. 53 und S. 45 f.33 Ebenda, S. 65.34 Ebenda, S. 76.35 Ebenda, S. 63.36 Vgl. POPPER 1973, S. 290 f.37 Ebenda, S. 290.92


notwendig etwas mit ihrer praktischen Brauchbarkeit zu tun haben muß, obwohl sieauch nicht im Widerspruch dazu steht 38 . Aber soll und kann man <strong>die</strong> Erkenntnisbemühungenvon Erziehungswissenschaftlern <strong>auf</strong> einen irgendwie gearteten Bezugzur Erziehungspraxis einengen? Das könnte zur Folge haben, daß Theorien, <strong>die</strong> zunächstin hohem Maße von der Praxis abgehoben sind, aber später, z.B. durchKombination mit anderen Theorien, doch zum Verständnis und zur Lösung praktischerProbleme beitragen, nicht entwickelt würden. Es wird aber immer Forschermit eher theoretischen und solche mit eher praktischen Interessen geben, so daß derPraxis-Bezug - auch ohne eine Beschränkung der Erziehungswissenschaft als"praktische Disziplin" <strong>auf</strong> praxisnahe Aufgaben - immer wieder hergestellt werdendürfte. Es scheint also durchaus gerechtfertigt, zwischen der Erklärung vonErziehungsphänomenen und Technologien zu ihrer Beeinflussung zuunterscheiden.Der dritte Aufgabenbereich pädagogischer Theorie umfaßt <strong>die</strong> Analyse undKonstruktion von Erziehungsnormen. Welches sind nun <strong>die</strong> Charakteristika<strong>die</strong>ses Aufgabenbereichs?c) Der Aufgabenbereich der Konstruktion und Analyse von ErziehungsnormenDer Bereich "Erziehungsnormen" läßt sich gut von anderen Gegenständenabgrenzen. Auch in der pädagogischen Tradition hat man immer Fragen nachdem "Was", d.h. dem, was gelehrt werden soll, also den Zielen, von Fragen nachdem "Wie", also den Mitteln der Erziehung, unterschieden. Die Analyse undKonstruktion von Erziehungszielen als gesonderten Aufgabenbereich zu betrachten,erscheint auch deshalb zweckmäßig, weil <strong>die</strong>ser Bereich in besonderer Weiseanfällig ist für Forderungen und Wertungen, <strong>die</strong> man aus wissenschaftlichenBetrachtungen möglichst heraushalten sollte. Daher konzentriert sich <strong>die</strong> Auseinandersetzungum den Wissenschaftscharakter der Pädagogik im wesentlichen <strong>auf</strong><strong>die</strong>sen Arbeitsbereich.Aus empirisch-analytischer Sicht ist es äußerst fragwürdig, wenn in <strong>die</strong>semArbeitsbereich, über <strong>die</strong> bloße Information hinausgehend, Forderungen mit demAnspruch <strong>auf</strong> allgemeine Anerkennung und Befolgung erhoben werden. SolcheForderungen als Erkenntnis auszugeben bedeutet, einen intersubjektiv prinzipiellnicht nachprüfbaren Erkenntnisanspruch zu erheben. Da Forderungen aus Entscheidungenentspringen, kann man sie immer mit einer verneinenden Gegen-38 Vgl. ebenda, S. 291.93


forderung beantworten, der andere Werte und andere Entscheidungen zugrundeliegen. Normen, Forderungen, Werte oder Wertungen und Entscheidungen sindalso keine Behautungen über <strong>die</strong> Wirklichkeit. Sie können daher auch nicht wahroder falsch sein.Andererseits sind Ziele, Werte, Normen, Forderungen und Entscheidungenaber Tatsachen in dem Sinn, daß sie von jemandem <strong>auf</strong>gestellt worden oder,sofern das nicht mehr feststellbar ist, in einer Kultur vorhanden sind. In <strong>die</strong>semSinn sind sie Gegen-stände der "Welt 3" des pluralistischen Realismus (vgl.2.1.2b) und können wie andere Gegenstände untersucht werden. Da Werte,Normen usw. darüber hinaus menschliches Verhalten, und über <strong>die</strong>ses Verhaltenauch <strong>die</strong> Welt der physischen Gegenstände beeinflussen, wäre ohne ihre Kenntnisweder menschliches Verhalten noch <strong>die</strong> Technik verstehbar.Empirisch-analytische Erziehungswissenschaft kann in <strong>die</strong>sem Sinn überErziehungsnormen als Tatbestände informieren. Im Hinblick <strong>auf</strong> übergeordnete, expliziteund daher der allgemeinen Beurteilung zugängliche Wertgesichtspunkte kannsie auch konstruktive Vorschläge unterbreiten und deren soziale und psychologischeWirkungszusammenhänge untersuchen. Auf <strong>die</strong>se Weise können Erziehern undErziehungsträgern brauchbare Hilfen für Zielentscheidungen zu geben versucht werden.Das kann dadurch geschehen, daß man mögliche Erziehungsziele klärt, Alternativen<strong>auf</strong>zeigt, ihre jeweiligen Wirkungen erforscht und dann <strong>die</strong> Normen mitsamtihren Konsequenzen im System gesellschaftlicher Regeln und Normen beurteilt 39 .Der Gegenstand <strong>die</strong>ses Aufgabenbereichs kann nicht endgültig bestimmtwerden, aber man kann folgende Normbereiche zur allgemeinen Orientierungnennen: <strong>die</strong> Normen, nach denen sich <strong>die</strong> Erzieher richten sollen (Ethik fürErzieher); <strong>die</strong> Normen, <strong>die</strong> <strong>die</strong> Lehrinhalte bestimmen und <strong>die</strong> Normen, <strong>die</strong> <strong>die</strong>Arbeit von Erziehungsorganisationen regeln 40 . Ihnen vorausgehend könnte mannoch <strong>die</strong> Klärung der allgemeinen oder übergeordneten Erziehungsideale nennen,<strong>die</strong> metaphysisch-weltanschaulichen Auffassungen entspringen. Man kannversuchen, solche Ideale oder Bildungsideale in einer zeitgemäßen Form zu(re)konstruieren und ihnen dadurch eine Bedeutung zu verleihen, durch <strong>die</strong> sieüberhaupt erst wieder wirksam werden könnten (vgl. ausführlicher 3.3.2a).d) Der Aufgabenbereich der historischen Pädagogik39 Vgl.allgemein hierzu z.B. AYER 1967; FEIGL 1967; ALBERT 1988 (in Bezug zur Jurisprudenz).40 Vgl. hierzu auch BREZINKA 1978, S. 219.94


Ein weiterer pädagogischer Aufgabenbereich wird in der Geschichte derErziehung gesehen. Der Umstand, daß sich <strong>die</strong> historische Pädagogik mit derGeschichte aller anderen Aufgabenbereiche befassen und Beiträge zu ihnenleisten kann, spricht dafür, sie als eigenständigen Aufgabenbereich zu betrachten.Sie wird in späteren Kapiteln nicht mehr <strong>auf</strong>gegriffen werden, da <strong>die</strong> historischePädagogik vom Richtungsstreit doch nur am Rande betroffen ist. Sie wird hiernur insoweit diskutiert, als dadurch zu verdeutlichen ist, wie <strong>die</strong> Forschungsarbeitdurch <strong>die</strong> Interaktion der verschiedenen Aufgabenbereiche gefördertwerden kann, und um zu zeigen, daß der empirisch-analytische Wissenschaftsbegriffauch hier anwendbar ist.Die zentrale Aufgabe des Historikers ist es, Erziehung und <strong>die</strong> damitverknüpften Phänomene und Fragestellungen als vergangenes Geschehen zurekonstruieren. Weil er an Erziehung interessiert ist, wird er sich dabei vonpädagogisch relevanten Fragestellungen leiten lassen. Die Ergebnisse solchererziehungshistorischer Forschungen können zu Theoriebildungen Anlaß geben,<strong>die</strong> zur Erklärung vergangener, gegenwärtiger und zukünftiger Erziehung <strong>die</strong>nen.Auf <strong>die</strong>se Weise greifen <strong>die</strong> verschiedenen Aufgabenbereiche ineinander. In derPraxis sind deshalb eindeutige Unterscheidungen nicht immer möglich.Die historische Kenntnis von Erziehungsphänomenen kann in vielfältigerWeise zum besseren Verständnis gegenwärtiger Erziehung beitragen 41 . So kann<strong>die</strong> historische Pädagogik beispielsweise durch biographisch und historischvergleichendeUntersuchungen zu Differenzierung unseres Wissens über Erziehungbeitragen. Gerade historisch-vergleichende Analysen sind geeignet, Distanzzum Gegenstand, zu den eigenen Fragestellungen oder Interessen zu schaffen, da<strong>die</strong> historische Betrachtung <strong>die</strong> Relativität solcher Interessen und Auffassungenverdeutlichen kann 42 .Historisch-pädagogische Untersuchungen können zur Aufhellung desHintergrundes von Zielvorstellungen der Erziehung beitragen, indem sie <strong>die</strong>sozialen und ideellen Entwicklungen <strong>auf</strong>zeigen, in deren Rahmen <strong>die</strong>se Auffassungenenstanden sind 43 . Historische Pädagogik kann "den Vorgang derAusdifferenzierung von erzieherischen <strong>Institution</strong>en im ökonomischen wie imsozialen Kontext" analysieren 44 . Sie "kann Sozilisationsprozesse erhellen" 45 ; so41 Vgl. ausführlich hierzu BÖHME/TENORTH 1990; LENHART (Hg.) 1977.42 Vgl. BÖHME/TENORTH 1990, S. 189 ff.43 Vgl. LENHART 1977b, S. 137 f.44 Ebenda, S. 138. Inhaltlich vgl. KRISS-RETTENBECK/ LIEDKE/ 1983;1984; 1986.95


hat z.B. ARIÈS zu belegen versucht, daß <strong>die</strong> Wahrnehmung von Kindheit durchhistorisch-gesellschaftlich bedingte Einstellungen beinflußt wird 46 . HistorischePädagogik kann auch <strong>die</strong> Einflüsse untersuchen, <strong>die</strong> gesellschaftliche Veränderungen<strong>auf</strong> <strong>die</strong> Erziehung haben können und umgekehrt auch <strong>die</strong> möglichen Einflüsseder Erziehung <strong>auf</strong> gesellschaftliche Entwicklungen 47 .Die Bedeutung der historischen Pädagogik für <strong>die</strong> Erklärung und Prüfungvon Erziehungsphänomenen zeigt sich vor allem auch an Fragen, <strong>die</strong> einer Untersuchungüber relativ lange Zeiträume bedürfen, um dadurch <strong>die</strong> Zuverlässigkeitder Ergebnisse steigern zu können. Historische Untersuchungen können Gesetzeshypothesensozusagen zeitlich rückwärts an vergangenen Fällen prüfen.Nach Auffassung einiger Methodiker ist für <strong>die</strong> Gültigkeit sozialwissenschaftlicherGesetzesaussagen <strong>die</strong> Bewährung über lange Zeiträume von großer Bedeutung48 . Für derartige Prüfungen gelten freilich <strong>die</strong> Einschränkungen, <strong>die</strong> beiallen ex-post-facto-Untersuchungen zu berücksichtigen sind 49 .Ein erkenntnistheoretisches Problem erziehungsgeschichtlicher Untersuchungenergibt sich allerdings dann, wenn - wie schon in den anderen Bereichen- nicht hinreichend zwischen dem Sein bzw. dem Gewesen-Sein und dem Sollenunterschieden wird 50 . Als Wissenschaft muß sich <strong>die</strong> historische Pädagogik <strong>auf</strong>Information über Tatsachen, über deren Deutungsmöglichkeiten und Erklärungenbegrenzen. Sie darf aus empirisch- analytischer Sicht nicht den Zweck derNormgebung verfolgen. Es ist ja nicht möglich, aus Beschreibungen vergangenerErziehungsphänomene und ihren besonderen Bedingungen zu erfahren, zu welchenZielen und wie wir in der Gegenwart oder Zukunft erziehen sollen.Aber <strong>die</strong> historische Analyse des Systems der Werte einer Gesellschaft, derUntersuchung der zeitlichen Stabilität bestimmter Werte und korrespon<strong>die</strong>renderVerhaltensweisen, der Veränderung von Werten und Normen durch bestimmteEingriffe usw. könnte Hinweise für <strong>die</strong> Klärung von Normfragen geben;beispielsweise dafür, wie sich <strong>die</strong> Einführung neuer Normen auswirkt oder fürwelche Leistungen innerhalb einer Gesellschaft bestimmte Werte und Normenwichtig sein könnten. In <strong>die</strong>ser Form scheint eine "Sinndeutung vergangener45 Ebenda, S. 139.46 Vgl. ARIÈS 1975.47 Vgl. LENHART 1977b, S. 140 f.; 1987.5 8 Vgl. DAVIS 1985.49 Vgl. COOK/CAMPBELL 1979.50 Zur Information über <strong>die</strong> verschiedenen Ansätze historischer Pädagogik vgl. LENHART 1977a.96


Zusammenhänge in ihrer Bedeutung für <strong>die</strong> Gegenwart" durchaus möglich 51 .Wenn <strong>die</strong> "Sinndeutung" allerdings darin bestünde, daß aus der Vergangenheitnormgebende oder -setzende "Schlußfolgerungen für <strong>die</strong> Gegenwart" 52 gezogenwerden sollten, ginge man über das wissenschaftlich Mögliche hinaus, dennlogisch gibt es keinen Schluß vom Gewesen-Sein <strong>auf</strong> das zukünftige Sollen (vgl.3.1.1b).Unter Zugrundelegung der Ontologie des Idealismus jedoch wird manchmalauch von Eziehungshistorikern der Anspruch erhoben, Einsicht in einenangeblichen normativen Sinn zu haben bzw. gewinnen zu können, den <strong>die</strong> Geschichtefür <strong>die</strong> Erziehung in der Gegenwart habe 53 . Aber auch aus empirischanalytischerSicht kann <strong>die</strong> historische Pädagogik, wenn sie sich an das hält, wasist bzw. gewesen ist, unvoreingenommen über Erziehungsideale, ihregesellschaftlich-kulturellen Ursprünge und ihre Bedeutung in <strong>die</strong>sem Rahmeninformieren.Als Ergebnis bleibt festzuhalten, daß <strong>die</strong> historische Pädagogik als strengwissenschaftlicher Aufgabenbereich - im Sinne des empirisch-analytischen Wissenschaftsverständnisses- <strong>auf</strong>gefaßt werden kann, und daß sie außer der rein historischenErkenntnis vielfältige Beiträge zu den anderen Aufgabenbereichenleisten kann. Wegen <strong>die</strong>ser Interaktionen können <strong>die</strong> hier theoretisch angenommenenBereichsabgrenzungen in der Forschungspraxis verschwimmen. Da solcheGrenzüberschreitungen durchaus fruchtbar sein können, scheinen sie eherwünschenswert als problematisch.Nach der Abgrenzung von Gegenstands- und Aufgabenbereichen werden inden folgenden Kapiteln <strong>die</strong> in der Diskussion umstrittenen Aufgabenbereiche derErziehungstechnologie und der Untersuchung von Normen ausführlicher dargestellt.51 WULF 1977, S. 87 und 88; ähnlich U. HERRMANN 1978, S. 205; HERMANNS 1987, S. 212.52 STRASSER 1972, S. 662.53 Vgl. kritisch und allgemein hierzu auch LÜBBE 1977, S. 327-328.97


3.2 Beiträge zur Lösung praktischer Erziehungs<strong>auf</strong>gaben: Probleme derErziehungstechnologieUnter Erziehungstechnologie wird in der Regel ein System von allgemeinenAussagen über Zweck-Mittel-Beziehungen verstanden und als solches von denkonkreteren Erziehungstechniken unterschieden 1 . Nun braucht man aber zurVerbesserung oder Konstruktion von Mitteln oder Techniken, wenn man sichnicht <strong>auf</strong> blindes Herumprobieren beschränken will, Technologien, d.h. allgemeinebewährte Zweck-Mittel-Annahmen. Außerdem ist auch zur Prüfung technologischerAnnahmen <strong>die</strong> Konstruktion von Mitteln erforderlich, <strong>die</strong> sozusagenRealisierungen <strong>die</strong>ser Annahmen darstellen. Zudem besteht eine entscheidendeLeistung der Erziehungstechnologie gerade in der Konstruktion oder Verbesserungvon Mitteln. Die Unterscheidung von Technologien und Techniken solldeshalb hier nicht in eine weitere Differenzierung von Aufgabenbereichen umgesetztwerden. Unter Erziehungstechnologie kann nun ein Satzsystem verstandenwerden, das über <strong>die</strong> durch Handlungen zu beeinflussenden Bedingungen undMittel informiert, <strong>die</strong> gegeben sein oder geschaffen werden müssen, damitbestimmte Erziehungsziele erreicht werden können. Dennoch wird es möglichsein, zwischen theoretischen Aussagen und Sätzen über Mittel zu unterscheiden.Das Wort "Technologie" ist im Zusammenhang mit Erziehung freilich einenicht besonders glückliche Bezeichnung. Sie erinnert zu sehr an Maschinentechnik,an <strong>die</strong> Beherrschung von Dingen und Prozessen, während der einfühlsameerzieherische Umgang mit jungen Menschen überhaupt nicht damit verknüftist. Die oft polemisch geführte Diskussion um <strong>die</strong> kritisch-rationalistischeoder empirische Erziehungswissenschaft dürfte zu einem guten Teil <strong>auf</strong> solcheungünstigen Assoziationen zurückgehen. Der Name "Erziehungstechnologie"wird ausschließlich deshalb beibehalten, weil ein anderer, besserer Name nichtzur Verfügung steht, und weil er kennzeichnend für ein rationales Verständnisvon Erziehung erscheint, <strong>die</strong> immer in der Anwendung von Mitteln zur Erreichungvon Zielen besteht. Denn es ist <strong>die</strong> technologische Analyse von Zweck-Mittel-Beziehungen, <strong>die</strong> eine gezieltere, besser begründete Planung von Hilfenzum Erwerb von Fähigkeiten oder Persönlichkeitseigenschaften ermöglichen undso zur Lösung erzieherischer Probleme beitragen sollte .Es sind vor allem drei Fragenbereiche, um <strong>die</strong> es bei der Auseinandersetzungum <strong>die</strong> Erziehungstechnologie geht: Das erste Problem besteht in der Frage,1 Vgl. CUBE 1977, S. 68; STACHOWIAK 1973, S. 48.98


ob zwischen Erklärungen und technologischen Aussagen ein logischerZusammenhang besteht. Ohne einen solchen Zusammenhang wären Erklärungenund Technologien unabhängig voneinander und man könnte für technologischeEntwicklungen kaum Gewinn aus Erklärungen ziehen (3.2.1)Das zweite Problem ist der Praxis-Bezug technologischer Theorien. Zweck-Mittel-Beziehungen betreffen ja relativ allgemeine Zusammenhänge, <strong>die</strong> <strong>die</strong>spezifischen Merkmale konkreter Situationen nicht berücksichtigen. Die Frageist also, wie technologische Satzsysteme praktisch nutzbar zu machen sind(3.2.2).Der dritte Problemkreis betrifft das Menschenbild, das der Erziehungstechnologiezugrunde liegt bzw. zugrunde gelegt wird (3.2.3).3.2.1 Erklärung und TechnologieMan gelangt zu erziehungstechnologischen Aussagen, indem man das inErklärungen enthaltene Wissen über <strong>die</strong> Bedingungen, <strong>die</strong> zur Entwicklung bestimmterFähigkeiten und Persönlichkeitseigenschaften führen, verwendet. DerGrund für <strong>die</strong>se Anwendbarkeit von Erklärungen wird in ihrer logisch-strukturellenÄhnlichkeit zu technologischen Aussagen gesehen 2 .a) Die Annahme des Zusammenhangs von Erklärung, Prognose undtechnologischer ProblemlösungBei der Erklärung ist das zu erklärende Phänomen, das Explanandum, gegeben;gesucht werden Gesetze und Angaben über <strong>die</strong> speziellen Randbedingungen.Aus <strong>die</strong>sen beiden kann das Explanandum erklärt werden. Gegeben seibeispielsweise folgender Fall: Zwei Gruppen von Jugendlichen, <strong>die</strong> sich gegenseitigbeschimpfen und bekämpfen, nehmen an einer von einer Jugendorganisationdurchgeführten Segeltour teil. Durch Zufall kommen <strong>die</strong> beiden Gruppen alsMannschaft <strong>auf</strong> dasselbe Schiff. Nach Beginn der Tour werden <strong>die</strong> Feindseligkeitenschnell überwunden, und es entsteht Freundschaft zwischen denGruppen und ihren Mitgliedern. Wie kann man <strong>die</strong>sen Wandel in den Beziehungenzwischen beiden Gruppen erklären? Angenommen, wir haben folgendeGesetzeshypothese zur Verfügung: Feindseligkeiten zwischen Gruppen werden2 Vgl. allgemein zur Sozialtechnologie POPPER 1971, S. 47 ff.; ALBERT 1976, S. 22.99


abgebaut, wenn sie in Situationen gemeinsamer Not oder gemeinsamer Freudegeraten, gemeinsam einen Vorteil erlangen wollen oder einen gemeinsamenGegner haben und sich dabei als Wir-Gruppe erfahren 3 . Ferner sei durchBefragung herausgefunden worden, daß <strong>die</strong> Gruppenmitglieder im vorliegendenFall Wind und Wetter als gemeinsamen Gegner, <strong>die</strong> Erreichung des Fahrtziels alsgemeinsamen Vorteil, <strong>die</strong> Arbeit <strong>auf</strong> dem Segelschiff als gemeinsame Freudeund Not erfahren und sich dadurch als Wir-Gruppe erlebt haben; das sind <strong>die</strong>Randbedingungen. Wenn man <strong>die</strong>se Randbedingungen kennt und über <strong>die</strong> zuvorgekannte Gesetzeshypothese verfügt, kann man <strong>die</strong> Veränderung der sozialenBeziehungen zwischen <strong>die</strong>sen beiden Gruppen erklären.Zur Prognose ist <strong>die</strong> Kenntnis der Gesetzeshypothese und der spezifischenRandbedingungen erforderlich. Bezogen <strong>auf</strong> das obige Beispiel wäre aus der Gesetzeshypotheseund der Kenntnis der beschriebenen Randbedingungen als Konsequenzdas Entstehen positiver sozialer Beziehungen zwischen den zuvor verfeindetetenJugendgruppen vorherzusagen 4 .Bei der technologischen Aufgabenstellung sind zunächst Angaben über einZiel gegeben. Gegeben sind im Idealfall auch <strong>die</strong> in Frage kommenden Gesetzesaussagen.Das sind Wenn-Dann-Sätze, unter deren Dann-Komponente einhypothetischer "Zielsachverhalt subsumiert werden kann" 5 . Gesucht sind <strong>die</strong>Ausgangs- oder Situationsbedingungen, <strong>die</strong> geeignet sind, den gewünschtenZustand herbeizuführen.Technologische Problemlösung, Voraussage und Erklärung haben also eineähnliche logische Struktur 6 , wie auch das folgende Schema zeigt:Theorie-Lösunganwendungen Erklärung Voraussage technologischerProblemeKomponentenGesetz gesucht gegeben gegebenRandbedingungen gesucht gegeben gesuchtExplanandum gegeben gesucht gegeben3 Vgl. das Ferienlagerexperiment in SHERIF/SHERIF 1956, S. 316 ff.4 Vgl. ATTESLANDER 1975, S. 53 f.5 BROCKE 1978, S. 95.6 Vgl. POPPER 1971, S. 97 ff.; ALBERT 1964, S. 61 ff.; BREZINKA 1978, S. 162.100


) Diskussion der Strukturähnlichkeit von Erklärung, Prognose undtechnologischer ProblemlösungDie logisch-strukturelle Ähnlichkeit von Erklärung, Voraussage und technologischerProblemlösung bedeutet, daß es Übergänge oder Verbindungen zwischen<strong>die</strong>sen Systematisierungen gibt, so daß Erklärungsfortschritte auch potentielleFortschritte für <strong>die</strong> Entwicklung von Technologien bedeuten müßten undumgekehrt. Das zeigt sich besonders deutlich an der engen Verknüpfung vonNaturwissenschaft und (Maschinen-)Technik, wo "heute oft gar keine eindeutigeUnterscheidung mehr möglich ist" 7 .Allerdings darf man <strong>die</strong> Übergänge von Erklärungen zu technologischenProblemlösungen bzw. technologischen Prognosen nicht als zu eng annehmen.Denn beispielsweise wird man durch einfache Umformungen von Naturgesetzennicht zu den Konstruktionsprinzipien eines Motors gelangen können. Deshalbübt BROCKE auch Kritik an der Auffassung einer "syntaktisch-strukturellenIdentität" von Erklärungen, Prognosen und technologischen Problemlösungen 8 .Solange allerdings in einer Erklärung (x, y ist geschehen, weil a, b, c gegebenwaren), <strong>die</strong> als Behauptungssatz formuliert wird, und in einer technologischenPrognose (wenn man <strong>die</strong> Bedingungen a, b, c herbeiführt, wird man als Ergebnisx, y erreichen), <strong>die</strong> in einem Konditionalsatz formuliert ist, inhaltlich das Gleicheausgesagt wird, dürften <strong>die</strong> syntaktischen Unterschiede, d.h. <strong>die</strong> Unterschiede imSatzbau und in der Satzart eher nebensächlich sein. Es ist der Bedeutungsgehaltvon Aussagen, an denen sich der Zusammenhang von Erklärung undtechnologischer Problemlösung zeigt. All das gilt freilich nur, sofern man nicht<strong>auf</strong> einer strikten formallogischen Lösung des Problems der Transformation vonErklärungen in technologische Aussagen beharrt.Der Zusammenhang von Erklärung, Prognose und technologischer Problemlösungist nicht so eng, daß man technologische Sätze <strong>auf</strong> logischem Weg ableitenkönnte. Technologische Problemlösungen haben ja – wie Erklärungen undPrognosen – einen Realitätsbezug und können daher nicht allein durch logischeOperationen gefunden werden; außerdem müssen sie sich – wie Erklärungen undPrognosen – empirisch bewähren. Dennoch sind sie nicht vollständig ausErklärungen und Prognosen ableitbar. Während etwa bei Prognosen <strong>die</strong>Randbedingungen gegeben sind, müssen sie bei technologischen Problemlösungen7 RAPP 1990, S. 106.8 BROCKE 1978, S. 29.101


gesucht bzw. konstruiert werden. So sind verschiedene Situationen gemeinsamenErlebens und Handelns denkbar (etwa Mannschaftsspiele), von denen wiederumnur bestimmte im schulischen Kontext hergestellt werden können. Für solcheSituationen gelten weitere Bedingungen, <strong>die</strong> nicht aus Erklärungen gewonnenwerden können, sondern entweder vorgefunden oder konstruiert werden müssen.So sind z.B. <strong>die</strong> Regeln des Fußballspiels, <strong>die</strong> Aufgaben der einzelnen Spieler usw.von großer Wichtigkeit für erziehungstechnologische Problemlösungen, weil siedas Verhalten der Gruppenmitglieder beeinflussen. Andersgeartete Bedingungen inweiteren Situationen können es anders beeinflussen. Man kann <strong>auf</strong> logischem Wegeaus Gesetzeshypothesen nur sehr allgemeine technologische Aussagen gewinnen.Für genauere Angaben muß der Erziehungstechnologe eine Fülle zusätzlicherProbleme lösen, <strong>die</strong> ein erhebliches Maß an Ideenreichtum erfordern.DRERUP/ TERHART behaupten, der oben (3.2.1a) dargestellte wissenschaftslogischeZusammenhang von Erklärung, Prognose und technologischer Problemlösungsei unhaltbar 9 . Wenn <strong>die</strong>ser Zusammenhang wirklich bestünde, dann – soargumentieren sie – müßte jede "adäquate Erklärung ... potentiell auch eine Voraussage"und "jede adäquate Voraussage ... eine potentielle Erklärung" enthalten 10 . Daskönne aber nicht sein, denn für "Voraussageargumente" genügten bereits "Glaubensgründe"(sogenannte "Vernunftgründe") oder "nichtstatistische induktive Argumente(<strong>die</strong> keine Gesetze enthalten müssen)", <strong>die</strong> "aber nicht für Erklärungen verwandtwerden können". Schließlich gebe es <strong>die</strong> "bedingten Prognosen"; dabei handelt essich um Voraussagen, "bei denen das Eintreten prognostizierter Ereignisse von demjeweils zur Zeit noch ungeklärten zukünftigen Gegebensein der Randbedingungenoder eines Teils der Randbedingungen abhängt". Anders als Prognosen könntenErklärungen "nicht in <strong>die</strong>ser Weise variiert werden". Man könne "bei ihnen allenfallsein anderes Explanans wählen und verändert so jedoch <strong>die</strong> vorliegende Erklärung" 11 .Diese Einwände gegen <strong>die</strong> Annahme eines Zusammenhangs von Erklärungenund Prognosen beruhen m.E. <strong>auf</strong> Voraussetzungen, <strong>die</strong> so nicht zutreffen. Soverändert sich ja auch bei den sogenannten "bedingten Prognosen" dasvorhergesagte Ereignis, wenn bestimmte Randbedingungen ganz oder zum Teilzum Vorhersagezeitpunkt nicht gegeben sein sollten (also das Explanans derErklärung). Man sollte daher besser von alternativen Prognosen sprechen. Wenn9 DRERUP/TERHART 1979, S. 391; vgl. auch OELKERS 1985, S. 235; DRERUP 1987b, S. 15 ff.;ähnlich, aber unklar WAGNER 1989, S. 33 ff.10 DRERUP/TERHART 1979, S. 385.11 Ebenda, S. 385 f.102


alternative Randbedingungen vorliegen, dann bedeutet <strong>die</strong>s auch, daß alternativeErklärungen erforderlich sind, da eine Erklärung immer aus einem Gesetz undbestimmten Randbedingungen besteht 12 . Um Mißverständnisse zu vermeiden,sollte man ferner berücksichtigen, daß Randbedingungen in der Regel Klassenvon Bedingungen oder Merkmalen umfassen. So gibt es beispielsweise verschiedenartigekonkrete "Situationen gemeinsamen Erlebens und Handelns". Einetechnologische Aussage mit einem solchen allgemeinen Merkmal als Randbedingungläßt verschiedene technische bzw. methodische Lösungen zu, <strong>die</strong> daskonkrete Vorgehen beschreiben. Es handelt sich hierbei also nicht um eineVariation einer Randbedingung, sondern um alternative Randbedingungen. Dietechnischen Konstruktionen haben vielmehr <strong>die</strong> in der technologischen Aussageangegebenen Merkmale gemeinsam.Wenn DRERUP/ TERHART Alltagsvermutungen und Glaubenserwartungen mitwissenschaftlichen Prognosen gleichsetzen, scheint mir das eine wenig sinnvolleGleichsetzung zu sein. Vorhersagen, für <strong>die</strong> nur "Glaubensgründe" oder"nichtstatistische induktive Argumente" (also Alltagsvermutungen) angeführtwerden können, müssen von wissenschaftlich begründeten Prognosen unterschiedenwerden. Auch das Argument, daß technologische Problemlösungen imGegensatz zu Erklärungen Zeitvariablen enthalten würden 13 , ist m.E. unzutreffend.Denn wenn das Ereignis B erst eine bestimmte Zeit nach der Einwirkung von Aeintritt, ist auch eine Erklärung, <strong>die</strong> <strong>die</strong>se Zeitangabe nicht enthält, ungenau unddamit unvollständig. Wenn also eine Zeitangabe in einem technologischen Satz,der uns sagt, wie ein bestimmtes Ereignis herbeizuführen ist, vorkommt, dannsollte sie auch in der Erklärung <strong>die</strong>ses Ereignisses enthalten sein.Es scheint also eher mehr Argumente für das Bestehen einer Strukturähnlichkeitzu geben als dagegen. Um den Fortschritt zu wirklichkeitsgerechterenTheorien zu fördern, ist vorgeschlagen worden, <strong>die</strong> Strukturähnlichkeit von Erklärung,Prognose und technologischen Sätzen als Norm <strong>auf</strong>zufassen. Das würde<strong>die</strong> Prüfbarkeit von Gesetzeshypothesen erhöhen. Jede unzutreffende bzw. zutreffendeVorhersage und erfolglose bzw. erfolgreiche Lösung eines technologischenProblems widerlegt bzw. bestätigt eine Gesetzeshypothese 14 .Es gibt weitere Argumente, <strong>die</strong> für einen logischen Zusammenhang vonErklärung und technologischer Problemlösung sprechen. Ein solcher Zusammen-12 Vgl. auch BROCKE 1978, S. 79; POPPER 1971, S. 98.13 Vgl. DRERUP/TERHART 1979, S. 386 unter Berufung <strong>auf</strong> BROCKE 1978, S. 21 ff.14 Vgl. KÜTTNER 1983.103


hang ist für <strong>die</strong> Konstruktion technologischer Satzsysteme von großer Bedeutung.Der Technologe sucht zuerst nach Theorien, weil er für technische Lösungensonst <strong>auf</strong> zufälliges Herumprobieren angewiesen wäre. "Ganz unabhängigdavon", ob der Sozialtechnologe vorhat, "<strong>die</strong> Produktivität von Arbeitern zu steigern,aus Alkoholikern gemäßigte Teetrinker zu machen oder Rassenfanatiker zutoleranten, demokratischen Bürgern umzuerziehen - er braucht Kenntnisse,Theorien und Konzepte, <strong>die</strong> für den Prozeß der Änderung gelten und ihm beidessen Analyse und Förderung helfen" 15 . In jedem Fall muß man zunächst <strong>die</strong>grundlegenden Bedingungen kennen, unter denen das gewünschte Verhalten miteiniger Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist. Verfügt man über eine Theorie, <strong>die</strong>z.B. hochmotiviertes Arbeitsverhalten in einer Klasse von Situationen durchprinzipiell herstellbare Bedingungen mit bestimmten Merkmalen erklären kann,so läßt sich <strong>die</strong>ses Wissen auch zur Konstruktion einer Technologie zur Herbeiführunghochmotivierten Arbeitsverhaltens in ähnlichen Situationen verwenden.Theorien, <strong>die</strong> zur Erklärung geeignet sind und sich bewährt haben, können alsoauch zur Lösung technologischer Probleme angewandt werden 16 .Umgekehrt trägt <strong>die</strong> technologische Fragestellung zur Differenzierung vonTheorien bei. Viele Gesetzesaussagen und Theorien sind relativ allgemein. Siebeziehen sich <strong>auf</strong> allgemeine oder idealisierte Bedingungen. Ihre technologischeAnwendung wirft daher eigene Probleme <strong>auf</strong>. Wenn beispielsweise <strong>die</strong> Mitgliederzweier verfeindeter Gruppen in einer Fußballmannschaft zusammengefaßtwerden, <strong>die</strong> gegen einen gemeinsamen Gegner antritt, kann es sein, daß es nurunter Berücksichtigung zusätzlicher Bedingungen zu einem gemeinsamen Wir-Erlebnis der verfeindeten Gruppen <strong>die</strong>ser Mannschaft kommt (beide Gruppenmüssen über gute Spieler verfügen, sie müssen <strong>die</strong> Regeln kennen, sie müssensiegen wollen usw.) Wenn hier besondere Untersuchungen zur Formulierungzuverlässiger technologischer Aussagen erforderlich sind, trifft <strong>die</strong>s aber auch für<strong>die</strong> Erklärung der betreffenden Ereignisse zu. In beiden Fällen wäre also einespeziellere Gesetzeshypothese erforderlich.Daraus ergeben sich auch eine Reihe von Schwierigkeiten der technologischenAnwendung von Theorien. So stellen Erklärungen zwar eine Reihe vontechnologisch bedeutsamen Gesetzesaussagen bereit, sie nennen aber nicht immer<strong>die</strong> für Erziehungssituationen wichtigen Geltungsbedingungen. Wir wissendann nur sehr allgemein, welche Umstände gegeben sein müssen, damit als15 GOULDNER 1975, S. 117.16 Vgl. auch KRAAK 1987; ähnlich KLAUS BECK 1986, S. 65 ff.; EICHNER 1974.104


Erziehungsziele gesetzte psychische Dispositionen oder Dispositionsgefüge vonden Educanden erworben werden können. Außerdem müßten <strong>die</strong>s Bedingungensein, über <strong>die</strong> wir eine gewisse Macht haben, <strong>die</strong> wir verändern können. Zudemsind <strong>die</strong>se Bedingungen oft außerordentlich komplex. So können gleiche Mittelbei Educanden mit unterschiedlichen Persönlichkeitsmerkmalen verschiedeneWirkungen haben (aptitude-treatment-interaction) 17 . Technologien sind also relativspeziell, weil sie spezielle Randbedingungen berücksichtigen. Die technologischeFragestellung zwingt uns daher zur Differenzierung allgemeiner Theorienund trägt so zur Gewinnung eines genaueren Wissens über <strong>die</strong> Wirklichkeit bei.Die zunehmende Komplexität von Theorien und Technologien erschwert jedochihre Anwendung in der Praxis. Auf <strong>die</strong>ses Dilemma wird weiter unten nochnäher eingegangen werden (vgl.3.2.2).Verdeutlichen wir uns das anhand eines Beispiels. Angenommen wir wissendurch BERLYNEs Neugiertheorie, daß unerwartete bzw. nicht vollständigvorhersehbare, aber nachvollziehbare Veränderungen eines Gegenstandes <strong>die</strong>Aufmerksamkeit für <strong>die</strong>sen Gegenstand erhalten 18 . Daraus erfahren wir zwarnicht, was wir im einzelnen tun müssen, um <strong>die</strong> Aufmerksamkeit der Schüler <strong>auf</strong>einen bestimmten Unterrichtsgegenstand zu richten und sie dort festzuhalten,aber wir erfahren, in welcher Richtung wir eine Lösung suchen müssen. Dennallgemeine Theorien engen den Spielraum für technologische Lösungen ein 19 .Die Gesetzeshypothese sagt uns, was nicht erreicht werden kann, in welcherRichtung es sich erübrigt, nach technischen Lösungen zu suchen.Auch hier besteht ein logisch-struktureller Zusammenhang zwischen derTheorie und ihrer technologischen Anwendung. Denn man kann BERLYNEs Gesetzeshypothesein einen "Es-gibt-nicht-Satz" umformulieren. In <strong>die</strong>ser Formulierungvon Gesetzesaussagen wird "der Spielraum menschlicher Handlungsmöglichkeitenfestgelegt und damit eine jeweils situationsspezifische Antwort<strong>auf</strong> unsere Ausgangsfrage ermöglicht ... : Was können wir tun?" 20 . BERLYNEsHypothese besagt dann, daß ohne Veränderungen eines Gegenstandes, <strong>die</strong> fürbestimmte Individuen neuartig sind, keine längerdauernde Aufmerksamkeit fürihn erzeugt und erhalten werden kann 21 . In <strong>die</strong>ser Form eröffnet <strong>die</strong> Gesetzeshypotheseeinen zwar breiten, aber begrenzten Spielraum für <strong>die</strong> Entdeckung17 Vgl. z.B. FLAMMER 1975; SCHWARZER/STEINHAGEN 1975.18 Vgl. BERLYNE 1974.19 Vgl. MACH 1987, S. 449.20 ALBERT 1972, S. 83.21 Zu technologischen "Es-gibt-nicht"-Sätzen vgl. POPPER 1982, S. 39 ff.; ders. 1971, S. 49 f.105


oder Konstruktion jener spezielleren Bedingungen oder Bedingungsgefüge für<strong>die</strong> Erregung und Erhaltung der Aufmerksamkeit bei begrenzten Klassen vonUnterrichtsgegenständen und Adressatengruppen. Deren Kenntnis ermöglichtdann auch eine genauere Erklärung entsprechender Ereignisse.Informationen über solche allgemeinen als auch speziellen technologischenZusammenhänge zu geben, ist eine grundlegende Aufgabe der Erziehungswissenschaft,<strong>die</strong> bewältigt werden muß, wenn sie beispielsweise für <strong>die</strong> Konstruktionverbesserter Lehrmaterialien oder von Lehrgängen von Nutzen sein soll 22 .Dazu müssen <strong>die</strong> Erziehungswissenschaftler allgemeine Theorien durch <strong>die</strong>Erforschung spezifischer gesetzmäßiger Beziehungen oder Randbedingungenergänzen, <strong>die</strong> für Erziehungssituationen kennzeichnend sind. Diese Theoriendürften einerseits differenziertere Erklärungen von Erziehungsphänomenen undandererseits auch bessere technologische Problemlösungen ermöglichen.Die Frage ist, ob differenziertere Erziehungstechnologien auch zu besserenpraktischen Problemlösungen beitragen. Wenden wir uns also der Beziehungzwischen Technologie und Praxis zu.3.2.2 Technologie und PraxisUnser Hauptproblem ist <strong>die</strong> Überbrückung der Kluft zwischen theoretischenAussagen und praktischen Maßnahmen. Wie schon früher erörtert wurde, und wieauch <strong>die</strong> bisher angeführten Beispiele zeigen, sind technologische Aussagen relativallgemein und können daher nicht alle Bedingungen spezifischer praktischerSituationen enthalten, <strong>die</strong> im konkreten Fall aber von Bedeutung sein können. Es istalso sicher nicht so, daß erziehungstechnologische Theorien unmittelbar <strong>auf</strong>Erziehungssituationen anwendbar sind.Außerdem ist zu bedenken, daß <strong>die</strong> Anwendung erziehungstechnologischerTheorien in der Erziehungspraxis eine Auswahl oder Entscheidung voraussetzt,welche Theorie angewendet werden soll. Erziehungstechnologische Informationensagen dem Erzieher nämlich nicht, was er tun soll, sondern nur, was er tun kann,wenn ein gesetztes Ziel erreicht werden soll. Sie geben Bedingungen an, <strong>die</strong> einenSpielraum für mögliche Handlungen oder Mittel abstecken. Diese Handlungen oderMittel müssen - wenn <strong>die</strong> Theorie richtig ist - bestimmte Merkmale <strong>auf</strong>weisen, umeiner erfolgreichen Zielerreichung <strong>die</strong>nen zu können.22 Vgl. KRUMM 1987, S. 30 ff.106


Theo HERRMANN gibt zwei Hauptmöglichkeiten an, wie erziehungstechno-logischesWissen nutzbar zu machen gesucht wird. Erstens, indem man den Erziehernhandlungsrelevantes Hintergrundwissen bereitstellt; zweitens, indem durchstandardisierte Techniken (z.B. interaktive Lehrprogramme, objektivierte Lehrgängeusw.) Erziehungssituationen mit bestimmten Merkmalen herbeigeführt werden 23 . DasHintergrundwissen soll dem Erzieher als Grundlage zur differenzierten Beurteilungvon Erziehungssituationen und zur Planung einer Abfolge vonErziehungshandlungen <strong>die</strong>nen. Die Probleme der Anwendung sind vom Erzieherunter Zuhilfenahme der mit <strong>die</strong>sem Wissen konstruierten Regeln zu lösen. Jedochentstehen bei der Anwendung von Handlungsregeln auch Probleme. Allgemeine,prinzipienartige Regeln wie: "Um glückliche Kinder zu haben, entmutige sie nicht",lassen offen, was genau in einer bestimmten Erziehungssituation es "heißen soll,Kinder nicht zu entmutigen" 24 . Spezifische Handlungsregeln dagegen können dasDenken des Erziehers einengen, zu schematischen Problemlösungen und im Fall deroffensichtlichen Nichtanwendbarkeit zu Ratlosigkeit führen 25 . Außerdem wird einesteigende Zahl stark spezifizierter Handlungsregeln immer weniger überschaubar.Überhaupt dürfte <strong>die</strong> Anwendung technologischer Theorien durch den Praktikernur möglich sein, wenn <strong>die</strong>se Theorien möglichst einfach sind. In <strong>die</strong>sem Fall würdensie aber der Komplexität der Erziehungswirklichkeit nicht mehr gerecht. Möglicherweisejedoch – so HERRMANN – ist <strong>die</strong> Annahme, daß nur komplexe Theorien derErziehungswirklichkeit gerecht werden, nicht zutreffend, denn es wird damit ein"Entsprechungspostulat" vorausgesetzt, demzufolge Komplexes nur durch Gleichkomplexeserkannt und erziehungstechnisch beeinflußt werden kann 26 . Es kommehinzu, daß komplexe oder parameterreiche Theorien empirisch besonders schlecht zuprüfen sind und sich daher zur "Fun<strong>die</strong>rung" erziehungstechnologischer Problemlösungennicht gut eignen 27 . Die Wirkungen von Erziehungsmitteln könnten damit jakaum genauer prognostiziert, ihr Einsatz daher auch nicht theoretisch besserbegründet und geplant werden, als das <strong>auf</strong> der Grundlage traditioneller praktischpädagogischerWissensformen möglich ist. Andererseits sind einfache, zugleich23 Vgl. THEO HERRMANN 1979, S. 160 ff. Interessant und vielversprechend ist auch der Vorschlagvon ECKERLE/KRAAK 1989, "kausale Landkarten" zur Nutzung wissenschaftlichen Wissens inder Erziehung zu erstellen.24 THEO HERRMANN 1979, S. 160 f.25 Vgl. ebenda, S. 160.26 Vgl. ebenda, S. 69 u. 154.27 Vgl. ebenda, S. 143.107


exakte und möglichst große Bereiche der Erziehungswirklichkeit erklärende Theoriennicht verfügbar.In der Erziehungstechnologie konnten einfache Theorien mit dar<strong>auf</strong> beruhendenund nachgewiesenermaßen effektiven Erziehungstechniken bisher nur für relativ engumgrenzte Phänomene und Aufgaben konstruiert werden 28 . Möglicherweise ist dasTheorie-Praxis-Problem der Pädagogik tatsächlich am ehesten <strong>auf</strong> <strong>die</strong>se Weise, d.h.durch <strong>die</strong> Entwicklung, Erprobung und Verbesserung von theoretisch bzw.technologisch begründeten Erziehungstechniken, von standardisiertenErziehungsprogrammen, Lehrmitteln oder Organisationsformen für mehr oderweniger begrenzte Bereiche zu lösen. So können etwa durch den Einsatz vonGruppen- oder Einzellehrprogrammen oder individuell verwendbaren Audiokassettenfür Diktate vorgeplante, oft individualisierende Elemente in den Unterricht eingeführtwerden, <strong>die</strong> <strong>die</strong> Arbeit des Lehrers erleichtern 29 . Ein weiteres Beispiel ist <strong>die</strong>MONTESSORI-Methode, <strong>die</strong> <strong>auf</strong> der Grundlage einfacher Annahmen über das Werdender Persönlichkeit entwickelt wurde. Durch eine Kombination organisatorischerRegeln und unterrichtstechnischer Materialien werden im Hinblick <strong>auf</strong> <strong>die</strong>seAnnahmen mehr oder weniger standardisierte Erziehungssituationen herbeigeführt,<strong>die</strong> durch regelgeleitetes Lehrerhandeln gut kontrollierbar sind.Derartige schulorganisatorisch hergestellten Standardsituationen dürfteneine wesentliche Vorausssetzung dafür sein, daß Lehrer wissenschaftliches bzw.technologisches Wissen über Erziehung überhaupt effektiv nutzen können.Vermutlich benötigen sie aber selbst dann ein Training, durch das <strong>die</strong> entsprechendenDispositionen für erzieherische Handlungs- und Reaktionsweisenerworben werden können 30 . Schließlich sind <strong>die</strong> Beziehungen zwischen Wissenselementenund Verhaltensweisen nicht besonders eng 31 . So neigen Lehrer,<strong>die</strong> sehr wohl über fachspezifisches Erziehungswissen verfügen, unter Handlungsdruckzur Anwendung von Alltagswissen; sie unterscheiden sich dann inihrem Handeln nicht meßbar von Nicht-Erziehern 32 . Mehr oder weniger standardisierteSituationen und dafür trainiertes Verhalten kann aber zu erhöhter Sicherheitin der Anwendung erziehungstechnologischer Erkenntnisse beitragen.28 Vgl. beispielsweise PETERMANN/ PETERMANN 1988 oder das Trainingsprogramm von LANGER/SCHULZ v. THUN/ TAUSCH 1974.29 Vgl. THEO HERRMANN 1979, S. 162.30 Zu einem <strong>auf</strong> differenzierten erziehungswissenschaftlichen Aussagen beruhenden erziehungstechnologischenVorschlag zum Lehrertraining vgl. HOFER 1986, S. 386 ff.31 Vgl. WICKER 1969.32 Vgl. hierzu WAHL/WEINERT/HUBER 1984, S. 23.108


Da es nicht möglich ist, <strong>die</strong> Menge technologischen Wissens und seinertechnischen Anwendungen in den Köpfen der Erzieher zu konzentrieren, ist <strong>die</strong>Objektivierung <strong>die</strong>ses Wissens in technischen Mitteln der vermutlich erfolgversprechendsteWeg zu seiner Anwendung. Solange Wissen nicht in standardisiertenTechniken, d.h. Lehrbüchern oder Lernmaterialien, objektiviert wird,wird es nur sehr begrenzt zur angemessenen Anwendung gelangen können.Dazu ein ausführlicheres Beispiel: Dietmar HERDT hat unter Zugrundelegungder kognitiven Lerntheorie, entsprechender technologischer Hypothesenund von Unterrichtstechniken einen neuen Lehrgang zur "Einführung in <strong>die</strong> elementareOptik" entwickelt 33 . Lernen wird durch den Aufbau kognitiver Schemataerklärt. Ausgangspunkt sind <strong>die</strong> jeweils vorhandenen, mehr oder wenigerbereichsspezifischen Alltagsschemata der Schüler. Diese vorhandenen Wissensschematakönnen nach und nach immer besser an <strong>die</strong> realen Phänomeneangepaßt werden. Führt etwa <strong>die</strong> Anwendung <strong>die</strong>ser Schemata nicht zu befriedigendenErgebnissen, z.B. weil Versuche den durch ein Schema bedingtenErwartungen widersprechen, dann werden <strong>die</strong> Schemata verändert, angepaßt oderneu strukturiert. Auf <strong>die</strong>se Weise können <strong>die</strong> verbesserten Schemata in derErfahrungswelt der Lernenden verankert werden.Ein Hauptproblem dabei ist, daß in der Schule vielfach Antworten <strong>auf</strong>Fragen gelernt werden sollen, <strong>die</strong> von den Schülern nicht gestellt worden sind.Wenn der Lehrstoff aber keinen Bezug zu der Erfahrungswelt und damit zu denam ehesten zugänglichen bereichsspezifischen Wissensschemata der Schüler hat,<strong>auf</strong>grund derer sie Fragen über einen Gegenstandsbereich formulieren könnten,dann bleibt das unabhängig davon erworbene Wissen wie ein Fremdkörper in derkognitiven Struktur der Schüler "hängen". Wegen der fehlenden Verknüpfung<strong>die</strong>ses "Schulwissens" in der kognitiven Struktur, ist ein Transfer dann kaummöglich. Sollen <strong>die</strong> Schüler das so Gelernte <strong>auf</strong> einfache Alltagsproblemeanwenden, dann kommen meist nicht <strong>die</strong> Schulweisheiten, sondern <strong>die</strong>unpassenden und in den Lernprozeß nicht einbezogenen Alltagsschemata zumEinsatz, <strong>die</strong> eigentlich durch das Schulwissen hätten ersetzt werden sollen.Damit können u.a. auch <strong>die</strong> nachweisbar schlechten Ergebnisse traditionellerLehrgänge zur Einführung in <strong>die</strong> Optik erklärt werden, nach denen neue Schematain Form von Merksätzen eingeprägt und angewendet werden, ohne daß man sichmit dem vorhandenen Wissen der Schüler dazu beschäftigt 34 . Um bessere33 HERDT 1990.34 Vgl. ebenda, S. 24 ff.109


Lernergebnisse zu erreichen, ist es erfolgversprechender, so vorzugehen, daßzunächst eine aktive Auseinandersetzung mit Phänomenen, <strong>die</strong> <strong>die</strong> Anwendungvorhandener Alltagsschemata erfordert, herbeigeführt wird. Durch Kritik können<strong>die</strong> Schwächen <strong>die</strong>ser Theorien <strong>auf</strong>gezeigt und <strong>die</strong> Konstruktion neuer oderverbesserter Schemata, <strong>die</strong> aber im Prinzip aus Alltagsschemata konstruiert werdenkönnen, angeregt werden. Um <strong>die</strong> Tendenz, <strong>die</strong> konkurrierenden Alltagsschematabei der physikalischen Interpretation optischer Phänomene zu verwenden, zuschwächen, und statt dessen <strong>die</strong> neuen Schemata zu benutzen, sind vermehrteAnwendungen <strong>die</strong>ser neuen Schemata durchzuführen. Erst dadurch können sie alsbedeutsam und geeignet zur Erklärung vieler Phänomene erfahren werden.Die technische Durchführung sieht so aus, daß zunächst durch Beobachtung,Diskussion und Versuche zur Erklärung von Alltags- und Naturerscheinungen, <strong>die</strong>den Schülern zugänglich sind, sowie durch einfache Experimente <strong>die</strong>Alltagsschemata in Frage gestellt und durch besser angepaßte qualitative, <strong>auf</strong> derBasis von Alltagswissen verständliche Schemata ergänzt werden. DieAlltagsschemata werden nicht völlig, sondern nur bei der fachlich-physikalischenInterpretation verdrängt. Diese neuen Schemata werden dann in Übungs- undTransfer<strong>auf</strong>gaben zunächst in qualitativer Weise angewendet, ausführlich diskutiertund dadurch differenziert. Erst danach erfolgt ihre Formalisierung undQuantifizierung sowie <strong>die</strong> Übung der dann nochmals verfeinerten Schemata.Die Prüfung <strong>die</strong>ses Lehrganges im Vergleich mit dem herkömmlichen erfolgtein einer gut kontrollierten Untersuchung. Nach einjähriger Versuchsdauerergaben sich im Abschlußtest (20 Aufgaben, max. 40 Punkte) folgende Werte:Der Mittelwert (Gymnasial- und Realschulklassen) ist "mit 24,8 (Streuung7,9) in der Versuchsgruppe" deutlich "größer als in der Kontrollgruppe mit nur9,7 (Streuung: 5,9)". Die Spannweite oder Inhomogenität der Leistungswerte "istin der Kontrollgruppe doppelt so groß wie in der Versuchsgruppe". Die Leistungswerteder Versuchskurse "liegen zwischen 17,3 und 32,8 - in den Kontrollkursennur zwischen 6,5 und 16,8". Der beste der Kontrollkurse (Gymnasialkurs)liegt also unterhalb des schwäch-sten Versuchskurses (Realschulkurs). DerEinfluß der gemessenen Intelligenz war in der Versuchsgruppe geringer als <strong>die</strong>Vorteile durch den neuen Lehrgang. So ist das schlechteste Lernergebnis, in deruntersten Intelligenzklasse in der Versuchsgruppe (22,8) erheblich besser als dasbeste Lernergebnis der obersten Intelligenzklasse der Kontrollgruppe (13,7). Der110


Abschlußtest fragte lediglich Grundwissen ab, "wie es auch im herkömmlichenUnterricht in geometrischer Optik hätte vermittelt werden sollen" 35 .Dieses ausführlich dargestellte Beispiel eines Ergebnisses erziehungstechnologischerForschung und Konstruktion ist dazu geeignet, das bislang nochweithin ungenutzte Potential <strong>die</strong>ses pädagogischen Arbeitsbereiches vor Augenzu führen. Auch wenn das Verhältnis von Technologie und erzieherischer Praxissehr verwickelt ist, so kann doch mit Recht erwartet werden, daß zunehmendeErkenntnisse und unterrichtstechnische Konstruktionen <strong>die</strong> Praxis verbessernhelfen werden.3.2.3 Technologie und MenschenbildDas Programm der Erziehungstechnologie und der Sozialtechnologieüberhaupt erweckt vielfach <strong>die</strong> Sorge, daß hier der Mensch wie ein Apparatbetrachtet wird und zum Objekt erniedrigt werde. Zu befürchten sei vor allem,daß <strong>die</strong> Persönlichkeit von Kindern in einem kritischen Stadium ihrer Entwicklungnicht mehr in all ihren Aspekten und Möglichkeiten gesehen, sondern<strong>auf</strong> wenige funktionale Bereiche eingeengt werde 36 . Die Frage ist also, ob <strong>die</strong>Erziehungstechnologie notwendig von einem unzulässig verengten Menschenbildausgeht und ob <strong>die</strong> Erziehungstechnologie generell <strong>die</strong> Beschränkung undFunktionalisierung des Menschen im Hinblick <strong>auf</strong> eng umgrenzte Ziele fördert.a) Die Annahme des rationalen MenschenMEINBERG vertritt <strong>die</strong> Überzeugung, empirische Erziehungswissenschaftund Erziehungstechnologie würden "uns den verwissenschaftlichten Menschenals ihr Vorbild" <strong>auf</strong>zwingen. "Nähergehend ist das der Verstandesmensch, einebesonders gelungene Gattung des 'rational man', der <strong>die</strong>sem erziehungswissenschaftlichenAnsatz sein Fluidum" schenke 37 . Dieses Menschenbild sei das "Ideal",<strong>die</strong> "'heimliche' normative Anthropologie" der Erziehungstechnologie 38 .Gewiß kann <strong>die</strong>ses Bild durchaus einem Ideal entsprechen, von dem Erziehungstechnologenausgehen könnten, aber keineswegs ausgehen müssen. Bei-35 Ebenda, S. 410 f.36 Vgl. allgemein LEHNER 1986, S. 22 ff.37 MEINBERG 1988, S. 27.38 Ebenda, S. 37.111


spielsweise hat WEINERT das den Techniken zur Förderung des autonomen Lernenszugrunde liegende Bild des "rational man" folgendermaßen beschrieben:"Der 'rational man' identifiziert ein Problem, registriert und prüft <strong>die</strong> Daten,spezifiziert seine Ziele und produziert Ideen zu ihrer Erreichung, <strong>die</strong> er alsHypothesen formuliert. Diese Hypothesen prüft, falsifiziert oder verifiziert er,hält Ausschau nach Gründen und Erklärungen für Erfolg und Mißerfolg, bautErwartungen über mögliche alternative Handlungen <strong>auf</strong> und nähert sich soschrittweise der Lösung des Problems. Durch ein solches Vorgehen verbessert erseine kognitive Orientierung an der Umwelt und seine kognitive Kontrolle über<strong>die</strong> Umwelt ... Er verhält sich damit auch motivational rational, weil er durchreflektierte Entscheidungen subjektives Risiko und subjektive Kosten minimiertund seinen intellektuellen und realen Profit derart maximiert" 39 .Der Konstruktion von Erziehungstechnologien und -techniken können aberauch andere Zielvorstellungen oder Idealbilder des Menschen als hypothetischeZielsetzungen zugrunde liegen. So wurde in der klassischen Reformpädagogik<strong>die</strong> Annahme, daß der Mensch von Natur aus gut sei, und daß man in derErziehung nur seinen ursprünglichen Bedürfnissen zu folgen brauche, damit erauch gut bleibe, von zahlreichen Erziehungstheoretikern als Ziel <strong>auf</strong>gefaßt, zudessen Erreichung <strong>die</strong> vielleicht bis heute interessantesten Techniken der Pädagogik(Projektmethode, MONTESSORI-Methode, Arbeitsunterricht usw.) entwickeltwurden. Der Technologe oder Techniker kann durchaus Leitbilder oderIdeale haben. Es trifft also nicht unbedingt zu, daß <strong>die</strong> Erziehungstechnologieden Educanden reduziere, Ideale nicht gelten lasse oder <strong>die</strong> "Bilder" ausblende,"<strong>die</strong> sich der Mensch von einem menschenwürdigen Dasein macht" 40 .Ein Menschenbild 41 wird im übrigen nicht nur aus Tatsachenwissen <strong>auf</strong>gebaut.Wenn wir beispielsweise dem einzelnen Verantwortung zuschreiben, dannja nicht, weil wir von der Tatsache ausgehen könnten, daß der Mensch einenfreien Willen hat und sich frei entscheiden kann, sondern weil wir möchten, daßer gewisse Regeln befolgt. Als Tatsachenkenntnis kann man in <strong>die</strong>sem Zusammenhangnicht <strong>die</strong> Willensfreiheit ansehen, <strong>die</strong> ein Ideal ist, sondern dastechnisch verwertbare Wissen, daß Menschen durch Regeln und Sanktionenbeeinflußt werden können 42 .39 WEINERT 1980, S. 4.40 HÜLLEN 1989, S. 33.41 Zu Beispielen für Menschenbilder in der Erziehung vgl. SPRANGER 1966; NASH/ KAZAMIAS/PERKINSON 1965.42 Vgl. v. HAYEK 1971, S. 94 f.112


Das Ideal des "rational man", das MEINBERG als "normative Anthropologie"deutet, kann so betrachtet auch als eine Konvention gelten. Sie dürfte insofernweithin Anerkennung erfahren, als wir sie in der Regel sowohl unserenalltäglichen als auch wissenschaftlichen Diskussionen zugrunde legen. Denn <strong>die</strong>gegenseitige Verständigung setzt voraus, daß Menschen sich weitgehend rationalverhalten, daß sie für Argumente zugänglich sind und nicht völlig willkürlichund unvorhersehbar reagieren. Das Fehlen <strong>die</strong>ser rationalen Grundbedingungenwürde das Zusammenleben stören und erschweren. Wahrscheinlich ist unsereKultur so beschaffen, daß der einzelne sich rational verhalten muß, um negativenSanktionen zu entgehen.Daraus folgt jedoch nicht, daß <strong>die</strong> Anwendung der Erziehungstechnologie<strong>auf</strong> den "rationalen Menschen" beschränkt wäre. Für <strong>die</strong> Anwendung derErziehungstechnologie ist es lediglich erforderlich, daß Individuen in mehr oderweniger vorhersehbarer Weise reagieren, d.h. daß ihr Verhalten psychischen undsozialen "Gesetzen" unterliegt. Weil das aber so ist, läßt sich mit Hilfe derErziehungstechnologie beispielsweise <strong>die</strong> Entstehung eines Wir-Gefühls bei denMitgliedern einer Gruppe völlig unabhängig davon fördern, ob <strong>die</strong> Gruppenmitgliedernun "rationale" oder "irrationale" Menschen sind.Dennoch dürfte <strong>die</strong> Annahme eines bestimmten Menschenbildes in derErziehungstechnologie weitreichende Folgen haben. Geht man beispielsweisedavon aus, der Mensch sei grundsätzlich selbstsüchtig und von niederen Triebenbeherrscht, wird man andere Zweck-Mittel-Beziehungen untersuchen wollen, alswenn man den Menschen für ein rationales Wesen hält, das in der Lage ist, kurzundlangfristige Vorteile gegeneinander abzuwägen und entsprechend zuhandeln. Es dürfte zur Förderung der Klarheit und Durchschaubarkeit vonErziehungstechnologien beitragen, wenn <strong>die</strong> ihnen zugrunde liegenden Menschenbilderanalysiert und diskutiert werden. Es besteht immer <strong>die</strong> Gefahr, daßErziehungstechnologen, weil sie sich nur mit einem kleinen Ausschnitt derWirklichkeit sehr detalliert befassen können, Menschenbilder oder andere wertbestimmteGrundsätze und Ziele, <strong>die</strong> ihre Technologien und Techniken implizieren,für weitreichende Bildungsentscheidungen anbieten, <strong>die</strong> letztlich der individuellenund gesellschaftlichen Entwicklung eher Schaden zufügen könnten. DieAnalyse und Kritik solcher Zusammenhänge wird daher zu einer rationalerenDurchdringung erziehungstechnologischer Fragen erforderlich sein.113


Die entscheidende Frage jedoch scheint zu sein, ob Technologie nicht notwendigeine mehr oder weniger mechanistische Vorstellung und damit eineReduktion unseres Verständnisses des Menschen voraussetzt.b) Reduziert <strong>die</strong> Erziehungstechnologie den Menschen <strong>auf</strong> Mechanismen?Solange man nicht annimmt, der Mensch sei vollständig durch seine Anlagen,also genetisch determiniert 43 , wird man davon ausgehen dürfen, daß er durch<strong>die</strong> Bedingungen, denen er ausgesetzt ist, beeinflußt werden kann. Ohne einesolche Annahme könnte es keine Erziehungstechnologie geben. Kritiker befürchtenaber, daß der Mensch durch eine perfektionierte Erziehungstechnologie nichtmehr als seelisches Wesen verstanden werden könne. Da <strong>die</strong> ErziehungswissenschaftGesetzmäßigkeiten erforschen will, Gesetzmäßigkeiten aber mehroder weniger exakte Mechanismen voraussetzen würden, müsse das Menschenbildder Erziehungswissenschaft ein mechanistisches sein 44 . Dadurch werde derMensch in seiner "Ganzheit" verfehlt 45 .Die Erklärung menschlichen Verhaltens durch Wenn-Dann-Aussagen kanngewiß den Eindruck erwecken, der Mensch werde als Bündel von Automatismenbetrachtet. Da es jedoch möglich ist, derartige Gesetzmäßigkeiten zu erkennen,kann man durchaus berechtigt annehmen, daß Individuen wenigstens teilweiseregelhaft und in Automatismen reagieren. Das hat manche Wissenschaftler dazuverleitet, <strong>die</strong> Freiheit des Individuums zu leugnen 46 . Aber wie schon gezeigtwurde, ist ein vollständiger Determinismus absurd (vgl. 2.1.3e). Aus der bloßenTatsache, daß wir den einzelnen durch Techniken wie Lob und Tadel so beeinflussenkönnen, daß er sich in höherem Maß in der gewünschten Weise verhält,folgt nicht, daß Individuen vollständig durch Verstärkungen von Verhaltensweisendeterminiert wären, und daß wir daher zumindest im Prinzip ihre Handlungengenau voraussagen und kontrollieren könnten. Für den Erziehungstechnologengibt es deshalb keinen zwingenden Grund, <strong>die</strong> individuelle Person nichtals ein einzigartiges Wesen zu betrachten, dem grundsätzlich mit Respekt begegnetwerden sollte.Aber selbst wenn in der Erziehung <strong>auf</strong> Gesetzmäßigkeiten beruhende43 Das Anlage-Umwelt-Problem ist nach wie vor ungelöst. Man geht aber davon aus, daß durch <strong>die</strong>Interaktion von Anlage und Umwelt von beiden ein Einfluß ausgeübt wird.44 Vgl. LÖWISCH 1982, S. 16 ff. und passim; HERZOG 1986, S. 319; 1987, S. 145; DERBOLAV1978, S. 340.45 Ebenda, S. 26.46 Vgl. z.B. SKINNER 1973.114


Methoden zwanghaft angewandt werden sollten - was ja nicht ausgeschlossenwerden kann -, kann <strong>die</strong> Persönlichkeit von Educanden doch nur begrenzt zudem gemacht werden, was mancher Erzieher vielleicht gerne möchte. Das Werdender Persönlichkeit hängt nämlich nicht ausschließlich von äußeren Bedingungenab. Vielmehr setzt sich der einzelne auch aus eigenem Antrieb und in derihm eigenen Weise mit seiner jeweiligen Umwelt auseinander und entwickeltoder verändert dabei seine gegebenen individuellen Eigenschaften. DieErziehungstechnologie kann uns daher auch nur Mittel an <strong>die</strong> Hand geben, <strong>die</strong> esermöglichen, das Werden der Persönlichkeit von Educanden mehr oder wenigerzu beeinflussen. Diese Beeinflussungsversuche können im Einklang mit dervorhandenen Perönlichkeitsstruktur eines Educanden sein "Wachstum" fördern,sie können aber auch dagegen gerichtet sein.Mit einer wissenschaftlich gut begründeten Technologie kann der Erzieher<strong>die</strong>se Hilfe für das Wachstum der Persönlichkeit sehr viel wirkungsvoller leistenund individuellen Besonderheiten der Educanden besser gerecht werden. Geradebei erziehungsschwierigen Kindern wendet man sich ja an Spezialisten in derErziehungsberatung, Heilerziehung und Psychotherapie. Von ihnen erhofft mansich eine genaue Diagnose der speziellen Problemsituation <strong>die</strong>ser Kinder underziehungstechnische Hinweise, wie einem bestimmten Kind mit seinen besonderenSchwierigkeiten zu helfen sei. Auch wer eine Fremdsprache oder denUmgang mit dem Computer lernen möchte, wird dankbar sein, wenn er einenLehrer findet, der ihm den Erwerb <strong>die</strong>ser Fähigkeiten mit effektiven Technikenund technischen Hilfsmitteln erleichtern kann.Man muß also in der Erziehungstechnologie den Menschen nicht notgedrungen<strong>auf</strong> Mechanismen reduzieren. Es kommt vielmehr dar<strong>auf</strong> an, wie differenziertund bewährt das zugrunde gelegte Wissen ist. Um <strong>die</strong>ses Wissen zugewinnen, dürfte es vorteilhaft sein, ein breites Spektrum von Methoden zuverwenden. Dieses Spektrum kann von strengen objektivierten Tests bis hin zuoffeneren und eher subjektiven Verfahren reichen. Man kann darüber hinausauch - trotz der damit verknüpften und ungelösten Problematik - <strong>die</strong> "intuitive"Erfahrung nutzen. So kann man ja beim Kennenlernen von Menschen denEindruck haben, als sei man in der Lage, ihre Persönlichkeit in ihrer "Ganzheit"zu durchschauen. Die Ergebnisse solcher intuitiven Erkenntnisprozesse solltenjedoch, trotz ihrer manchmal nicht unerheblichen Überzeugungskraft, nicht einfachals wahr hingenommen werden. Sie könnten sich bei genauerer Prüfungsehr wohl als unzutreffend oder grobschlächtig und weiterer Differenzierung be-115


dürftig erweisen 47 . Sie können aber heuristisch brauchbar sein und durch <strong>die</strong>Anwendung idiographischer und nomographischer Verfahren ergänzt werden.Wenn das <strong>auf</strong> <strong>die</strong>ser Grundlage gewonnene erziehungstechnologische Wissen<strong>die</strong> Erreichung als wertvoll erachteter Erziehungsziele verbessern kann, wärees auch gegenüber den Educanden nicht besonders veranwortungsvoll, wennman <strong>auf</strong> <strong>die</strong> Verwendung <strong>die</strong>ses Wissens verzichten würde. Auch wer ein sohochgestecktes Ziel wie das "einer pädagogischen Höherbildung der Menschheit"anstrebt 48 , ist zu dessen Verwirklichung <strong>auf</strong> Techniken - und zur Entwicklungoder Verbesserung <strong>die</strong>ser Techniken <strong>auf</strong> theoretisches Wissen - angewiesen.Die Ablehnung der Erziehungstechnologie ist unverständlich und selbstwidersprüchlich,wenn es darum geht, in den "Prozeß ... des Denkens und Handelnseinzugreifen und ihn zu unterstützen" 49 . "Gelegentlich", so ULICH, "gerät<strong>die</strong> Technologiekritik in Gefahr, an antizivilisatorische Mythologien zu appellieren,indem sie <strong>die</strong> Technik zu einem unfaßbaren, alles verschlingenden Molochhochstilisiert". Gleichwohl kann <strong>die</strong> Erreichung von Erziehungszielen nur"durch eine 'Technisierung' der Erziehung gefördert werden" 50 . Will man beispielsweisevon Selbstbestimmungsfähigkeit, Emanzipation usw. nicht nurschwärmen, sondern den Educanden wirksam dazu verhelfen, muß man über daserforderliche Mittelwissen verfügen 51 . So kann man durch Erziehungstechnologieden Menschen auch helfen, jene Fähigkeiten zu erwerben, durch <strong>die</strong> sie ihrLeben sinnvoll und eigenverantwortlich zu gestalten vermögen 52 .47 Zur Methodik und Problematik von Gelegenheitsbeobachtungen vgl. HASEMANN 1964, S. 811 ff.und zum Problem des ersten Eindrucks vgl. BIERHOFF 1984, S. 170.48 BENNER 1978, S. 351 f.49 HERZOG 1986, S. 326.50 ULICH 1972a, S. 50.51 Vgl. BREZINKA 1989, S. 333.52 Daß technologische Planung auch in großem Maßstab der Freiheit und Würde des Menschen nichtentgegensteht, seine Persönlichkeit nicht verunstaltet oder reduziert, beleuchtet ANDERS 1964, S.50: "Wer <strong>die</strong> Millionen, <strong>die</strong> nackend und Hungers sterbend in den Straßen Kalkuttas liegen,gesehen hat, der weiß, daß es keine furchtbarere Freiheitsberaubung gibt als Planlosigkeit. Dereinzelne, der <strong>auf</strong> Grund von Planung in einem menschenwürdig geplanten Haus einermenschenwürdig geplanten Stadt leben darf, hat ungleich mehr Chance für ein eigenes Leben unddamit für Freiheit als derjenige Elende, der, ohne Planung gezeugt und planlos und uneingeplantfortvegetierend, <strong>auf</strong> einer sizilianischen, indischen oder südamerikanischen Straße herumliegt."116


3.3 Klärung und Konstruktion von Erziehungsnormen alswissenschaftliche AufgabeDie Beantwortung der Frage, welchen Zielen Erziehung <strong>die</strong>nen sollte, wieErziehungsinstitutionen organisiert sein sollten, welche Anforderungen an Erzieherzu stellen sind usw., gilt seit jeher als eine der wichtigsten Aufgaben derPädagogik, wenn nicht als ihre wichtigste überhaupt. Da <strong>die</strong>s aber im wesentlichenFragen der Bewertung sind, ist es sehr schwierig, hier zu gemeinsamenAuffassungen zu gelangen, und es kann vor allem auch keine letztgültigen wissenschaftlichenLösungen oder Antworten hierzu geben (vgl. 3.1.1b). Es ist nunaber nicht so, daß <strong>die</strong> Wissenschaft zur Lösung <strong>die</strong>ser Aufgaben nichts beitragenkönnte. Allerdings ist ihr Beitrag <strong>auf</strong> logische Analysen und konstruktive Vorschlägebegrenzt.Im folgenden wird zunächst <strong>auf</strong> Problem der Normbegründung eingegangen(3.3.1). Anschließend wird dargestellt, wie <strong>die</strong> empirisch-analytische Erziehungswissenschaftdurch Aufklärung über Wert- und Wirkungszusammenhängevon Zielen, über ihre Realisierbarkeit und ihre Konsequenzen zur Beantwortungder Frage nach den "richtigen" Erziehungszielen beitragen kann (3.3.2).3.3.1 Das Problem der Begründung von ErziehungsnormenIm folgenden werde ich zuerst (a) <strong>die</strong> empirisch-analytische NormbegründungSicht darstellen, und (b) <strong>die</strong> Kritik an der empirisch anlytischen Normbegründungdikutieren. Ferner wird <strong>auf</strong> (c) das Problem der Geltung und (d) dasProblem der Willkür von Normenentscheidungen eingegangen.a) Empirisch-analytische NormbegründungAus empirisch-analytischer Sicht können Erziehungsnormen nur in einemeingeschränkten Sinn "begründet" werden. "Begründung" bedeutet dabei, über <strong>die</strong>intersubjektiv prüfbaren Gründe zu informieren, <strong>die</strong> von hypothetisch vorausgesetztenWertgesichtspunkten für oder gegen Erziehungsnormen angeführt werdenkönnen.Solche Gründe können sich beispielsweise aus den psychischen und sozialenWirkungen angewandter Normen und der Beurteilung <strong>die</strong>ser Wirkungen im117


Hinblick <strong>auf</strong> vorausgesetzte Wertgesichtspunkte ergeben. So kann etwa <strong>die</strong> Orientierungan Noten und Leistungen zu einem ungünstigen Klassenklima, zu Egozentrierung,Versagensängsten bei schulleistungsschwachen Schülern mit darausresultierender verstärkter Aggressionsbereitschaft, Hilflosigkeit usw. führen.Wenn nach den vorausgesetzten Wertgesichtspunkten aber Kooperation, individuelleund soziale Harmonie usw. als erstrebenswert gelten, dann wäre ein Leistungsprinzip,das <strong>auf</strong> Benotung im Gruppenvergleich besteht, wegen der beschriebenenWirkungen nicht damit vereinbar.Daraus ist schon zu ersehen, daß <strong>die</strong> vorausgesetzten Wertgesichtspunkteauch als Bewährungskriterien zu betrachten sind, denen Erziehungsnormen und<strong>die</strong> Mittel zu ihrer Erreichung im Idealfall zu genügen hätten. Allerdings folgtaus einer Begründung weder <strong>die</strong> Geltung noch <strong>die</strong> Nicht-Geltung von Erziehungsnormen.Die letztlich notwendige Entscheidung, ob eine Norm gelten odernicht gelten soll, läßt sich so zwar rationaler und durchschaubarer machen, wirdaber nicht überflüssig dadurch (vgl. 3.3.1d).In <strong>die</strong>sem Zusammenhang sollte ferner beachtet werden, daß mit den ZielauchMittelfragen verknüpft sind. Es wird ja nicht selten davon ausgegangen, daßnur <strong>die</strong> Zielsetzung werthaft, <strong>die</strong> Mittelverwendung hingegen wissenschaftlichund wertfrei bestimmbar sei 53 . Da aber das Ergebnis von Erziehung nicht nur vonden Zielen, sondern nicht zuletzt auch von den zur Anwendung gelangtenMitteln abhängt, können <strong>die</strong> Mittel nicht als wertmäßig indifferent gelten.Außerdem können Mittel Nebenwirkungen haben, <strong>die</strong> durchaus moralisch zubewerten sind. So könnte - wie oben angedeutet - das Leistungs- und Beurteilungssystemder Schule <strong>die</strong> Ausgrenzung leistungsschwacher Schüler fördernund damit indirekt zur Stärkung von Agressivität und Gewaltbereitschaft bei <strong>die</strong>senSchülern beitragen. Es ist daher auch unzureichend, eine Norm oder ein Zielfür sich zu untersuchen und <strong>die</strong> Mittel außer Betracht zu lassen. Eine solche Auffassungliefe <strong>auf</strong> <strong>die</strong> falsche Ansicht hinaus, daß der Zweck jedes Mittel heilige,wenn es nur effektiv ist. Die Analyse von Erziehungsnormen erfordert daher, daß<strong>die</strong> Zwischenergebnisse des Prozesses ihrer Erreichung, <strong>die</strong> durch <strong>die</strong> Anwendungbestimmter Mittel zustande kommen, ebenfalls berücksichtigt werden 54 .Die Formulierung der vorauszusetzenden Wertgesichtspunkte zur Beurteilungvon Zielen und Mitteln ist selbst eine Aufgaben der Normanalyse. Bei<strong>die</strong>sen vorausgesetzten Wertprinzipien handelt es sich jedoch nicht um53 Vgl. z.b. MÖLLER 1969.54 Vgl. ausführlicher zu <strong>die</strong>sem Problem POPPER 1970, Bd. 1, S. 390 ff.118


Erkenntnisse oder absolut gültige Kriterien. Vielmehr sind sie als konstruktivemenschliche Leistungen ohne Erkenntnisanspruch zu betrachten, <strong>die</strong> im bestenFall als allgemeine Wertungsgrundlagen akzeptiert werden. Allgemein kann manhier erstens gesellschaftliche Werte und Normen nennen und zweitenspädagogische Wertkriterien wie <strong>die</strong> Förderung des Kindeswohls. Damit Erziehungsnormensich an ihnen bewähren können, sollten sie so expliziert werden,daß sie sich <strong>auf</strong> Tatbestände beziehen, "<strong>die</strong> sich <strong>auf</strong>grund menschlicher Erfahrungenkontrollieren lassen" 55 .Ein solches, auch heute bedeutsames pädagogisches Kriterium bringt NOHLin folgender Frage zum Ausdruck: "Welchen Sinn bekommt <strong>die</strong> Forderung imZusammenhang des Lebens <strong>die</strong>ses Kindes, für seinen Aufbau und <strong>die</strong> Steigerungseiner Kräfte, und welche Mittel hat <strong>die</strong>ses Kind, um sie zu bewältigen?" 56 . NOHLbezeichnet <strong>die</strong>se Norm auch als "<strong>die</strong> wahre pädagogische Frage" 57 , weil er sie alszentral für <strong>die</strong> Beurteilung von Erziehungsnormen beurteilt. Jeder, der für dasRecht des Individuums zur Entwicklung seiner eigenen Fähigkeiten eintritt,solange dadurch anderen kein Schaden zugefügt wird, wird NOHL darinbeipflichten können. Es ist jedoch zu beachten, daß jedes solche pädagogischeKriterium nicht <strong>auf</strong> Erkenntnis, sondern nur <strong>auf</strong> Festsetzung beruht. Aber alsKriterium für <strong>die</strong> Beurteilung von Erziehungszielen und Mitteln dürfte NOHLsKriterium - auch wenn es konkretisiert werden müßte - unverzichtbar sein.Im Hinblick <strong>auf</strong> <strong>die</strong> verschiedenen Wertungsgesichtspunkte können logischeund empirische Gründe für bzw. gegen vorliegende Erziehungsnormen und<strong>die</strong> Mittel zu ihrer Erreichung vorgebracht werden. Im wesentlichen sind dreiArten von Gründen möglich:Erstens scheint es angebracht, Erziehungsnormen <strong>auf</strong> ihre empirisch zuprüfende Realisierbarkeit hin zu untersuchen. Denn wenn ein vorgeschlagenesErziehungsziel aus irgendwelchen Gründen nicht oder nur unter großen Schwierigkeitenerreichbar sein sollte, dann dürfte es nicht immer sinnvoll sein, esweiterhin in der vorliegenden Form verfolgen zu wollen (ausführlicher hierzu3.3.2b). Allerdings kann Realisierbarkeit nicht das entscheidende Kriterium sein,denn es kann sehr wohl Ziele oder Ideale geben, an denen man auch dann festhaltenmöchte, wenn es aussichtslos erscheint, sie jemals voll zu verwirklichen.55 Vgl. ALBERT 1972, S. 163.56 NOHL 1963, S. 127.57 Ebenda, S. 126.119


Zweitens kann <strong>die</strong> logische Konsistenz der gewünschten oder vorgeschlagenenErziehungsnormen geprüft werden. Sind sie untereinander und mit anderen, damit zusammenhängenden,bereits geltenden Normen, sowie mit den vorausgesetztenWertgesichtspunkten vereinbar? Wo bestehen Widersprüche, und wie können <strong>die</strong>sebeseitigt werden?Drittens können <strong>die</strong> psychischen, sozialen, ökonomischen und andere Konsequenzenvorgeschlagener oder angewandter Erziehungsnormen untersucht werden.Zu <strong>die</strong>ser Analyse kann man sozialwissenschaftliches Gesetzeswissen heranziehen.Die daraus folgenden Annahmen über <strong>die</strong> zu erwartenden Konsequenzen sollten empirischenPrüfungen zugänglich sein. Die Konsequenzen können dann <strong>auf</strong> der Grundlageder vorausgesetzten Wertgesichtspunkte zur Bewertung der Normen herangezogenwerden. Man kann in <strong>die</strong>sem Sinne auch von einer empirischen Bewährung derErziehungsnormen an <strong>die</strong>sen Wertgesichtspunkten sprechen und somit Vergleichezwischen verschiedenen Normen oder Normsystemen <strong>auf</strong> Erfahrung gründen 58 .Die wissenschaftliche Analyse der Folgen und der Realisierbarkeit vonErziehungszielen ermöglicht, vernünftig über sie zu diskutieren und zu klären, waswir wirklich wollen. Wenn wir beispielsweise wissen, daß ein Ziel nur durch einbestimmtes Mittel zu erreichen ist, das wir ablehnen, weil es Nebenwirkungen hat,<strong>die</strong> zu anderen Zielen oder Normen im Widerspruch stehen, werden Entscheidungenerheblich erleichtert, und wir werden das Ziel möglicherweise <strong>auf</strong>geben. Auch wenn<strong>die</strong> Normen selbst Mittel sind, <strong>die</strong> der Erreichung übergeordneter Ziele <strong>die</strong>nen, sindrationale Ziel-Mittel-Analysen zur Entscheidungsfindung nützlich 59 . Da Normendurch ihre soziale Verankerung in der Regel einen Realitätsbezug haben, steht ihrerempirischen Bewährung in <strong>die</strong>sen Fällen nichts im Wege. Man kann fast immerfragen, ob bestimmte Normen das gestellte Problem lösen, ob sie es besser lösen alsandere, ob sie irgendwelchen Erziehungsprinzipien widersprechen usw. 60 Allerdingsmuß man stets mit Fehlern oder Irrtümern rechnen, da auch unser Wissen überNormen und ihre Folgen stets begrenzt und irrtumsanfällg ist.Wenn Erziehungsnormen <strong>auf</strong> <strong>die</strong>se Weise "begründet" werden, kann das ineiner ausschließlich deskriptiven Sprache geschehen, also ohne daß erkenntnisfremdeWerturteile gefällt werden müßten. Die Aussagen sollten intersubjektivlogisch und/oder empirisch überprüfbar sein. Solche Informationen kann man58 Vgl. ALBERT 1972, S. 163.59 Vgl. allgemein hierzu Viktor KRAFT 1951, S. 203 ff., hier besonders S. 215.60 Vgl. allgemein hierzu EIDLIN 1989, S. 172 ff.; ALBERT 1978, S. 75 ff.; 1988, S. 12 ff.; FEIGL1971, S. 145.120


erzieherischen oder bildungspolitischen Entscheidungen zugrunde legen, aber<strong>die</strong>se Entscheidungen folgen nicht aus ihnen. Auch wenn logisch und empirischbegründete Entscheidungen mehr Überzeugungskraft besitzen und ihnen grösseresGewicht zukommt, können solche Begründungen weder Entscheidungenersetzen, noch kann aus ihnen ein Anspruch <strong>auf</strong> allgemeine Anerkennung desInhalts der dar<strong>auf</strong> beruhenden Entscheidungen abgeleitet werden.b) Die Kritik an der empirisch-analytischen NormbegründungDie empirisch-analytische Normbegründung wird nun beispielsweise vonOSTERLOH kritisiert, weil - wie er ausführt - eine rationale Normbegründung normativenSätzen "intersubjektive Verbindlichkeit" verleihen müsse. Eine solcherationale Begründung müsse von jedem akzeptiert werden. "Normative Sätze, <strong>die</strong>mit intersubjektiver Verbindlichkeit gebieten, sind für jeden Vernünftigenverbindlich!" Wer dagegen verstößt "- sozusagen bar jeder Vernunft - ... handeltin jedem Falle unvernünftig, irrational, und vermag keine intersubjektiv überzeugendenGründe für sein Verhalten anzugeben". Nicht <strong>die</strong> "allgemeineVerbindlichkeit" einer begründeten Norm sei anzuzweifeln, sondern "einzig undallein das von der Norm zu Unrecht abweichende Verhalten" 61 .Es gehöre zur Aufgabe der Erziehungswissenschaft, "rational und intersubjektivbegründete Normen und Ziele ... auszuarbeiten" 62 . Dabei unterscheidetOSTERLOH zwischen moralischen Idealen, denen bloß subjektive Geltung zukomme,und rational begründeten "Normen von intersubjektiver Verbindlichkeit, <strong>die</strong>also allgemeingültig und insofern objektiv sind ...". So sei "das christliche Gebotder Feindesliebe ... als moralisches Ideal" <strong>auf</strong>zufassen, während das "Gebotandere Menschen ... nicht zu töten" eine Norm von "objektiver Geltung" sei 63 .Es ist nicht ganz klar, was OSTERLOH mit "objektiver Geltung" meint. Wenndamit gemeint sein sollte, daß es objektive, d.h. intersubjektiv prüfbareSachverhalte gibt, <strong>die</strong> beachtet werden müssen, wenn man bestimmte Zieleerreichen möchte, dann kann man auch aus empirisch-analytischer Sichtzustimmen. Wenn damit aber gemeint sein sollte, daß <strong>die</strong> Sachverhalte selbst <strong>die</strong>absolute Geltung einer Norm erzwingen würden, kann man <strong>die</strong>s mit gutenGründen bezweifeln.61 OSTERLOH 1991, S. 273 (im Original z.T. kursiv).62 Ebenda, S. 276 f.63 Ebenda, S. 274 (z.T. kursiv).121


So ist beispielsweise <strong>die</strong> Vernünftigkeit eines Tötungsverbots nicht zu bestreiten.Aber selbst <strong>die</strong>ses Gebot gilt keineswegs absolut, denn wahrscheinlichist <strong>die</strong> gesellschaftliche Geltung und Sanktionierung von Normen stets von Umständenabhängig 64 . Angenommen, durch eine plötzliche Umweltkatastrophewürden <strong>die</strong> Nahrungsgrundlagen in allen Ländern der Erde <strong>auf</strong> einen Bruchteilder heutigen beschränkt. Man stünde vor der Wahl, <strong>die</strong> vorhandenen Nahrungsmittelgerecht zu verteilen - was zur Schwächung und zum langsamen Tod allerführen würde - oder sie nur einem Teil der Bevölkerung zu gewähren und denübrigen vorzuenthalten. Letzteres würde das Überleben wenigstens einigerermöglichen. Aber wie immer <strong>die</strong> Regierung in einer solchen Situation entschiede,<strong>die</strong> Norm, andere Menschen nicht zu töten (z.B. durch Nahrungsentzugoder -verweigerung), wäre in <strong>die</strong>ser Situation kaum durchzusetzen, auch wennman sie vermutlich als Lippenbekenntnis <strong>auf</strong>rechterhalten würde. Auch <strong>die</strong> Geltungdes Gebots, nicht zu töten, wäre also von Umständen, der Interpretation undBewertung <strong>die</strong>ser Umstände und übergeordneten Zielen (Überleben) abhängig.Nehmen wir ein Beispiel, das dem Bereich der Erziehung näher steht. NachTheorien einiger Vertreter der Verhaltensbiologie ist Aggressivität auch beimMenschen als angeborene Disposition zu betrachten. Aggressivität läßt sich danachalso gar nicht vermeiden. Aber Aggressivität muß nicht in einer Weisewirksam werden, <strong>die</strong> wir als zerstörerisch bewerten und daher ablehnen, sondernkann auch konstruktiv genutzt werden. Durch Schaffung bestimmter Bedingungenkann man versuchen, Aggressivität so zu kanalisieren, daß sie für alle zumVorteil eingesetzt wird 65 . Für <strong>die</strong> normative Forderung der Verwirklichung solcherBedingungen in der Schule wie auch in der Familienerziehung lassen sichalso durchaus gute Gründe angeben. Man kann aber annehmen, daß <strong>die</strong>seBedingungen in Erziehungssituationen häufig nur sehr unvollkommen und invielen Fällen gar nicht herbeigeführt werden. Es kann also auch keine Rede davonsein, daß Erziehungsnormen durch Begründung irgendwie verbindlich (oder"objektiv") würden. Auch wenn gute Gründe Menschen überzeugen können,folgt daraus kein automatischer oder rationaler Zwang zur Einhaltung so begründeterNormen.Was <strong>die</strong> Möglichkeit oder besser Unmöglichkeit der Begründung einer"intersubjektiven Verbindlichkeit" von Erziehungsnormen angeht, braucht mansich nur einmal zu vergegenwärtigen, was im L<strong>auf</strong>e der Geschichte alles an64 Vgl. auch ebenda, §§ 6 ff.65 Vgl. hierzu im einzelnen CUBE/ ALSHUTH 1986; CUBE 1988.122


Erziehungsnormen <strong>auf</strong>gestellt und wieder <strong>auf</strong>gegeben worden ist. Auch einigeRichtungen innerhalb der Pädagogik versuchen ja, jeweils <strong>auf</strong> der Grundlage desvon ihnen vertretenen Standpunktes bzw. bestimmter Wertgesichtspunkte, intersubjektivverbindlich Normen zu begründen. Die Frage, ob Normen gelten odernicht gelten sollen, ist - das kann nicht oft genug betont und ausgeführt werden -letztlich eine Frage der Entscheidung. Entscheidungen können durch <strong>die</strong> Vernunftaber nur vorbereitet werden; letztlich müssen sie durch den Willenerfolgen.d) Die Unterscheidung von Aufgaben der Vernunft und des WillensDer Erziehungstheoretiker kann <strong>die</strong> Normen, <strong>die</strong> in der Erziehung geltensollen, also nur vorschlagen und diskutieren. Es ist nur "eine rationale Teil-Rechtfertigungsdiskussion von partiellen Wert- und Normentwürfen bzw. geplantenund zu planenden Setzungen denkbar" und möglich 66 . Unter Berücksichtigungder durch <strong>die</strong>se Diskussion herausgearbeiteten Zusammenhänge könnenEntscheidungen durch den Erzieher, den Gesetzgeber usw. im besten Fall mitmehr Weitsicht getroffen werden.Argumente für ein System von Normen sind jedoch nur selten hinreichend,um bei anderen den Willen hervorzurufen, den Normen entsprechend zu handeln67 . Schon HUME unterschied daher in Moralfragen Aufgaben, <strong>die</strong> der Vernunft,und Aufgaben, <strong>die</strong> dem Gefühl oder dem Willen zukommen 68 . DieseAuffassung wird von manchen Autoren für falsch gehalten 69 . Gestützt <strong>auf</strong> KANTsVersuch einer Begründung der Autonomie der Moral sehen sie in der Vernunft<strong>die</strong> einzige Kraft, <strong>die</strong> imstande sei, Fragen nach dem, was man tun soll, zu lösen.In <strong>die</strong>sem Fall aber müßten "Werte sich von den natürlichen Objekten derVernunft gerade darin unterscheiden, daß sie, wenn sie erkannt sind, automatisch<strong>auf</strong> den Willen motivierend wirken". Das würde aber bedeuten, daß einerseitsWertsachverhalte von völlig anderer Beschaffenheit wären als das, was wir sonstkennen, und daß andererseits "ein entsprechendes eigenartigesErkenntnisvermögen" existierte 70 . Beides ist eher unwahrscheinlich. Es ist66 LENK 1977, S. 94.67 Vgl. NIELSEN 1989, S. 245 ff. Empirische Untersuchungen zur Diskrepanz zwischen Wissen undHandeln berichtet WICKER 1969.68 Vgl. allgemein hierzu HUME 1984, S. 215 ff.69 Vgl. z.B. LÖWISCH 1982; KRAWITZ 1980.70 MACKIE 1981, S. 47.123


allerdings zuzugestehen, daß es nicht immer einfach ist, zwischen Vernunft undGefühl eine klare Trennlinie zu ziehen.Schon in der Sprache sind <strong>die</strong> informativen, <strong>die</strong> emotiven und <strong>die</strong>präskriptiven Funktionen so ineinander verwoben, daß sie nur durch genaueAnalysen unterschieden werden können. Das verdeutlicht <strong>die</strong> Interaktion zwischenVernunft oder Verstand und Gefühl, der man sich in der Regel nicht bewußtist. Dennoch kann man <strong>die</strong>se Funktionen unterscheiden. In Bezug <strong>auf</strong> <strong>die</strong>Moral <strong>die</strong>nt der Verstand lediglich dazu, alle für eine moralische oder ästhetischeEntscheidung notwendigen Informationen zu beschaffen. Der psychische Akt desEntscheidens für oder gegen eine moralische Norm beinhaltet daneben auch eineemotionale Zustimmung oder Ablehnung. Denn für den in seinem Gefühlunbewegten Beobachter gibt es "weder etwas Gutes noch etwas Schlechtes; waswir für gut oder schlecht halten, ist letztlich durch unsere Einstellungen bedingt;und welche Einstellungen wir haben, ist eine Tatsachenfrage. ... Wenn jemandvöllig andere Einstellungen als wir darüber hat, was getan werden soll, und wenner alle tatsächlichen <strong>Auswirkungen</strong> seiner Auffassungen ... so klar sieht wie wirund dennoch an seinen eigenen Einstellungen festhält, gibt es keine Möglichkeit,<strong>die</strong> eine Seite als richtig und <strong>die</strong> andere als falsch zu erweisen" 71 . Das ist freilichnur der Fall, wenn <strong>die</strong>ser Jemand nicht zur Diskussion seiner <strong>auf</strong> Einstellungenberuhenden Auffassungen bereit ist. Im Prinzip braucht es kein Ende derrationalen Diskussion zu geben. Das Ende ergibt sich aus dem Zwang, zuhandeln, und anderen praktischen Gründen.e) Das Problem der WillkürWenn man <strong>die</strong> Geltung von Normen nicht aus rationalen Begründungenableiten kann, folgt daraus nicht, daß <strong>die</strong> Entscheidung für bestimmteErziehungsnormen willkürlich sein muß? Nun kann ein gewisses Ausmaß vonWillkür sicher nicht ausgeschlossen werden. Wegen <strong>die</strong>ses Spielraums, den <strong>die</strong>Willkür eröffnet, sind dann ja auch willentliche Änderungen des Bestehendenmöglich. Daraus folgt aber nicht, daß <strong>die</strong>se Willkür sozusagen grenzenlos seinmuß. Naturgesetze, Gewohnheiten, Sitten, Traditionen usw. engen <strong>die</strong> Willkürvon Entscheidungen ein.Am wichtigsten ist vielleicht <strong>die</strong> Einengung, <strong>die</strong> sich durch öffentliche Diskussionund Kontrolle ergeben kann. Das bedeutet nicht, daß <strong>die</strong> Öffentlichkeit71 NIELSEN 1989, S. 205 (Übersetzung H.L.).124


als oberste Instanz betrachtet werden muß, sondern nur, daß sie in Demokratieneine berechtigte Kontrollfunktion hat. Diese Kontrollfunktion scheint mir auchim Prozeß der Anpassung an sich wandelnde Bedingungen unerläßlich zu sein.Würde man allein <strong>auf</strong> Traditionen bauen, dann würden sich ändernde Bedingungenim Umfeld von Schule und Erziehung vermutlich nur als Störfaktorenbetrachtet. Man könnte versuchen, Schule und Erziehung gegen <strong>die</strong>se Einflüsseabzuschotten, um Veränderungen zu verhindern. Das mag zwar durchaus legitimsein, aber es würde gerade der Jugend <strong>die</strong> Anpassung an gewandelte Umständeerschweren. Ein solcher Traditionalismus oder Konservatismus dürfte sich imwesentlichen bloß durch "Berufung <strong>auf</strong> das bessere Wissen" begründen lassen,das man "sich <strong>auf</strong> Grund von Superiorität" anmaßt 72 .Wenn man eine funktionierende pluralistisch-demokratische Gesellschaftvoraussetzt, dann sollten <strong>die</strong> meisten ihrer Bereiche einer gewissen öffentlichenKontrolle ausgesetzt sein. Wo es aber weltanschaulichen Gruppierungen bzw.ihren in <strong>die</strong>ser Hinsicht beeinflußten Bildungs- oder Ausbildungsstätten gelingt,sich gegenüber der Öffentlichkeit abzuschotten, können Erziehungsnormen imPrinzip <strong>auf</strong>grund bloßer Macht durchgesetzt werden. Das heißt, in <strong>die</strong>sem Fallkönnten sehr wohl Entscheidungen getroffen werden, bei denen allgemeinakzeptierte Werte, pädagogische Kriterien usw. nicht oder nur unzulänglichbeachtet werden.Ein durch <strong>die</strong> Öffentlichkeit kontrollierbares Schulwesen dürfte solcher Willkürweniger ausgesetzt sein. Da es in der Gesellschaft eine Vielzahl von sich zwarverändernden, aber dennoch gewohnheitsmäßig beachteten Regeln, von Rechtenund Pflichten des einzelnen wie auch von Gruppen oder Körperschaften gibt, wird<strong>auf</strong> Zuwiderhandeln mit sozialem Druck reagiert. Wenn sich <strong>die</strong> Kritik <strong>auf</strong>bestimmte fragwürdige Normen konzentriert, kann der öffentliche Druck so starkwerden, daß <strong>auf</strong> <strong>die</strong> Durchsetzung <strong>die</strong>ser Normen verzichtet werden muß. In weitgehendabgeschlossenen betrieblichen oder von Sekten unterhaltenen ErziehungsoderWeiterbildungseinrichtungen dürften Willkürentscheidungen relativ leichtgetroffen werden können, da in ihnen <strong>die</strong> öffentliche Kontrolle fehlt. Wenn mansolche Willkür beschränken will, dürfte <strong>die</strong> Verhinderung der Abschließung vonErziehungseinrichtungen ein geeignetes Mittel sein.Durch <strong>die</strong> Aufdeckung und Bewußtmachung von Zusammenhängen wieden oben dargestellten, durch <strong>die</strong> Analyse der Bildungsziele von Erziehungsinsti-72 HAYEK 1971, S. 489.125


tutionen sowie konstruktive Vorschläge kann <strong>die</strong> Erziehungswissenschaft <strong>auf</strong>klärenund einen Beitrag zur Aufrechterhaltung und Stärkung der öffentlichenKontrolle leisten und <strong>auf</strong> <strong>die</strong>se Weise auch zu einer rationaleren Gestaltung derErziehungspraxis beitragen.3.3.2 (Re)Konstruktion und Analyse von Erziehungsidealen bzw. -normenWie immer in der Wissenschaft geht man auch bei Normfragen von Problemenaus. Nur <strong>die</strong> Art der Probleme unterscheidet sich von denen in anderen Aufgabenbereichen.Normfragen ergeben sich aus logischen Widersprüchen zwischen Erziehungszielenoder zwischen Erziehungsnormen und dem Erziehungsergebnis.Beispielsweise könnte es sein, daß <strong>die</strong> schlechten Ergebnisse des naturwissenschaftlichenUnterrichts <strong>die</strong> bisherigen Ziele und Mittel <strong>die</strong>ses Unterrichtsfragwürdig erscheinen lassen 73 . Probleme "besserer" Ziele, einer "verbesserten"Organisation der Schule, eines "wünschenswerteren" Verhaltens von Erziehernusw., ergeben sich immer dann, wenn wir entdecken, daß unsere Erwartungen an<strong>die</strong> Erziehung nicht erfüllt wurden. Wenn wir beispielsweise sehen, daß <strong>die</strong> gegenwärtigeErziehung <strong>die</strong> Zunahme von Gewaltbereitschaft, von intolerantem, aggressivemNationalismus, Drogenkonsum, Ausländerfeindlichkeit usw. bei Schülernund Jugendlichen nicht verhindern konnte, kann man versuchen wollen, <strong>die</strong>seErscheinungen durch andere Schwerpunktsetzungen bei den Zielen und Methodender Erziehung oder durch ein Überdenken der Erziehungsideale zu bekämpfen.Es ist Aufgabe der Erziehungswissenschaft, (a und b) über entsprechendeErziehungsideale zu informieren, (c) Ziele zu spezifizieren, (d) <strong>die</strong> Realisierbarkeitvon Normen zu prüfen und dadurch (e) einen Beitrag zur Rationalisierungder Erziehungspraxis zu leisten.a) ErziehungsidealeIdeale, <strong>die</strong> in einer Gesellschaft mehr oder weniger allgemeine Anerkennunggenießen, wie <strong>die</strong> Ideale der Freiheit, der Gerechtigkeit usw. können immerwieder Anlaß dazu geben, Erziehungskonzeptionen zu entwerfen, <strong>die</strong> <strong>die</strong>senIdealen besser gerecht werden sollen als <strong>die</strong> vorhandenen. Insofern also solche73 Vgl. hierzu NOLTE-FISCHER 1989. Zu begrenzten didaktischen Verbesserungsvorschlägen vgl.BECKER/ HENNING u.a. 1971; 1983; KAISER/ WEITZ1990.126


Erziehungskonzeptionen darlegen, welche Implikationen Ideale für Ziele und<strong>Institution</strong>en der Erziehung haben, kann man <strong>die</strong>se Konzeptionen als Erziehungsidealebezeichnen. Unter einem Erziehungsideal wird daher im folgendeneine Konzeption allgemeiner Ziele und Mittel der Erziehung verstanden, also einSystem allgemeiner Erziehungsnormen. Erziehungsideale in <strong>die</strong>sem Sinn könneneinen Rahmen für <strong>die</strong> Formulierung von speziellen Erziehungszielen darstellen.Wenn <strong>die</strong> Ziele etwa des Mathematik- oder des Geschichtsunterrichts oder <strong>die</strong>Normen des Erzieherverhaltens sich in <strong>die</strong>sen Rahmen widerspruchslos einfügensollen, können <strong>die</strong> Erziehungsideale auch als Kriterien oder Maßstäbe für <strong>die</strong>Beurteilung <strong>die</strong>ser spezielleren Normen <strong>die</strong>nen.Dennoch kann man fragen, ob Erziehungsideale wirklich benötigt werden.Man könnte sich ja mit den in Vorschlägen und Lehrplänen festgelegten speziellenErziehungszielen begnügen. Sie beschreiben, so kann man argumentieren,in ihrer Summe das Idealbild des gut erzogenen Menschen. Je besser <strong>die</strong> Noten,<strong>die</strong> ein Schüler erhält, desto näher ist er dem Ideal. Diese Beschreibung gibt einepositivistische Auffassung von Erziehung wieder. So wie der Rechtspositivismusdas Ideal der Gerechtigkeit mit dem positiven Recht identifiziert 74 , identifiziertein Erziehungspositivismus Erziehungsideale mit gegebenen speziellenErziehungszielen. Wie der Rechtspositivist Fragen nach einem "gerechten Recht"als unsinnig ablehnen wird, wird auch der Erziehungspositivist Fragen nach"guter Erziehung" nicht als sinnvoll betrachten können. Es kann danach nuranderes Recht und damit andere Vorstellungen von Gerechtigkeit geben undebenso andere Erziehungsziele, in denen andere Vorstellungen von Erziehungzum Ausdruck kommen.Um aber begründen zu können, warum Gesetze "gerecht" sind bzw. warumErziehungsziele "gute Erziehung" ermöglichen, muß man sich schon beim Entwurfvon Gesetzen bzw. Erziehungszielen an etwas orientieren, das <strong>die</strong> bestimmteOrdnung, nach der <strong>die</strong>ser Entwurf sich richtet, erst zum Ausdruck bringt 75 .Diese vorausgesetzte Orientierungsgrundlage braucht man nun aber nicht inüberzeitlichen platonischen Ideen oder Ähnlichem zu sehen. Man kann bei derFormulierung von Erziehungsidealen vielmehr von den durch menschlichesHandeln und Denken geschaffenen Regeln und Werten ausgehen, also Gegenständender "Welt 3" 76 (vgl. 2.1.2a). Dabei muß man nicht annehmen, <strong>die</strong>se74 Zum Rechtspositivismus und seiner Problematik vgl. z.B. HAYEK 1971, S. 195 ff.75 Vgl. allgemein hierzu HAYEK 1975, S. 23.76 Vgl. POPPER 1982 b, S. 114 ff.127


Regeln und Werte seien durch absichtsvolles, geplantes Handeln hervorgebrachtworden. Vielmehr dürften sie durch das Ineinandergreifen der Pläne, Handlungen,Ideen und Argumente vieler einzelner entstanden sein, das zu ideellenGestaltungen geführt hat, <strong>die</strong> kein einzelner je hätte schaffen können 77 . Ohne uns<strong>die</strong>ser Regeln, Werte oder Ideale im einzelnen bewußt zu sein, leiten sie uns, sowie eine anfänglich vage Idee einen Wissenschaftler, Philosophen oder Dichterbei der Ausarbeitung eines Werkes leitet.Die Orientierung an übergreifenden Idealen der Erziehung dürfte durchausVorteile haben, und es könnte sich als Fehler erweisen, wenn man im wesentlichenrangniedere und möglichst in Verhaltensbegriffen formulierte Erziehungsziele<strong>auf</strong>stellen wollte. Wenn Erziehung nach möglichst genauen Plänen erfolgt,muß das nicht notwendig zu besseren Ergebnissen führen, als wenn sie vonallgemeinen Zielen geleitet ist 78 . Geht man bei Normbestimmungen nur von denKenntnissen und Einstellungen aus, über <strong>die</strong> Menschen im wirtschaftlichen undsozialen Leben verfügen sollten, dann könnte es außerdem sehr wohl dahinkommen, daß unsere Curricula keine wesentlichen Unterschiede zu Curricula intotalitären Systemen <strong>auf</strong>weisen 79 . Es könnte also der Fall eintreten, daß das, wasfreiheitlich-demokratische Kulturstaaten lange als ihre zentrale Erziehungs<strong>auf</strong>gabebetrachteten, nämlich <strong>auf</strong> das Leben und <strong>die</strong> selbständige Lebensgestaltungin einer freien Gesellschaft vorzubereiten, verfehlen würde. Versuche einerRekonstruktion der Erziehungs- oder Bildungsideale, <strong>die</strong> <strong>die</strong> Erziehung, <strong>die</strong>Arbeit an der Verbesserung spezieller Erziehungsnormen und an Erziehungstechnologienleiten können, scheinen mir daher zu den schwierigsten und bedeutsamstenAufgaben der Erziehungswissenschaft zu gehören.Dazu ist es wichtig zu wissen, wie wir <strong>die</strong> Welt oder worin wir den Sinn desLebens sehen. Denn <strong>die</strong>se oft ungeklärten Voraussetzungen sind von Belang für<strong>die</strong> Ziele, <strong>die</strong> wir der Erziehung zuschreiben. Wenn wir der Auffassung sind, daß<strong>die</strong> Welt sich in einem ständigen Fortschreiten hin zu neuen, unbekanntenHorizonten befindet, werden wir andere Erziehungsziele für wichtig halten, alswenn wir davon überzeugt sind, daß <strong>die</strong> Zivilisation nur bestehen und erhaltenwerden kann, wenn ihre Grundlagen möglichst unverändert überliefert werden.Und wiederum anders werden <strong>die</strong> Ziele der Erziehung beurteilt, wenn man77 Vgl. ELIAS 1978, Bd. 2, S. 312 ff.78 Vgl. dazu den Literaturüberblick von SCHÜMER 1992, S. 26 ff.; zur Kritik der LehrzieloperationalisierungMACDONALD-ROSS 1973; LEHNER 1979, S. 124 ff.; 1981; KOZDON 1981.79 Vgl. z.B. <strong>die</strong> Kritik WHITEs (1990) am britischen National Curriculum.128


glaubt, daß das Überleben der Menschheit von unserer Ausrichtung <strong>auf</strong> ewigeWerte abhänge, oder wenn man meint, ein menschenwürdiges Leben erfordereimmer wieder <strong>die</strong> Formulierung neuer Ideale und Visionen 80 .Die Untersuchung solcher weltanschaulicher Voraussetzungen ist sozusageneine Analyse der Basisregeln, <strong>die</strong> unserer Kultur und Gesellschaft zugrunde liegen81 . So kann man davon ausgehen, daß im L<strong>auf</strong>e der biologischen und kulturellenEntwicklung eine Vielzahl von Schichten solcher Regeln hervorgebrachtworden sind. Diese Schichten könnten sich überlagert, einander also nicht immerverdrängt haben. Es ist nicht unwahrscheinlich, daß es sowohl innerhalb als auchzwischen ihnen Widersprüche gibt 82 .Es scheint mir ferner ein Irrtum anzunehmen, <strong>die</strong> Empiriker als Vertretereiner werturteilsfreien Erziehungswissenschaft könnten in ihrem Denken vonsolchen allgemeinen Erziehungsidealen absehen. Auch ihre Auswahl von Untersuchungsgegenständenund Problemen, ihre Interpretations- und Verwendungsvorschlägefür ihre Ergebnisse dürfte in aller Regel <strong>auf</strong> solchen Idealen bzw.allgemeinen Wunsch- oder Zielvorstellungen von Erziehung beruhen. Es wirdspäter noch dargestellt werden, daß der Grundsatz der Werturteilsfreiheit, d.h.der Grundsatz, in der Wissenschaft nur über Sachverhalte zu informieren, sieaber nicht im Hinblick <strong>auf</strong> erkenntnisfremde Werte zu beurteilen, dadurch nichtverletzt zu werden braucht (vgl. Kap. 4).Da <strong>die</strong> verschiedenen Erziehungsideale einen Hauptpunkt des Richtungsstreitsin der Pädagogik darstellen, könnte es zur Klärung der Situation beitragen,wenn jede Richtung ihre Erziehungsideale analysieren, in klarer, nachvollziehbarerForm formulieren und angeben würde, was <strong>die</strong>se Ideale für <strong>die</strong> Erziehungsproblemeunserer Zeit bedeuten und welche sonstigen Gründe man zu ihrerRechtfertigung nennen kann. Erziehungsideale können allerdings nicht wahroder falsch sein. Man kann sie daher nicht bestätigen oder widerlegen. Man kannnur Argumente für oder gegen sie vorbringen und andere von ihnen zu überzeugenversuchen. Daraus folgt nicht notwendigerweise, daß alle Erziehungsidealegleichwertig wären. So kann der Versuch, eines <strong>die</strong>ser Ideale zu verwirklichen,zu Konsequenzen führen, <strong>die</strong> zu akzeptieren <strong>die</strong> meisten nicht bereitwären. In einem solchen Fall würde man <strong>die</strong>ses Ideal wahrscheinlich fallen80 Einen Überblick über <strong>die</strong> verschiedenen Auffassungen und ihre Implikationen für Erziehungsvorstellungengibt BRAMFELD 1971.81 Vgl. v. HAYEK 1979, S. 23 f.82 Ebenda, S. 19 ff.129


lassen oder zumindest <strong>die</strong> bestimmte Form seiner Verwirklichung für untauglicherklären. Allerdings sollten Erziehungsideale dazu prüfbare Bedingungen angeben,anhand derer ihre Erreichung kontrolliert werden kann.b) Beispiel eines ErziehungidealsAusgangspunkt des folgenden Beispiels ist <strong>die</strong> Erkenntnistheorie des kritischenRationalismus. Auch der kritische Rationalismus kann ja als Normensystem<strong>auf</strong>gefaßt werden. Er enthält Vorschläge für rationales Verhalten, <strong>die</strong>nicht nur eine Grundlage für kritische Diskussionen bilden, sondern normierendwirken können, wenn man sich dafür entscheidet 83 . Daher ist es möglich, denkritischen Rationalismus zur Konstruktion von Vorschlägen für Erziehungsnormenzugrundezulegen und eine entsprechende Erziehungstechnologie dafür zuentwickeln.PERKINSON hat unter <strong>die</strong>sem Gesichtspunkt bedeutsame Erziehungstheorien<strong>die</strong>ses Jahrhunderts – von SKINNER bis NEILL – reinterpretiert und ihre zentralenTheoreme in einer der vielleicht interessantesten und in ihrer Geschlossenheitbeeindruckenden Synthese vereinigt 84 . Diese Synthese enthält sowohl theoretischeAnnahmen als auch damit zu vereinbarende normative Vorschläge und entsprechendeTechnologien. PERKINSON hat allerdings den normativen Gehaltseiner Vorschläge nicht kenntlich gemacht. Der Kern seiner Arbeit läßt sich folgendermaßenzusammenfassen:Aus der Sicht des kritischen Rationalismus "ist alles menschliche Wissen,jede Art der Lebensführung und jedes Selbstbild Vermutungswissen - <strong>die</strong> Vermutungenfehlbarer menschlicher Wesen" 85 . Eine dar<strong>auf</strong> <strong>auf</strong>bauende Konstruktionvon Vorschlägen für Erziehungsziele und Erziehungstechnologien müßte Erziehungals Wachstum durch Versuche und Irrtumsbeseitigungen verstehen,durch <strong>die</strong> das jeweils bestehende Wissen des einzelnen ständig verändert undverbessert wird 86 .Die Lernumgebung sollte unter <strong>die</strong>ser Voraussetzung so organisiert sein,daß jeder Schüler sein gegenwärtiges Wissen, seine Art der Lebensführung undsein Selbstbild durch Versuchs- und Irrtums-Schritte verändern und verbessern83 Vgl. ALBERT 1972, S. 167.84 Vgl. PERKINSON 1984.85 Ebenda, S. 168.86 Zu der entsprechenden Lerntheorie und einer der möglichen Erziehungstechnologien vgl. auchLEHNER 1979.130


könnte. Dazu müßte <strong>die</strong> Lernumgebung dem Schüler einen Freiraum eröffnen, indem er sein Wissen, sein Verhalten und sein Selbstbild zum Ausdruck bringenwill und kann. Sie müßte ferner Reaktionen, Formen der Kritik, des Antwortens,Diskussionen usw. ermöglichen, damit der Schüler sein Wissen, sein Verhaltenund sein Selbstbild in <strong>die</strong>sem Licht prüfen, verändern und verbessern kann.Zudem müßte <strong>die</strong> Lernumgebung den Schüler unterstützen, ihn bei Fehlschlägenermutigen und ihm helfen, immer wieder neue Versuche zu wagen, um befriedigendereLösungen zu finden. Das sind Bedingungen, <strong>die</strong> vor allem von derMONTESSORI-Methode weitgehend erfüllt werden 87 .Die Unterrichtsgegenstände würden nicht als zu vermittelnde Inhalte betrachtet.Vielmehr bestünde <strong>die</strong> Aufgabe der Schule darin, das für <strong>die</strong> Lehrinhalterelevante Alltagswissen der Schüler <strong>auf</strong>zugreifen und es im Hinblick <strong>auf</strong>wissenschaftliche Theorien durch Versuchs- und Irrtumsschritte zu verbessern 88 .Der Schüler würde nicht als jemand gesehen, der sich dargebotenes Wissenanzueignen hat und dessen Bedürfnisse und Wünsche kontrolliert und geleitetwerden müssen. Er wird vielmehr als unvermeidlich Fehler machendes, aktivesund Vorstellungen oder Theorien entwickelndes menschliches Wesen verstanden,das nach Ordnung sucht und das, wenn es <strong>auf</strong> Fehler, Ungereimtheiten,Widersprüche usw. stößt, sein Wissen, sein Verhalten oder seine Lebensführungund sein Selbstbild verändert und verbessert 89 .Nun sind aber solche Idealvorstellungen, auch wenn sie im Prinzip einerÜberprüfung zugänglich sind, für den Praktiker dennoch meist unzulänglich. Eswerden ja nur allgemeine und keine bestimmten Hinweise gegeben, wie inbestimmten Situationen zu verfahren ist. Der Erzieher braucht also speziellereAngaben zu Zielen und Mitteln.c) Ziel- und MittelspezifizierungZiel und Mittelspezifizierungen sind technologische Aufgaben. Die technologischeVorgehensweise bei der Untersuchung von Normfragen besteht darin,daß im Hinblick <strong>auf</strong> allgemeine Ziel- oder Normvorstellungen alternative Zielspezifizierungenund Mittelvorschläge konstruiert und erprobt werden. Denn erstindem man verschiedene Möglichkeiten ausprobiert, kann man erkennen, wel-87 Vgl. PERKINSON 1984, S. 95 ff.88 Vgl. HERDT 1990, der <strong>die</strong> größere Effektivität <strong>die</strong>ser im Vergleich zur herkömmlichen Methode nachgewiesenhat.89 Vgl. PERKINSON 1984, S. 165.131


cher Vorschlag bzw. welche Vorschläge der vorausgesetzten idealen, aber kaumjemals exakt zu formulierenden Zielvorstellung am ehesten entspricht. Darüberhinaus ist zu bedenken, daß Ziele wohl nie genau so erreicht werden, wie esbeabsichtigt war 90 . Man kann erst nach Abschluß eines Zielerreichungsprozesseserkennen, ob und inwiefern das Ergebnis dem angestrebten Ziel entspricht. Dasbedeutet, daß zu einer genauen Beurteilung auch <strong>die</strong> Mittel und deren Wirkungenberücksichtigt werden müßten 91 . So kann es durchaus als offene Frage betrachtetwerden, ob beispielsweise <strong>die</strong> Lehrpläne für den naturwissenschaftlichenUnterricht im Endergebnis mit den Zielvorstellungen übereinstimmen, <strong>die</strong> manmehr oder weniger klar bei ihrer Konstruktion vorausgesetzt hatte 92 . Auch <strong>die</strong>Curriculumforscher der siebziger Jahre mußten entdecken, daß selbst gut durchdachteund logisch konsistente Zielsysteme keineswegs auch notwendig zu denvorgesehenen Ergebnissen führten 93 .Nun brauchen aber Konstruktionen von Ziel- und Mittelspezifizierungennicht von Erziehungswissenschaftlern vorgenommen und autoritär vorgegebenzu werden. Vielmehr kann der Erziehungswissenschaftler sich auch <strong>auf</strong> <strong>die</strong> Konstruktionund Analyse von Strategien für <strong>die</strong> Lösung von Normproblemenbeschränken. Eine mögliche Methode könnte man als partizipative Strategie bezeichnen,weil sie darin besteht, daß von den jeweils Betroffenen (also Schulen,Lehrern, Schülern usw.) unter Vorgabe allgemeiner Zielvorstellungen eigeneSpezifizierungs- und Mittelvorschläge konstruiert und erprobt werden. Einesozialwissenschaftlich-technologische Grundlage <strong>die</strong>ses Vorgehens ließe sichvermutlich unter Zugrundelegung von Theorien der Partizipation 94 , des Marktesoder sozialphilosophischer Ansätze zu einer Theorie der Freiheit finden 95 .Auf <strong>die</strong>se Weise könnte man <strong>die</strong> speziellen Lehrziele, <strong>die</strong> in Schulen verfolgtwerden sollen, in den Schulen selber <strong>auf</strong>stellen lassen. Sie würden von Erziehungsidealenund/oder bestehenden Lehrplänen ausgehen und sie zu verbessernsuchen. Durch eine Vielfalt von Spezifizierungsvorschlägen, ihrer Kritik undverbesserten Vorschlägen könnten in einzelnen Schulen nach und nach Lehrpläneentwickelt werden, <strong>die</strong> zunehmend dem vorausgesetzten Ideal entsprechen. Einesolche Vorgehensweise wird vor allem in anderen Bereichen mit Erfolg angewandt.90 Vgl. POPPER 1972, S. 123 ff.91 Vgl. allgemein und ausführlicher zu <strong>die</strong>sem Problem POPPER 1970, Bd. 1, S. 390 ff.92 Zu den Ergebnissen des naturwissenschaftlichen Unterrichts vgl. FISCHER-NOLTE 1989.93 Vgl. HOLMES/ McLEAN 1989.94 Vgl. z.B. CHELL 1985.95 Vgl. hierzu beispielsweise HAYEK 1971.132


So werden insbesondere in der Wirtschaft Entscheidungen über Art und Weise derVerwirklichung allgemeiner Zielvorgaben oft dezentral gelöst 96 .Was oft als reines Problem der Normgebung betrachtet wird, ist nicht selten eineFrage der Entscheidung für eine von verschiedenen technologischen Möglichkeitenfür nicht eindeutig definierte oder definierbare Ziele. Der Erziehungswissenschaftlerkann durch technologische Analysen, Konstruktionen oder <strong>die</strong> Angabe von Problemlösungsstrategienzur Rationalisierung von Ziel-Entscheidungen beitragen. Er kannferner über <strong>die</strong> Vereinbarkeit oder Nichtvereinbarkeit von Normvorschlägen mitübergeordneten Erziehungsidealen und über sonstige Vor- und Nachteile im Lichtverschiedener Ziele informieren. Er trifft also keine Norm-Entscheidungen, sondernversucht über <strong>die</strong> Sachzusammenhänge, <strong>die</strong> solchen Entscheidungen zugrunde liegen,<strong>auf</strong>zuklären, indem er zeigt, inwiefern sich Normen in einer logischen und teilsempirischen Analyse bewähren. Die erziehungswissenschaftliche Normenanalyseund Normenkonstruktion beschränkt sich also dar<strong>auf</strong>, Vorschläge dafür zu erarbeiten,welche Erziehungsziele unter welchen Bedingungen als möglichst auch empirischbewährte Lösungen betrachtet werden können. Sie informiert über <strong>die</strong> logischenVerknüpfungen solcher möglichen Erziehungsziele mit grundlegenden gesellschaftlichenWerten und Normen, über <strong>die</strong> Verankerung <strong>die</strong>ser Ziele in der sozialenRealität (empirische Geltung von Normen) sowie über Folgen, mögliche Konflikteusw., <strong>die</strong> sich aus der <strong>Institution</strong>alisierung <strong>die</strong>ser Normen ergeben könnten. Sie wärealso praxisorientiert, hätte aber keinen normativen Charakter. Sie wäre nichtdogmatisch, sondern würde mit Hypothesen arbeiten und sozialwissenschaftlichesWissen nutzen 97 .In <strong>die</strong>ser Arbeit nimmt das Kriterium der Realisierbarkeit eine zentraleStellung ein.d) RealisierbarkeitRealisierbarkeit ist ein wichtiges, gleichwohl aber kein für <strong>die</strong> Gültigkeit einesZiels letztlich entscheidendes oder hinreichendes Kriterium, da es ein solchesKriterium ohnehin nicht geben kann. Manche Ideale wie <strong>die</strong> "soziale Gerechtigkeit"oder <strong>die</strong> "Unantastbarkeit der Würde des Menschen" können uns sowichtig sein, daß wir nicht bereit sind, sie gegen etwas Geringeres, aber eherErreichbares einzutauschen. Außerdem kann <strong>die</strong> Realisierbarkeit bzw. der Grad96 Vgl. CROCKER/CHARNEY/CHIU 1984.97 Vgl. ALBERT 1988, S. 16 f.; dort allerdings bezogen <strong>auf</strong> <strong>die</strong> Jurisprudenz.133


der Realisierbarkeit von Zielen, wie <strong>die</strong> Wahrheit von Theorien, keineswegsimmer eindeutig und zweifelsfrei festgestellt werden. Dennoch dürfte <strong>die</strong> Forderungnach Realisierbarkeit von Erziehungszielen in einem utilitaristischen Zeitalterunmittelbar einleuchtend sein. Diese Forderung wird auch in dem Prinzipzum Ausdruck gebracht, daß Sollen Können impliziert und Nicht-Können Nicht-Sollen .Aber wann ist eine Norm realisierbar und wann nicht 98 ? DRERUP etwameint, daß eine "faktische Nichteinhaltung von Normen [nicht] als Argumentgegen <strong>die</strong> Norm" gelten dürfte. Es werde nicht sorgfältig genug "zwischen Nichteinhaltungund Nichteinhaltbarkeit von Normen" unterschieden, sondern <strong>die</strong>Nichteinhaltung werde "als Indiz des Nichtkönnens gegen <strong>die</strong> Sollensvorschrift"ausgespielt 99 . In der Regel aber dürfte sich <strong>die</strong> "Nichteinhaltbarkeit" nicht andersals durch eine weitgehende Nichteinhaltung und durch unerwünschteNebenfolgen einer solchen Norm nachweisen lassen.Ausgenommen von trivialen Fällen – wie: "<strong>die</strong> Schüler sollen in dreiSekunden hundert Meter l<strong>auf</strong>en" – scheint es daher sinnvoll, von Graden derSchwierigkeit der Realisierung von Zielen unter bestimmten Bedingungen zusprechen. Beispielsweise kann man es als kaum zu realisierendes Ziel betrachten,wenn im Chemieunterricht von den Schülern gefordert wird, "<strong>die</strong> Aggregatzustandsänderungenaus der thermischen Bewegung zu interpretieren". Diemeisten Oberstufenschüler dürften hier versagen. "Denn was <strong>die</strong> Rahmenrichtlinienfür das Fach Chemie des niedersächsischen Kulusministeriums keckals 'Lernziel der Klasse 8' einfordern... ist ein offenes Problem der modernenForschung" 100 . Aber auch wenn unangemessen ist, Schülern ein solches Zielabzuverlangen, könnte seine Verfolgung im Rahmen eines forschenden Unterrichtszumindest für einige Schüler von besonderem Interesse sein.Die Erreichbarkeit von Lehrzielen dürfte nicht selten von Bedingungenabhängen, <strong>die</strong> im Prinzip durch Erziehung hergestellt werden könnten, jedocheinen so hohen Aufwand erfordern würden, den <strong>die</strong> Gesellschaft nicht erbringenkann oder will. Würde man aber bei der Anwendung des Kriteriums der Realisierbarkeit<strong>die</strong> vorherrschenden institutionellen Bedingungen zum entscheidendenMaßstab nehmen, dann würde man über Bestehendes nie hinausgehen können.Sozusagen durch <strong>die</strong> Hintertür würde der Wertgesichtspunkt eingeführt, daß98 Vgl. hierzu DRERUP 1979, S. 515 f.; HILGENHEGER 1970, S. 60 und 1976.99 DRERUP 1979, S. 515 f. (Hinzufügung in Klammern H.L.).100 DER SPIEGEL 49, 1992, S. 121.134


Bestehendem Vorrang vor Veränderungen zukomme. Tatsächlich können aberErziehungsziele, <strong>die</strong> beispielsweise im öffentlichen Schulwesen als nicht realisierbargelten, unter anderen institutionellen Rahmenbedingungen durchaus verwirklichtwerden. So ist es beispielsweise unter den in MONTESSORI-Schulengeschaffenen Bedingungen möglich, Leistung und Disziplin ohne Notendruckund Strafandrohungen zu erreichen 101 .Will man also über <strong>die</strong> Realisierbarkeit von Erziehungszielen werturteilsfreiinformieren, dann sollte man stets <strong>auf</strong> <strong>die</strong> Bedingungen bezug nehmen, unterdenen <strong>die</strong> Realisierung als schwierig angenommen wird oder sich als schwierigerwiesen hat. Es könnte durchaus anders geartete Bedingungen geben, <strong>die</strong> füreine Realisierung günstiger wären. Zweifellos wird man dabei auch das weiteresoziale Umfeld, <strong>die</strong> Werte und Normen der jeweiligen Gesellschaft nichtübergehen dürfen, sondern berücksichtigen müssen. Das ist schon deshalb derFall, weil soziale Gesetzmäßigkeiten, <strong>die</strong> zur Beurteilung der Realisierbarkeitherangezogen werden müssen, nicht selten nur unter bestimmten gesellschaftlichenRandbedingungen gelten dürften. Die Beurteilung der Möglichkeiten undKonsequenzen neuer oder alternativer Vorschläge von Erziehungszielen wirddaher auch <strong>auf</strong> <strong>die</strong>sem Hintergrund untersucht und beurteilt werden müssen 102 .Solche Untersuchungen leisten zudem einen Beitrag zur rationaleren Gestaltungder Erziehungspraxis.e) Beiträge zur rationalen Gestaltung der ErziehungspraxisFür eine rationale Gestaltung der Erziehungspraxis ist es wesentlich, <strong>die</strong>rationale Diskussion der jeweils vorausgesetzten Normen und Mittel zu fördern.So dürften verschiedene Formen der Bestrafung und andere "harte" Erziehungsmethodennur deshalb <strong>auf</strong>gegeben worden sein, weil sie einer Diskussion ausgesetztwaren, durch <strong>die</strong> sie im Hinblick <strong>auf</strong> ihre Folgen kritisch untersucht wurden.Erst dadurch konnte sich das Bewußtsein bilden, daß sie gegen höhereWerte verstoßen. So können heute <strong>die</strong> jahrhundertelang fraglos angewandtenTechniken zur Brechung des als moralisch verwerflich betrachteten Eigenwillensvon Educanden nur noch im Rahmen extrem starrgläubiger Auffassungenunwidersprochen hingenommen werden. Die Mittel mögen hochwirksam sein,101 Zur MONTESSORI- Pädagogik vgl. BÖHM 1991; zu anderen und ähnlich erfolgreichenreform- pädagogischen oder reformpädagogisch inspirierten Alternativen vgl. IPFLING 1992;GAUDIG 1969; GUDJONS 1992.102 Vgl. allgemein hierzu ALEKSANDROWICZ 1989, S. 148 f.135


aber sie stehen im Widerspruch zur übergeordneten Norm der Menschenwürde.Das zentrale Problem liegt darin, daß Werturteile über wünschenswerte oderabzulehnende, über "gute" oder "schlechte" Erziehung nicht einheitlich seinkönnen, weil <strong>die</strong>se Urteile im wesentlichen nicht von Tatsachen, sondern von unsselbst und unseren Einstellungen, von unseren Wert<strong>auf</strong>fassungen abhängen.Dennoch kann man für oder gegen bestimmte Erziehungsziele und -mittel argumentieren,z.B. indem man <strong>auf</strong> <strong>die</strong> Folgen verweist oder ihre (un)zulängliche Realisierbarkeitdarstellt oder <strong>die</strong> (Un)Stimmigkeit zwischen ihnen und anderengesellschaftlichen Werten usw. untersucht. Möglicherweise ist eine Einigung amehesten dann herbeizuführen, wenn man zeigen kann, daß ein bestimmter Lehrgangoder eine bestimmte Schulform im Hinblick <strong>auf</strong> <strong>die</strong>selben Tests erheblich bessereErgebnisse erzielt und <strong>die</strong> Educanden dabei noch andere wünschbare Fähigkeitenerwerben. Solche Ergebnisse können dazu führen, daß Entscheidungen rationalerund nachvollziehbarer getroffen werden, als wenn Entschlüsse ohne solcheErgebnisse herbeigeführt werden müßten. Allerdings wird dabei vorausgesetzt, daßdas Schulwesen eine gewisse Vielfalt und Experimente in verschiedene Richtungenerlaubt, wie es etwa zur Zeit der Reformpädagogik möglich war.Das Bemühen, <strong>die</strong> Wissenschaft von erkenntnisfremden Wertungen freizuhaltenund gerade dadurch, sozusagen überparteilich, zur Lösung aller bedeutsamenErziehungsprobleme beitragen zu können, kennzeichnet <strong>die</strong> empirischanalytischeErziehungswissenschaft. Indem sie sich <strong>auf</strong> rein informative oderdeskriptive Aufgaben beschränkt, kann sie der Gefahr entgehen, zum "Spielballder Sekten" 103 - wie HERBART treffend formuliert hat - zu werden. DiesesBemühen um Werturteilsfreiheit wird jedoch oft noch mißverstanden. DiesemProblem wendet sich das folgende Kapitel zu.103 HERBART 1913, Bd. 1, S. 234.136


4. Das Problem der Werturteilsfreiheit in der PädagogikEs gibt verschiedene Klassen von Werturteilen. Insbesondere ist zwischenerkenntnisleitenden und erkenntnisfremden Werturteilen zu unterscheiden. In derWissenschaft sind nur Urteile darüber zulässig, ob Sätze wahr oder falsch, widersprüchlichoder widerspruchsfrei, nachvollziehbar oder nicht nachvollziehbar,prüfbar oder unprüfbar usw. sind. Es sind also nur Werturteile zulässig, <strong>die</strong>notwendig sind, um <strong>die</strong> Erkenntnis von Tatsachen zu fördern. Das Problem derWerturteilsfreiheit tritt vor allem deswegen <strong>auf</strong>, weil in der Pädagogik <strong>die</strong> Auffassungeiner auch erkenntnisfremde Werturteile aussprechenden und normgebenden"Wissenschaft" eine lange Tradition hat 1 .So ist <strong>die</strong> Ansicht noch nicht ganz <strong>auf</strong>gegeben worden, daß Erziehungsphänomeneals an sich gut oder an sich schlecht zu erkennen seien, wobei an sichGutes <strong>auf</strong> ein Sollen hinweise und an sich Schlechtes <strong>auf</strong> ein Nicht-Sollen.Interessant ist nun, daß <strong>die</strong>se Annahme der Werthaltigkeit der Erscheinungenheute vor allem <strong>auf</strong> soziale Phänomene begrenzt zu sein scheint. Die Diskussionder Werturteilsfreiheit hat in den Sozialwissenschaften 2 , in der Medizin und derTechnik eine lange Tradition.In der Naturerfahrung dagegen haben <strong>die</strong> Menschen schon sehr früh versuchtein Bild <strong>auf</strong>zugeben, in dem Ereignisse einen Wert an sich und damit einepräskriptive Bedeutung hatten 3 . Diese Sichtweise mag gefühlshaft ansprechendergewesen sein, aber sie ermöglichte keine effektive Naturbeherrschung. Wohlkonnte man einen präskriptiven Sinn der Ereignisse durch Deutung herausfinden,aber man vermochte keine erfolgreichen technischen Mittel zu entwickeln, umgezielte Eingriffe vornehmen zu können. Noch in den Anfängen der modernenNaturwissenschaft war es nicht möglich, das "Ausmaß der Gratifikationen" zuerkennen, <strong>die</strong> sich aus der wissenschaftlichen Erkenntnis ergeben würden. "Mankonnte nichts wissen von den Verbesserungen der Gesundheit, den technischenFortschritten, dem höheren Komfort des häuslichen Lebens, des Reisens etc., <strong>die</strong>1 KOSCHNITZKE 1976, S. 161.2 Vgl. dazu den Band von ADORNO u.a. 1975.3 Vgl. ELIAS 1983; TOPITSCH 1972; CASSIRER 1977, Bd. 1 und 2.137


den Menschen bevorstanden, wenn sie willens waren", <strong>die</strong> Auffassung einesimmanenten normativen Sinns der Natur "<strong>auf</strong>zugeben und Orientierungsmittel zuakzeptieren, <strong>die</strong> zwar emotional unbefriedigend sein mochten, aber besser <strong>auf</strong> <strong>die</strong>Realitäten ihrer Situation, <strong>auf</strong> <strong>die</strong> beobachtbaren Zusammenhänge physikalischerEreignisse abgestimmt waren" 4 .Dieser Vergleich mag verdeutlichen, was für ein hoher Grad an Distanzierungund affektiver Neutralität <strong>auf</strong>gebracht, welcher Verzicht an weltanschaulicherOrientierung und Idealen von "guter Erziehung" in wissenschaftlichenSatzsystemen hingenommen werden muß und welche "Entzauberung" 5 des pädagogischenDenkens <strong>die</strong> werturteilsfreie Pädagogik für eine "ganzheitliche", Seinund Sollen umfassende Sichtweise bedeutet. Das erst macht <strong>die</strong> Abwehr mancherVertreter der an Werte gebundenen traditionellen wie auch jeder weltanschaulichenPädagogik verständlich, und es wird einsichtig, warum <strong>die</strong>serProzeß vermutlich noch lange Zeit fortdauern wird.4.1 Diskussion der Forderung nach Werturteilsfreiheit4.1.1 Die Norm der WerturteilsfreiheitDa <strong>die</strong> Gründe der Forderung nach Werturteilsfreiheit oft falsch oder unzureichendverstanden worden sind, müssen, um <strong>die</strong> daraus folgenden Mißverständnisseklären zu können, zunächst <strong>die</strong> erkenntnistheoretischen Grundlagen derWerturteilsfreiheit noch einmal dargestellt werden. Da <strong>die</strong> meisten Argumenteschon früher genannt wurden, genügt hier eine knappe Zusammenfassung.Im Unterschied zu deskriptiven Sätzen, in denen etwas beschrieben wird,sind Werturteile Sätze, in denen etwas als wahr, schön, nützlich, wünschenswertusw. bewertet wird. Auch Normen können als Werturteile gelten, denn normativeSätze drücken Sollensforderungen aus, <strong>die</strong> eine Wertung dessen einschließen,was in ihnen gefordert wird 6 . Die Darstellung und Analyse von Werturteilen undNormen erfordert allerdings wieder eine deskriptive und keine wertende Sprache.Werturteilsfreiheit in wissenschaftlichen Satzsystemen kann nun aber nichtden Verzicht <strong>auf</strong> sämtliche mögliche Wertungen bedeuten, da sonst auch Bewer-4 ELIAS 1983, S. 116.5 MAX WEBER 1985, S. 594.6 Vgl. zu den Termini "Wert" und "Norm" <strong>die</strong> Ausführungen von LAUTMANN 1969.138


tungen, <strong>die</strong> <strong>die</strong> Wahrheit bzw. Wahrheitsähnlichkeit oder Falschheit von Sätzenbetreffen, nicht zulässig wären. Solche Bewertungen sind aber für den Fortschrittzu wirklichkeitsgerechteren Theorien notwendig. Werturteilsfreiheit in wissenschaftlichenSatzsystemen kann daher nur den Verzicht <strong>auf</strong> solche Werturteilebedeuten, <strong>die</strong> sich nicht <strong>auf</strong> das Ziel oder den Wert der Erkenntnis beziehen. DerName "Werturteilsfreiheit" ist so gesehen mißverständlich.Da "Objektivität und Wertfreiheit selbst Werte sind", wäre "<strong>die</strong> Forderungder unbedingten Wertfreiheit paradox" 7 . Dieses Paradox ist jedoch leicht <strong>auf</strong>zulösen,wenn man "rein wissenschaftliche Werte und Unwerte und außerwissenschaftlicheWerte und Unwerte" unterscheidet. Der leitende "wissenschaftlicheWert" bzw. wissenschaftsrelevante Wert ist <strong>die</strong> Wahrheit. Andere "wissenschaftlicheWerte" sind beispielsweise <strong>die</strong> Fruchtbarkeit, <strong>die</strong> erklärende Kraft, <strong>die</strong> Einfachheitund Genauigkeit von Theorien 8 . Wissenschaftsrelevante Werte werdenauch als <strong>die</strong> Wertbasis der Wissenschaft bezeichnet.Eine "der Aufgaben der wissenschaftlichen Kritik und der wissenschaftlichenDiskussion" ist es, "<strong>die</strong> Vermengung der Wertsphären zu bekämpfen, undinsbesondere außerwissenschaftliche Wertungen aus den Wahrheitsfragen auszuschalten"9 . Das ist wichtig, denn es liegt <strong>die</strong> "begründete Vermutung" nahe, "daßauch <strong>die</strong> Wissenschaftler selbst, sobald sie beginnen", ihre außerwissenschaftlichenoder erkenntnisfremden Wertungen "als Maßstäbe ihrer professoralenAmtstugend zuzulassen, realitätsresistent werden und in ihrer Fähigkeit zurvorurteilslosen Tatsachenforschung verkümmern" 10 .Nun ist es allerdings nicht möglich und auch nicht wünschenswert, außerwissenschaftlicheInteressen ganz auszuschalten. Außerdem weisen erziehungswissenschaftlicheTheorien vielfältige Beziehungen zu außerwissenschaftlichen Problemen<strong>auf</strong>, etwa zum Problem der Förderung der Persönlichkeit, oder zum Problemdes Nutzens von Erziehungsmitteln. Solche außerwissenschaftlichen Interessenkönnen und sollen nicht eliminiert werden. Der Wissenschaftler braucht undsoll nicht in einer vollkommen gleichmütigen, uninteressierten Weise an seineProbleme herangehen 11 . Problematisch sind <strong>die</strong>se erkenntnisfremden Wertungennur dann, wenn sie als Teil der Wertbasis der Wissenschaft, d.h. als7 POPPER 1975b, S. 114 f.8 Ebenda (im Original z.T. kursiv).9 Ebenda (im Original z.T. kursiv); vgl. auch Max WEBER 1985, S. 497.10 LÜBBE 1979, S. 175; ähnlich LENK 1975, S. 58.11 Vgl. POPPER 1975b, S. 113. OSTERLOH 1991, S. 245 ff. spricht hier mißverständlich von einem"Erlaubnisprinzip" der Wertfreiheit.139


wissenschaftliche Werte, oder wenn sie als gültige Ergebnisse wissenschaftlicherAnalyse betrachtet werden. Es kommt dar<strong>auf</strong> an, <strong>die</strong>se Wertsphären zuunterscheiden und durch <strong>die</strong> intersubjektive Kritik und durch logische undempirische Prüfungen dazu beizutragen, daß wissenschaftliche Hypothesen undTheorien nicht unsere subjektiven Vorurteile und Wunschvorstellungen enthalten,sondern möglichst objektiv sind.Die Objektivität und Wertfreiheit der Wissenschaft ist also nicht so sehr vomeinzelnen Wissenschaftler als vielmehr von der "Zusammenarbeit vielerWissenschaftler" und der "Intersubjektivität der wissenschaftlichen Methode"abhängig 12 . Die Wertfreiheit, d.h. <strong>die</strong> Freiheit der Ergebnisse wissenschaftlicherForschung von außerwissenschaftlichen Wertungen, ist ein Ideal, dessen Einhaltung<strong>die</strong> Erkenntnis fördern soll. Wissenschaftliche Satzsysteme, <strong>die</strong> ausschließlichSachaussagen enthalten, sind erheblich einfacher und problemloser logischund/oder empirisch zu prüfen und intersubjektiv zu diskutieren als solche, <strong>die</strong> eineFülle außerwissenschaftlicher Wertungen enthalten.Die Forderung nach Werturteilsfreiheit in der Wissenschaft ist also von grundlegenderBedeutung. Es ist allerdings verständlich, wenn gerade Erziehungstheoretikersich mit der Unterscheidung wissenschaftlicher und außerwissenschaftlicherWertungen oft schwer tun. Erziehung ist ohne Wertungen nicht möglich.Wer erziehen muß, muß auch Ziele voraussetzen und verfolgen, <strong>die</strong> er alswertvoll erachtet. Die Wertvoraussetzungen <strong>die</strong>ses erzieherischen Handelns undUrteilens sind aber außerwissenschaftlich.In der wissenschaftlichen Untersuchung können <strong>die</strong> Wertvoraussetzungen derUrteile von Erziehern, <strong>die</strong> Wirkungen <strong>die</strong>ser Werturteile <strong>auf</strong> den Educanden, <strong>die</strong>Analyse <strong>die</strong>ser Wirkungen im Hinblick <strong>auf</strong> übergeordnete pädagogische Kriterienoder Erziehungsideale wichtige Gegenstände sein. Die Ergebnisse solcherUntersuchungen können rückwirkend <strong>die</strong> für <strong>die</strong> Erziehung verantwortlichen Entscheidungsträgerzu Änderungen ihrer Wertungsgrundlagen und/oder Urteilsweisenanregen, obwohl <strong>die</strong>se Ergebnisse lediglich Sachverhalte beschreiben, erklärenoder mögliche Wirkungen voraussagen. Es kann auch sein, daß bevorzugteMittel wegen ihrer Unwirksamkeit, und mit ihnen auch <strong>die</strong> Ziele, zu deren Erreichungsie <strong>die</strong>nen sollten, in Frage gestellt werden oder zumindest in unerwünschterWeise veränderungsbedürftig erscheinen. Die reine Information über bis dahinunbekannte Nebenwirkungen eines Mittels in einem bestimmten Zweck-Mittel-12 POPPER 1970, Bd. 2, S. 267.140


Bezug kann auch zu veränderten Einstellungen hinsichtlich des Zwecks führen.Unser Wissen läßt unsere Wertvorstellungen nicht unberührt, auch wenn eswertfrei ist 13 .Aber auch wenn <strong>die</strong> psychische Abneigung gegen eine werturteilsfreieUntersuchung von Erziehungsphänomenen verständlich ist, bleibt sie doch eineder vermutlich unabdingbaren Voraussetzungen für den Erkenntnisgewinn.4.1.2 Einwände gegen <strong>die</strong> Forderung nach WerturteilsfreiheitAn der Forderung nach Werturteilsfreiheit 14 der Erziehungswissenschaftwird (a) deren angebliche Paradoxie kritisiert. Außerdem werden (b) philosophisch-ontologische,(c) wissenschaftspraktische und (d) gesellschaftspolitischeEinwände erhoben.a) Die angebliche Paradoxie der Forderung nach WerturteilsfreiheitEinige Kritiker wenden ein, daß <strong>die</strong> Forderung nach Werturteilsfreiheitselbst eine Wertung beinhalte. Das sei ein logischer Widerspruch und <strong>die</strong>serWiderspruch müsse jeden Versuch einer werturteilsfreien Pädagogik unmöglichmachen. Es ergebe sich "<strong>die</strong> paradoxe Konsequenz", daß "zum einen <strong>die</strong>Wertfreiheit propagiert" werde und "zum anderen mit dem Prinzip der Wertfreiheitselbst eine (...) Norm" <strong>auf</strong>gestellt werde 15 ."Die sog. 'Wertfreiheit' in der Wissenschaft", so meint XOCHELLIS, "wirdbereits hinfällig durch den Hinweis <strong>auf</strong> <strong>die</strong> kritischen, kulturellen sowiegesellschaftlichen Bezüge, von denen jeder Wissenschaftsprozeß getragenwird" 16 . Die Wissenschaft setzt immer schon ein Verständnis voraus, an das sieanknüpft, so daß sie tatsächlich nicht voraussetzungslos betrieben werden kann.Auch können <strong>die</strong> Wissenschaftler sich selbst als Menschen "im Erkenntnisprozeßnicht restlos 'ausklammern'". Dadurch fließen immer "'subjektive' Momente inden wissenschaftlichen Erkenntnisprozeß" ein 17 . Hätte sich <strong>die</strong>se Erkenntnis in13 Vgl. ALBERT 1980, S. 214-215.14 Eine systematische Untersuchung der Argumente gegen <strong>die</strong> Werturteilsfreiheit hat KEUTH 1989durchgeführt; zur Werturteilsfreiheit der Erziehungswissenschaft vgl. ZECHA 1984, S. 69 ff.15 KÖNIG 1975, Bd. 1, S. 153; ähnlich Heinrich BECK 1974, S. 48; SCHALLER 1974, S. 16.16 XOCHELLIS 1973, S. 14; ähnlich STRASSER 1972, S. 669; RUHLOFF 1980, S. 73; BENNER 1978,S. 187 f.17 XOCHELLIS 1973, S. 14.141


der Erziehungswissenschaft durchgesetzt, dann könnte eine "Konzeption der wissenschaftlichenPädagogik als ein System von nur rein 'informativen Aussagen'"gar nicht erst ins Auge gefaßt werden 18 und das "'Dogma ...' von der unbedingtenWertfreiheit und Objektivität der Wissenschaft" müßte fallen 19 .Diese Argumente beruhen teilweise <strong>auf</strong> Mißverständnissen. Sie sind nichtneu und sind öfter und ausführlich diskutiert worden 20 . Auch wer für <strong>die</strong> Werturteilsfreiheitder Wissenschaft eintritt, bestreitet nicht, daß historische, kulturelleund gesellschaftliche Bezüge <strong>die</strong> Interessen des Wissenschaftlers beeinflussen.Daß <strong>die</strong> Lösung einer bestimmten Frage unter bestimmten historischen oderkulturellen Umständen von größerer Bedeutung erscheint als unter anderenUmständen, steht jedoch in keinem Bezug zur Geltung der gewonnenen wissenschaftlichenSätze. So dürften <strong>die</strong> Sätze der Astronomie für das Weltverständniseines afrikanischen Medizinmannes zwar völlig bedeutungslos sein, aber dasändert nichts an ihrer Gültigkeit.Das Interesse des Erziehungswissenschaftlers für einen bestimmten Gegenstandoder <strong>die</strong> Entscheidung, Erziehungstechnologien zur Erreichung bestimmterhypothetisch angenommener Ziele zu entwerfen, ergibt sich aus dem Umstand, daßer einen Beitrag zur Verbesserung der Erziehung leisten will. Dieses Interessezählt zum Entstehungszusammenhang wissenschaftlicher Erkenntnis. Zu ihmgehören <strong>die</strong> kulturelle oder gesellschaftliche Situation, <strong>die</strong> Interessen und dasVorverständnis des Wissenschaftlers, seine Intuitionen und andere "subjektivenMomente". Der Entstehungszusammenhang beschreibt <strong>die</strong> Umstände, unter denenbestimmte Aussagen gewonnen werden. Diese Umstände sollen "<strong>auf</strong> keinemGebiet ein Hindernis für sachliche und überprüfbare Forschung" sein 21 .Da Forschungsergebnisse aber von derartigen Umständen beeinflußt werdenkönnen, wird <strong>die</strong> Auffassung, daß der Entstehungszusammenhang für <strong>die</strong> Geltungvon Theorien belanglos sei, nicht allgemein akzeptiert 22 . Dieselben Motive,<strong>die</strong> für <strong>die</strong> "Grundlegung einer Theorie" bestimmend sind, könnten "auch für ihreÜberprüfung eine entscheidende Rolle spielen" 23 . Tatsächlich kann ja das eigeneInteresse blind machen. Wer allzusehr an <strong>die</strong> Richtigkeit seiner Hypothese oder18 Ders. 1971, S. 391.19 Ebenda, S. 404; ähnlich ders. 1973, S. 15.20 Vgl. z.B. NAGEL 1979; POPPER 1970, Bd. 2, S. 260 ff.; ALBERT 1980.21 Vgl. NAGEL 1979, S. 237 ff.22 Vgl. XOCHELLIS 1973, S. 16; 1971, S. 393; KÖNIG 1978, Bd. 3, S. 10; HÜBNER 1986, S. 91,262 ff.23 HÜBNER 1986, S. 91 f.142


Theorie glaubt, kann gegenteilige Befunde manchmal nur noch so interpretieren,daß sie <strong>die</strong> eigene Auffassung trotz allem zu bestätigen scheinen 24 . Da <strong>die</strong>Objektivität der Wissenschaft jedoch nicht allein <strong>auf</strong> der Objektivität deseinzelnen Wissenschaftlers, sondern <strong>auf</strong> der kritischen Diskussion undintersubjektiven Prüfung der Ergebnisse beruht, können im Prinzip solcheVorurteile irgendwann <strong>auf</strong>gedeckt werden.Letztlich ist nicht der Entstehungszusammenhang, sondern <strong>die</strong> Begründungder Geltung von Aussagen von entscheidender Bedeutung. Wie man zu Hypothesenund Theorien gekommen ist, ist für ihre Geltung relativ unwichtig. Die vorläufigeGeltung von Aussagen kann nur durch Prüfungsmethoden begründet werden,wobei in allen Realwissenschaften vor allem empirische Prüfungen gemeintsind. Durch möglichst strenge Prüfungen sollen Fehler entdeckt und ausgeschaltetwerden. Letztgültige Wahrheit bleibt freilich unerreichbar; <strong>die</strong> meistenwissenschaftlichen Aussagen sind nur "teilweise, nicht vollständig begründet",also nur wahrscheinlich 25 .b) Philosophisch-ontologische EinwändeDie philosophisch-ontologischen Einwände gegen <strong>die</strong> Forderung nachWerturteilsfreiheit beruhen <strong>auf</strong> der Behauptung, Tatsachen und Werte, Sein undSollen bildeten eine unzertrennliche Einheit. Werte wie Wahrheit, Schönheit,Gerechtigkeit usw. stellen danach keine Schöpfungen des Menschen dar, sondernwerden als Teil der von Ontologen oder Metaphysikern zu erforschenden(überzeitlichen) Wirklichkeit <strong>auf</strong>gefaßt. Diese Forschungen würden notgedrungenin ihrem Ergebnis Wertungen enthalten, <strong>die</strong> ausdrücken, daß etwas an sichmoralisch gut oder an sich moralisch schlecht oder daß eine Forderung an sich zustellen sei; sie drückten also "objektive Wertungen" und Sollensforderungen ausim Gegensatz zu den subjektiven Wertungen und Forderungen bestimmterPersonen oder Gruppen. Unter <strong>die</strong>ser Voraussetzung könnte, wenn sie zuträfe,<strong>die</strong> Forderung der Werturteilsfreiheit nicht <strong>auf</strong>rechterhalten werden. Die zugrundeliegende idealistische Ontologie wurde bereits erörtert (vgl. 2.1.2b).Auch in der Ontologie des Realismus werden Werte und Normen als Teilder Wirklichkeit, der "Welt 3" <strong>auf</strong>gefaßt (vgl. 2.1.2a). Diese Auffassung kannman auch als einen modifizierten Wertplatonismus bezeichnen. Sie ist zudem mit24 Vgl. hierzu <strong>die</strong> Analyse einiger Untersuchungen GESELLs durch FOWLER 1983, Bd. 1, S. 111 ff.25 V. KRAFT 1973, S. 55.143


der Relativität der Wertungen vereinbar. Diese Auffassung wird auch von V.KRAFT vertreten, der Werte als "allgemeine, begriffliche Gehalte" definiert. In<strong>die</strong>sem Sinne werden sie zwar von uns geschaffen, existieren aber forthin unabhängigvom individuellen Denken, Fühlen und Wollen als "etwas Einheitlichesund etwas Zeitloses" 26 . Sie sind Gegenstände einer vom Menschen erzeugtenWelt der "objektiven Gedankeninhalte" 27 . Die empirisch vorfindbaren Wertungen,in denen <strong>die</strong> Werte vorkommen, sind zeitliche Ereignisse und damit empirischeTatsachen 28 . Sie werden also als Gegenstände der "Welt 3", der ideellenErzeugnisse menschlichen Denkens und Handelns betrachtet. Aber aus derUntersuchung von Werten als Tatsachen kann danach kein "Sollen", d.h. keineForderung gewonnen werden. Die hypothetische Normkonstruktion und Normanalysekann vielmehr nur zu Feststellungen bzw. deskriptiven Aussagen führen.Nach Auffassung des monistischen Idealismus jedoch darf man keinen"Gegensatz zwischen 'Sein' und 'Sollen'" annehmen, vielmehr bestehe eine Einheit"von Anfang an" 29 . Das Sollen, das in dem naturgegebenen "Grundsinn" enthaltensei könne nur durch "Erschauung", "Sicht" oder "Verstehen" gewonnenwerden 30 . Für <strong>die</strong> Gültigkeit von Aussagen über so Erschautes kann freilich nur<strong>die</strong> subjektiv empfundene "Evidenz" angeführt werden 31 . Eine solche subjektive,begrenzte Bestätigung kann jedoch schwerlich wissenschaftliche Geltungbeanspruchen. Deshalb sind seit jeher auch alle Versuche einer allgemeingültigenBestimmung des Guten, des Schönen, des eigentlichen Sinns der Erziehungusw. mißlungen.Eine derartige Bestimmung würde voraussetzen, daß es objektive Wertegäbe. Doch <strong>die</strong> historische und kulturvergleichende Analyse zeigt eher, daßWertungen und Normen nur eine relative Geltung zukommt; sie gelten nur fürbestimmte Menschen, eine bestimmte Zeit oder eine bestimmte Kultur und Gesellschaft.Werturteile und normative Sätze beruhen also <strong>auf</strong> Entscheidungen 32 indem Sinn, daß sie durch menschliches Handeln in <strong>die</strong> Welt gekommen sind.Insofern dürfte man ihnen kaum eine Existenz "an sich" zuschreiben.26 V. KRAFT 1951, S. 11.27 POPPER 1973, S. 123. POPPER nennt <strong>die</strong>se Welt auch "dritte Welt" oder "Welt3" (S. 123 f.).28 Vgl. V. KRAFT 1951, S. 11. Da Werte immer wieder neu definiert werden, müßte man allerdings"das Gute 1 " bis "das Gute n " unterscheiden.29 STRASSER 1972, S. 671.30 Vgl. ders. 1964, S. 162 ff.31 Vgl. ebenda, S. 229 f.32 Vgl. auch MACKIE 1977, S. 15 f.144


Das Argument der Relativität der Werte 33 behauptet, daß alle Werte, Zieleund Normen nicht nur prinzipiell, sondern auch faktisch Zustimmung und Ablehnungerfahren können oder im L<strong>auf</strong>e der Geschichte Wandlungen unterworfensind. Daran ändert sich auch dann nichts, wenn man davon ausgehen zu könnenglaubt, daß sich gegenwärtig "<strong>die</strong> überwiegende Mehrheit der Menschheit einigin der moralischen Bewertung vieler Sachverhalte" ist 34 . Vielleicht gibt es ingewissen Fragen sogar universal akzeptierte moralische Auffassungen 35 . Aber<strong>die</strong> Suche nach absoluten oder objektiven Werten hat nur zu erstaunlich vagenund vieldeutigen Ergebnissen geführt 36 . Dennoch braucht man Werte undNormen, weil sie der Orientierung oder Leitung unseres Verhaltens <strong>die</strong>nen. Aberman bräuchte sie nicht, wenn man nicht auch anders handeln könnte; sie schränkenja gerade <strong>die</strong> Fülle der naturgegebenen Verhaltensmöglichkeiten ein. Wermöchte, daß Menschen normgerecht handeln, setzt voraus, daß sie sich auchanders entscheiden könnten. Es dürfte also weit mehr für das Argument der Relativitätder Werte als für ihre absolute Geltung sprechen.Dennoch kann <strong>die</strong> Wissenschaft bei der Analyse der Gültigkeit von Wertungenvon Nutzen sein. Man kann Wertungen beispielsweise <strong>auf</strong> ihre logischeÜbereinstimmung mit anderen Normen oder mit übergeordneten und bereits akzeptiertenWertungsvoraussetzungen untersuchen. Auf relativ spezifischer Ebenesind Wertungen oft in Sachaussagen <strong>auf</strong>lösbar (z.B. "<strong>die</strong>ses Medikament ist für<strong>die</strong> Unterstützung des Heilungsprozesses brauchbar"), <strong>die</strong> man von vorausgesetztenZielen her bewerten kann. Solche Wertungen können auch <strong>auf</strong>grund vonGesetzesaussagen als gültig oder ungültig erwiesen werden 37 . So ist eine Unterrichtsmethodeoder ein Medikament nur dann "brauchbar", wenn sie oder es zurErreichung der vorausgesetzten Ziele beiträgt, ohne schädliche Nebenwirkungenzu zeitigen.Es gibt also Fälle, in denen <strong>die</strong> Gültigkeit der Werturteile von Gesetzmäßigkeitenabhängt. Man könnte daher einwenden, daß Wertungen doch ausSeinsaussagen zu gewinnen seien. Dabei wird allerdings übersehen, daß <strong>die</strong>seWerturteile im Hinblick <strong>auf</strong> einen Zweck getroffen werden, der von Menschenhypothetisch angenommen wird. "Weil es dar<strong>auf</strong> ankommt, ob <strong>die</strong> Wirkung33 Vgl. auch <strong>die</strong> Diskussion bei ZECHA 1984, S. 28 ff.; BRECHT 1976, S. 139 f.; MACKIE 1977, S.36 ff.34 ZECHA 1984, S. 38.35 Vgl. LINTON 1974.36 Vgl. ebenda.37 Zum ganzen Absatz vgl. V. KRAFT 1951, S. 210 ff.145


gewollt wird, hängt der Wertcharakter vom wertenden Subjekt ab und ist dahermit <strong>die</strong>sem variabel. Infolge <strong>die</strong>ser doppelten Abhängigkeit" - einerseits voneiner Gesetzmäßigkeit und andererseits von einem subjektiven Zweck - "kanneinem Werturteil über Nützlichkeit oder Schädlichkeit nicht Gültigkeit in einemabsoluten Sinn zugesprochen werden" 38 . Die Wissenschaft kann also aus derUntersuchung des Seienden allein keine Werturteile gewinnen. Die Frage, obetwas wertvoll für etwas anderes ist, kann nur dann intersubjektiv und empirischüberprüfbar beantwortet werden, wenn eine hypothetisch angenommene Normvorausgesetzt wird. Es ist jedoch unmöglich, letzte oder absolute Werte wissenschaftlichzu gewinnen oder Aussagen über deren Gültigkeit zu machen 39 .c) Wissenschaftspraktische EinwändeZwei wissenschaftspraktische Einwände werden gegen <strong>die</strong> Werturteilsfreiheitder Erziehungswissenschaft vorgebracht. Dem ersten Einwand liegt folgendeArgumentation zugrunde. In traditionellen pädagogischen Texten seien Tatsachenaussagenund Werturteile stets gemischt gewesen. Darin liege sozusagen derspezifische Charakter pädagogischer Texte. Die Norm der Werturteilsfreiheit seierst später und von außen an <strong>die</strong> Pädagogik herangetragen worden. Diese Normkönne daher nur als "antitraditionell" eingestuft werden; sie führe dazu, daß "<strong>die</strong>Klassiker der Pädagogik ... zum alten Eisen geworfen werden" müßten 40 . Wennman <strong>die</strong> Leistungen der pädagogischen Tradition nicht unbeachtet lassen wolle,dann müsse man <strong>auf</strong> <strong>die</strong> Werturteilsfreiheit verzichten 41 .Der zweite Einwand ist ähnlich, aber allgemeiner und grundlegender.Tatsächlich sind in wissenschaftlichen Texten häufig erkenntnisfremde Wertungenund normative Sätze enthalten 42 . Da also <strong>die</strong> Norm der Werturteilsfreiheitder Wissenschaft ohnehin nicht eingehalten werde, könne man auch <strong>auf</strong> sieverzichten und statt dessen <strong>die</strong> Wissenschaft als deskriptiv-normativ gemischtesSatzsystem <strong>auf</strong>fassen 43 .Zunächst zur Diskussion des ersten Einwandes. Die traditionelle Pädagogiksah ihre wesentliche Aufgabe in der Reflexion bestehender Praxis, im Nachdenkenüber <strong>die</strong> richtigen Ziele der Erziehung wie über <strong>die</strong> Mittel zu ihrer Errei-38 Ebenda, S. 211 f.39 Vgl. ebenda.40 STRASSER 1972, S. 660.41 Vgl. ebenda, S. 660 ff.42 Vgl. allgemein hierzu POPPER 1970, Bd. 2, S. 260 ff.; STEGMÜLLER 1980, S. 127.43 Vgl. ZECHA 1984, S. 138 f.146


chung. Sie tat das in engagierter Auseinandersetzung mit der bestehenden Erziehungspraxis44 . Man kann <strong>die</strong>s als einen ersten Schritt von den unmittelbarenErziehungs<strong>auf</strong>gaben hin zur Reflexion von Erziehung bezeichnen. Aber eshandelte sich hier eher um eine reflektierende Distanzierung von den Schwierigkeitendes tätigen Erziehers als um eine solche von den zugrunde liegendenweltanschaulich geprägten Auffassungen und Zielen von Erziehung.Vertreter der geisteswissenschaftlichen lehnen <strong>die</strong>se Distanzierung auch ab,weil sie es als ihre Aufgabe betrachten, den Leuten zu sagen, was moralisch gutund richtig oder falsch sei. "Wenn Theorie ... aus den in der Praxis selber nichtmehr <strong>auf</strong>lösbaren Schwierigkeiten erwächst, dann kann sie sich nicht damitbegnügen, zu analysieren, was ist, sondern sie muß ... zugleich zu Kriterien kommen,was falsch und was richtig ist." Dabei muß sie <strong>die</strong>se Maßstäbe "in ihrereigenen Arbeit gewinnen. Sie muß ... aus der Analyse dessen, was ist, Maßstäbefür das gewinnen, was sein soll" 45 .Nun werden für <strong>die</strong> Beurteilung von Normen und Mitteln tatsächlichethische Maßstäbe gebraucht wie das schon erwähnte "pädagogische Kriterium"NOHLs, jede Norm und jedes Mittel dar<strong>auf</strong>hin zu untersuchen, welche Bedeutungeine Norm oder ein Mittel für den Aufbau und <strong>die</strong> Förderung der Persönlichkeitdes Educanden hat 46 . Solche Maßstäbe sollen eine empirische Bewährung vonNormen und Mitteln an deren Konsequenzen für das Individuum ermöglichen.Aber man muß sich dabei bewußt bleiben, daß <strong>die</strong>se Maßstäbe menschlicheKonstruktionen und daher Festsetzungen sind, für <strong>die</strong> man zwar Argumenteanführen kann, denen aber keine objektive Geltung zukommt. Es ist nichtmöglich, <strong>die</strong>se Maßstäbe sozusagen als feststehende Tatsachen "aus der Analysedessen, was ist" zu gewinnen.Das bedeutet nun nicht, daß <strong>die</strong> Ergebnisse der traditionellen Pädagogik inBausch und Bogen verworfen werden müßten. Die empirisch-analytische Pädagogikmuß vielmehr an <strong>die</strong> Ergebnisse anderer und insbesondere der alten geisteswissenschaftlichenPädagogik anknüpfen. Es wäre unsinnig, <strong>die</strong>ses Wissenunberücksichtigt zu lassen und ganz von vorn anfangen zu wollen. Man kanndaher <strong>die</strong> traditionellen pädagogischen Satzsysteme - auch wenn sie mit Werturteilen,für <strong>die</strong> Anspruch <strong>auf</strong> allgemeine Gültigkeit erhoben wird, durchsetzt sind -nicht als wissenschaftlich wertlos ansehen. Nur darf <strong>die</strong>se Tradition pädagogi-44 Vgl. W. FLITNER 1966b, S. 18.45 BOLLNOW 1969, S. 162.46 Vgl. NOHL 1963, S. 127.147


schen Wissens nicht unkritisch und ungeprüft hingenommen werden. Die Traditionist somit unerläßlich, aber sie ist nicht unantastbar 47 .Der zweite Einwand geht von der mit Beispielen gut belegten Feststellungaus, daß wissenschaftliche Texte häufig Wertungen enthalten. Wie jede Normwird auch <strong>die</strong> Norm der Werturteilsfreiheit übertreten. Man sollte in <strong>die</strong>semZusammenhang nicht übersehen, daß der Drang, wertend Stellung zu nehmen,Wissenschaftler wohl kaum in geringerem Maße als andere Menschen befällt. Eshandelt sich hier also um ein durchaus verständliches Bedürfnis. Wenn erkenntnisfremdeWertungen als solche gekennzeichnet werden, sind sie in wissenschaftlichenSatzsystemen nicht so problematisch 48 . Wesentlich ist vor allem <strong>die</strong>Unterscheidung der Wertsphären, also <strong>die</strong> Unterscheidung wissenschaftlicherund außerwissenschaftlicher Werte. Allerdings ist <strong>die</strong> Formulierung von präskriptivenAussagen im Rahmen wissenschaftlicher Satzsysteme immer fragwürdig,da Werturteile und Sollensforderungen wissenschaftlich nicht entscheidbarsind. Außerdem ist es stets möglich, statt Sollensforderungen prüfbare technologischeSätze zu formulieren, <strong>die</strong> aussagen, was getan werden kann, um ein alswünschenswert betrachtetes Ziel zu erreichen.d) Gesellschaftspolitische EinwändeDa werturteilsfreie Wissenschaft keine Forderungen nach Veränderung oderBeibehaltung bestehender Strukturen stelle, <strong>die</strong>ne sie in der Regel der Stabilisierungund Ausweitung oder Tra<strong>die</strong>rung bestehender Machtverhältnisse 49 .Es ist unbestreitbar, daß Wissenschaftler korrumpierbar sind und oft eherder jeweils herrschenden Macht <strong>die</strong>nen, als daß sie unabhängig davon sind 50 . Dasläßt sich leicht verstehen, wenn man bedenkt, daß ein Wissenschaftler, der etwasbewirken möchte, Karriere machen und Macht gewinnen muß. Das dürfte abernur schwerlich zu schaffen sein, ohne sich mit dem Bestehenden und denHerrschenden zu arrangieren. Man wird in der Regel für erwünschte Dienste,nicht aber für unliebsame belohnt. Es ist also nicht verwunderlich, wenn vieleWissenschaftler sich bei ihren Forschungen an den Rahmen des Bestehenden47 Zur eingeschränkten Bedeutung von Traditionen in der Wissenschaft vgl. auch POPPER 1972, S. 3 f.;zur Tradition kritischen Denkens und den Funktionen <strong>die</strong>ser Tradition ebenda S. 120 f.48 Vgl. auch VETTER 1971, S. 14 f.; PRIM/TILMANN 1977, S. 138 ff.49 Vgl. KÖNIG 1975, Bd. 1, S. 164 unter Bezug <strong>auf</strong> WELLMER 1969, S. 20. Ähnlich argumentieren auchLASSAHN 1974, S. 80; REICH 1978, S. 131 Anm, S. 129; KIRCHHOFF/KLING/MAHR 1975, S.1363.50 Vgl. A. HERMANN 1984.148


halten und darüber hinausgehende, mutige Theorien selten sind. Es ist ungefährlicher,sich <strong>auf</strong> spezielle Aspekte eines Fragenkomplexes Fragestellungen zu beschränken,als etablierte und allgemein geteilte wissenschaftliche, pädagogischeund sonstige Auffassungen zu problematisieren. Das ist jedoch meines Erachtenskein Problem der Werturteilsfreiheit, sondern eher eine Frage der Art der<strong>Institution</strong>alisierung von Wissenschaft einschließlich des Publikationswesensund vermutlich der menschlichen Natur überhaupt.Die Beschränkung <strong>auf</strong> reine Information bedeutet ja nicht Einflußlosigkeit.Die rein informative Tätigkeit des Wissenschaftlers kann im Idealfall unbekannteSachverhalte und Zusammenhänge <strong>auf</strong>decken und ins öffentliche Bewußtseinheben 51 . Nicht nur das, was unerkannt geblieben ist, sondern auch was verschwiegenoder bagatellisiert wurde, kann dargestellt und geklärt werden. Darüberhinaus kann werturteilsfreie Wissenschaft soziale Vorurteile <strong>auf</strong>decken unddadurch "Aufgaben für <strong>die</strong> politische Tätigkeit und damit für <strong>die</strong> Sozialtechnologie"52 bzw. <strong>die</strong> Erziehungstechnologie <strong>auf</strong>zeigen. Die Werturteilsfreiheitbraucht <strong>die</strong> Erziehungswissenschaft also auch nicht daran zu hindern, über erzieherischeProbleme jeglicher Art und erziehungstechnologische Möglichkeiten zuihrer Behebung zu informieren. Im Prinzip kann man dabei sehr wohl über vorherrschendepädagogische und gesellschaftliche Erziehungsvorstellungen hinausgehenund <strong>auf</strong> <strong>die</strong>se Weise neue Entwicklungen anregen. Wenn das nicht getanwird, hat nichts mit der Werturteilsfreiheit der Wissenschaft zu tun, sondernwohl eher mit einer Beschränkung des geistigen Horizontes oder mit einer imL<strong>auf</strong>e der Karriere erworbenen automatischen Anpassungsbereitschaft.Im Übrigen ist der Wissenschaftler nicht ausschließlich Wissenschaftler,sondern auch Bürger. Die Werturteilsfreiheit der Wissenschaft braucht weder <strong>die</strong>Wissenschaftlicher noch irgendwelche anderen Leute und Gruppen daran zuhindern, sich gesellschaftspolitisch in der einen oder anderen Richtung zu engagieren.Und <strong>die</strong> Ergebnisse werturteilfreier Wissenschaft können in beliebigerAbsicht zu verwenden versucht werden.51 Vgl., auch zum folgenden, ALBERT 1980, S. 214.52 Ebenda.149


4.2 Analyse von Alternativen zur werturteilsfreien PädagogikAlternativen zur werturteilsfreien Erziehungswissenschaft beruhen <strong>auf</strong> derAnnahme, man könne aus der Untersuchung der Erziehungswirklichkeit oder desSeienden Werturteile und Sollens-Forderungen gewinnen. Dabei gelangen verschiedenePositionen zu unterschiedlichen Wertungen und Zielen, <strong>die</strong> auch verschiedenbegründet werden. Im folgenden sollen einerseits <strong>die</strong> Auffassungeneiniger der bekanntesten Richtungen innerhalb der Werturteile aussprechendenPädagogik (Transzendentalpädagogik, emanzipatorische und kritische Pädagogiksowie <strong>die</strong> pädagogische Anthropologie) und andererseits ihre erkenntnistheoretischenGrundlagen (besondere Denkformen und wissenschaftstheoretische Auffassungen)diskutiert werden.4.2.1 TranszendentalpädagogikTranszendentalpädagogik versucht <strong>die</strong> Pädagogik von einem normativenLetztprinzip her zu begründen und zu sytematisieren. Sofern <strong>die</strong> Transzendentalpädagogiker<strong>die</strong> Aufstellung letztbegründeter Erziehungsnormen als ihre wesentlicheAufgabe betrachten - RUHLOFF scheint hier eine Ausnahme zu sein -, behauptensie, <strong>die</strong>se Normen streng wissenschaftlich zu bestimmen.Dazu geht beispielsweise SCHURR von einem "wesensnotwendigen Zusammenhangvon 'Sein und Sollen'" aus 53 . Aus der "Seinsbestimmung" des Menschensei es möglich, "zu bestimmen ..., was er sein soll ..." 54 . Auf <strong>die</strong>se Weisewill SCHURR "absolute sittliche Normen" erkennen 55 . Er bestimmt <strong>die</strong> Normen -so sein Anspruch - a priori und apodiktisch, also unabhängig von Erfahrung oderWahrnehmung, angeblich unwiderleglich und keinen Widerspruch duldend. Seinezentrale Erkenntnis besteht in der trivialen Forderung, daß Bildung sein soll.Und er macht viel Wind darum, "daß jenes Sollen als absolute Bildungsnormativitätumschrieben werden kann, <strong>die</strong> ... unabhängig von raum-zeitlicher Relati-53 SCHURR 1979, S. 3.54 SCHURR 1979, S. 7.55 Vgl. ebenda.150


vierung ... für jeden Bildungsraum und für jede Bildungszeit ihren Geltungsanspruchdurchsetzen muß, ihrer apriorischen Apodiktizität gemäß" 56 .RUHLOFF versteht <strong>die</strong> Transzendentalpädagogik als eine Methode zurAnalyse und Legitimation von Normen 57 . Wenn mit Legitimation gemeint ist,daß <strong>die</strong> Transzendentalpädagogik zur Rationalität in der Wahl von Normenbeiträgt oder <strong>die</strong> Probleme rationaler Normentscheidungen untersucht, ist <strong>die</strong>s alsein Beitrag zur Klärung pädagogischer Probleme zu verstehen. In <strong>die</strong>sem Sinneist etwa <strong>die</strong> Aufgabe zu sehen, vorliegende "Erziehungsverständnisse ... <strong>auf</strong> ihreVoraussetzungen und das Recht ihres Anspruchs, allgemein zu gelten, zuprüfen" 58 . Nach RUHLOFF gibt es "keine absolut ... gültigen ... pädagogischenNormen, Maßstäbe, Ziele oder Zwecke, <strong>die</strong> als solche allem Zweifel enthobenwären".Er meint nun, <strong>die</strong> Transzendentalpädagogik nenne "mit Bestimmtheit ... dasPhilosophieren als das verbindliche Maß, von dem her und <strong>auf</strong> das hin allespädagogische Agieren zu betrachten und zu rechtfertigen ist" 59 . Das "Philosophierenals das verbindliche Maß" ist ein Ausdruck, der vieles bedeuten kann. Erkann beispielsweise so <strong>auf</strong>gefaßt werden, daß durch Philosophieren verbindlicheMaßstäbe gewonnen werden könnten. In <strong>die</strong>sem Fall würde RUHLOFF sich selbstwidersprechen. Vielleicht ist aber auch gemeint, nicht empirische Prüfungenkönnten für <strong>die</strong> Bedeutsamkeit von Normen letztlich ausschlaggebend sein, sondernnur philosophische Argumente. Eine solche Auffassung würde insofern mitder empirisch-analytischen Position übereinstimmen, da Normen nur von übergeordnetenWertstandpunkten aus zu rechtfertigen sind.4.2.2 Emanzipatorische und (gesellschafts-)kritische PädagogikDie Vertreter der (gesellschafts-)"kritischen Erziehungswissenschaft" –ähnlich auch <strong>die</strong> der emanzipatorischen Pädagogik – behaupten, nur <strong>die</strong> kritische56 Ders. 1987, S. 63. Es gibt auch andere Auffassungen, in denen Normen als Teil der Wirklichkeitinterpretiert werden, wie den moralischen Realismus (vgl. MOORE 1970). Im Rahmen <strong>die</strong>serPosition sind Normen im selben Sinne Teil der Wirklichkeit wie <strong>die</strong> chemischen Eigenschafteneines Stoffes. Das Gebot: "Du sollst nicht töten" ist danach wahr dann und nur dann, wenn eskeinen Fall gibt, in dem es richtig ist, jemanden zu töten (Vgl. WALDRON 1985, S. 111). ZurKritik <strong>die</strong>ser Position vgl. BLACKBURN 1971; MACKIE 1977, S. 15 f.57 Vgl. RUHLOFF 1980, S. 173; kritisch dazu ZECHA 1980, S. 638.58 Ebenda, S. 175.59 Ebenda, S. 189 (Hervorhebung H.L.).151


Pädagogik sei in der Lage, "das Ganze des gesellschaftlichen Lebens" in denBlick zu nehmen 60 . Dadurch enthülle sich ihr, "was in der Wirklichkeit als nochnicht verwirklichte Erwartung verborgen ist" 61 . Als eine solche "noch nicht verwirklichteErwartung" muß vor allem das sowohl <strong>die</strong> emanzipatorische Pädagogikals auch "<strong>die</strong> kritische Theorie kennzeichnende 'emanzipatorische Interesse'"62 verstanden werden. Durch <strong>die</strong>ses emanzipatorische Interesse glauben sich<strong>die</strong> Vertreter der "kritischen Erziehungswissenschaft" zur "Parteinahme" 63 verpflichtet.Sie wollen "sich <strong>auf</strong> <strong>die</strong> Seite der Unterdrückten" stellen 64 . Ihr Ziel istes, mit Hilfe von "rationalen Kommunikationsprozessen ... <strong>die</strong> Welt besser zumachen, als es <strong>die</strong> Alten getan haben" 65 , denn der "Erziehung ... kommt ... einepositive Erneuerungsfunktion in der Gesellschaft zu" 66 . SCHALLER hält es fürmöglich, <strong>die</strong>se und andere Erziehungsideale wissenschaftlich in einer verborgenenWertwirklichkeit zu erkennen. Durch ein - allerdings nicht genau undnachvollziehbar geschildertes - "dialektisches Verschränkungsverfahren", das"das Ganze des gesellschaftlichen Lebens wieder zum Vorschein" bringe, seiensie zu entdecken 67 .Ähnlich ist das Vorgehen MOLLENHAUERs bezüglich des Ziels der Emanzipation68 . Er sieht <strong>die</strong> Vernunft als eine geistige Wirklichkeit, <strong>die</strong> "ein Interesse anMündigkeit" habe. Das bedeutet für ihn zugleich den "Willen" zur Emanzipation,der der Vernunft selbst entspringe 69 . Aufgrund der prinzipiell unprüfbarenBehauptung, das Ziel der Mündigkeit sei schon in der Vernunft als solcherangelegt, kann er das Sollen als im Sein enthalten ausgeben 70 . Nach <strong>die</strong>serAuffassung ist das Sein nur <strong>die</strong> eine Hälfte der Vernunft, das Sollen <strong>die</strong> andere.Sie erscheinen als ein untrennbares Ganzes 71 .60 SCHALLER 1974, S. 23. Ähnlich MOLLENHAUER 1970, S. 14 ff.61 SCHALLER 1974, S. 25.62 Ebenda, S. 26. Vgl. auch KLAFKI 1982, S. 19: "Das Prinzip der Mündigkeit ... ist ... mit der Grundverfassungder menschlichen Existenz ... gegeben und insofern 'a priori' einsehbar".63 SCHALLER 1974, S. 20.64 Ebenda, S. 19.65 Ebenda, S. 71.66 Ebenda, S. 129.67 Vgl. hierzu auch <strong>die</strong> Kritik von RÖSSNER 1973.68 Kritisch zum Ziel der Emanzipation vgl. RÖSSNER 1972; HEID 1972.69 MOLLENHAUER 1970, S. 67.70 Zur Kritik der Emanzipations- und anderer "wissenschaftlich getarnter weltanschaulicher Pädagogik"vgl. z.B. CUBE 1977, S. 134 f.; RÖSSNER 1974; HOLMBERG 1982, S. 139 f.; 1987.71 In Anspielung <strong>auf</strong> HABERMAS 1975, der sich gegen einen "positivistisch halbierten Rationalismus"und gegen <strong>die</strong> Unterscheidung von Wert-"Standards und Tatsachen" wendet, <strong>die</strong> dialektischüberwunden werden könne (S. 255-260). Vgl. dazu auch <strong>die</strong> Kritik von ALBERT 1975, S. 293-297.152


Solchen Auffassungen von Zielentscheidungen liegen – unter Voraussetzungder Ontologie des Realismus – Auffassungen zugrunde, nach denen Vernunft,Gesellschaft usw. "wie personale Gestalten behandelt" 72 werden, denenman bestimmte Interessen zuschreiben kann. Aber wir kennen nur <strong>die</strong> schonmanifestierte Vernunft (z.B. in den Satzsystemen der Pädagogik) und schonmanifeste oder vorgeschlagene Normen und Wertungsphänomene, <strong>die</strong> wir in derTat wissenschaftlich untersuchen können. Es ist ja sicher nicht so, daß einemanzipatorisches Interesse, das einem "geschichtlichen Bedürfnis der Menschheitentspricht", durch eine Analyse der sozialen Wirklichkeit <strong>auf</strong>gedeckt wordenwäre 73 . Die Parteinahme für <strong>die</strong> Unterdrückten, <strong>die</strong> gewiß einer moralischschätzenswerten Haltung entspringt, könnte als Vorschlag einer Erziehungsnormanalysiert und kritisch diskutiert werden. Aber <strong>die</strong> Auffassung, daß sie einewissenschaftlich als gültig erwiesene Grundnorm darstellt, dürfte nicht haltbarsein.Auch im Rahmen empirisch-analytischen Erziehungswissenschaft könnenselbstverständlich Ziele wie <strong>die</strong> Ertüchtigung zu rationaler Kommunikation 74oder Mündigkeit 75 hypothetisch vorgeschlagen, konkretisiert, <strong>auf</strong> Widersprüchezu anderen Erziehungs- oder gesellschaftlichen Normen geprüft und <strong>die</strong> Folgenihrer Verwirklichung untersucht werden (vgl. 2.1.3b). Es geht hier nur darum,daß sie nicht als wissenschaftlich "wahr", rechtmäßig oder aus wissenschaftlichenGründen zu verwirklichende angesehen werden können. In <strong>die</strong>sem Sinnekann auch <strong>die</strong> Norm der Werturteilsfreiheit einen gewissen Schutz vor vereinseitigenderweltanschaulicher Vereinnahmung der Pädagogik bieten.4.2.3 Pädagogische AnthropologieSollensforderungen unter Hinweis <strong>auf</strong> <strong>die</strong> Natur des Menschen als "Gefordertheiten"76 zu verstehen, war in der traditionellen Pädagogik weithin üblich. Someinte beispielsweise FRISCHEISEN-KÖHLER – im Anschluß an DILTHEY – eine"gegebene Teleologie in der natürlichen Entwicklung, in der Ausbildung des72 HÜBNER 1976, S. 122 (Hinzufügung in Klammern H.L.).73 BUBNER 1971, S. 165.74 Vgl. SCHALLER 1974, S. 71.75 Vgl. MOLLENHAUER 1970, S. 69.76 Ein Ausdruck des Gestaltpsychologen W. KÖHLER 1938, S. 63 ff.153


seelischen Lebens" erkennen zu können 77 ; LITT sprach von "inneren Gerichtetheiten"und behauptete, "daß im Objekt selbst bestimmte Möglichkeiten angelegtsind, <strong>die</strong> in sich den Hinweis <strong>auf</strong> 'Zwecke' enthalten" 78 . Nun sind Individuenbiologisch mit Anlagen für ein Leben in sozialen Ordnungen ausgestattet. DieseDispositionen ermöglichen es ihnen, Sollensforderungen überhaupt - und manchenbesser als anderen - nachzukommen. Dies ist eine der anthropologischenBedingungen von Erziehung. Aber <strong>die</strong>se Bedingung gibt uns noch keinen"Hinweis" dar<strong>auf</strong>, was wir sollen, sondern grenzt nur in sehr allgemeiner Weiseeinen Bereich von Möglichkeiten ab 79 .Eine bloße Abgrenzung von Möglichkeiten ist GUSS jedoch zuwenig. Erhält eine "- zugespitzt formuliert - naturwissenschaftliche Werterkenntnis ... unterder Voraussetzung von Werten als invarianten, raum- und zeitunabhängigen'Tatsachen'" für möglich 80 . Damit erklärt GUSS <strong>die</strong> Bestimmung der Erziehungszielezu einer Aufgabe wissenschaftlicher Erkenntnis. Das könnte sie natürlichnur sein, wenn das Sollen in den Tatsachen schon enthalten wäre.GUSS stützt sich <strong>auf</strong> <strong>die</strong> phänomenologische Analyse des GestaltpsychologenKÖHLER, der "Gefordertheiten" (requirednesses) als Tatbestände in derWirklichkeit erkennen zu können glaubt 81 . Aber so sehr sich uns beim Anblickvon Leid <strong>die</strong> Forderung <strong>auf</strong>drängen sollte, <strong>die</strong>ses Leid zu beenden, bleibt es dochimmer unsere eigene Forderung. Da es immer Menschen gibt, <strong>die</strong> achtlos ansolchen Leiden vorübergehen, <strong>die</strong> sich also zu keiner subjektiven Forderungveranlaßt fühlen, liegt es an uns und nicht an einer anonymen "Gefordertheit",unsere Vorstellungen von Gerechtigkeit usw. durchzusetzen 82 . Die Erforschungvon Tatsachen oder angeblichen "Gefordertheiten" kann solche Entscheidungennicht ersetzen. "Gefordertheiten" als Tatsachen sind eher <strong>die</strong> Forderungen oderErwartungen von Individuen oder Gruppen 83 . Jedenfalls können nur <strong>die</strong>se Forderungenund Erwartungen Gegenstand empirischer Forschung sein.Die Auffassung, Sollensforderungen seien anthropologische Grundkonstanten,wird in etwas anderem Gewand auch von ZECHA vertreten. Er betrachtet esals eine wichtige "Aufgabe ... der Sozialwissenschaften ..., Fundamentalnormen77 FRISCHEISEN-KÖHLER 1969, S. 159; vgl. ähnlich schon DILTHEY 1961, Bd. IX, S. 185.78 LITT 1969, S. 281.79 Vgl. hierzu den Literaturüberblick von RUDOLPH 1959, S. 124 ff.80 GUSS 1975a, S. 45.81 Vgl. KÖHLER 1938.82 Vgl. NIELSEN 1989, S. 299.83 Mit FREUD kann man hier auch von "Projektionen" sprechen; vgl. 1982, Bd. III, S. 189; 1968, Bd.9, S. 141.154


der Moral zu erforschen ..., <strong>die</strong> der Mensch in seiner Natur vorgegeben hat ..." 84 .Auf <strong>die</strong>se Weise möchte er "willkürliche Normsetzungen" vermeiden. Denn <strong>die</strong>"Wertvorstellungen, <strong>die</strong> in der pluralistischen Gesellschaft ... vertreten werden",hält er für "weitgehend willkürlich" 85 .Nur <strong>die</strong> Wissenschaft könne <strong>die</strong>se Willkür einschränken 86 , denn "<strong>die</strong> WissenschaftlicheMethode [sei] ein Garant für <strong>die</strong> Feststellung objektiv gültigerWerte", auch wenn ein "ernstzunehmender Nachweis" noch ausstehe 87 . Um einsittliches Chaos zu verhindern, bräuchten wir eine "Moral im Sinne einer zeitundgesellschaftsunabhängigen sittlichen Wahrheit" 88 . Eine solche Moral sei nurnoch "abhängig ... von (...) der Natur des Menschen, der metaphysischen Ordnungdes Kosmos oder Gott" 89 .Die Suche nach einer absoluten Moral ist vermutlich von der Annahmemotiviert, daß moralische Willkür für eine Gesellschaft schädlich ist. Wenn wirmittels Gesetzgebung Recht und Unrecht "machen" können, dann wird dasSchicksal der meisten Menschen in <strong>die</strong> Hände der Herrschenden gelegt. Jedesbestehende Recht müßte dann auch als gerecht gelten. Wenn Herrschaftssystemewechseln, wird das, was vorher als Recht galt, oft zu Unrecht und umgekehrt.Solche Willkür ist auch psychisch nur schwer zu ertragen.Auch <strong>die</strong> Nicht-Beliebigkeit moralischer Regeln ist durchaus einsehbar, daeine Gruppe, <strong>die</strong> sich über eine lange Zeitperiode an gemeinsame Normen hält,einer ohne solche Normen überlegen sein dürfte. Die Beachtung gemeinsamerRegeln ist im allgemeinen für jeden vorteilhaft, auch wenn Verstöße kurzfristigeinen größeren Gewinn einbringen können. Wer einen Vertrag schließt, dermöchte, daß sich auch <strong>die</strong> anderen daran halten. Diese werden das aber nur tun,wenn er ihn auch selbst befolgt. Normen werden also zumindest zum Teil deswegeneingehalten, weil ihre Nicht-Berücksichtigung durch einen einzelnen zurFolge hätte, daß er von seiner Gruppe nicht akzeptiert würde. Vieles, was er tunkann, ist nur möglich, weil er sich an <strong>die</strong> in seiner sozialen Umgebung üblichen84 ZECHA 1987, S. 180-181 (stark gekürzt).85 Ders. 1984, S. 140.86 Vgl. ebenda, S. 140.87 Ders. 1987, S. 178 (Hinzufügung in Klammern H.L.).88 ZECHA 1987, S. 179.89 ZECHA 1987, S. 179.Das würde aber m.E., wenn natürliche Fundamentalnormen nicht zu finden sind, <strong>auf</strong>einen Wertplatonismus hinausl<strong>auf</strong>en, wie er beispielsweise von HARTMANN vertreten wird, für den es einan sich bestehendes Reich der Werte gibt, das <strong>die</strong>ser durch <strong>die</strong> bloße Apriorität der Werte und <strong>die</strong>Absolutheit <strong>die</strong>ser Werte erwiesen glaubt. (Vgl. HARTMANN 1962, S. 119 ff.). Aber im Unterschied zur"Welt 3" in der Ontologie des Realismus bei POPPER, sind <strong>die</strong>se Werte eben nicht Produkte menschlichenHandelns und Denkens, sondern bestehen unabhängig davon.155


Regeln hält. Hielte niemand sich an solche Regeln, würde dadurch eine sozialeWelt erzeugt, in der man sich nur schwerlich orientieren könnte, da <strong>die</strong> durch<strong>die</strong>se Regeln erzeugte Ordnung fehlte 90 . Hinsichtlich der Orientierungsfunktiontragen sogar Vorurteile zur Aufrechterhaltung einer sozialen Ordnung bei 91 . Daszeigt, daß wir ohne eine irgendwie geartete moralische oder soziale Ordnungnicht auskommen können, nicht aber, daß sie zeit- und gesellschaftsunabhängiggegeben wäre oder sein müßte.Auch wenn <strong>die</strong> Annahme einer ursprünglichen, natürlichen, zeit- undgesellschaftsunabhängigen Moral unzutreffend sein dürfte, liegt ihr doch <strong>die</strong>Einsicht zugrunde, daß unsere moralischen Grundsätze nicht willkürlich in demSinne sein können, daß wir sie nach freiem Ermessen einführen, <strong>auf</strong>geben unddurch andere ersetzen könnten. Andererseits folgt daraus aber nicht, daß wir dasÜberkommene unbesehen hinnehmen müßten, oder daß man irgendwelcheMoralprinzipien nicht in Frage stellen dürfte. Da unser Moral- und Wertsystemoft keine eindeutigen Antworten <strong>auf</strong> sich stellende Probleme zuläßt und zudemwiderspruchsvoll ist, "sind wir zu seiner ständigen Entwicklung gezwungen" 92 .Aber man kann "nie gleichzeitig alle Werte unserer Gesellschaft anzweifeln",wenn man nicht zugleich <strong>die</strong> kulturellen Grundlagen der eigenen Kritik in Fragestellen will 93 . Die kulturellen Traditionen gewährleisten eine relative Stabilitätvon Wertungen und Normen 94 .Die Suche nach absoluten Wertmaßstäben, <strong>die</strong> manche Wissenschaftler undPhilosophen seit altersher als ihre Aufgabe betrachtet haben und noch betrachten,ver<strong>die</strong>nt als philosophische Bemühung gewiß Anerkennung. Die sicher nichtunberechtigte Sorge, daß <strong>die</strong> Relativität der Werte zu Unsicherheit im Hinblick<strong>auf</strong> das moralisch Richtige und Falsche, zum Wandel der Werte oder zur Willkürführe und dem Grundsatz, daß Recht gleich Macht sei, den Weg bahne, läßtmanche Philosophen versuchen, über <strong>die</strong> bloße Vielfalt und den Wechsel derPhänomene zu etwas absolut Gültigem vorzudringen. Die Suche nach Erkenntnisabsolut gültiger Wertungsgrundlagen ist aber vermutlich ebenso vergeblich wie<strong>die</strong> Suche nach absolut gültigen Grundlagen der Wissenschaft.90 Vgl. v. HAYEK 1969, S. 159. Zur Bedeutung von Moralsystemen für das Überleben vgl. auchERBEN 1975, S. 368 ff.91 Vgl. SHERIF/SHERIF 1956, S. 648 ff.92 HAYEK 1975, S. 23.93 Ebenda, S. 22.94 Vgl. z.B. WÖSSNER 1972, S. 93 ff.; WALLNER 1979, S. 235 ff.; v. HAYEK 1983, S. 166 ff.;FEIBLEMAN 1968, S. 48 ff.; FISCHER 1951, S. 158 ff.156


Dennoch wird natürlich immer wieder versucht, überkulturelle und überzeitlicheoder absolute Grundwerte oder anthropologische Grundkonstanten zuentdecken. Einerseits glaubt man <strong>die</strong>se Annahme durch anthropologische Befundeempirisch stützen zu können 95 - was aber <strong>auf</strong> einen naturalistischen Fehlschlußvom Sein <strong>auf</strong> das Sollen hinausläuft 96 ; andererseits glaubt man aber auch,sie mittels besonderer Denkformen erkennen zu können. Um <strong>die</strong>se Denkformengeht es im nun folgenden Kapitel.4.2.4 Besondere DenkformenEs werden zunächst (a) Beispiele phänomenologischer, hermeneutischerund dialektischer Denkformen in der Pädagogik dargestellt und diskutiert 97 .Danach werden (b) <strong>die</strong> ontologische Grundlage <strong>die</strong>ser Denkformen und (c) ihreBegründung durch <strong>die</strong> Besonderheit ihres Gegenstandes analysiert.a) Phänomenologie, Hermeneutik und DialektikPhänomenologie, Hermeneutik und Dialektik gelten in der Pädagogik alsMethoden, mit denen der "Gegensatz zwischen 'Sein' und 'Sein-Sollen' überbrückt"werden könne 98 . Zunächst zur Phänomenologie, <strong>die</strong> <strong>die</strong> Dinge an sichund damit auch den Sinn in ihnen zu erkennen in der Lage sei.Der Phänomenologe nimmt an, der Sinn und mit ihm das Sollen existiertenunabhängig vom Menschen. Die Phänomenologie enthülle <strong>die</strong>sen Sinn und zeigeuns dadurch, was wir tun sollen 99 . Es wäre nun durchaus verständlich, wenn <strong>die</strong>Phänomenologie durch <strong>die</strong> Analyse von Handlungsweisen, von <strong>Institution</strong>en undanderen gesellschaftlichen oder sozialen Gebilden den Sinn oder Zweck, derdamit oder darin verfolgt wird, <strong>auf</strong>zudecken und zu klären sucht. Man brauchtdann aber nicht notwendig anzunehmen, <strong>die</strong>se Zwecke existierten an sich,sondern kann davon ausgehen, daß sie erst durch menschliches Handeln undDenken in <strong>die</strong> Welt kommen 100 . Außerdem folgt dann aus <strong>die</strong>sen Zwecken kein95 Vgl. z.B. LINTON 1974.96 Zum naturalistischen Fehlschluß vgl. ALBERT 1972, S. 24.97 Zu einer ausführlicheren Darstellung <strong>die</strong>ser Denkformen vgl. OPPOLZER 1966.98 STRASSER 1972, S. 672; ähnlich XOCHELLIS 1971, S. 398 f.99 STRASSER 1972, S. 672; ähnlich KLAFKI 1982, S. 34.100 Vgl. dazu <strong>die</strong> "Welt 3" in der Ontologie des Realismus; POPPER 1982 b, S. 113ff. sowie Kap. 2.1.2a.157


Sollen, das "in allgemeiner und notwendiger Weise ... gültig" 101 wäre. Da <strong>die</strong>Welt der Werte, des Sinns oder der Zwecke gewiß nicht nur gesellschaftlich erwünschtebzw. positiv bewertete Zwecke usw. enthält, wäre ihre automatischeGültigkeit auch gar nicht wünschenswert.Wenn <strong>die</strong> Phänomenologie aber von ewigen platonischen Wesenheiten oderWertideen ausgeht, dann müßten <strong>die</strong>se entdeckt werden können. Die Frage ist,wie solche Entdeckungen überprüfbar sind. Wenn man nicht Betrügern <strong>auf</strong> denLeim gehen will, <strong>die</strong> vorgeben, "wahre Werte" erkannt zu haben, aber in Wirklichkeitnur ihre eigenen Interessen verfolgen, scheint eine solche Prüfungsmöglichkeitin jedem Fall angebracht. Eine wissenschaftliche Lehre, <strong>die</strong> behauptet,"objektive" oder "wahre Werte" erkennen zu können bzw. erkannt zu haben,ohne Möglichkeiten zuverlässiger, intersubjektiver Prüfungen zu nennen, mußsich im Prinzip <strong>auf</strong> den Glauben und <strong>die</strong> ergebene Gefolgschaft ihrer Anhängerstützen. Dieses Problem entfällt, wenn man sich dar<strong>auf</strong> beschränkt festzustellen,wo es welche Zwecke, Akte der Sinnverleihung usw. gibt und zu erklären versucht,warum Menschen in bestimmten Umständen in ihrem Handeln bestimmteZwecke voraussetzen, und was man tun kann, um <strong>die</strong>se Zwecke zu erreichen.Dieser Auffassung kommt der Phänomenologe m.E. dort nahe, wo er <strong>die</strong>pädagogische Praxis in den Blickpunkt rückt. Dabei geht es darum, durch"denkende Reflexion" herauszufinden, wie man von einem "Zustand eines sozialenSystems zu einem bestimmten Zeitpunkt ... mittels menschlicher Praxis zueinem späteren Zeitpunkt einen besseren Zustand" kommen kann 102 . Wenn <strong>die</strong>seReflexion zur Aufstellung hypothetischer Norm- und Mittelvorschläge führt,kann geprüft werden, ob erstens <strong>die</strong> Normvorschläge Verbesserungen im Sinnübergeordneter Normen darstellen und zweitens ob <strong>die</strong> vorgeschlagenen Mittelzur Herbeiführung des Ziels brauchbar sind.Die Hermeneutik gilt ebenfalls als eine Methode zur Sinnfindung. NachBOLLNOW <strong>die</strong>nt sie der "Wesensbestimmung" von "mit bestimmten Wörtern bezeichnetenErscheinungen". Diese Wesensbestimmung sei "nicht unabhängig vonder Erfahrung, sondern unterliegt jederzeit der Überprüfung und Abwandlungdurch neue Erfahrungen". Diese Form der Hermeneutik führt also zu überprüfbarenErgebnissen. Die hermeneutische Begriffsklärung wachse aber über <strong>die</strong>se Aufgabehinaus und münde "in eine inhaltliche Entfaltung des gesamten inneren Aufbaus der101 STRASSER 1964, S. 282.102 STRASSER 1972, S. 675 (im Original kursiv).158


Erziehungswirklichkeit" 103 . Wenn nun <strong>die</strong>se "Entfaltung des inneren Aufbaus" alsTheorie gegenwärtiger oder konstruierter Erziehungswirklichkeit verstanden werdenkönnte, <strong>die</strong> empirischer Prüfung zugänglich ist, so würde sie dem empirischanalytischenWissenschaftsverständnis entsprechen. Daß das aber nicht gemeint ist,wird aus BOLLNOWs Auffassung deutlich, <strong>die</strong> Wirklichkeit selbst sei werthaltig, sielasse "sich darum auch gar nicht wertfrei beschreiben" 104 .Als Beispiel führt BOLLNOW den Befund an, daß "<strong>die</strong> durchgängige gefühlsmäßigeTönung des elterlichen Erziehungsverhaltens ... <strong>die</strong> Entwicklung derKinder mehr [beeinflußt] als irgendeine spezielle Technik der Kindererziehung..." 105 . BOLLNOW meint nun in hermeneutischer Interpretation, "aus der Feststellungder Wirksamkeit der gefühlsmäßigen Tönung ... führt notwendig derWeg zur Forderung, daß <strong>die</strong>se Zuwen-dung ... auch sein soll". Es folge "aus derUntersuchung der Wirklichkeit eine Folge-rung für das richtige Verhalten ...,weil <strong>die</strong> Wirklichkeit selber so beschaffen ist, daß <strong>die</strong> Wertung nicht in siehineingetragen wird, sondern ... durch Analyse herausgehoben und bewußt gemachtwird" 106 . Das ist der naturalistische Fehlschluß. BOLLNOW übersieht in seinerAnalyse einen Zwischenschritt. Die Wertung liegt nicht in der Wirklichkeitselbst, sondern wird unbewußt der Interpretation des empirischen Befundes alsnormative Prämisse zugrunde gelegt. Nur unter der normativen Voraussetzung,daß alles, was <strong>die</strong> Entwicklung von Kindern in einer gewünschten Richtungbeeinflußt, auch getan werden soll, läßt sich der von BOLLNOW angegebene Soll-Satz logisch folgern 107 .Auch DERBOLAV hält es für möglich, das Sollen aus dem Sein erschließen zukönnen. Mittels der Dialektik könne <strong>die</strong> Pädagogik "nicht nur etwas vom Sein,sondern auch vom Sollen (oder Sinn) der Erziehung" erkennen. Hierzu einBeispiel: "'Wo Reifen als Lernen in Erscheinung tritt, beginnt <strong>die</strong> Kompetenz undder Aussagebereich der pädagogischen Psychologie, in deren Schwerpunkttraditionellerweise <strong>die</strong> Genese und Strukturierung der seelisch-geistigen Leistungsfunktionbzw. der Lernprozeß mit allen seinen Voraussetzungen, Realbedingungen,unterstützenden oder hindernden Begleit-phänomenen usw. steht'. All <strong>die</strong>s103 BOLLNOW 1971, S. 698.104 Ebenda, S. 702.105 BERELSON/STEINER 1969, S. 51 (Hinzufügung in Klammern H.L.).106 BOLLNOW 1971, S. 703.107 Ähnliche Fehlschlüsse begehen MENRATH 1978, S. 148-149; STRASSER 1972, S. 673; GUSS1975b, S. 34 ff. und S. 170 f. Zur Kritik der Logik solcher Schlüsse vgl. z.B. ZECHA 1984, S.84-88.159


umschreibt also das 'Sein' der Erziehung im psycho-logischen Aspekt, während derErziehungs'sinn' hier in der Leistungsförderung, in der Schulung derFunktionabilität liegt. Daraus ergibt sich <strong>die</strong> Norm einer funktionsgemäßen undleistungsgerechten Erziehung" 108 . Schon Max WEBER hat <strong>auf</strong> derartige Fehlschlüssehingewiesen, <strong>die</strong> ihre normative Prämisse in dem Glauben haben, "unabänderlichgleiche Naturgesetze" oder ein "eindeutiges Entwicklungsprinzip"beherrschten <strong>die</strong> Vorgänge "und daß das Seinsollende entweder ... mit dem unabänderlichSeienden oder ... mit dem unvermeidlich Werdenden zusammenfalle" 109 .Sofern <strong>die</strong> "besonderen Denkformen" also <strong>die</strong> Regeln der Logik außer Kraftsetzen, können sie (zumindest unter Voraussetzung des empirisch-analytischenWissenschaftsbegriffs) nicht wissenschaftlich genannt und auch nicht alserkenntnisfördernde Methoden akzeptiert werden. Denn wenn <strong>die</strong> Logik nichtbeachtet wird, könnte zumindest im Prinzip alles behauptet werden. Daraus folgtaber nicht, daß hermeneutische Methoden grundsätzlich nicht zur Lösung wissenschaftlicherProbleme brauchbar sind 110 . Überall da, wo es um im Grundsatzprüfbare Deutungen von Texten geht, dürfte sie vielmehr unverzichtbar sein. DieKritik richtet sich also ausschließlich gegen logisch unzulässige Anwendungen.b) Die ontologische Grundlage der besonderen DenkformenDie Grundlage aller Versuche, <strong>die</strong> Kluft zwischen Sein und Sollen zu überbrücken,bildet <strong>die</strong> idealistische Ontologie 111 (vgl. 2.1.2b). Danach muß "<strong>die</strong> Trennungvon wertendem und wertfreiem Bewußtsein bereits als Ausdruck jenerVerdinglichung angesehen werden ..., deren Ursache in der widerspruchsvollenTotalität der Gesellschaft liegt - in der sich leicht <strong>die</strong> zur Unvernunft verkehrte'vernünftige Wirklichkeit' Hegels erkennen läßt" 112 . Das muß wohl so verstandenwerden, daß das Objektive ("wertfreies Bewußtsein") und das Subjektive ("wertendesBewußtsein") in der "vernünftigen [idealistischen] Wirklichkeit" Hegels noch eines,also nicht unterschieden sind. Die "Verdinglichung" bedeutet eine Unterscheidungdes Objektiven vom Subjektiven, der eine andere, nämlich <strong>die</strong> realistische Ontologiezugrunde liegt. Deshalb beklagt DERBOLAV <strong>die</strong> "wissenschaftliche 'Geistaustreibung'aus der Erfahrung", <strong>die</strong> er folgerichtig als "eine fortschreitende Einklammerung der108 DERBOLAV 1979, S. 112. Die Zitate im Zitat sind DERBOLAV 1970, S. 22-51 entnommen.109 MAX WEBER 1985, S. 148.110 Vgl. <strong>die</strong> methodologischen Untersuchungen von SOMMER 1987; KÖNIG 1991.111 Zu <strong>die</strong>ser ontologischen Deutung vgl. auch KEMPSKI 1964, S. 291 ff.112 DERBOLAV 1979, S. 95.160


ontologischen Voraussetzungen der Erkenntnis" interpretiert 113 . Nur unter denontologischen Voraussetzungen, wie sie im Idealismus vorliegen, läßt sich nach derimmanenten "Sinnfunktion pädagogischer Phänomene" fragen 114 .Wenn man weltanschaulich, politisch oder religiös so stark gebunden ist, daßman das Glück der Menschheit davon abhängig betrachtet, kann man verständlicherweiseversucht sein, unter Zuhilfenahme einer idealistischen Ontologie, <strong>die</strong>Kluft zwischen Sein und Sollen, zwischen Theorie und Praxis bzw. zwischen"erkennendem und handelndem Subjekt" 115 zu überwinden. Man verweist dabei <strong>auf</strong>eine besondere Art von Einsicht, deren Erkenntnisanspruch jedoch nicht nachprüfbarist 116 . Wie immer man solche Versuche deuten und bewerten mag, in jedemFall kann es sich dabei um eine zutiefst ethisch motivierte Suche nach nach einerbesseren Welt handeln.c) Die Begründung der Denkformen durch <strong>die</strong> Besonderheit ihres GegenstandsDie idealistische Ontologie, <strong>die</strong> dem Gegenstand der Pädagogik - oderallgemeiner: der Sozialwissenschaften - zugrunde gelegt wird, läßt auch <strong>die</strong>senGegenstand als einen besonderen erscheinen. Man nimmt an, es bestehe einunüberbrückbarer Gegensatz zwischen Natur- und Sozialwissenschaften, der sichvor allem in der Sprache zeige. Im Gegensatz zur Sprache der Physik undMathematik könne <strong>die</strong> Sprache der Sozialwissenschaften nämlich gar nicht vonimpliziten Wertungen befreit werden 117 . So hätten sich physikalische und mathematischeUntersuchungen nie "in einem Bereich der wertenden Betrachtung befunden"118 . Bedenkt man aber <strong>die</strong> Anfänge <strong>die</strong>ser Disziplinen, dann stößt man <strong>auf</strong>Zahlenmystik, <strong>auf</strong> Astrologie, Alchimie und mythische Auffassungen von Raum,Zeit und Zahl 119 . Nur ist es hier nach und nach möglich gewesen, sich <strong>auf</strong> Fragender Erkenntnis zu beschränken und erkenntnisfremde Wertungen nicht mehr mitdeskriptiven Aussagen zu vermengen.Die Tatsache, daß <strong>die</strong> Welt des Menschen im Unterschied zur Natur vonZwecken erfüllt ist 120 , bedeutet nicht, daß <strong>die</strong>se Phänomene nur innerhalb der113 Ebenda, S. 108-109.114 Ebenda, S. 115.115 Vgl. KIRCHHOFF/KLING/MAHR 1975, S. 1359-1360.116 Vgl. MACKIE 1981, S. 44-45.117 Vgl. LEO STRAUSS 1979, S. 73 f. Zur Kritik <strong>die</strong>ser Auffassung vgl. ALBERT 1969, S. 64 ff.118 ZECHA 1976, S. 634.119 Vgl. CASSIRER 1977, Bd. 2, S. 104 f.120 Vgl. DILTHEY 1962, S. 5 ff.; 1965, S. 256.161


idealistischen Ontologie verstanden werden könnten. Ziele und Wertüberzeugungensind psychische und soziale Phänomene. Psychische Erscheinungen sind inder realistischen Ontologie als Gegenstände der "Welt 2" <strong>auf</strong>zufassen; Theorienzu ihrer Erklärung und objektivierte Zwecke sind als Gegenstände der "Welt 3"zu betrachten. Dazu gehören auch in Lehrplänen niedergelegte oder Normvorschläge,<strong>die</strong> wissenschaftlich untersucht werden können.Sind beispielsweise in historischen Texten oder in Unterrichtsprotokollennur Erziehungshandlungen beschrieben, so kann man unter Zuhilfenahme vonWissen oder von Vermutungen über Zweck-Mittel-Beziehungen <strong>die</strong> <strong>die</strong>senHandlungen zugrunde liegenden Zwecke zu rekonstruieren versuchen. Das Auffindenzusätzlicher Texte oder Aussagen kann unsere Deutungen bestätigen oderwiderlegen. Textdeutungen in <strong>die</strong>sem Sinn, <strong>die</strong> im Rahmen der Hermeneutikdurchgeführt werden, können also als Hypothesen betrachtet werden, jedenfallsaber als kritisierbare Rekonstruktionsversuche 121 . Die Möglichkeit der Rekonstruktionderartiger Zusammenhänge zeigt, daß <strong>die</strong> Beziehungen zwischen Zweckenund menschlichem Verhalten keineswegs zufällig, sondern zumindestgesetzesartig oder regelhaft sind.Die unter dem Namen "Hermeneutik" beschriebene Methode der Textdeutungentspricht in <strong>die</strong>ser Hinsicht dem üblichen wissenschaftlichen Vorgehen derHypothesenbildung 122 . Das gilt auch für den sogenannten hermeneutischen Zirkel.Der "hermeneutische Zirkel" besagt, daß man, um einen Text deuten zu können,bereits von einer Annahme über <strong>die</strong> Absicht seines Autors ausgehen muß,von der sich im Verl<strong>auf</strong> der Lektüre erweist, ob sie richtig oder falsch ist. Dasentspricht vollkommen dem üblichen wissenschaftlichen Vorgehen. Wenn manein Phänomen erklären möchte, braucht man dazu eine Annahme oderHypothese, <strong>die</strong> man durch empirische Prüfungen anhand <strong>die</strong>ses Phänomens bestätigtoder widerlegt. Es ist daher nicht so, daß es sich bei der Hermeneutik unddem hermeneutischen Zirkel "um etwas den Geschichts- und GeisteswissenschaftenEigentümliches handelt" 123 . Auf Texte angewandt ist es eine "Verfahrensweise,sprachliche Äußerungen auch außerhalb der alltäglichen Kommunika-121 Zu <strong>die</strong>sem Verständnis der hermeneutischen Methode vgl. POPPER 1973, S. 204 ff.; ALBERT1978, S. 75 ff.; VIKTOR KRAFT 1980, S. 71 ff.; ABEL 1953. Eine ähnliche Sichtweise vertrittauch der Hermeneutiker BETTI (1967, S. 64 ff.) in Bezug <strong>auf</strong> <strong>die</strong> "Auslegung im eigentlichenSinn" (S. 66), <strong>die</strong> er von anderen Formen der Auslegung abgrenzt, deren Aufgabe "<strong>die</strong> Suche nachdem Sinn" ist (S. 67).122 STEGMÜLLER 1973b, S. 22.123 HÜBNER 1986, S. 332; ähnlich STEGMÜLLER 1973b.162


tion ... verstehend auszuschöpfen" 124 . In der Hermeneutik sind also brauchbareund wichtige Verfahren der Textinterpretation geschaffen worden, <strong>die</strong> durchausnoch verfeinert und verbessert werden können 125 . Und sie fallen nicht notwendigaus dem Rahmen der empirisch-analytischen Wissenschafts<strong>auf</strong>fassung.Ähnliches gilt auch für andere "besondere" Methoden. So nennt ZECHA <strong>die</strong>"unmittelbare sittliche Einsicht des Einzelnen" in sittliche Grundprinzipien 126 . Esist anzunehmen, daß es sich dabei um ein "moralisches Gefühl", ein intuitivesoder habitualisiertes Regelerkennen - ähnlich dem Spracherkennen - handelt, dassich aus dem durch <strong>Institution</strong>en und Traditionen <strong>auf</strong>erlegten Zwang bildet, sichan <strong>die</strong> im L<strong>auf</strong>e der Zeit entstandenen komplizierten gesellschaftlichen Ordnungenzu halten 127 . In allen Bereichen sind wir <strong>auf</strong> solche intuitiven Erkenntnisleistungenangewiesen. Nur folgt aus der Möglichkeit intuitiver Erkenntnis nichtderen Wahrheit. Die Unterschiedlichkeit moralischer Überzeugungen zeigt, daßes sich dabei keineswegs um ein, wie ZECHA meint, "weitaus sichereres Empfindenund damit auch Wissen ..., als es im Bereich der sinnlichen Wahrnehmungmöglich ist" 128 , handeln kann.Die Berufung <strong>auf</strong> intuitive Erkenntnis, <strong>auf</strong> "Urevidenzen" 129 usw. bedeutetdarüber hinaus den Rückgriff <strong>auf</strong> einen Dogmatismus, der gerade durch <strong>die</strong> Empirieüberwunden werden konnte. Denn im Gegensatz zur empirischen Erkenntnisund zu empirischer Prüfung von Hypothesen und Theorien können intuitiverkannte oder behauptete Evidenzen wohl nur dogmatisch <strong>auf</strong>rechterhalten undverteidigt werden (vgl. 2.1.1a/b).4.2.5 Wissenschaftstheoretische Konstruktionen einer wertendenErziehungswissenschaftWissenschaftstheoretische Konstruktionen einer wertenden Erziehungswissenschaftberuhen <strong>auf</strong> der Tatsache, daß <strong>die</strong> Spielregeln der Wissenschaft <strong>auf</strong>Festsetzungen beruhen. Aus <strong>die</strong>sem Grund sei es auch möglich, Regeln zu for-124 PATZIG 1973, S. 394; ähnlich HOLMBERG 1990, S. 20.125 Vgl. z.B. SOMMER 1987; KÖNIG 1991; REICHERTZ 1986.126 ZECHA 1987, S. 180.127 Vgl. ELIAS 1978, Bd 2, S. 312 ff.; ferner v. HAYEK 1969, S. 97 ff., S. 144 ff. und S. 161 ff. ZurProblematik eines besonderen Vermögens zur Erkenntnis von Normen vgl. MACKIE 1981, S. 43ff.128 ZECHA 1987, S. 176.129 STRASSER 1964, S. 244 ff.163


mulieren und festzusetzen, <strong>die</strong> eine wertende Erziehungswissenschaft begründen.Den vermutlich differenziertesten Ansatz hierzu hat KÖNIG vorgelegt. SeineAuffassung läßt sich folgendermaßen zusammenfassen:Wer erzieht, braucht Ziele; wenn <strong>die</strong> Erziehungswissenschaft nicht sagenkann, wozu wir erziehen sollen, läßt sie den Praktiker in Bezug <strong>auf</strong> seine zentralenProbleme allein. Die "Ausklammerung normativer Fragen aus derErziehungswissenschaft" sei daher "wenig sinnvoll"; sie solle vielmehr als eineDisziplin entworfen werden, "in der sich Normen rechtfertigen bzw. begründeterKritik unterziehen lassen" 130 . Erziehungswissenschaft sei "nur dann sinnvoll,wenn sie letztlich ausmündet in Handlungsanweisungen für <strong>die</strong> Erziehungspraxis"131 . KÖNIG entwickelt dazu ein formales Verfahren, durch das in praktischen"Diskursen" Erziehungsziele begründet oder gerechtfertigt werden sollen. Zueiner explizierten Erziehungsnorm sollen Alternativen formuliert, Gründe undGegengründe gesammelt und schließlich soll <strong>die</strong> geeignetste Alternative ausgewähltwerden 132 .Dieses hier sehr vereinfacht dargestellte Verfahren dürfte für <strong>die</strong> rationaleNormanalyse in hervorragender Weise geeignet sein. Aber kann der Wissenschaftlerüber <strong>die</strong> Analyse hinaus auch zu einer rationalen Entscheidung darübergelangen, was Erzieher tun sollen? KÖNIG bejaht <strong>die</strong>se Frage. Wenn <strong>die</strong>Pimärziele der Erziehung erst einmal entschieden wären, dann könnten <strong>die</strong>se zurRechtfertigung von Sekundärzielen herangezogen werden 133 . Das ist natürlichrein logisch möglich, aber dennoch ist jede Zielsetzung mit einer Entscheidungverbunden. Nur weil Ziele in einem logischen Verfahren begründet werden können,sind sie noch nicht verbindlich. Verbindlich werden Ziele nur, weil wir eswollen, d.h. daß man darüber abstimmen muß, ob sie gelten sollen oder nicht.Dieser dezisionistische Akt ist unumgänglich und <strong>die</strong>ser Akt hat nichts mit Erkenntniszu tun 134 . Nur weil jemand glaubt alle wichtigen Informationen berücksichtigtzu haben, hat er nicht automatisch auch das Recht wegen seines angeblichsuperioren Wissens, das er nach bestimmten Regeln anwendet, auch fürandere zu entscheiden. In <strong>die</strong>sem Fall könnten sich <strong>die</strong> Wissenschaftler, bloßindem sie Verfahrensregeln <strong>auf</strong>stellten, durch <strong>die</strong> Entscheidungen wissenschaftlichwürden, zu Richtern und Lenkern sämtlicher Lebensbereiche <strong>auf</strong>werfen.130 KÖNIG. 1978, Bd. 3, S. 10 ff. (Hervorhebung H.L.)131 Ebenda, S. 28; ähnlich HOSFORD 1973, S. 7 ff.132 Vgl. KÖNIG 1975, Bd. 2, S. 173 f. Kritisch dazu ZECHA 1979, S. 78.133 Vgl. KÖNIG 1975, Bd. 2, S. 164 ff.134 Vgl. LÜBBE 1980, S. 175 f.164


Es wäre jedoch unzutreffend, (nur) Herrschaftsgelüste als Triebfeder derBemühungen um eine wertende Wissenschaft anzunehmen. Es gibt ja eine ganzeReihe von Problemen, <strong>die</strong> durch <strong>die</strong> Werturteilsfreiheit mit hervorgerufen werden.So kann es etwa aus logischen oder objektiven Gründen keine verbindlicheWertrangordnung der erziehungwissenschaftlichen Forschungsziele geben. Es istaber sehr ineffizient, wenn jeder mehr oder weniger beliebig, sozusagen ziel- undorientierungslos vor sich hinforscht und Technologien für beliebige und sogargegenläufige Ziele entwickelt werden. Wenn <strong>die</strong> Erziehungstheoretiker sich sozerstreuen - so kann man argumentieren -, dann wird keine der angestrebten Aufgabenauch nur einigermaßen zufriedenstellend gelöst werden können. Es kämealso dar<strong>auf</strong> an, zumindest im Hinblick <strong>auf</strong> <strong>die</strong> zu verfolgenden inhaltlichenForschungsziele ein Kriterium zur Beurteilung ihrer Bedeutsamkeit einzuführen135 . Ein solches Kriterium müßte keineswegs <strong>die</strong> Objektivität erziehungswissenschaftlicherForschung beeinträchtigen, da andere erkenntnistheoretischeFestsetzungen dadurch nicht berührt zu werden bräuchten.So einleuchtend und vernünftig ein solcher Vorschlag auch erscheint, ist erdoch nicht ganz unproblematisch. Zeitweilig mag eine solche Festlegung durchausvorteilhaft sein, weil <strong>die</strong> Kräfte dadurch konzentriert werden. Aber zumindest<strong>auf</strong> Dauer könnte <strong>die</strong>s auch erhebliche Nachteile mit sich bringen. Denndurch den Verlust der Vielfalt der Auffassungen und Perspektiven würde es weiteher möglich werden, daß in Theorie und Praxis einseitige und vereinfachendeSichtweisen eine Monopolstellung gewinnen könnten 136 . Gerade <strong>die</strong> Nicht-Festlegung<strong>auf</strong> ein Ziel scheint eine der Bedingungen, <strong>die</strong> notwendig sind, um derMöglichkeit der Vorherrschaft einseitiger Auffassungen vorzubeugen 137 .Das Hauptmotiv für das Bestreben nach einer wertenden Wissenschaft istaber moralischer Natur. Es ist ja sehr problematisch, wenn <strong>die</strong> Werturteilsfreiheitdazu führt, daß Erziehungswissenschaftler <strong>die</strong> Beschäftigung mit Wertproblemenfür unnütz halten - wie ich meine zu Unrecht -, bloß weil es keine letztgültigenwissenschaftlichen Lösungen für sie geben kann. Noch bedenklicher wäre es,wenn <strong>die</strong> Norm der Werturteilsfreiheit in der Weise mißverstanden würde, daßethische Grundsätze für Wissenschaftler keine Bedeutung hätten.Moralische Probleme entstehen aber auch in der alltäglichen Forschung. Ist135 Vgl. RITTELMEYER 1973, besonders S. 119; allerdings wird <strong>die</strong>se Auffassung in der späterenMethodenlehre (MOLLENHAUER/ RITTELMEYER 1977) nicht mehr vertreten. Vgl. ferner auchHAEBERLIN 1975.136 Zu den Argumenten für und wider den Pluralismus vgl. <strong>die</strong> Einleitung (1.3).137 Vgl. hierzu im allgemeinen HAYEK 1959, S. 129 ff.165


es beispielsweise moralisch zulässig, ein beobachtetes oder durch Eingriffe desForschers ausgelöstes soziales oder psychisches Geschehen distanziert zu untersuchen,wenn <strong>die</strong>ses Geschehen als moralisch bedenklich betrachtet wird oderwenn es für <strong>die</strong> Versuchspersonen schädlich sein kann? Sollte der Forscher nichtversuchen, <strong>die</strong>ses Geschehen abzubrechen oder es zu verändern und in eineandere Richtung zu lenken? Zweifellos gibt es moralische Grenzen der Wissenschaft,und man sollte <strong>die</strong> im Zusammenhang mit Wissenschaft <strong>auf</strong>tretendenmoralischen Fragen diskutieren und nach Lösungen dafür suchen. Das war jaauch der Grund für <strong>die</strong> Einrichtung von Ethikkommissionen 138 .Der Versuch moralische Normen in <strong>die</strong> Wissenschaft selbst einzuführen,würde jedoch <strong>die</strong> Tür für außerwissenschaftliche Forderungen jeder Art öffnenund <strong>die</strong> Wissenschaftler in Abhängigkeiten bringen, <strong>die</strong> mit dem Ziel derErkenntnis nicht zu vereinbaren sind. Wenn man - wie in manchen HandlungsoderAktionsforschungsprogrammen 139 - nicht nach wahren Theorien strebt,sondern nach Theorien, <strong>die</strong> mit bestimmten politischen Interessen übereinstimmen,hat das weniger mit Wissenschaft und mehr mit politisch motiviertemHandeln zu tun, auch wenn es gewissen methodischen Regeln unterliegt.Solche Formen einer moralischen oder "guten Wissenschaft" 140 - "gut", weilsie von moralischen Regeln bestimmt wird - sind dadurch charakterisiert, daß sie<strong>die</strong> klassische Wahrheitsidee der Übereinstimmung von Aussagen mit derWirklichkeit zugunsten von Formen der Konsensus-Idee <strong>auf</strong>geben möchten 141 .Diese Auffassung gewinnt in der neueren wissenschaftstheoretischen Diskussionan Raum 142 . Gerade auch in der Pädagogik brauchen wir ja moralische Maßstäbezur Beurteilung von Normen und Mitteln. Aber warum sollte es nicht möglichsein, <strong>die</strong> moralischen Maßstäbe als solche zu belassen und zu kennzeichnen, umdann darzustellen, daß, wenn man <strong>die</strong>se Maßstäbe voraussetzt, bestimmte Normenbzw. <strong>die</strong> Anwendung bestimmter Mittel als moralisch fragwürdig zu betrachtensind, weil sie oder ihre Ergebnisse mit den vorausgesetzten Maßstäbennicht übereinstimmen?138 Vgl. z.B. TOELLNER (Hg.) 1990.139 Vgl. HORN 1979; HAAG / KRÜGER / SCHWÄRZEL / WILDT 1972; HEINZE / MÜLLER /STICKELMANN / ZINNECKER 1975.140 BÖHME 1978, S. 55.141 Vgl. ALBERT/STAPF 1979, S. 10-11.142 Vgl. z.B. BÖHME /v.d. DAELE / KROHN 1973; BÖHME/v.d. DAELE / HOLFELD 1978; W.SCHÄFER 1978; EBERLEIN 1987. Kritisch hierzu RADNITZKY 1981, S. 93 ff.; ANDERSSON1976; HÜBNER 1976.166


4.3 Befürchtete Folgen der WerturteilsfreiheitEs sind insbesondere moralische Argumente, <strong>die</strong> gegen <strong>die</strong> Werturteilsfreiheitder Erziehungswissenschaft angeführt werden. So wird eingewendet, <strong>die</strong>Werturteilsfreiheit führe zur Verantwortungslosigkeit (4.3.1); erniedrige denEducanden zum Objekt (4.3.2) und trage zur einseitigen Ausrichtung pädagogischenDenkens <strong>auf</strong> das Ziel der Effizienz bei (4.3.3).4.3.1 Das Problem der VerantwortungWenn <strong>die</strong> Erziehungswissenschaft nicht selbst Ziele setzen könne, soKRAWITZ, würde der für eine "pädagogische Technologie" tätige Wissenschaftler"total aus der pädagogischen Verantwortung entlassen" 143 . Werturteilfreie Erziehungswissenschaftdegeneriere zum bloßen "Ausführungsorgan" 144 , erweise sich"als immer hilfsbereiter Erfüllungsgehilfe jedweder Ideologie" 145 , der "für jedebeliebige (gewollte) Einwirkung <strong>auf</strong> Menschen", zuständig sei 146 . Die Erziehungswissenschaftstehe in der Gefahr, "zum gefügigen Werkzeug der herrschendenMächte politischer, konfessioneller oder sonstiger Art" zu werden "und fürbeliebige und selbst verbrecherische Ziele" mißbraucht zu werden 147 . Sie könne"ganz irrationalen Zielen <strong>die</strong>nen" 148 . Dadurch mache sie sich "schuldig ... vorjedem einzelnen heranwachsenden jungen Menschen" 149 .Die Möglichkeit, daß Erziehungstheoretiker <strong>auf</strong>grund enger Spezialisierungund/ oder unzureichender Reflexion über ihre pädagogische Verantwortung sowieallgemeiner menschlicher Schwächen den genannten Verfehlungen erliegenkönnen, soll hier gewiß nicht bestritten werden. Man sollte <strong>die</strong>se Möglichkeitvielmehr ernst nehmen und sie auch diskutieren. Aber <strong>die</strong> Behauptung, <strong>die</strong>se Gefahrenwären sozusagen eine notwendige Folge der werturteilsfreien Erziehungswissenschaft,läßt sich gewiß nicht <strong>auf</strong>recht erhalten. Eine moralisch überlegene143 KRAWITZ 1980, S. 49; ähnlich HARTMANN/JOURDAN 1987, S. 162 ff.144 XOCHELLIS 1971, S. 396.145 BENNER 1978, S. 192. Hingegen weist INGENKAMP (1986, S. 25) <strong>auf</strong> <strong>die</strong> fragwürdige "Rolleführender Hermeneutiker in unserer Vergangenheit" hin.146 FROMM 1987, S. 124.147 BOLLNOW 1971, S. 700.148 REICH 1978, S. 125.149 LÖWISCH 1982, S. 3.167


oder unterlegene Position entsteht nicht durch <strong>die</strong> Anwendung bestimmtermethodischer Grundsätze oder durch <strong>die</strong> Auseinandersetzung mit bestimmteninhaltlichen Auffassungen. Auch "ganzheitlich" denkende Moralphilosophenoder Moraltheologen brauchen allein <strong>auf</strong>grund ihrer methodischen und inhaltlichenAuffassungen in keiner Weise moralisch "wertvoller" oder verantwortlicherzu handeln als Materialisten oder Empiristen. Es ist ferner auch nichtanzunehmen, daß Erziehungstheoretiker, unabhängig von der von ihnen vertretenenPosition, moralisch höher stünden oder besser wären als andere Menschen.Gerade deshalb sollten sie aber vorsichtig mit Ansprüchen wie jenen sein, siekönnten mit wissenschaftlicher Sicherheit wissen, was der einzelne soll, was inder Erziehung das "Richtige" sei. Abgesehen davon, daß das eine Anmaßungmoralischer Führerschaft impliziert, scheint man auch das Recht der einzelnen,eigene Wertsetzungen vorzunehmen und ihnen zu folgen, nicht in der gebührendenWeise zu achten, also auch keinen allzu großen Respekt vor der Würde derPerson und der Freiheit des Individuums zu haben 150 .Jeder sollte sich bemühen, verantwortlich zu handeln. Das ist eineGrundforderung, <strong>die</strong> vermutlich jede freie Gesellschaft an ihre Mitglieder stellenmuß. Das gilt auch für den Wissenschaftler. Verantwortung hat aber nur danneinen Sinn, wenn das Sollen nicht schon durch das Sein determiniert ist. Nur in<strong>die</strong>sem Fall kann es überhaupt individuelle Freiheit und damit auch Verantwortunggeben. Wenn man <strong>die</strong> Entscheidung über Erziehungsziele als das Recht vonErziehern, Educanden und den Erziehungsträgern betrachtet, trägt man <strong>die</strong>serFreiheit Rechnung. Die werturteilsfreie Wissenschaft könnte insofern dasVerantwortungsbewußtsein von Erziehern fördern, als sie offenlegt, daß derVerantwortung nicht durch Berufung <strong>auf</strong> wissenschaftliche Ergebnisse ausgewichenwerden kann 151 .Die empirisch-analytische Erziehungswissenschaft unterstützt verantwortlichesHandeln aber auch insofern, als sie uns über <strong>die</strong> Konsequenzen unsererZiele und Mittel und der daraus folgenden Handlungen informiert. Sie kannprüfen, ob <strong>die</strong> Ansprüche, <strong>die</strong> mit Erziehungspraktiken verbunden werden, auchhaltbar sind und so zu Änderungen Anlaß geben. Sie ermöglicht damit, <strong>die</strong>Wirkung von Erziehungsmitteln besser einzuschätzen. Denn wer ein bestimmtesZiel für erstrebenswert hält, dem können <strong>die</strong> Wege zu <strong>die</strong>sem Ziel und seineErreichbarkeit nicht gleichgültig sein. Verantwortliches Handeln setzt voraus,150 Vgl. hierzu allgemein v. HAYEK 1971, S. 98.151 Vgl. hierzu auch TENORTH 1990, S. 425.168


daß man <strong>die</strong> Zusammenhänge zwischen Zwecken und Mitteln kennt und nicht<strong>auf</strong>grund von "Wunschträumen" handelt 152 .Wenden wir uns nun dem Einwand zu, Werturteilsfreiheit führe zur Beliebigkeitder Ziele und damit zum Wertnihilismus. Das ist m.E. nicht notwendigder Fall. Die Wissenschaft leugnet ja nicht <strong>die</strong> Existenz von Werten und Wertungen,sondern sie leugnet nur <strong>die</strong> Möglichkeit, <strong>auf</strong> wissenschaftliche Weise zueinzig gültigen Werten und Wertungen gelangen zu können.Der Vorwurf des "Wertnihilismus" hängt mit dem weiteren Einwand desWertrelativismus zusammen, der "für das Leben des Einzelnen wie für das Gemeinschaftslebenbedrohliche, ja gefährliche Konsequenzen nach sich" ziehe 153 .Wenn man nämlich den Wertrelativismus akzeptiere, könne man nicht mehr zwischenmoralisch guten und moralisch schlechten Zielen unterscheiden. Damitüberlasse <strong>die</strong> wertrelativistische Erziehungswissenschaft "<strong>die</strong> Praxis letzten Endesder Willkür und einer naturwüchsigen, blinden Entwicklung" 154 .Hier scheint der Wertrelativismus mit einem bestimmten Verständnis desethischen Subjektivismus gleichgesetzt zu werden, nach dem moralische Urteile"bloße Berichte über Gefühle und Einstellungen" desjenigen sind, der sieäußert 155 . In <strong>die</strong>sem Fall könnte es "überhaupt keine Gültigkeit von Wertungen"geben und es würde "dem individuellen Belieben freistehen ..., ob manRaubmord und Betrug gut oder schlecht findet" 156 . Diese Form des ethischenSubjektivismus ist aber nicht notwendig mit dem Wertrelativismus verknüpft.Werten und Normen kommt vielmehr eine überindividuelle Gültigkeit in demSinne zu, daß sie in der Kultur oder Gesellschaft gelten, in der der einzelne lebt.Es gibt zwar eine gewisse Freiheit des Individuums, Wertungen vorzunehmenund Normen zu befolgen oder zu mißachten, aber <strong>die</strong>se Freiheit ist durch <strong>die</strong>Traditionen von Sitte und Moral und <strong>die</strong> damit gegebenen gesellschaftlichenWertungen und Normen begrenzt, und <strong>die</strong> Übertretung der Grenzen wird invielen Fällen sanktioniert 157 . Aus der Tatsache, daß Wertentscheidungen von unsabhängen und nicht als absolute oder an sich gegeben sind, folgt also nicht ihreWillkürlichkeit oder Beliebigkeit, vielmehr wird <strong>die</strong> persönliche Verantwortung152 Vgl. METZGER 1969, S. 9-10. Ähnlich LAY 1918, S. 7; TENORTH 1990, S. 418.153 ZECHA 1987, S. 159; ähnlich LÖWISCH 1982, S. 100 f.; MEINBERG 1979, S. 189; GIESECKE1980, S. 632; REICH 1978, S. 116; WULF 1977, S. 96 f.; ULICH 1972a, S. 89; BLANKERTZ1979, S. 36.154 KÖNIG 1975, Bd. 1, S. 164.155 MACKIE 1981, S. 14.156 VIKTOR KRAFT 1951, S. 209.157 Vgl. POPITZ 1980.169


des einzelnen hervorgehoben. Es ist nicht einzusehen, warum Vertreter einerwerturteilsfreien Erziehungswissenschaft <strong>die</strong>ser Verantwortung enthoben seinsollten, da <strong>die</strong> Norm der Werturteilsfreiheit ja nicht <strong>die</strong> gesellschaftlichen undkulturellen Werte negiert.Außerdem behauptet der wissenschaftliche Wertrelativismus ja nicht, alleWerte und Wertungen seien gleichwertig, sondern <strong>die</strong> Unmöglichkeit des wissenschaftlichenErweises "letzter", "höchster" oder "absoluter" Werte, und daß<strong>die</strong> Wissenschaft nur über Werte informieren kann 158 . Die Wissenschaft ist insofernwertrelativistisch, als sie uns über verschiedene Entscheidungsmöglichkeiteninformiert, aber keine Entscheidung zwischen ihnen herbeiführen kann.Die Wissenschaft kann beispielweise auch über moralische Probleme informieren,<strong>die</strong> sich durch Widersprüche bestimmter Erziehungsmethoden zu übergeordnetenmoralischen Werten ergeben. So kann man es durchaus als einmoralisches Problem betrachten, wenn <strong>die</strong> Moral der uns anvertrauten Educandenlediglich darin besteht, daß sie nur tun, was wir billigen, und nur lassen,was wir mißbilligen. Dies ist eine Hauptschwierigkeit jeder autoritären Behandlungund Erziehung von Menschen. Sie werden daran gehindert, eigene Entscheidungenzu treffen und damit auch daran, eigene Maßstäbe zu entwickeln. DieErziehungswissenschaft kann <strong>die</strong> Nebenwirkungen solcher Erziehungsweisenuntersuchen und deren Unvereinbarkeit mit den Grundidealen der Menschenwürdeund der Freiheit 159 <strong>auf</strong>zeigen und so problematisieren.Die scheinbar objektiven Werte oder <strong>die</strong> Dogmatisierung irgendwelcherTraditionen oder sozialer Übereinkünfte führen dagegen leicht zu einem Autoritarismus,der <strong>die</strong> Glaubwürdigkeit seiner - sicher oft wertvollen - ethischenGrundsätze durch unhaltbare Erkenntnisansprüche und unbegründbare Einflußnahmeentwertet.4.3.2 Herabwürdigung der Educanden zum ObjektEin weiterer Einwand gegen <strong>die</strong> Werturteilsfreiheit der Erziehungswissenschaftlautet, daß der Educand dadurch zum Objekt herabgewürdigt werde, weil Erziehung"als instrumentelles Handeln des Erzieher-Subjekts am Kind-Objekt" verstanden158 Vgl. BRECHT 1976, S. 139.159 Vgl. dazu HAYEK 1971.170


werde 160 . "Der Educand wird zum 'Fall', der sich einem allgemeinen Gesetz subsumieren"läßt 161 . Erziehung gerate so letztlich zum Versuch am lebenden Objekt 162 .Nun kann <strong>die</strong> Konzentration <strong>auf</strong> enge Forschungsfragen und -techniken sehrwohl dazu führen, daß <strong>die</strong> Bedürfnisse und Nöte der Individuen, um <strong>die</strong> es geht,übersehen und vernachlässigt werden. Denn wer sich ausschließlich als Technologeversteht, kann <strong>auf</strong>grund begrenzter oder verkürzter SichtweisenScheuklappen erwerben, <strong>die</strong> es ihm erschweren oder gar unmöglich machen, sichin <strong>die</strong> Rolle von Educanden zu versetzen und ihre Äußerungen auch im Hinblick<strong>auf</strong> andere Dimensionen zu verstehen als <strong>die</strong>jenigen, <strong>die</strong> der Untersuchungsabsichtentsprechen. Dabei muß allerdings zugestanden werden, daß <strong>die</strong>Beurteilung moralischer Fragen wegen der Problematik der Folgenabschätzungsehr schwierig sein kann. Das ist sicher auch ein Grund für <strong>die</strong> Einrichtung vonEthik-Kommissionen etwa in Psychologie oder Medizin gewesen 163 .Das Hauptproblem besteht vermutlich darin, daß bei der Untersuchungspezifischer Sachzusammenhänge nicht immer <strong>die</strong> Wirkungen <strong>auf</strong> das Ganzemitbedacht werden können. Um ein Phänomen zu untersuchen, muß man denBlick notwendigerweise <strong>auf</strong> eine überschaubare Anzahl von Elementen begrenzen164 . Ein differenziertes Bild ist nur zu gewinnen, wenn einzelne Elemente undstrukturelle Zusammenhänge zwischen Elementen analysiert werden 165 . Das Problem,daß dadurch <strong>die</strong> damit verknüpften moralischen Fragen leicht aus demBlickfeld geraten, dürfte zumindest im Forschungsprozeß kaum zu umgehensein. Man kann es jedoch durch <strong>die</strong> mehrperspektivische kritische Diskussionvon Untersuchungsmethoden und Forschungsergebnissen zu lösen versuchen.Das ist gewiß kein Allheilmittel, da eine kollektive Nicht-Wahrnehmung ethischerProbleme dadurch ja wohl kaum zu überwinden sein dürfte.Untersuchungen begrenzter Bereiche oder einzelner Merkmale der Persönlichkeitdes Educanden können, müssen aber nicht notwendig ethisch problematischsein. Einen gewissen Schutz versucht man durch <strong>die</strong> Forderung zu erreichen, daß160 MOLLENHAUER 1970, S. 16; ähnlich HERZOG 1987, S. 143; KRAWITZ 1980, S. 48 f.;KLAFKI 1982, S. 49; FROMM 1987, S. 125; SCHALLER 1974, S. 18; VOGEL 1989, S. 433.161 HERZOG 1987, S. 143.162 Vgl. GSTETTNER 1981.163 Zur Problemgeschichte, der Aufgabenstellung, Arbeitsweise, Rechtsstellungen und den Organisationsformender Ethik-Kommissionen in der Medizin vgl. TOELLNER (Hg.): 1990.164 Zur Kapazitätsbegrenzung vgl. MILLER 1956; VERNON 1974, S. 84 ff.; BADDELEY 1976, S.121 ff. Zu den Schwierigkeiten und begrenzten Möglichkeiten einer Ausweitung <strong>die</strong>ser KapazitätHIRST/NEISSER/SPELKE 1980.165 Vgl. LEHNER 1979, S. 157 f.171


insbesondere bei Experimenten und Technologien, <strong>die</strong> <strong>die</strong> Persönlichkeit desEducanden schädigen könnten, ethische Grundsätze beachtet werden sollen 166 .Dennoch ist natürlich nie ganz auszuschließen, daß Untersuchungen, <strong>die</strong> zubegrenztem Wissen über Sachzusammenhänge führen sollen, <strong>die</strong> in der Person desEducanden liegen, in mehr oder weniger moralisch bedenklicher Weise <strong>die</strong>Intimsphäre des einzelnen verletzt wird. Andererseits braucht man aber Wissenüber solche, den Kern der Persönlichkeit berührenden Aspekte, um dem einzelnenhelfen zu können. Erst durch eine differenzierte Kenntnis der Educanden kann auch<strong>die</strong> Untersuchung der Wirkungen von Erziehungshandlungen bei bestimmtenAdressatenmerkmalen ein differenzierteres Erziehungswissen ermöglichen. Jebesser man <strong>die</strong> zu erwartenden Wirkungen und Nebenwirkungen von Erziehungshandlungenbei Vorliegen bestimmter Persönlichkeitsmerkmale der Educandenprognostizieren kann, desto verantwortlicher kann man erzieherische Entscheidungentreffen. Daß sowohl bei der Gewinnung wie bei der Anwendung <strong>die</strong>sesWissen <strong>die</strong> Persönlichkeit des einzelnen verletzt werden kann, sollte stets beachtetwerden und uns zur Vorsicht gemahnen. Würde man allerdings <strong>auf</strong> <strong>die</strong> Gewinnungvon Wissen über sensible Bereiche der Persönlichkeit ganz verzichten, könnte manes auch nicht für Zwecke nutzen, <strong>die</strong> als gut und wünschswert beurteilt werden.4.3.3 Rücksichtslose EffizienzsteigerungEin weiterer Einwand gegen <strong>die</strong> Wertturteilsfreiheit ist in der dadurchverursachten Orientierung der Erziehungswissenschaft an "Effizienz und Effektivität"zu sehen 167 . Es bestehe <strong>die</strong> Gefahr, daß alles, "was der Erreichung vorgegebener,unbefragter und nicht diskutierbarer Erziehungsziele abträglich ist, ...aus der Betrachtung ausgeschlossen" bleibe 168 . "Ausschlaggebend ist allein derErfolg des Verfahrens" 169 .Das wesentliche Problem wird also in der Beschränkung des Denkhorizontsgesehen. Die Möglichkeit einer solchen Beschränkung ist gewiß nicht auszuschließen,aber andererseits kann man wohl auch nicht davon ausgehen, daß siesozusagen notwendig eintreten muß. Erziehungstechnologen haben Programme,166 Vgl. allgemein hierzu REYNOLDS 1979 sowie POPPER 1975a.167 DERBOLAV 1970, S. 301.168 ULICH 1972a, S. 40; ähnlich VOGEL 1989, S. 441.169 LÖWISCH 1982, S. 100, ähnlich S. 122.172


Technologien und Techniken zur Förderung selbständigen Lernens 170 , zur Förderungvon Begabungen 171 , zur Förderung von Kreativität 172 usw. entwickelt. Mankann daraus ersehen, daß Erziehungstechnologen eine große Vielfalt von Zielenverfolgen. Wenn dabei Effizienz im Sinne der Wirksamkeit ihrer Programmeeine wichtige Rolle spielt, ist das von großer Bedeutung, denn Wirksamkeit in<strong>die</strong>sem Sinn kann als indirekte Bestätigung der Gültigkeit der zugrunde liegendenTheorien angesehen werden. Außerdem ist Wirksamkeit auch in der Praxiswünschenswert. Ein ethisches Problem entsteht allerdings dann, wenn Wirksamkeitum jeden Preis angestrebt oder von dem Vorurteil ausgegangen wird, daßder Zweck <strong>die</strong> Mittel heilige.Ein ernsteres Problem könnte entstehen, wenn tatsächlich hocheffektiveErziehungstechniken zur Verfügung stünden, mit denen man gezielt bestimmteMenschentypen hervorbringen könnte. Eine solche Macht würde eine großeVersuchung darstellen, und <strong>die</strong> Kontrolle der Anwendung <strong>die</strong>ser Mittel könnte sichals sehr schwierig herausstellen. Derartige Probleme würden sich aber auch durcheine wertgebundene Wissenschaft kaum vermeiden lassen, da vielseitig verwendbareMittel in jedem Fall auch für andere Interessen als <strong>die</strong>, in deren Absicht sie entwickeltworden sind, eingesetzt werden können. Die Ergebnisse wissenschaftlicherForschung können immer sowohl zum Nutzen als auch zum Schaden von Individuenverwendet werden. Das gilt ebenso für andere geistige Leistungen oder Systeme. Sowurden im Namen des Christentums, das ja wertgebunden ist und <strong>die</strong> Nächstenliebepredigt, nicht nur Wohltaten, sondern auch schlimmste Grausamkeiten vollbracht.Solche Ausbrüche von Gewaltsamkeit sind letztlich nicht durch Wissenschaft undEthik zu verhindern. Unsere wichtigsten, aber keineswegs sicheren Gegenmittel sind<strong>die</strong> rationale Diskussion, der Ausschluß von Dogmen und eine "humane Einstellung",<strong>die</strong> in einer "Abneigung und Feindschaft gegen alle Grausamkeit" besteht, und <strong>die</strong>vor allem "Mitleid mit Schmerz und Leiden, wo immer sie sich finden",einschließt 173 . Das ist freilich eine persönliche Wertentscheidung.Wenn der einzelne Erziehungswissenschaftler solche Grundsätze in seinemHandeln als praktische Ethik voraussetzt, dann werden solche vor- oder außerwissenschaftlichenWerte auch manche seiner Entscheidungen betreffen, beidenen es um <strong>die</strong> Auswahl wissenschaftlich zu untersuchender Fragen und <strong>die</strong>170 Vgl. BOUD 1988; LEHNER 1991.171 Vgl. HOWE 1990.172 Vgl. CROPLEY 1991.173 MACKIE 1981, S. 249.173


Anwendung wissenschaftlicher Erkenntnisse geht. Eine solche ethische Grundlageerziehungswissenschaftlicher und erzieherischer Arbeit beruht aber nicht <strong>auf</strong>wissenschaftlicher Erkenntnis und folgt auch nicht aus ihr.Die Bedeutung ethischer Grundsätze in der Erziehungswissenschaft undErziehungstechnologie ist also nicht von der Hand zu weisen, obwohl <strong>die</strong>seGrundsätze nicht zur Wertbasis der Wissenschaft gehören. Der von nicht wenigenErziehungswissenschaftlern nicht hinterfragte Gesichtspunkt der Effizienzkönnte - auch wenn es kaum geschieht - zu einer Zweck-Mittel-Auffassung führen,bei der der Zweck jedes Mittel heiligt. Um solche moralisch problematischenAuffassungen abzuwehren, bedarf es moralischer Wertentscheidungenauch der Wissenschaftler. Nur <strong>die</strong> <strong>auf</strong> solchen Entscheidungen beruhende Wachsamkeiteines jeden einzelnen und <strong>die</strong> durch derartige moralische Entscheidungenhervorgerufene Abwehr solcher Versuche dürften eine gewisse Gewährder Aufrechterhaltung hoher ethischer Standards in der Pädagogik bieten.174


5. Zusammenfassung und WertungEs ist dargestellt worden, daß im Rahmen der empirisch-analytischen Erziehungswissenschaftverschiedene Aufgaben erfüllt werden können. Erstens und alswichtigstes kann man versuchen, befriedigende Erklärungen für Erziehungsphänomenewie zum Beispiel <strong>die</strong> Entstehung bestimmter Persönlichkeitseigenschaften,<strong>die</strong> Wirkung bestimmter Erziehungsstile usw. anzubieten; zweitens kannman den Erziehungspraktiker über Zweck-Mittel-Beziehungen informieren undihm auch ausgearbeitete und erprobte Mittel zur Erreichung bestimmter Zweckezur Verfügung stellen; drittens ist es möglich, Informationen über Erziehungsziele,über ihre Stimmigkeit mit anderen Zielen, über ihre Konsequenzen und über <strong>die</strong>Bedeutung <strong>die</strong>ser Konsequenzen im Rahmen übergeordneter Ziele oder Kriterienzu geben sowie verbesserte Normvorschläge zu unterbreiten.Bei allen <strong>die</strong>sen Aufgaben steht also das Ziel der Information über Tatsachender Erziehung und damit zusammenhängende Phänomene im Vordergrund.Diese Beschränkung <strong>auf</strong> <strong>die</strong> Deskription und damit <strong>die</strong> Freiheit von weltanschaulichen,persönlichen oder sonstigen außerwissenschaftlichen Wertungen ermöglichterst <strong>die</strong> unvoreingenommene rationale Kritik und empirische Prüfungen derjeweiligen Ergebnisse und trägt damit zur Möglichkeit der Verbesserung erziehungswissenschaftlicherErkenntnisse bei.Die Einwände, <strong>die</strong> gegen <strong>die</strong> empirisch-analytische Erziehungswissenschaftvorgebracht werden, gehen jedoch davon aus, daß gerade das Bestehen <strong>auf</strong> denmethodischen Forderungen nach Werturteilsfreiheit und empirischen Prüfungendazu führe, daß vor allem oberflächliche, leicht prüfbare Bedingungen von Erziehunguntersucht und komplexere Tatbestände ausgeklammert würden.Tatsächlich könnte es sein, daß zumindest engstirnige Empiriker, <strong>die</strong> eineBeschäftigung mit all den Fragen ablehnen, <strong>die</strong> mit derzeitig verfügbaren Verfahrennicht oder nicht in befriedigender Weise untersucht werden können, oder<strong>die</strong> nur solches Wissen anerkennen wollen, das auch prüfbar ist und alles andereals irrelevant betrachten, in Teilbereichen mit der Untersuchung relativ trivialerZusammenhänge vorlieb nehmen müssen. Eine solche Sichtverengung ist aberkeine notwendige Folge des empirisch-analytischen Standpunktes. In analoger175


Weise brauchen außerdem auch Erziehungstheoretiker anderer Richtungen nichtfrei von Einseitigkeiten oder Blickverengungen zu sein. Das dürfte gleichermaßen<strong>auf</strong> <strong>die</strong> Möglichkeiten moralischer Unzulänglichkeit oder Verirrungzutreffen, <strong>die</strong> gewiß nicht <strong>auf</strong> eine bestimmte Richtung begrenzt sind. Sowohlmethodische wie moralische Unzulänglichkeit oder Begrenztheit kann imwesentlichen wohl am ehesten durch <strong>die</strong> von wissenschaftlichen und ethischenGrundsätzen geleitete Diskussion und gegenseitige Kritik begegnet werden.Was nun <strong>die</strong> Frage der Entscheidungen über Erziehungsnormen betrifft, sowurde ausgeführt und begründet, daß solche Entscheidungen von den dafür Verantwortlichengetroffen und nicht wissenschaftlich vorgenommen werden können.Aber auch eine nur informierende Erziehungswissenschaft kann Erziehern<strong>die</strong>nlich sein. Es braucht in einem von erkenntnisfremden Werturteilen freienRahmen nicht geleugnet zu werden, daß ethische Überzeugungen eine wesentlicheBedingung erzieherischen Handelns bilden. Die empirisch-analytische Erziehungswissenschaftkann Erzieher darüber informieren, ob und inwiefern vonihnen getroffene oder akzeptierte Wertentscheidungen zu anderen von ihnenvertretenen Werten im Widerspruch stehen, oder ob sie zu unerwarteten und unerwünschtenFolgen führen. Man kann ihnen auch alternative Vorschlägeunterbreiten, von denen sich zeigen läßt, daß sie - soweit abschätzbar - auch inihren Folgerungen logisch konsistent und mit den gesellschaftlich-kulturellenRahmenbedingungen gut vereinbar sind. In gleicher Weise ist es möglich, Erziehernzu sagen, was sie tun können, um gewünschte Ziele zu erreichen; welcheMittel man wählen und welche organisatorischen Vorkehrungen man treffenkann, um Kindern oder Schülern bei der Realisierung bestimmter Lernziele zuhelfen. Die mit der Wahl von Zielen und Mitteln verknüpften Entscheidungenallerdings können nicht im Rahmen der Erziehungswissenschaft getroffenwerden. Die Verantwortung für unsere Entscheidungen müssen wir vielmehrselbst übernehmen.Im Hinblick <strong>auf</strong> <strong>die</strong> Untersuchung von Wert- und Normfragen kann man inder Erziehungswissenschaft übergeordnete Kriterien festsetzen (ein Beispielwäre das Kriterium NOHLs der Förderung der Persönlichkeit des Educanden), andenen sich normative und technologische Vorschläge bewähren sollten. Geradeweil es sich bei solchen Kriterien um Konstruktionen ohne Erkenntnisanspruchhandelt, müßte man zu zeigen versuchen, daß ihre Beachtung zu einer verbessertenFolgenabschätzung, zur Verringerung von Widersprüchen im Hinblick <strong>auf</strong>weithin akzeptierbare ethische Werte und Normen usw. führen würde. Die176


ationale pädagogische Diskussion würde dadurch gefördert und <strong>die</strong> Möglichkeitintersubjektiver Prüfbarkeit würde <strong>auf</strong> <strong>die</strong>se Weise auch in Normfragen gesteigert,allerdings ohne daß daraus Wahrheitsansprüche abgeleitet werden könnten.Man kann also im Rahmen der empirisch-analytischen Erziehungswissenschaftauch ohne erkenntnisfremde Wertungen und präskriptive Aussagen in befriedigenderWeise über Erziehungsziele informieren. Solchen rein informativenAussagen kann ein hoher Erkenntniswert zukommen, den sie nicht besäßen,wenn irgendwelche weltanschaulichen Festlegungen bestünden und entsprechendeWertungen vorgenommen oder Forderungen gestellt würden. Wenn wir Normennicht als "gültige" wissenschaftliche Ergebnisse, sondern als hypothetischangenommene Möglichkeiten <strong>auf</strong>fassen, kann <strong>die</strong> Abwägung <strong>die</strong>ser Möglichkeitenund ihrer Folgen außerdem dazu beitragen, daß auch das Bewußtsein unsererpädagogischen Verantwortung geschärft wird.Entsprechen nun <strong>die</strong> tatsächlichen Leistungen der empirisch-analytischenErziehungswissenschaft <strong>die</strong>sen angedeuteten programmatischen Möglichkeiten?Erst kürzlich ist TENORTH in seiner "Bilanz" des empirisch-analytischen "Paradigmas"zu dem pointiert formulierten Ergebnis gekommen, es handle sich dabeium ein "Programm ohne Praxis" und eine "Praxis ohne Programm" 174 .Mit der These des "Programm[s] ohne Praxis" zielt TENORTH <strong>auf</strong> den "Anspruchumfassender Systembildung" 175 . Ein umfassendes System der Erkenntnisseliegt derzeitig aber in keiner Sozialwissenschaft vor. Es wäre natürlichwünschenswert, weil man dann für Erklärungen, Prognosen oder technologischeProblemlösungen nicht nur <strong>die</strong> durch einen partikularen Theorieansatz beschränkteZahl, sondern alle derzeit bekannten und im speziellen Fall bedeutsamenVariablen bzw. Einflußfaktoren berücksichtigen könnte. Die Verwirklichungeines solch umfassenden Theorienentwurfs scheint aber derzeit einaussichtsloses Unterfangen. Das bedeutet jedoch nicht, daß nicht doch Synthesen<strong>auf</strong> einem weniger anspruchsvollen Niveau möglich wären. In einerwissenschaftlichen Pädagogik, in der <strong>die</strong> Theorien aus verschiedenen Aufgabenbereichengegenseitiger Kritik ausgesetzt werden, in der also <strong>die</strong> Widerspruchsfreiheitder Folgerungen verschiedener Theorien angestrebt wird, dürftendurchaus begrenzte Synthesen solcher Ergebnisse durchführbar sein. Wie dasBeispiel des Versuchs einer Synthese oder des Rahmens einer Theorien-Synthese174 TENORTH 1991, S. 1 ff.175 Ebenda, S. 8.177


durch PERKINSON zeigte, ist <strong>die</strong>se Auffassung nicht ganz unrealistisch 176 :PERKINSON hat den Versuch gewagt, Theorien des Lernens, Technologiendes Wissenserwerbs, der Verbesserung des Selbstbildes und der Entwicklungmoralischer Auffassungen zu einem umfassenden erziehungstheoretischen Ansatzzu vereinigen. Als Integrationskern <strong>die</strong>ser Synthese <strong>die</strong>nt <strong>die</strong> Erkenntnistheoriedes kritischen Rationalismus. So wie in der Wissenschaft Problemlösungendurch Vermutungen und Widerlegungsversuche gefunden und verbessertwerden, versteht PERKINSON auch den Erwerb von Kenntnissen, <strong>die</strong> Gewinnungund Verbesserung des Selbstbildes der Schüler oder <strong>die</strong> Entwicklung ihrer moralischenAuffassungen als Problemlösungsprozesse. Ausgehend von <strong>die</strong>ser Theoriemacht PERKINSON den Vorschlag, <strong>die</strong> Schule so zu gestalten, daß <strong>die</strong> Schülerdurch selbständige Problemlösungsversuche und deren Überprüfung zu zunehmendbesseren Lösungen in den angesprochenen Bereichen gelangen. Da <strong>die</strong>seSynthese jedoch nicht bis ins Detail durchgeführt und in der vorliegenden Formauch nicht empirisch geprüft oder praktisch erprobt worden ist, bleiben vieleFragen offen. Da PERKINSON sich ferner nicht klar darüber zu sein scheint, daß ermit seiner Synthese auch einen Normvorschlag vorlegt - wenn er nicht einennaturalistischen Fehlschluß vom Sein <strong>auf</strong> das Sollen begehen will -, ist auch <strong>die</strong>normentheoretische Diskussion seines Vorschlags (z.B. eine Analyse im Rahmender Werte unserer Kultur sowie hinsichtlich anderer Kriterien) von ihm nichtdurchgeführt worden. Dennoch dürfte <strong>die</strong>ser Ansatz zeigen, daß solcheübergreifenden Synthesen von verschiedenen inhaltlichen Bereichen prinzipiellmöglich sind.Nach TENORTHs zweiter Teilthese handelt es sich bei der empirisch-analytischenErziehungswissenschaft um eine "Praxis ohne Programm". Mit dem Ausdruck"Programm" dürfte hier im wesentlichen <strong>die</strong> Möglichkeit eines Erkenntnisfortschrittsund seiner erziehungstechnologischen Weiterungen gemeint sein 177 .Das Ziel der Erziehungswissenschaft sind ja genauere, wirklichkeitsgerechtereTheorien. Auch wenn in der Pädagogik <strong>die</strong> weniger erfolgreichen Theorien nurselten ausgeschieden werden, kann man doch Fortschritte erkennen. So konntesich in der Didaktik der Naturwissenschaften der Ansatz WAGENSCHEINs <strong>auf</strong>grundseiner Allgemeinheit und der damals unzureichenden lerntheoretischenBegründung lange Zeit nicht durchsetzen. Eine eindeutige Überlegenheitgegenüber anderen Didaktiken war empirisch nicht nachzuweisen. Aber <strong>die</strong>176 Vgl. PERKINSON 1984; (ausführlicher dazu Kap. 3.4.2a).177 Vgl. TENORTH 1991, S. 9 ff.178


zunehmende Differenzierung und größere Wirklichkeitsangemessenheit derkognitiven Lerntheorie, <strong>die</strong> dar<strong>auf</strong> abgestimmte Suche nach spezifischenLernvoraussetzungen im naturwissenschaftlichen Unterricht und <strong>die</strong> didaktischeArbeit HERDTs haben vor kurzem den Nachweis von erheblichen Lernvorteilendurch <strong>die</strong>sen Ansatz erbracht 178 .Ein weiteres Beispiel für einen Theorienfortschritt ist <strong>die</strong> Untersuchung der"Ursprünge außergewöhnlicher Fähigkeiten" 179 . Im L<strong>auf</strong>e der letzten Jahrzehntewurden viele Befunde erhoben und Arbeiten dazu veröffentlicht. Aber erst jetztscheint es zu gelingen, <strong>die</strong>se Befunde so zu integrieren, daß auch <strong>die</strong> erziehungstechnologischenMöglichkeiten zunehmend genauer bestimmt werden können 180 .Gerade in bezug <strong>auf</strong> Hilfen zur praktischen Nutzung von Forschungsergebnissenscheint ein "Programm" Form zu gewinnen. Bisher wurde <strong>die</strong> Aufgabe derNutzbarmachung von Forschungsergebnissen weitgehend den Lehrern überlassen.Es ist aber unwahrscheinlich, daß Lehrer eine solche Fülle von Ergebnissen undHinweisen, wie sie in der Erziehungswissenschaft vorliegen, berücksichtigenkönnen und unter Zuhilfenahme <strong>die</strong>ses Wissens auch noch angemessene undwirksame Mittel zu ihrem persönlichen Gebrauch erarbeiten. Inzwischen bestehteher <strong>die</strong> Tendenz, in der technologischen Forschung organisatorische oderfachdidaktische Mittel zur Erreichung bestimmter Ziele zu konstruieren, zuerproben und zur Verfügung zu stellen. Durch ihre Anwendung werden Situationengeschaffen, <strong>die</strong> durch das in <strong>die</strong> Techniken eingearbeitete technologische Wissenweitgehend strukturiert werden sollen 181 . Da <strong>auf</strong> <strong>die</strong>se Weise nicht mehr alles vonder Person des Lehrers abhängt oder als davon abhängig betrachtet wird,vergrößern sich <strong>die</strong> Spielräume erziehungstechnischer Verbesserungsmöglichkeiten.Auch wenn man in der erziehungstechnologischen Forschung <strong>die</strong>ses Typsnoch am Anfang steht, läßt sich doch hoffen, daß beim Ersatz alter Lehrmittelund Lehrpläne durch wissenschaftlich besser abgestützte und empirisch geprüfteTechnologien, sich auch in der Erziehungspraxis <strong>die</strong> Erfolge wissenschaftlichtechnologischerForschung zunehmend deutlicher zeigen werden. Die Forschungspraxisder empirisch-analytischen Erziehungswissenschaft hat also zwarkein einheitliches umfassendes Forschungsprogramm, aber doch inhaltlich-theo-178 Vgl. HERDT 1990.179 HOWE 1990.180 Vgl. ebenda; FOWLER 1983; BLOOM 1985.181 Vgl. THEO HERRMANN 1979, S. 162 f.179


etische und technologische Schwerpunkte, in denen durchaus Erkenntnisfortschritteverzeichnet werden können.In <strong>die</strong>sem Prozeß ist, da <strong>die</strong> Auswahl der Forschungsgegenstände demErziehungswissenschaftler obliegt, seine ethische Verantwortung nicht zu übersehen.Es ist zu zeigen versucht worden, daß das, was man vage als "pädagogischesGewissen" oder "pädagogische Verantwortung" umschrieben hat, als eineaußerwissenschaftliche Wertungsgrundlage zu betrachten ist. Wenn der Erziehungstheoretiker<strong>die</strong> Mittel für <strong>die</strong> Erreichung verschiedener, hypothetisch angenommenerErziehungsziele untersucht und bereitstellt, dann gehört es auch zuseinen Aufgaben, <strong>die</strong>se Mittel im weiteren ethischen Kontext der "Suche nachdem Richtigen und Falschen" 182 einer Analyse zu unterziehen. Auf <strong>die</strong>se Weisesollte er über <strong>die</strong> weitergreifenden Folgen des Gebrauchs von Erziehungsmitteln<strong>auf</strong>zuklären und unsere Einsichtsfähigkeit in <strong>die</strong>ser Hinsicht zu schärfen suchen.In allen Aufgabenbereichen der empirisch-analytischen Erziehungswissenschaftwird mit hypothetischen Annahmen gearbeitet, <strong>die</strong> sich durch Erfahrungbewähren können. Nur im engen Sinn empirisch-erziehungswissenschaftlicheTheorien sind ausschließlich <strong>auf</strong> ihren Wahrheitsgehalt zu prüfen. ErziehungstechnologischeSatzsysteme können, da sie <strong>auf</strong> Gesetzesannahmen beruhen, auch<strong>auf</strong> <strong>die</strong> Wahrheit <strong>die</strong>ser Annahmen sowie <strong>auf</strong> Nützlichkeitsgesichtspunkte hingeprüft werden. Normanalysen unter Einschluß von Normvorschlägen, können<strong>auf</strong> Widerspruchsfreiheit, Realisierbarkeit und andere festzusetzende Bewährungskriterienhin untersucht werden. In keinem der Aufgabenbereiche ist esmöglich, <strong>die</strong> Gewißheit oder Sicherheit des gewonnenen Wissens zu behaupten.Alle <strong>die</strong>se Satzsysteme sind fehlbare Konstruktionen. Wenn aber in allen SatzsystemenInformationen über Sachverhalte gegeben werden, <strong>die</strong> jeder Prüfungund Kritik offenstehen, sollte es im Prinzip auch möglich sein, Irrtümer zuentdecken, sie zu beseitigen und zunehmend bessere Lösungen zu finden.182 So der Untertitel des Buches von MACKIE 1981.180


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