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Ein dynamisches State-Transition Modell zur Simulation von Maul

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Aus dem Institut für Medizinische Physik und Biostatistikder Veterinärmedizinischen Universität Wien(Vorstand: Univ.-Prof. Dipl.-Ing. Dr.techn. Gerhard Windischbauer)EIN DYNAMISCHES STATE – TRANSITION MODELLZUR SIMULATION VONMAUL- UND KLAUENSEUCHE EPIDEMIENINAUGURAL – DISSERTATION<strong>zur</strong> Erlangung der Würde einesDOCTOR MEDICINAE VETERINARIAEder Veterinärmedizinischen Universität Wienvorgelegt <strong>von</strong>Diplom – Tierarzt Thomas DanglWien, im März 2003


Betreuer: A.Univ.-Prof. Dr.rer.nat. Franz RubelDanksagungAn dieser Stelle sei dem Vorstand des Instituts für Medizinische Physik und Biostatistik,Herrn Univ.-Prof. Dipl.-Ing. Dr. G. Windischbauer, für die Ermöglichung dieser Arbeit unddie Bereitstellung der notwendigen Ressourcen gedankt.Besonderer Dank gilt meinem Betreuer, Herrn A.Univ.-Prof. Dr. F. Rubel, der mich mitgroßem Engagement an die Thematik der mathematischen <strong>Modell</strong>ierung herangeführt hat undmir bei der Erstellung dieser Arbeit laufend wertvolle Unterstützung geboten hat.


INHALTSVERZEICHNIS1. <strong>Ein</strong>leitung 11.1 Motivation und Zielsetzung 11.2 <strong>Modell</strong>e in der Epidemiologie 42. <strong>Modell</strong>entwicklung für die Veterinärepidemiologie 52.1 Was ist ein <strong>Modell</strong> ? 52.2 <strong>Ein</strong>teilung epidemiologischer <strong>Modell</strong>e 72.2.1 Empirische und theoretische <strong>Modell</strong>e 72.2.2 Diskrete und kontinuierliche <strong>Modell</strong>e 82.2.3 Deterministische und stochastische <strong>Modell</strong>e 82.3 Der Prozess der <strong>Modell</strong>entwicklung 92.4 Beschreibung des Systems 102.5 Beschreibung des SIR-<strong>Modell</strong>s 183. Material und Methodik 233.1 Das verwendete <strong>Maul</strong>- und Klauenseuche <strong>Modell</strong> 233.1.1 Beschreibung des SLIDR – <strong>Modell</strong>s 233.1.1.1 Seuchenverlauf innerhalb einer Herde 273.1.1.2 Weiterverbreitung auf empfängliche Herden - der epidemische Prozess 283.1.1.3 <strong>Modell</strong>ierung der Kontrollstrategien 303.1.1.3.1 Stamping out (SO) 303.1.1.3.2 Slaughter of dangerous contacts (SODC) 303.1.2 Allgemeiner Ansatz <strong>zur</strong> Erklärung des <strong>Modell</strong>s 32


3.2 Verifikation 353.3 Sensitivitätsanalysen 363.3.1 Bedeutung 363.3.2 Methode 363.4 Validierung 373.4.1 Allgemeine Aspekte und Methode der Validierung 373.4.2 Beschreibung der MKS-Epidemie in Großbritannien 2001 373.4.3 Datenmaterial für die Validierung 413.4.3.1 Liste der täglichen bestätigten MKS-Fälle 413.4.3.1.1 Umrechnung der täglichen Fälle in <strong>Ein</strong>heiten zu ½ Woche 433.4.3.2 Herdendichte 463.4.3.3 Basis-Reproduktionszahl R 0(t) 463.4.3.4 Übergangswahrscheinlichkeiten 483.4.3.5 Kontrollstrategien 493.4.3.6 Zusammenfassung der Validierungsdaten 504. Ergebnisse 524.1 Ergebnisse der Verifikation 524.1.1 Interpretation 554.2 Ergebnisse der Sensitivitätsanalysen 564.2.1 Ergebnisse für den Parameter Radius 564.2.1.1 Sensitivität hinsichtlich der freien Seuchenausbreitung 564.2.1.2 Sensitivität hinsichtlich der räumlichen Ausbreitung 584.2.2 Ergebnisse für die Übergangswahrscheinlichkeit p ID 604.2.2.1 Variation 1 – stille Phase 604.2.2.2 Variation 2 – Bekämpfungsphase 624.2.3 Ergebnisse für die Übergangswahrscheinlichkeit p DR 644.2.3.1 Variationen der p DR - Werte 604.2.4 Ergebnisse für die Übergangswahrscheinlichkeit p LI 664.2.4.1 Variationen der p LI – Werte 664.2.5 Ergebnisse für die Herdendichte 674.2.5.1 Variationen der Herdendichte 674.2.6 Ergebnisse für die Basis-Reproduktionszahl R 0 694.2.6.1 Variation 1 – stille Phase 694.2.6.2 Variation 2 – Bekämpfungsphase 714.3 Ergebnisse der Validierung 734.3.1 Ergebnisse der <strong>Simulation</strong> der MKS-Epidemie in England 2001 734.3.2 Ausmaß der Epidemie bei <strong>Ein</strong>satz der oberen und unterenKonfidenzgrenze für die Basis-Reproduktionszahl R 0 784.3.3 Ausmaß der Epidemie bei höherer Effizienz der SODC-Strategie 79


4.3.4 Experimentelle Studie <strong>zur</strong> Ermittlung der maximalmöglichen <strong>Simulation</strong>sgenauigkeit 815. Diskussion 835.1 Allgemeine und zusammenfassende Diskussion 835.2 Perspektiven und weiterer Forschungsbedarf 936. Zusammenfassung 947. Summary 958. Literaturverzeichnis 96


11. <strong>Ein</strong>leitung1.1 Motivation und ZielsetzungDie <strong>Maul</strong>- und Klauenseuche (MKS) zählt aufgrund ihrer extrem hohen Kontagiosität zu denweltweit gefürchtetsten und ökonomisch bedeutendsten Erkrankungen landwirtschaftlicherNutztiere (COX et al., 1999; HOWARD u. DONELLY, 2000; LEFORBAN, 1999;MOUTOU u. DURAND, 1994; SALT et al., 1998; SANSON, 1994). Sie wird vomInternationalen Tierseuchenamt in Paris (Office International des Epizooties, OIE) auf derListe A an erster Stelle angeführt (in die Liste A wurden insgesamt 16 Infektionskrankheiteneingereiht, die besonders kontagiös sind und große wirtschaftliche Schäden verursachen; ListeB enthält 84 Krankheiten, die sich langsamer verbreiten und ernste, jedoch geringere Schädenmit sich bringen). Neben der nationalen Anzeigepflicht sind OIE-Mitgliedsländer verpflichtet,innerhalb <strong>von</strong> 24 Stunden das Internationale Tierseuchenamt über die Feststellung der MKSzu informieren.Die enormen finanziellen Schäden, die diese Seuche nach sich zieht, sind weniger durch dieunmittelbaren Tierverluste und Leistungseinbußen bedingt, sondern ergeben sich neben denkostenintensiven Bekämpfungsmaßnahmen hauptsächlich aufgrund der wirtschaftlichenKonsequenzen für eine exportierende Landwirtschaft. <strong>Ein</strong>fuhrsperren über Monate(europäische Staaten) und Jahre (z.B.: 5 Jahre für Japan, Neuseeland, Nordamerika) sind dieFolge.Die Europäische Union hat 1991 die prophylaktische Impfung gegen MKS verboten; stattdessen wird <strong>zur</strong> Seuchenbekämpfung eine rigorose stamping out Politik verfolgt, der sichumgehend auch die EU-Handelspartner in Osteuropa angeschlossen haben. Ziel ist es durchIsolieren der Infektionsquellen und Abriegeln der Infektionswege die vollständigeErregerfreiheit des betroffenen Landes wiederherzustellen. Seit diesem Zeitpunkt kam es inEuropa gelegentlich zu Neuausbrüchen, die allesamt sehr erfolgreich mit dieser Strategiebekämpft und eingedämmt wurden, sodass auch die Gefahr der Entstehung endemischerHerde gebannt werden konnte. Ob im Seuchenfall eine Notimpfung erfolgt oder nicht,entscheidet der ständige Veterinärausschuss der EU-Kommission. Als zusätzlicheBekämpfungsmaßnahme wurde die Notimpfung (als Ringimpfung) 1996 in Albanien und derFrüheren Jugoslawischen Republik <strong>von</strong> Mazedonien, sowie 1993 und 1996 in Bulgarieneingesetzt (LEFORBAN, 1999).Von der weltweit auftretenden Krankheit wurden im Jahr 2000 in folgenden LändernNeuausbrüche gemeldet: Brasilien, Griechenland, Iran, Japan, Kasachstan, Korea, Kuwait,Malawi, Malaysia, Mongolei, Peru, Russland, Saudi-Arabien, Taiwan, Sambia, Zimbabwe.Im Jahre 2001 wurde die Seuche zusätzlich in folgenden Ländern festgestellt: Argentinien,Frankreich, Großbritannien, Irland, Israel, den Niederlanden, Südafrika, Swasiland, Uruguay(OIE; Stand März 2001).Der MKS-Ausbruch in Großbritannien im Jahr 2001 entwickelte sich zum bislang weltweitverheerendsten Seuchenzug innerhalb eines Landes: die Epidemie dauerte 7 Monate, und esmussten über 4 Mio. Tiere gekeult werden. Das britische Landwirtschaftsministerium DEFRA(Department for Environment, Food and Rural Affairs) beziffert die Kosten für


2Bekämpfungsmaßnahmen und Kompensationszahlungen an die Landwirte mit rund 3,5 Mrd.Euro, der wirtschaftliche Gesamtschaden für das Land wird auf etwa 6,2 Mrd. Euro geschätzt.In Österreich grassierte der letzte große Seuchenzug in den Jahren 1972/73. Es mussten an die1.500 Klauentierbestände mit insgesamt rund 70.000 Tieren gekeult werden. Im Jahre 1981kam es zu einer neuerlichen und bislang letztmaligen Viruseinschleppung; es wurdenallerdings nur zwei positive Fälle bestätigt, und eine Epidemie konnte rechtzeitig verhindertwerden. Österreich erfüllt derzeit die Voraussetzungen für die Anerkennung des OIE-Status„MKS-freies Land, in dem keine Impfungen stattfinden“.Wie aber die Ausbrüche in Europa in den Jahren 1993, 1995, 1996, 2000 und 2001 gezeigthaben, stellt die <strong>Maul</strong>- und Klauenseuche eine ständige Bedrohung dar: der hochvirulenteVirustyp Pan Asia O (siehe Kapitel 2.4) breitete sich 1990 <strong>von</strong> Südasien nach Osten hin nachMalaysia, China, Japan, Russland und Mongolei aus, und befiel somit in einem relativ kurzenZeitraum Länder, die in den letzten Jahrzehnten MKS-frei waren. In der Folge dehnte sich dieSeuche nach Westen aus (Türkei, Griechenland, Bulgarien), weiters nach Südafrika undletztendlich England. 2001 wurden zudem Ausbrüche vom Typ O und A aus Argentinien,Brasilien und Uruguay gemeldet. Ausgehend <strong>von</strong> England kam es zu einerVirusverschleppung nach Irland, Frankreich und in die Niederlande.Die neue Dynamik in der Fleischindustrie mit global ausgedehnten Transporten, sowie dieständig zunehmende Komplexität des internationalen Handels stellen eine permanentzunehmende Gefahr einer Viruseinschleppung dar (BATES et al., 2001). Grenzkontrollenallein sind heutzutage bei weitem nicht mehr ausreichend, um dieser ständigen BedrohungHerr zu werden, vielmehr muss es eine weltweite Strategie <strong>zur</strong> Kontrolle und Ausmerzungdieser Tierseuche geben.Kommt es in Österreich zu einem Seuchenverdacht bzw. zu einer Seuchenfeststellung, trittsofort der nationale MKS-Krisenplan in Kraft (WEBER, 2000), der sämtliche Abläufedetailliert beschreibt. BATES et al. (2001) weisen darauf hin, dass im Falle einesNeuausbruches neben der Existenz eines solchen <strong>Ein</strong>satzplanes in Zusammenhang mit genaudefinierten Kontrollstrategien zeitgleich auch der Bedarf an mathematischen <strong>Modell</strong>enbesteht, um <strong>von</strong> Anfang an für die vorherrschende Situation die einzelnenBekämpfungsmaßnahmen evaluieren und gegebenenfalls adaptieren zu können, um dadurcheinen Beitrag <strong>zur</strong> Optimierung des Eradikationsprozesses zu leisten.Jüngstes und herausragendes Beispiel, welch wichtige Funktion Prozessmodelle im Rahmender MKS-Bekämpfung einnehmen können, ist die Epidemie in England 2001: diemathematischen <strong>Modell</strong>e und Analysen <strong>von</strong> FERGUSON et al. (2001a, b) sowie <strong>von</strong>MORRIS et al. (2001) wurden <strong>von</strong> Beginn an <strong>zur</strong> Prognosestellung, Identifizierungneuralgischer Mechanismen der Seuchenausbreitung und <strong>zur</strong> Evaluierung bestehender wiealternativer Kontrollmaßnahmen eingesetzt und dienten dadurch den verantwortlichenBehörden während der gesamten Dauer der Epidemie als zusätzliche objektiveEntscheidungshilfen.Für Österreich existiert bis dato kein MKS-<strong>Modell</strong>. Diese Situation hat <strong>zur</strong> Folge, dass beieinem möglichen Neuausbruch dieser gefürchteten Seuche eine solche Unterstützungentweder gänzlich fehlen würde, oder durch die Entwicklung bzw. Adaptierung einesbestehenden <strong>Modell</strong>s wertvolle Zeit verloren ginge. Ziel dieser Arbeit war es daher, erstmalig


3in Österreich ein mathematisches Prozessmodell <strong>zur</strong> <strong>Simulation</strong> der <strong>Maul</strong>- und Klauenseuchezu implementieren, welches im Wesentlichen zwei Anforderungen gerecht werden sollte:• Die mathematische Komplexität soll so gewählt werden, dass das <strong>Modell</strong> auch <strong>von</strong>Nicht-Mathematikern nach kurzer <strong>Ein</strong>arbeitung verwendet werden kann.• Das <strong>Modell</strong> soll in der Lage sein, MKS-Epidemien hinreichend genau zu simulieren,damit es auch praktisch <strong>zur</strong> Seuchenbekämpfung eingesetzt werden kann.


41.2 <strong>Modell</strong>e in der EpidemiologieSchon frühzeitig wurde erkannt, dass das Auftreten <strong>von</strong> Krankheiten eine Folge derInteraktionen der einzelnen Komponenten innerhalb des Wirt – infektiöses Agens – UmweltKomplexes darstellt. Bestrebungen das „Mysterium“ der Entstehung und Ausbreitung <strong>von</strong>Krankheiten oder Seuchen durch systematische Untersuchung der einzelnen Faktoren diesesProzesses zu durchleuchten, führten letztendlich <strong>zur</strong> Entwicklung der WissenschaftsdisziplinEpidemiologie. PSCHYREMBEL (1998) definiert Epidemiologie als den„Wissenschaftszweig, der sich mit der Verteilung <strong>von</strong> übertragbaren und nichtübertragbarenKrankheiten und deren physikalischen, chemischen, psychologischen und sozialenDeterminanten und Folgen in der Bevölkerung befasst.“Die mathematische <strong>Modell</strong>ierung in der Epidemiologie ist ein Teilgebiet der theoretischenEpidemiologie, das immer stärkere praktische Relevanz gewinnt. Durch die rasanteEntwicklung und einfache Verfügbarkeit <strong>von</strong> Computerleistung in Verbindung mit immerausgereifteren Softwarepaketen ist es heutzutage Wissenschaftlern verschiedener Fachgebietesehr leicht möglich, Zugang zu dieser Materie zu erlangen. Im Bereich der Veterinärmedizinliegt die größte Bedeutung mathematischer <strong>Modell</strong>e (vor allem in Verbindung mitgeografischen Informationssystemen) zweifelsfrei in der Optimierung <strong>von</strong> Kontrollstrategien<strong>zur</strong> Vermeidung und Bekämpfung <strong>von</strong> Infektionskrankheiten. Veterinärverwaltungen könnenmit Hilfe <strong>von</strong> Computersimulationen sozusagen „am Reißbrett“ die unterschiedlichenSzenarien eines Seuchenzuges simulieren, die Effizienz einzelner Bekämpfungsmaßnahmenevaluieren, sowie Kosten / Nutzen Analysen durchführen. Wie bei keiner anderen Tierseuchezuvor, hat sich bei der <strong>Maul</strong>- und Klauenseuche (MKS) die epidemiologische <strong>Modell</strong>ierungals die Methode der Wahl in den renomierten Fachzeitschriften durchgesetzt (FERGUSON etal., 2001a, b; KAO, 2001; KEELING et al., 2001, 2003; MORRIS et al., 2001).Der Schwerpunkt dieser Arbeit liegt in der Auswahl eines epidemiologischen <strong>Modell</strong>s auseiner Vielzahl der in der Literatur beschriebenen <strong>Modell</strong>e und dessen Erklärung sowieImplementierung am Computer.Die vorliegende Arbeit versteht sich aber auch als interdisziplinär orientierter Beitrag <strong>zur</strong>umfassenden Thematik der epidemiologischen <strong>Modell</strong>ierung. Durch die bewusste Wahl einermathematischen Methode mittlerer Komplexität, unter weitgehendem Verzicht auftheoretische Ableitungen, sollen Veterinärmediziner bzw. Entscheidungsträger in derbehördlichen Seuchenbekämpfung, einen schnellen Zugang <strong>zur</strong> Anwendung finden. Nichtzuletzt soll dadurch auch der Dialog zwischen Mathematikern und Medizinern in derEpidemiologie erleichtert werden.


52. <strong>Modell</strong>entwicklung für die Veterinärepidemiologie2.1 Was ist ein <strong>Modell</strong> ?Unter einem <strong>Modell</strong> versteht man allgemein eine Abstraktion oder vereinfachteRepräsentation eines Prozesses oder Systems. <strong>Modell</strong>e werden <strong>zur</strong> Lösung spezieller Fragenentwickelt und sie berücksichtigen nur jene Faktoren, die maßgeblich <strong>zur</strong> Lösung dergestellten Fragen beitragen (RUBEL, 2002).<strong>Ein</strong> epidemiologisches <strong>Modell</strong> basiert auf dem gleichen Prinzip: es fließen nur jene Elementedes realen Prozesses (der Epidemiologie einer Infektionskrankheit) in abstrahierter Form indie <strong>Simulation</strong> ein, <strong>von</strong> denen angenommen wird, dass sie für die Lösung eines bestimmtenProblems ausschlaggebend sind. <strong>Ein</strong>e solche Fragestellung könnte zum Beispiel sein, ob eineEpidemie ausbricht oder nicht, oder welches Ausmaß zu erwarten ist.Abhängig <strong>von</strong> der gewünschten Genauigkeit der Ergebnisse und dem Grad der Verflechtungder Zusammenhänge in der Realität, ist es notwendig, mehr oder weniger komplexe <strong>Modell</strong>ezu erstellen (McDERMOTT, 1995; RUBEL, 2002).In der Veterinär-Epidemiologie werden Prozessmodelle entwickelt und eingesetzt um:• das bereits bestehende Wissen über eine bestimmte Infektionskrankheit zustrukturieren,• das vorhandene Datenmaterial besser zu verstehen und zu veranschaulichen,• das Wissen über die Dynamik <strong>von</strong> Tierseuchen zu testen sowie neue Erkenntnisse zugewinnen,• im Falle <strong>von</strong> Neuausbrüchen kontagiöser Erkrankungen Prognosen über dasAusmaß und die zeitliche bzw. räumliche Ausbreitung treffen zu können,• unterschiedliche Kontrollmaßnahmen zu überprüfen und zu optimieren,• die Entscheidungsfindung <strong>von</strong> Veterinärbehörden zu unterstützen.Bei der mathematischen <strong>Modell</strong>ierung spielen das vorhandene epidemiologische Wissensowie die Verfügbarkeit und Gewinnung des Datenmaterials eine zentrale Rolle. Abbildung 1zeigt, wie der Wissensstand in Bezug zu Qualität und Quantität der Daten gesetzt werdenkann, um <strong>Modell</strong>e nach diesen Kriterien in Kategorien 1 – 4 zu klassifizieren.


6Wissen über denProzesshochgeringQualität u. Quantitätder Datenhoch 1 2gering 3 4Abb. 1: <strong>Modell</strong>e der Kategorien 1 bis 4, klassifiziert in Abhängigkeit desWissensstandes und der verfügbaren Daten (nach RUBEL, 2002)Wenn der Wissensstand über den zugrunde liegenden Prozess hoch ist und gleichzeitig viele,qualitativ hochwertige Daten <strong>zur</strong> Verfügung stehen, so ist das <strong>Modell</strong> der Kategorie 1zugeordnet. Solche Idealfälle findet man in vielen Bereichen der Physik, routinemäßig werdensolche <strong>Modell</strong>e z.B. in der Meteorologie angewendet.Sind gute Daten vorhanden, ist aber das Verständnis des Prozesses (noch) gering (Kategorie2), dann werden mathematische Methoden herangezogen, um Muster zu erkennen undHypothesen zu überprüfen. Beides kann den Kenntnisstand erhöhen.Liegt eine Situation entsprechend der Kategorie 3 vor, wenn also der Wissensstand hoch, aberentsprechendes Datenmaterial nicht verfügbar ist, so kann man da<strong>von</strong> ausgehen, dass die<strong>Modell</strong>e aufgrund der Kenntnis der Gesetzmäßigkeiten des Systems so gut entwickelt sind,dass fehlende Beobachtungen reproduziert werden können. Daten, die nur sehr aufwendig zuerheben sind, können durch <strong>Modell</strong>simulationen ersetzt werden, allerdings nur unter derVoraussetzung, dass vorab eine Evaluierung mit ausgewählten Datensätzen (aus begrenztdurchgeführten Feldexperimenten) erfolgte.Im Bereich der Veterinärmedizin sind Epidemiologen bezüglich der Ausbreitung und dergenauen Mechanismen der Übertragung <strong>von</strong> Infektionskrankheiten häufig mit einerKonstellation der Kategorie 4 konfrontiert, wo sowohl das Wissen als auch die Datenbasis alsgering zu bezeichnen ist. Um trotz dieser ungünstigen Ausgangssituation dennoch eineadäquate Aufarbeitung der Problematik zu gewährleisten, gibt es zwei verschiedene Ansätze:es werden zuerst ausreichend Daten gesammelt, um anschließend mit der <strong>Modell</strong>ierungbeginnen zu können, oder es wird die <strong>Modell</strong>bildung zuerst in Angriff genommen, umfestzustellen, welche Daten möglicherweise den größten <strong>Ein</strong>fluss besitzen. Der erste Wegbirgt die Gefahr, dass die Daten unspezifisch erhoben werden, mit der Konsequenz, dass sichhinterher herausstellt, dass alle oder ein Teil dieser Daten nicht wesentlich <strong>zur</strong> Lösung desProblems beitragen. Im zweiten Ansatz wird vorab ein <strong>Modell</strong> auf niedrigem Niveauimplementiert, da das Wissen über das System noch gering ist. Man nimmt dabei an, dass imZuge der <strong>Modell</strong>entwicklung ersichtlich wird, welche Fakten entscheidend sind, undverbessert sodann das <strong>Modell</strong> Schritt für Schritt unter Verwendung dieser selektiv erhobenenDaten.


7Prozessmodelle können also eine wichtige Rolle im Erstellen und Testen <strong>von</strong> Theorienspielen, die sich mit der Ausbreitung, Kontrolle und Prävention <strong>von</strong> Infektionskrankheitenbefassen.Um nicht nur die einfachen elementaren Faktoren einer Krankheit beschreiben zu können undum die Aussagekraft zu erhöhen, ist es notwendig, komplexere und mathematischaufwendigere <strong>Modell</strong>e zu implementieren. Voraussetzung dafür war bisher allerdings diedetaillierte Kenntnis <strong>von</strong> Programmiersprachen, was in der Vergangenheit vieleEpidemiologen davor abschreckte, sich mit dieser Thematik näher zu beschäftigen. Mithilfehochwertiger, allgemein zugänglicher und kostengünstiger Softwarelösungen, wie z.B.Tabellenkalkulationsprogrammen, ist es heutzutage möglich, selbst ohne speziellesComputerwissen komplexe <strong>Modell</strong>e rasch zu implementieren, ohne dabei einen Kompromissbei der geforderten Genauigkeit der Ergebnisse und Sicherheit in der Anwendung eingehen zumüssen (CARPENTER, 1984).2.2 <strong>Ein</strong>teilung epidemiologischer <strong>Modell</strong>e2.2.1 Empirische und theoretische <strong>Modell</strong>eNach THRUSFIELD (1997) kann man grundlegend zwischen zwei Arten <strong>von</strong> <strong>Modell</strong>en, denassoziativen oder empirischen und den prozessorientierten oder theoretischen <strong>Modell</strong>enunterscheiden:• Assoziative <strong>Modell</strong>e (associative models)Diese <strong>Modell</strong>e verwenden klassische statistische Parameter (z.B.: relativesRisiko, odds-ratio, attributable Risiken, usw.), um Zusammenhängezwischen beobachteten Risikofaktoren und dem Auftreten <strong>von</strong> Krankheitenzu untersuchen. Diese Verfahren werden seit langem vor allem für nichtinfektiöseund chronische Erkrankungen, aber auch fürInfektionskrankheiten erfolgreich eingesetzt und haben zu zahlreichenGesundheitsempfehlungen geführt. Allerdings berücksichtigen solche<strong>Modell</strong>e keine dynamischen Interaktionen und zeitlichen Änderungen inPopulationen.• Prozessmodelle (process models)Die Prozessmodelle versuchen das Auftreten und/oder die Ausbreitung <strong>von</strong>Krankheiten in Populationen quantitativ, zeitlich und auch räumlich zubeschreiben. Der zugrundeliegende Prozess muss dazu zuerst verstandenbzw. theoretisch formuliert werden. Diese <strong>Modell</strong>e sind daher erklärend.


82.2.2 Diskrete und kontinuierliche <strong>Modell</strong>eDiese Klassifizierung bezieht sich darauf, wie die Zeit im <strong>Modell</strong> behandelt wird: die Zeitkann diskret oder kontinuierlich behandelt werden. Wenn ein <strong>dynamisches</strong> <strong>Modell</strong> als diskretbezeichnet wird, dann liegen die <strong>Modell</strong>zustände nur zu bestimmten Zeitpunkten vor. ZurBeschreibung des <strong>Modell</strong>s werden Differenzengleichungen verwendet. Wenn die Zeitkontinuierlich behandelt wird, dann verwendet man <strong>zur</strong> Beschreibung Differentialgleichungen(RUBEL, 2002).2.2.3 Deterministische und stochastische <strong>Modell</strong>eDeterministische <strong>Modell</strong>e liefern für einen einzigen vorgegebenen Datensatz genau eineinziges Ergebnis, wobei der Zustand des <strong>Modell</strong>s zu jedem Zeitpunkt eindeutig bekannt ist.Sie sind damit sehr gut geeignet, um Sensitivitätsanalysen durchzuführen, d.h. man kanngezielt den <strong>Ein</strong>fluss einzelner Parameter auf das System, bzw. die Empfindlichkeit des<strong>Modell</strong>s auf die Änderung eines bestimmten Parameters untersuchen.Stochastische <strong>Modell</strong>e beinhalten Elemente der zufälligen Variation. Sie werden wiederholtgerechnet (Ensemblelauf), wodurch man nicht ein einziges Resultat erhält, sondern eineHäufigkeitsverteilung des Ergebnisses (z.B. die Verteilung <strong>von</strong> Ausmaß und Dauer einerEpidemie). Da ein stochastisches <strong>Modell</strong> keine Punktaussage liefert, sondernErwartungswerte mit Konfidenzintervallen, ist es aus statistischer und interpretativer Sichtdem deterministischen <strong>Modell</strong> überlegen.Wenn ein primär deterministisches <strong>Modell</strong> um eine zufällige Komponente erweitert wird, soist es auch als stochastisch zu klassifizieren (RUBEL, 2002).Stochastische <strong>Simulation</strong>en werden als realitätsnäher angesehen, da jeder realeSeuchenverlauf immer auch <strong>von</strong> zufälligen <strong>Ein</strong>flüssen und Faktoren sowie <strong>von</strong>Unsicherheiten geprägt ist (HURD u. KANEENE, 1993).


92.3 Der Prozess der <strong>Modell</strong>entwicklungDer allgemeine Ablauf der mathematischen <strong>Modell</strong>bildung ist in Abbildung 2 schematischdargestellt.realerProzess<strong>Modell</strong>ierungmathematischesProblemPrüfungAnalyserealeLösungInterpretationmathematischeLösungAbb. 2: Schematischer Ablauf des <strong>Modell</strong>ierungsprozessesAusgangspunkt ist immer ein realer Prozess bzw. ein reales Problem odererklärungsbedürftiges Phänomen, aus dem zunächst ein mathematisches Bild der Wirklichkeitentwickelt wird. Dieses dadurch entstandene mathematische Problem wird mitmathematischen Methoden gelöst, und die Lösung hinsichtlich ihrer realen Bedeutunginterpretiert. Letztendlich müssen die Ergebnisse mit der Realität verglichen werden. Beidiesem Schema handelt es sich allerdings nicht um eine Art Algorithmus, den man nur inGang zu setzen muss, um gesicherte Erkenntnisse zu produzieren, vielmehr gleicht ein<strong>Modell</strong>ierungsprozess einem interaktiven Kreislauf, der erst nach wiederholter Anwendungein zufriedenstellendes Gesamtergebnis liefert. GRIMM (1994) bezeichnet diesen Vorgangauch als „model-creating cycle“: nach einem durchlaufenen Zyklus ist es in der Regelnotwendig, die getroffenen Annahmen neu zu definieren, und mit diesen einen neuen Zykluszu starten. Dadurch wird kontinuierlich versucht, etwaige logische Inkonsistenzen in denAnnahmen aufzudecken, um schließlich das Ergebnis oder die gewünschte Erklärung für einPhänomen zu verbessern.Im Rahmen der vorliegenden Arbeit wurde die Fragestellung anhand folgender Punktemethodisch aufgearbeitet:1. Beschreibung des Systems2. Überlegung der Annahmen - <strong>Modell</strong>beschreibung(Implementierung der Gleichungen)3. Verifikation4. Sensitivitätsanalysen5. Validierung


102.4 Beschreibung des SystemsDie Beschreibung des zu simulierenden Systems ist der erste Schritt in der <strong>Modell</strong>ierung. Eswird das Wissen über den realen Prozess, in diesem Fall über die Epidemiologie der MKS, alsGrundlage für die späteren Überlegungen der Annahmen – <strong>Modell</strong>beschreibung,überblicksmäßig erörtert.Allgemeines:Die <strong>Maul</strong>- und Klauenseuche ist seit mehr als 400 Jahren bekannt. Im 16. Jhdt. wurde inItalien <strong>von</strong> HIERONYMI FRACASTORRI (ROLLE u. MAYR, 1993) erstmals einKrankheitsbild bei Rindern mit Blasen im <strong>Maul</strong> und an den Füssen beschrieben. 1898 zeigtenLÖFFLER und FROSCH, dass der Erreger in der Lage ist, bakteriendichte Filter zu passieren(ROLLE u. MAYR, 1993). Sie war somit die erste Infektionskrankheit, bei der als kausalesAgens ein Virus identifiziert werden konnte.Sie gilt als die ökonomisch bedeutendste Tierseuche der Welt und ist nicht zuletzt deshalbheute eine der am besten erforschten Viruskrankheiten in der Veterinärmedizin.Die MKS ist eine akut verlaufende, hochkontagiöse Erkrankung aller domestizierten undwildlebenden Klauentiere. In seltenen Fällen erkranken auch nicht zu den Paarzeherngehörende Spezies, wie zum Beispiel Elefanten oder Igel. Auch der Mensch kann an MKSerkranken. In der Literatur sind allerdings seit dem Wissen um diese Seuche nur 37 Fällebeschrieben, bei denen eine Infektion beim Menschen nachgewiesen wurde (DONALDSONu. KNOWLES, 2001). Das Risiko für die menschliche Gesundheit ist als vernachlässigbaranzusehen, die <strong>Maul</strong>- und Klauenseuche wird <strong>von</strong> der WHO (World Health Organisation)nicht als Zoonose betrachtet.Ätiologie:Das MKS-Virus gehört <strong>zur</strong> Familie der Picornaviridae (Genus Aphthovirus), und kommt insieben verschiedenen Serotypen vor: O (Oise), A (Allemagne), C, SAT 1-3 (South AfricanTerritories) und Asia 1. Innerhalb jedes Serotyps gibt es zahlreiche Subtypen bzw. Varianten,für deren genauere Bezeichnung ein Zahlensystem verwendet wird (z.B.: A1, A2, ... A23),nach dem die Stämme im World Reference Laboratory in Pirbright (England) einheitlichklassifiziert werden. Die Differenzierung der Subtypen erfolgt mittels KBR (Koplement-Bindungs-Reaktion) oder ELISA (Enzyme Linked Immunosorbant Assay). Das Virus besitztsomit eine ausgeprägte antigenetische Diversität, was vor allem in epidemiologischer Hinsicht<strong>von</strong> Bedeutung ist, da die Serotypen und Subtypen untereinander keine oder nur sehr geringeserologische oder immunologische Kreuzreaktion zeigen.


11Überlebensfähigkeit des Virus:Das MKS-Virus ist säure- und thermolabil. Bei pH-Werten unter 5 wird es rasch undzuverlässig inaktiviert, im alkalischen Bereich erfolgt eine Inaktivierung erst bei pH-Wertenüber 12,5. <strong>Ein</strong>e thermische Inaktivierung ist im allgemeinen ab einer Temperatur <strong>von</strong> 50 °Czu beobachten. Der viruzide Effekt der Temperatur ist allerdings sehr stark da<strong>von</strong> abhängig,in welchem Medium sich das Virus befindet; zum Beispiel kann es in natürlich verseuchterMilch die Pasteurisierung (40 s bei 74 °C) durch die Wirkung <strong>von</strong> Schutzkolloiden überleben,in Milchpulver geht die Infektiosität erst nach 3 min bei 130 °C verloren.<strong>Ein</strong>e sehr hohe Tenazität besteht gegenüber Austrocknung, Kälte und hohenSalzkonzentrationen (Pökeln), ebenso überlebt das MKS-Virus in Körperteilen, welche postmortem nur geringe natürliche Säuerung erfahren, wie Blut, Lymphknoten oderKnochenmark. BÜRKI (1975) wies auf die Gefahr der Konservierung <strong>von</strong> MKS-Virus inHaushaltstiefkühltruhen hin, in welche während des Seuchenausbruches in Österreich im Jahr1972/73 virushältiges Fleisch unmittelbar nach Hausschlachtungen, ohne sachgemäßeAblagerung und Säurebehandlung, eingelagert worden war.Von zentraler seuchenhygienischer Bedeutung ist die lange Überlebensfähigkeit des Erregersunter natürlichen Bedingungen. In trockenem Stallschmutz bleibt er 14 Tage, in feuchtem 8,in Jauche bis zu 39 Tage aktiv. Im gestapelten Stallmist geht die Infektiosität in 30 cm Tiefenach 6 Tagen verloren, während das Virus an der Oberfläche im Sommer bis zu 28 Tage undim Winter bis zu 67 Tage infektiös bleibt. An Futterteilen angetrocknet überlebt das MKS-Virus bis zu 15 Wochen, an Rinderhaaren bis zu 4 Wochen, im Abwasser bei niedrigenTemperaturen bis zu 103 Tage (ROLLE u. MAYR, 1993).Pathogenese:Die <strong>Maul</strong>- und Klauenseuche ist eine Infektionskrankheit mit zyklischem Verlauf. Das Virusgelangt über die Schleimhäute des Respirationstraktes, die Konjunktiven, verletzte äußereHaut oder per os in das empfängliche Tier. An der <strong>Ein</strong>trittspforte entsteht zunächst einePrimäraphthe (bleibt zumeist unbeobachtet), in der eine erste Erregervermehrung stattfindet,und <strong>von</strong> der aus das Virus über die Blutbahn das lymphoretikuläre System als primär affinesOrgan besiedelt, um sich dort abermals sehr stark zu vermehren. Über das anschließendeVirämiestadium kommt es <strong>zur</strong> Generalisierung der Infektion und somit <strong>zur</strong> Besiedelung dersekundär affinen Organe. Klinisch zeigt sich diese Generalisierung durch das Auftreten dercharakteristischen Sekundäraphthen im Bereich <strong>von</strong> Flotzmaul, <strong>Maul</strong>schleimhaut, Klauen(Kronsaum, Interdigitalspalt, Sohlenballen) und Zitzen (Dermotropismus). Insbesondere beiJungtieren und perakuten Verlaufsformen kann das MKS-Virus auch Myocardzelleninfizieren (Myotropismus; Tigerherz). Pathologisch-anatomisch findet man auch Läsionen(Aphthen bzw. Erosionen) in der Schleimhaut des Oesophagus sowie an den Pansenpfeilern.


12Klinik:Die Inkubationszeit beträgt beim Rind 2 bis 7, beim Schwein 2 bis 12 und beim Schaf 1 bis 6Tage. Die Morbidität beträgt annähernd 100 %, die Letalität hingegen nur 2 bis 5 %. BeiJungtieren und bösartigem Verlauf kann die Letalität bis zu 70 % betragen (ROLLE u.MAYR, 1993). Die klinischen Symptome der MKS sind bei allen Klauentieren imWesentlichen sehr ähnlich, jedoch kann der Schweregrad der Erkrankung <strong>von</strong> Spezies zuSpezies erheblich variieren. Die wichtigsten Krankheitszeichen sind Fieber, Salivation,Lahmheit, Blasen in der <strong>Maul</strong>höhle und im Bereich der Klauen. Im Folgenden wird nur dieSymptomatik beim Rind, Schwein und kleinen Wiederkäuer (Schaf und Ziege), alsbedeutendste landwirtschaftliche Klauentiere in Österreich, näher beschrieben.Klinik beim Rind:Das initiale Krankheitszeichen ist ein Anstieg der inneren Körpertemperatur (IKT) bis zu42 °C, der aber nur so lange anhält, bis sich die Sekundäraphthen entwickeln (1 bis 2 Tage).Während der pyretischen Phase zeigt sich hochgradiger Speichelfluss, gerötete<strong>Maul</strong>schleimhaut, Inappetenz und ein dramatischer Abfall in der Milchleistung. In weitererFolge kommt es <strong>zur</strong> Ausbildung <strong>von</strong> bis zu eigroßen Blasen auf der Zunge, der Innenflächender Lippen und Backen, dem Zahnfleisch und der Dentalplatte. Gleichzeitig entwickeln sichBlasen im Zwischenklauenspalt und Kronsaum, sowie im Bereich der Ballen, Afterklauenund Zitzen.Aufgrund der Klauenläsionen kommt es zu Lahmheiten oder zum Festliegen. Bei Kälbern istder Verlauf <strong>von</strong> schweren Symptomen einer Allgemeinerkrankung mit letalem Ausgang,bedingt durch die Myocarditis, geprägt. Nach überstandener Infektion bleiben oft Spätschädenin Form <strong>von</strong> chronischer Lahmheit, reduzierter Milchleistung und verminderterGewichtszunahme bestehen.Klinik beim Schwein:Nach der Inkubationszeit folgt zunächst eine Phase mit erhöhter IKT, Anorexie und Apathie.Beim Schwein manifestiert sich die <strong>Maul</strong>- und Klauenseuche vor allem im Bereich derKlauen. Gleichzeitige hochgradige Lahmheit mehrerer Tiere eines Bestandes,Bewegungsunlust (Festliegen) und das <strong>Ein</strong>nehmen einer hundesitzigen Stellung sind daher diewichtigsten Verdachtsmomente. Rupturierte Aphthen am Kronsaum und im Interdigitalspaltverursachen Blutungen und Schorfbildung, in schweren Fällen (auch bei bakteriellerSekundärinfektion) ist auch ein Ausschuhen möglich. Im Bereich der <strong>Maul</strong>schleimhaut undRüsselscheibe ist die Blasenbildung meist undeutlich und verursacht nur geringeBeschwerden. Säugende Muttersauen zeigen oft Aphthen am Gesäuge, Saugferkel sterben(Mortalität bis zu 100 %) ohne vorangehende Symptome während der Fieberphase(Myocarditis).


13Klinik beim kleinen Wiederkäuer (Schaf und Ziege):Bei Schafen und Ziegen wird meistens nur ein milder Verlauf beobachtet. Die Blasen an der<strong>Maul</strong>schleimhaut und an den Klauen sind oft sehr klein und werden leicht übersehen. In einerinfizierten Herde ist das klinische Bild durch das plötzliche Auftreten <strong>von</strong> Lahmheitengeprägt. Auch beim kleinen Wiederkäuer zeigt sich eine hohe Jungtiersterblichkeit.Diagnose:Der erste Schritt in der MKS-Diagnostik ist eine lege artis durchgeführte klinischeUntersuchung (BAUMGARTNER, 1999). Anhand der klinischen Befunde lässt sich im Falleeines Neuausbruches aber lediglich der Verdacht auf MKS aussprechen, daher ist <strong>zur</strong>Sicherstellung der Diagnose der Erregernachweis unerlässlich. Hierfür wird Epithel <strong>von</strong>Aphthen und wenn möglich auch Aphthenflüssigkeit entnommen und an das nationaleReferenzlabor (Österreichische Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit –Veterinärmedizinische Untersuchungen, Mödling) eingesandt. Die Routineverfahren für denVirusnachweis und die Typendiagnose sind die KBR und der ELISA. Die genaueIdentifizierung des Serotyps und des Subtyps ist wesentlich für die Gewinnungepidemiologischer Erkenntnisse (Herkunft des Virus, Speziespathogenität), und für dieZusammensetzung <strong>von</strong> Impfstoffen.<strong>Ein</strong>e neuere Methode für den Antigen-Nachweis ist die PCR (Polymerase Chain Reaction).Da bei dieser Technik eine bestimmte Region des viralen Genoms detektiert wird, ist sie auchfür die Untersuchung <strong>von</strong> inaktiviertem Virusmaterial geeignet.Antikörper gegen MKS-Virus lassen sich mit Hilfe der KBR, im ELISA oder NT(Neutralisationstest) nachweisen. Serologische Untersuchungen werden durchgeführt, umlänger <strong>zur</strong>ückliegende Infektionen bei Tieren, <strong>von</strong> denen kein Aphthenmaterial mehrgewonnen werden kann, aufzuspüren, sowie im Rahmen <strong>von</strong> epidemiologischen Erhebungen,<strong>zur</strong> Überprüfung der Wirksamkeit <strong>von</strong> Impfungen und für Import- /Exportkontrollen.Altersbestimmung <strong>von</strong> MKS-Läsionen:Bei jeder epidemiologischen Untersuchung im Falle eines MKS-Ausbruchs ist es essentiell,den Infektionszeitpunkt eines Tierbestandes zu ermitteln. Es müssen alle empfänglichen Tiereeines Hofes sorgfältig klinisch untersucht, und das Alter der Läsionen jedes einzelnenSymptomträgers möglichst genau bestimmt werden. Das Tier mit den ältesten pathologischanatomischenMKS-Effloreszenzen ist dann als der Index-Fall anzusehen. Der ungefähreZeitpunkt der Erstinfektion ergibt sich folglich durch Addieren der Inkubationszeit zu demAlter der ältesten Läsion. Diese klinischen Altersbestimmungen können weiters auch <strong>zur</strong>Berechnung der produzierten Virusmenge herangezogen werden, um unter anderem Aussagenüber potentielle Wege einer Weiterverbreitung treffen zu können.Beim Rind werden zu diesem Zweck vorzugsweise die pathologischen Veränderungen in der<strong>Maul</strong>höhle beurteilt.


14Beim Schwein erhält man die besten Informationen durch die Untersuchung derKlauenveränderungen, insbesondere jener im Bereich des Kronbandes. Wenn die Läsion nochim Kronband selbst lokalisiert ist, ist es unwahrscheinlich, dass sie älter als ungefähr 1 Wocheist. Danach zeigt sich eine Diskontinuität im Klauenhorn, die bedingt durch dasHornwachstum etwa 1 mm pro Woche nach distal wandert. Somit lassen sich auch ältereLäsionen grob datieren.Tabelle 1 zeigt eine Übersicht über die Altersabschätzung <strong>von</strong> Zungenläsionen bei Rindernund Klauenläsionen bei Schweinen (HENDERSON, 1947).Tab. 1: Altersbestimmung <strong>von</strong> MKS-Läsionen bei Rind und Schwein(HENDERSON, 1947)Beschreibung derLäsionennicht rupturierte Blasenungefähres Alter derLäsionen0 – 2 Tagefrisch rupturierte Blasen, Teiledes Blasenepithels haften nochim Bereich des Läsionenrandes1 – 3 Tagerupturierte Blasen mit Epithelverlust,Ränder nicht durchGranulationsgewebe markiertälter als 3 Tage,aber jünger als 7 – 10 Tageoffene Läsionen, durch Granulationsgewebemarkierte Ränderälter als 7 – 10 TageEs ist zu berücksichtigen, dass die zeitlichen Veränderungen in der Morphologie derEffloreszenzen sowie der Heilungsprozess einer gewissen biologischen Schwankungunterliegen und zudem multifaktoriell beeinflusst werden. Sobald die Aphthen rupturiert sind,ist es im Allgemeinen nur näherungsweise möglich, das Alter <strong>von</strong> Läsionen zu schätzen.Zwischen den Tagen 0 und 5 ist allerdings eine Datierung mit einer Genauigkeit <strong>von</strong>plus/minus 1 Tag durchführbar, danach ist mit zunehmendem Alter der Veränderungen aucheine größere Ungenauigkeit verbunden.


15Mechanismen der Virusübertragung und Seuchenausbreitung:Infizierte und erkrankte Tiere scheiden den Erreger über alle Sekrete und Exkrete aus.Besonders virusreich sind Speichel, Milch, Aphthendecken und Aphthenlymphe. Harn undKot sind zwar virushaltig, besitzen aber epidemiologisch eine nur untergeordnete Bedeutung(ROLLE u. MAYR, 1993). <strong>Ein</strong>e wichtige Besonderheit bei der <strong>Maul</strong>- und Klauenseuche istdie Tatsache, dass Speichel bereits während der Inkubationszeit infektiös ist (d.h. dieLatenzphase ist kürzer als die Inkubationszeit), was <strong>zur</strong> Folge hat, dass sich die Seuche indiesem Zeitraum unerkannt ausbreiten kann. SANSON (1994) weist darauf hin, dass auch dieMilch infizierter Kühe bis zu 4 Tage vor dem Auftreten <strong>von</strong> Symptomen das MKS-Virusenthalten kann.Die Virusübertragung und Seuchenverschleppung kann direkt oder indirekt erfolgen.Der direkte Kontakt zwischen infizierten und empfänglichen Tieren ist eindeutig die häufigsteÜbertragungsform, sowohl innerhalb einer Herde (im Stall oder auf der Weide) als auch <strong>von</strong>Bestand zu Bestand über Viehtransporte und –märkte (SANSON, 1994).Die indirekte Virusübertragung ist durch Kontakt mit kontaminierten tierischen Produkten(alle Exkrete und Sekrete, Fleisch und Schlachtabfälle, Käse, Häute, Wolle, etc.), mitkontaminierten Personen (Landwirte, Tierärzte, etc.) und Gegenständen (Fahrzeuge,Stallutensilien, Futtermittel, etc.), sowie durch belebte Vektoren (Nager, Wildtiere, etc.)möglich.<strong>Ein</strong>e weitere indirekte Übertragungsmöglichkeit ist die aerogene Infektion, dieVirusverschleppung durch den Wind („air-born infection“). Nach BÜRKI (1975) muss hierbeizwischen primär aus dem infizierten Tier stammenden und sekundär unter Windeinflussentstehenden Virusaerosolen unterschieden werden: erstere werden direkt bei der Exspirationgebildet, zweitere, wenn vorerst sedimentierte, gröbere, virusbehaftete Partikel durch Windsekundär aufgewirbelt und feiner dispergiert werden. Weiters können ausgetrockneteAphthen, Speichel, Kot und die damit kontaminierte <strong>Ein</strong>streu ebenfalls vom Wind verfrachtetwerden.Die Verbreitung <strong>von</strong> infektiösem Material über die Atmosphäre ist allerdings sehr selten(CASAL et al., 1997), da mehrere Bedingungen gleichzeitig zutreffen müssen. NachCANNON u. GARNER (1999) sind die zwei Hauptbedingungen für die Persistenz <strong>von</strong> MKS-Virus in Aerosolen eine relative Luftfeuchtigkeit <strong>von</strong> über 60 % und eine Temperaturunter 27 °C. Weiters müssen eine konzentrierte Virusquelle, empfängliche Tiere inHauptwindrichtung, eine konstant niedrige Windgeschwindigkeit (5 m/s) und geringe UV-Strahlung gegeben sein (BÜRKI, 1975; CANNON u. GARNER, 1999; DONALDSON et al.,2001).Infizierte Schweine gelten als wichtigste Virusaerosol-Quelle, da sie etwa 1.000 bis 3.000 malmehr Virus über den Respirationstrakt ausscheiden, als Wiederkäuer (CANNON u.GARNER, 1999; DONALDSON u. FERRIS, 1980; DONALDSON et al., 1982a;DONALDSON et al., 1987). Rinder sind aufgrund ihres großen Atemzugvolumens dieempfänglichste Spezies für eine aerogene Infektion (DONALDSON et al., 1987;DONALDSON et al., 2001; GLOSTER et al., 1981).


16Die wenigen in der Literatur beschriebenen Fälle einer Windverbreitung der MKS erfolgtenhauptsächlich über geringe Entfernungen <strong>von</strong> 1 bis 10 km, allerdings können Virusaerosoleüber Meeresgebiet über weitaus größere Distanzen verfrachtet werden (CASAL et al., 1997).Die mit 280 km bislang weiteste, wahrscheinlich air-born Infektion war die MKS-Verschleppung <strong>von</strong> Frankreich auf die südlich <strong>von</strong> England gelegene Isle of Wight im Jahre1981 (DONALDSON et al., 1982b).Die aerogene Ausbreitung ist wie bereits oben erwähnt ein seltenes Phänomen, wenn esallerdings auftritt, ist die Situation umso dramatischer, da es keinerlei unmittelbareGegenmaßnahmen gibt.CANNON u. GARNER (1999) und SANSON (1994) messen den Transporten infektiöserTiere und kontaminierter Produkte oder Gegenstände bei der Seuchenausbreitung über weiteDistanzen mit Abstand die größte Bedeutung zu.Warum ist die <strong>Maul</strong>- und Klauenseuche so kontagiös?Zusammenfassend folgt, dass die hohe Kontagiosität bedingt ist durch das breiteWirtsspektrum, die kurze Inkubationszeit, die bereits vor dem Auftreten <strong>von</strong> klinischenSymptomen stattfindende Virusausscheidung, die massive Virusproduktion erkrankter Tiere,eine sehr niedrige minimale Infektionsdosis, zahlreiche verschiedene Übertragungsmechanismen,sowie die lange Überlebensfähigkeit des Erregers unter natürlichenBedingungen.Bekämpfung:Die Bekämpfung der MKS ist innerhalb der Europäischen Union durch die Richtlinie85/511/EWG vom 18. November 1985 <strong>zur</strong> <strong>Ein</strong>führung <strong>von</strong> Maßnahmen der Gemeinschaft <strong>zur</strong>Bekämpfung der <strong>Maul</strong>- und Klauenseuche geregelt.Die MKS zählt in Österreich nach § 16 TSG (Tierseuchengesetzes) zu den anzeigepflichtigenTierseuchen, wobei bereits der Verdacht auf Vorliegen einer Infektion den zuständigenBehörden (Bürgermeister und Bezirksverwaltungsbehörde) <strong>zur</strong> Anzeige gebracht werdenmuss (§ 17 TSG). <strong>Ein</strong>e therapeutische Behandlung seuchenkranker und –verdächtiger Tiereist generell untersagt.Seit dem 1.1.1992 sind in allen EU-Mitgliedsländern die prophylaktischen Impfungen gegenMKS verboten, statt dessen wird eine rigorose stamping out Politik verfolgt, um denSeuchenerreger zu isolieren und zu vernichten. Die wichtigsten Maßnahmen hierbei sind:• Umgehende Tötung und unschädliche, seuchensichere Beseitigung allerempfänglichen Tiere eines Seuchengehöftes (Seuchenkranke, Verdächtige undGesunde)• Errichtung <strong>von</strong> Schutz- (mindestens 3 km) und Überwachungszonen(mindestens 10 km)


17• Umfassende Desinfektion• Klinische und serologische Untersuchungen der Klauentiere in den Zonen• Verbot bzw. restriktive Kontrolle <strong>von</strong> Tiertransporten (stand still), undPersonenverkehr• Umfangreiche Sperr- und Sicherungsmaßnahmen, Verbot der Abhaltung <strong>von</strong>Viehmärkten, Ausstellungen und sonstiger Sammelstellen• Durchführung epidemiologischer ErhebungenFlankierende veterinärbehördliche Maßnahmen, die in erster Linie eine <strong>Ein</strong>schleppung derMKS verhindern sollen, sind eine permanente Beobachtung der exportierenden Länder(Berichte des OIE) und wenn erforderlich, rasche Sperrmaßnahmen (Import- undDurchfuhrverbote), strenge Grenzkontrollen (genaue Identifizierung aller Vieh- undFleischsendungen), die ständige Verfügbarkeit des MKS-Diagnoselabors, sowie dieErrichtung <strong>von</strong> Quarantänestationen.Trotz des allgemeinen Impfverbotes besteht allerdings die Möglichkeit im Seuchenfall alszusätzliche Schutzmaßnahme eine Notimpfung durchzuführen. Ob und in welchem Ausmaßeine solche Notimpfung (als Ring-, oder Flächenimpfung) erfolgt, obliegt der Entscheidungdes ständigen Veterinärausschusses der EU-Kommission.Die Entscheidung gegen die prophylaktische Impfung hat folgende fachliche Hintergründe:• Geimpfte Tiere können Virusträger sein und somit das Virus streuen (Carrier).• Infizierte Tiere sind <strong>von</strong> geimpften nur durch sehr aufwendige, kostenintensiveMethoden zu unterscheiden.• Nutztiere sollen aufgrund <strong>von</strong> Import/Export Bestimmungen frei <strong>von</strong> MKS-Erregernund -Antikörpern sein (die EU hofft im Rahmen des GATT/WTO in denamerikanischen, australischen und neuseeländischen Markt Klauentiere zuexportieren, da dort bereits seit längerem ein striktes Impfverbot herrscht und geimpfteTiere nicht akzeptiert werden).• Das Virus besitzt eine hohe antigenetische Diversität und Mutationsrate (keine odergeringe Kreuzimmunität); es ist daher unmöglich alle vorkommenden Sero- undSubtypen in eine Vakzine zu inkorporieren.• Impfprogramme sind sehr teuer; Kosten-Nutzen Analysen haben gezeigt, dass einePolitik des Nichtimpfens gegenüber einer flächendeckenden Impfung zu bevorzugenist (LEFORBAN, 1999).


182.5 Beschreibung des SIR-<strong>Modell</strong>sIn Anlehnung an die Arbeiten <strong>von</strong> BERENTSEN et al. (1992), DURAND (1996), DURANDu. MAHUL (2000), GARNER u. LACK (1995) und MAHUL (1998), wird ein erweitertesund modifiziertes state-transition <strong>Modell</strong>, basierend auf den Gesetzmäßigkeiten einerMarkov-Kette, definiert.Bevor mit der Beschreibung des eigentlichen MKS-<strong>Modell</strong>s begonnen wird, wird dasGrundprinzip einer Markov-Kette und des darauf aufbauenden SIR-<strong>Modell</strong>s (SIR =Susceptible / Infected / Recovered) für Infektionskrankheiten erörtert.Markov-Ketten <strong>Modell</strong>e sind aus zwei Komponenten aufgebaut: Zustände (states) undÜbergänge (transitions). Es werden somit Prozesse dargestellt, die sich in gewähltenZeitschritten (t) innerhalb einer bestimmten Anzahl <strong>von</strong> definierten Zuständen (S 1 , S 2 , ..., S n )bewegen. Die Übergänge zwischen den einzelnen Zuständen werden durchWahrscheinlichkeiten (p), auch Übergangswahrscheinlichkeiten genannt, charakterisiert.Markov-Ketten <strong>Modell</strong>e können in Matrizenschreibweise angeschrieben werden. Manbezeichnet sie daher auch oft als Matrizenmodelle. Da die Matrix dieÜbergangswahrscheinlichkeiten enthält, wird sie als Übergangsmatrix bezeichnet.Zustände zum Zeitpunkt t+1S 1 S 2 S 3 S 4 S 5S 1 p 11 p 12 p 13 p 14 p 15Zustände zumZeitpunkt tS 2 p 21 p 22 p 23 p 24 p 25S 3 p 31 p 32 p 33 p 34 p 35S 4 p 41 p 42 p 43 p 44 p 45S 5 p 51 p 52 p 53 p 54 p 55Abb. 3: Allgemeine Formulierung einer Übergangsmatrix für eine Markov-Kette mit 5 möglichen Zuständen S 1 ,..., S 5 . Die p-Werte geben dieWahrscheinlichkeiten für Übergänge zwischen Zuständen zum Zeitpunkt t undt + 1 an und liegen zwischen 0 und 1. Die Summe der p-Werte in jeder Reiheergibt 1 (100 %).


19So ist zum Beispiel die Übergangswahrscheinlichkeit p 23 in Abbildung 3 dieWahrscheinlichkeit, mit der ein Übergang vom Zustand S 2 zum Zeitpunkt t in den Zustand S 3im nächsten Zeitschritt t+1 erfolgt. Die Werte für die einzelnenÜbergangswahrscheinlichkeiten innerhalb einer solchen Kette sind dabei ausschließlich <strong>von</strong>den Zuständen zum Zeitpunkt t abhängig. Die weitere Vergangenheit der einzelnen Zuständewird demnach nicht berücksichtigt, sodass das Markov-Ketten <strong>Modell</strong> vom Grundprinzip herohne einen Gedächtnis-Prozess agiert, es ist also erinnerungslos. Solche <strong>Modell</strong>e werden auchals <strong>Modell</strong>e erster Ordnung bezeichnet (<strong>Modell</strong>e höherer Ordnung sind um Speicher und/oderZeitverschiebungsterme erweitert). Markov-Ketten <strong>Modell</strong>e sind daher diskrete <strong>Modell</strong>e(siehe Kapitel 2.2.2).Für die Zustände in Abbildung 3 lauten die Übergangsgleichungen:S 1,t+1 = S 1,t p 11 + S 2,t p 21 + S 3,t p 31 + S 4,t p 41 + S 5,t p 51S 2,t+1 = S 1,t p 12 + S 2,t p 22 + S 3,t p 32 + S 4,t p 42 + S 5,t p 52...S 5,t+1 = S 1,t p 15 + S 2,t p 25 + S 3,t p 35 + S 4,t p 45 + S 5,t p 55Die Übergangsgleichung für n Zustände lautet daher:S n,t+1 = S 1,t p 1n + S 2,t p 2n ... + S n,t p nnDas bedeutet, dass die Anzahl der <strong>Ein</strong>heiten, die einen bestimmten Zustand zum Zeitpunktt + 1 einnehmen, aus der mit den Übergangswahrscheinlichkeiten gewichteten Summe allerZustandszahlen des vorangegangenen Zeitschrittes t berechnet wird.Die einfachste Form der Anwendung einer Markov-Kette in der Infektionsepidemiologie istdas sogenannte simplifizierte Standard-SIR-<strong>Modell</strong> oder allgemeine epidemiologische<strong>Modell</strong>, bei welchem die Gesamtheit der untersuchten Individuen in drei Zustände(Kompartimente) unterteilt wird. Die möglichen Zustände, die ein Individuum dabei imzeitlichen Verlauf einnehmen kann lauten:• S (susceptible): empfänglich• I (infected): infiziert• R (recovered, removed): genesen, immun, gekeult


20Die Klasse S umfasst alle Individuen, die noch keinen Kontakt mit dem fraglichenInfektionserreger hatten, somit für die Infektion voll empfänglich und natürlich auch nochnicht infektiös sind. Die für die Ausbreitung der Epidemie verantwortlichen Individuen sinddie Infizierten und gleichzeitig Infektiösen, welche durch den Zustand I repräsentiert werden.In der Klasse R sind schließlich jene Individuen vertreten, die sowohl für eine Infektion alsauch Weiterverbreitung der Krankheit nicht mehr in Frage kommen, da sie wieder gesundetund nicht mehr infektiös, sowie durch eine erworbene Immunität vor einer Reinfektiongeschützt sind.Entsprechend der allgemeinen Matrix in Abbildung 3, lässt sich nun die Übergangsmatrix fürdas simplifizierte SIR-<strong>Modell</strong> wie folgt formulieren:Zeitpunkt t + 1S I RZeitpunkt tS q p 0I 0 0 1R 0 0 1Abb. 4: Übergangsmatrix eines simplifizierten SIR-<strong>Modell</strong>s mit konstantenÜbergangswahrscheinlichkeiten.Die Übergangsgleichungen für dieses <strong>Modell</strong> lauten:S t+1 = S t qI t+1 = S t pR t+1 = I t + R twobei:t ... Zeitschritt, oft mit der Inkubationszeit oder Latenzphase der Infektion gleichgesetztp ... Übergangswahrscheinlichkeit <strong>von</strong> S t auf I t+1 ; Infektionswahrscheinlichkeitq ... Wahrscheinlichkeit, dass kein Übergang (keine Infektion) stattfindet; q = 1 – pDie Summe der Anteile der Individuen in den einzelnen Zuständen muss 100 % ergeben:S t + I t + R t = 1


21Die Möglichkeit der einzelnen Zustandsänderungen kann dabei nur nach einer bestimmtenlogischen Reihenfolge stattfinden, wie sie für einen vereinfachten Ablauf einer (nicht letalen)mikroparasitären Infektionskrankheit postuliert wird: die betrachtete Population bestehtprimär aus empfänglichen Individuen (S). Nach Kontakt mit dem infektiösen Agens wechseltein Individuum in den infizierten Zustand (I). Die Inkubationszeit wird in diesem <strong>Modell</strong> ausGründen der Vereinfachung nicht berücksichtigt, sodass Infizierte zeitgleich mit der Infektionauch infektiös werden. Im weiteren Verlauf erholen sich alle infizierten Individuen <strong>von</strong> derErkrankung (die Letalität beträgt 0 %), verlieren ihre Infektiosität und bilden eine 100 %igeImmunität aus (R).Der Verlauf der Zustandsänderungen während einer Epidemie kann somit nur demchronologischen Schema eines SIR-<strong>Modell</strong>sS I Rfolgen.Es handelt sich also um einen gerichteten Rangfolge-Prozess: die definierten Zustände oderStadien können immer nur nacheinander eingenommen werden. <strong>Ein</strong> Überspringen einesZustandes ist ebenso unmöglich, wie ein retrograder Übergang.Durch nicht berücksichtigen <strong>von</strong> Geburten- und Mortalitätsrate wird die Populationsgrößekonstant gehalten.Mit Hilfe der oben angeführten Übergangsgleichungen zu Abbildung 4 kann nun für jedenZeitschritt die Anzahl der Individuen in jeder Klasse berechnet werden:Die Anzahl der Infizierten zum Zeitpunkt t+1, ist die Anzahl der Empfänglichen im vorigenZeitschritt t, multipliziert mit der Infektionswahrscheinlichkeit p. Die Zahl derer, dieempfänglich bleiben (nicht infiziert werden), ist die Zahl der Empfänglichen während t,multipliziert mit der Wahrscheinlichkeit q, dass keine Infektion stattfindet. Der Anteil dergesundeten und immunen Individuen folgt aus der Annahme, dass Infizierte im nächstenZeitschritt unmittelbar in den immunen Zustand R übergehen (Übergangswahrscheinlichkeit =1) und sodann für immer diesen Status beibehalten (Aufsummieren <strong>von</strong> R über alleZeitschritte).Die Summe der Anteile der Individuen in den einzelnen Zuständen muss dabei immer 100 %ergeben, ebenso wie die Summe der Wahrscheinlichkeiten jeder Reihe.<strong>Ein</strong> solch stark vereinfachtes SIR-<strong>Modell</strong> einer Markov-Kette arbeitet also mit nur einereinzigen statischen (konstanten) Übergangswahrscheinlichkeit (p). DieseInfektionswahrscheinlichkeit repräsentiert eine spezifische epidemiologische Größe, die fürjede zu simulierende Infektionskrankheit empirisch bestimmt werden muss. Es ist daher in


22diesem Fall auch der ausschließliche Parameter, über den eine Anpassung des modelliertenProzesses an reale Beobachtungen erfolgt.Die Infektionswahrscheinlichkeit modelliert sowohl die Kontagiosität des Erregers, als auchsämtliche möglichen Mechanismen der Krankheitsübertragung (z.B.: physische Interaktionenzwischen infektiösen und empfänglichen Individuen, belebte und unbelebte Vektoren,aerogene Ausbreitung, etc.). Sie fungiert daher als der eigentliche epidemische Motor.Zusätzlich kommt es im Verlauf der Epidemie mit steigender Anzahl an infektiösenIndividuen zu einer linearen Steigerung des Infektionsdruckes, was <strong>zur</strong> Folge hat, dass sichtrotz gleichbleibender Infektionswahrscheinlichkeit das Risiko jedes <strong>Ein</strong>zelnen zu erkrankenerhöht.


233. Material und Methodik3.1 Das verwendete <strong>Maul</strong>- und Klauenseuche <strong>Modell</strong>Das gewählte <strong>Maul</strong>- und Klauenseuche <strong>Modell</strong> (DURAND u. MAHUL, 2000) basiert aufdem oben beschriebenen, allgemeinen epidemiologischen <strong>Modell</strong> einer Markov-Kette. Umdie umfassende Dynamik einer solchen Epidemie sowie die wesentlichen Faktoren in derKomplexität einer MKS-Seuchenwelle zu erfassen, wird im Folgenden das SIR-<strong>Modell</strong>entsprechend erweitert und für die Implementierung in einer Tabellenkalkulation adaptiert 1 .Die Erweiterung umfasst dabei die folgenden Bereiche:• Das SIR-<strong>Modell</strong> wird durch Unterteilung des Zustandes I (infected) in dieKompartimente L (latent), I (incubating-infectious), und D (diagnosed) auf fünfZustände ausgebaut.• Die Dauer der Latenz- und Inkubationszeit wird miteinbezogen.• Die Übergangswahrscheinlichkeiten zwischen den Kompartimenten werdendynamisch (d.h. zeitabhängig) formuliert.• Die <strong>Ein</strong>heit der Zustände ist nicht mehr das Individuum, sondern eine Herde.• Die Populationsgröße (Anzahl der Herden) bleibt nicht konstant, sondern ändertsich mit der räumlichen Ausdehnung des <strong>von</strong> der Seuche betroffenen Gebietes.• Es werden zwei Kontrollstrategien implementiert, womit „aktiv“ in denSeuchenverlauf eingegriffen werden kann.3.1.1 Beschreibung des SLIDR – <strong>Modell</strong>sIn Analogie zu den medizinisch und epidemiologisch relevanten Stadien einer MKS-Infektionwerden fünf verschiedene Zustände (Kompartimente) definiert:• S (susceptible): empfänglich• L (latent): latent infiziert, nicht infektiös• I (incubating-infectious): inkubierend-infektiös• D (diagnosed): diagnostiziert und bestätigt, infektiös• R (removed): gekeult, nicht infektiös1 Die mathematische Erweiterung und Ableitung des <strong>Modell</strong>s wurde vom Betreuer dieser Arbeit, A.Univ.-Prof.Dr. F. Rubel, durchgeführt. Die <strong>Ein</strong>arbeitung des veterinärmedizinischen Kontextes erfolgte durch den Verfasserdieser Arbeit.


24Die <strong>Ein</strong>heit, mit der das <strong>Modell</strong> arbeitet, ist jetzt nicht mehr ein einzelnes Individuum,sondern eine geschlossene epidemiologisch relevante Gruppe <strong>von</strong> empfänglichen Tieren: diefür die betroffene geographische Region durchschnittlich zusammengesetzte Herde. Diedurchschnittliche Herdengröße errechnet sich dabei aus dem Verhältnis der Gesamtzahl derempfänglichen Tiere zu der Gesamtzahl der landwirtschaftlichen Betriebe einer Region.Die Herden, die sich im Zustand S befinden, sind für die <strong>Maul</strong>- und Klauenseucheempfänglich, haben aber noch keine Kontamination mit dem Virus erfahren. Diese Klasseumfasst allerdings nicht die Gesamtheit aller empfänglichen Klauentierbestände eines Landesoder einer Region, sondern nur jene, die zum jeweiligen Zeitpunkt auch für eine Infektionexponiert sind: es wird angenommen, dass im Falle eines MKS-Ausbruches dieÜbertragungen nur innerhalb einer Zone mit einem Radius <strong>von</strong> r = 10 km um dasSeuchengehöft stattfinden. Alle Herden innerhalb dieses Gebietes (Kreisfläche A = r² · π)werden als empfänglich betrachtet (Infektionen können nur innerhalb dieser Zone stattfinden).Mit der Diagnose des ersten Falles wird diese Zone auch ident mit der behördlichenKontrollzone, die sich aus einer empirischen Annahme um jeweils 1 km pro Zeitschritterweitert. Die Anzahl der betroffenen Herden kann aus der Dichte der Herden abgeschätztwerden. Ebenso kann man die Zahl der betroffenen Tiere anhand der durchschnittlichenHerdengröße berechnen. Die modellierte Gesamtpopulation ist demnach auf jenen Anteil anHerden beschränkt, der sich gerade unter Restriktionen befindet. Diese Limitierung stützt sichauf die Tatsache, dass der überwiegende Anteil der infektiösen Kontakte im Umkreis <strong>von</strong>wenigen Kilometern um einen Seuchenfall stattfindet, und es nur vergleichsweise selten zuÜbertragungen über große Distanzen kommt, sowie dass die Kontrollzonen in der Regelhinreichend dimensioniert sind.Die Klasse L beinhaltet jene Herden, <strong>von</strong> denen bereits ein oder mehrere Tiere mit dem MKS-Virus infiziert sind, aber noch keines da<strong>von</strong> den Erreger ausscheidet. Sie befinden sich also inder Latenzphase.Infektiöse Herden werden durch die beiden Zustände I und D repräsentiert: im Zustand I isteine Herde dann, wenn sich ein oder mehrere Tiere in der infektiösen Phase derInkubationszeit befinden, und/oder bereits klinische Symptome zeigen. <strong>Ein</strong>e Herde, die <strong>von</strong>den Behörden als positiver Fall identifiziert wurde, befindet sich im Zustand D.Zustand R schließt alle gekeulten Herden ein. Mit dem Zeitpunkt der Keulung geht auch dieInfektiosität einer Herde verloren, da eine unmittelbare seuchensichere Entsorgung allergetöteten Tiere angenommen wird.Wie bei der vereinfachten Darstellung einer Infektionskrankheit mit dem SIR-<strong>Modell</strong>, giltauch für die <strong>Maul</strong>- und Klauenseuche, dass Zustandsänderungen nur in der logischenReihenfolgeS L I D Rmöglich sind.


25Der Zeitschritt für die einzelnen Übergänge wird mit einer halben Woche definiert, was derHälfte der durchschnittlichen Inkubationsdauer entspricht. Dadurch ist es möglich, sowohl dieInkubations- als auch die Latenzzeit entsprechend zu berücksichtigen.Die allgemeine Übergangsmatrix für das MKS-<strong>Modell</strong> mit der Übergangswahrscheinlichkeit<strong>von</strong> einem Zustand X zum Zeitpunkt t auf den Zustand X´ zum Zeitpunkt t+1, p XX´ , kann nunfolgendermaßen aufgesetzt werden:Zustände zum Zeitpunkt t + 1Zustände zum Zeitpunktempfänglich Sinfiziert Linfektiös Itdiagnostiziert Dgekeult RSummeempfänglich Sinfiziert Linfektiös Idiagnostiziert Dgekeult Rp SS p SL 0,00 0,00 0,00 1,000,00 p LL p LI 0,00 0,00 1,000,00 0,00 p II p ID 0,00 1,000,00 0,00 0,00 p DD p DR 1,000,00 0,00 0,00 0,00 p RR 1,00Abb. 5: Übergangsmatrix des MKS-<strong>Modell</strong>s in allgemeiner Form. ZumBeispiel ist der Parameter p LI die Wahrscheinlichkeit, mit der eine infizierteHerde im nächsten Zeitschritt infektiös wird.Die Übergangsmatrix zeichnet sich dadurch aus, dass die relevanten Übergangswahrscheinlichkeitenp ausschließlich in der Diagonale angeordnet sind. Wie bereits oben erwähnt,bedeutet das, dass eine empfängliche Herde alle weiteren Zustände nacheinander durchlaufenmuss, bevor sie gekeult wird. Die Summe der Übergangswahrscheinlichkeiten in jeder Reiheergibt 1.Die markierte Übergangswahrscheinlichkeit p SL in Abbildung 5 ist die Infektionswahrscheinlichkeit,die den epidemiologischen Kernprozess simuliert (siehe allgemeines SIR-<strong>Modell</strong>). Die Infektionswahrscheinlichkeit ändert sich im Verlauf einer Epidemie, sie istdaher dynamisch.


26Die Übergangsgleichungen entsprechend der Matrix in Abbildung 5 <strong>zur</strong> Berechnung derAnzahl der Herden in jedem Zustand für alle Zeitschritte lauten:S t+1 = S t p SS + N ewL t+1 = S t p SL + L t p LLI t+1 = L t p LI + I t p IID t+1 = I t p ID + D t p DDR t+1 = D t p DR + R t p RRwobei:N ew ... Anzahl der durch Ausweiten der Kontrollzone neu hinzugekommenen empfänglichenund exponierten Herden zum Zeitpunkt t. Damit wird dem räumlichen Prozess ineinem sonst rein dynamischen <strong>Modell</strong> rechnung getragen.p SS ... Wahrscheinlichkeit, dass keine Infektion stattfindet;p SS = 1 – p SLp SL ... Infektionswahrscheinlichkeitp LL ... Wahrscheinlichkeit, dass eine infizierte Herde in der Latenzphase bleibt;p LL = 1 – p LIp LI ... Wahrscheinlichkeit, dass eine infizierte Herde infektiös wird;p II ... Wahrscheinlichkeit, dass eine infektiöse Herde nicht diagnostiziert wird;p II = 1 – p IDp ID ... Wahrscheinlichkeit, dass eine infektiöse Herde als solche identifiziert (zu einemdiagnostizierten Fall) wird;p DD ... Wahrscheinlichkeit, dass ein diagnostizierter Fall nicht gekeult wird;p DD = 1 – p DRp DR ... Wahrscheinlichkeit, dass ein diagnostizierter Fall gekeult wird;p RR ... Wahrscheinlichkeit, dass eine gekeulte Herde im Status gekeult bleibt;p RR = 1


27Das Ausmaß und der zeitliche Verlauf einer Seuchenwelle werden somit durch die Anzahl derHerden in den einzelnen Zuständen simuliert, wobei drei elementare Prozesse beschriebenwerden können, welche auch jedem realen MKS-Ausbruch zugrundeliegen:• der Seuchenverlauf innerhalb einer Herde• die Weiterverbreitung auf empfängliche Herden• der Effekt der KontrollstrategieIm Folgenden werden diese drei Teilprozesse näher beschrieben.3.1.1.1 Seuchenverlauf innerhalb einer HerdeDie zeitliche Entwicklung einer MKS-Infektion innerhalb einer geschlossenen Gruppe <strong>von</strong>empfänglichen Tieren wird durch die beiden Zustände L und I, sowie durch diekorrespondierende Übergangswahrscheinlichkeit, p LI , modelliert. Der Wert <strong>von</strong> p LI beträgt 0,5und ist für den gesamten Zeitraum konstant. Es dauert daher zwei Zeitschritte bis infizierteTiere einer Herde erstmals klinische Symptome zeigen. Damit wurde für das <strong>Modell</strong> dieLatenzphase auf 3,5 Tage, und die Inkubationszeit auf 7 Tage eingestellt.Die Diagnose einer Infektion mit behördlicher Bestätigung als MKS-positiver Fall ist durchden Übergang vom Zustand I auf den Zustand D charakterisiert. Die Wahrscheinlichkeit, mitder eine infizierte Herde als solche identifiziert wird, ist abhängig <strong>von</strong> derÜbergangswahrscheinlichkeit p ID . <strong>Ein</strong> Ausbruch der <strong>Maul</strong>- und Klauenseuche beginnt immermit einer sogenannten stillen Phase. Die stille Phase umfasst den Zeitraum <strong>von</strong> der<strong>Ein</strong>schleppung des Erregers in ein Land bis <strong>zur</strong> offiziellen Diagnose des ersten Falles.Während dieser Zeit kann sich das Virus ungehindert verbreiten, und die Identifizierung einesSeuchengehöftes beruht auf der spontanen Entdeckung <strong>von</strong> spezifischen oder unspezifischenSymptomen durch herdenbetreuende Personen. Es wird allerdings für das <strong>Modell</strong> dieAnnahme getroffen, dass die Virusverbreitung in dieser Phase auf einen Umkreis <strong>von</strong> 10 kmbeschränkt ist. Mit dem Zeitpunkt der erstmaligen behördlichen Seuchenfeststellung werdenKontrollzonen und Bekämpfungsprogramme implementiert. Durch die <strong>von</strong> nun an aktiveSuche nach neuen Ausbrüchen im Rahmen <strong>von</strong> Surveillance-Programmen und die erfolgteSensibilisierung der Landwirte erhöht sich in dieser Phase auch die Wahrscheinlichkeit, mitder neue Fälle entdeckt werden.Indem für p ID in Abhängigkeit vom Auftreten des ersten diagnostizierten Falles (D t ≥ 1)unterschiedliche Werte angenommen werden, ist das <strong>Modell</strong> in der Lage zwischen diesenbeiden Phasen zu differenzieren und sie getrennt zu modellieren. Der erste Wert beschreibtdie stille Phase: je niedriger diese Wahrscheinlichkeit ist, desto länger dauert sie, und destogrößer ist auch das Gesamtausmaß der Epidemie. Der Wert für p ID während derBekämpfungsphase beschreibt die Effizienz des Surveillance-Programmes: je höher er ist,desto effizienter ist die aktive Suche nach Neuausbrüchen. Auch das Gesamtausmaß verhältsich diesem Wert wieder umgekehrt proportional.


283.1.1.2 Weiterverbreitung auf empfängliche Herden - der epidemische ProzessDie direkte und indirekte Kontamination <strong>von</strong> empfänglichen Herden mit infektiösem Materialkann als der eigentliche epidemische Prozess bezeichnet werden. Das <strong>Modell</strong> simuliert diesenkomplexen Vorgang durch die beiden Zustände empfänglich (S) und latent infiziert (L), mitder korrespondierenden Übergangswahrscheinlichkeit p SL (Infektionswahrscheinlichkeit).Die Infektionswahrscheinlichkeit wirkt in state-transition <strong>Modell</strong>en wie bereits oben erwähntals elementare treibende Kraft einer Seuchenwelle. Dieser Wert subsummiert sämtlichesowohl medizinische und erregerspezifische, als auch umweltspezifische seuchenrelevanteFaktoren und fungiert daher auch als der zentrale epidemiologische Term. Bei jedem realenMKS-Ausbruch ändert sich im zeitlichen Verlauf durch die unterschiedliche Beteiligung undGewichtung dieser Faktoren der Infektionsdruck, und dadurch verhält sich dieNeuinfektionsrate dynamisch. Im <strong>Modell</strong> wird diese Beobachtung nachvollzogen, indem dieÜbergangswahrscheinlichkeit p SL <strong>von</strong> der Anzahl der Virus ausscheidenden Herden und derperiodischen Basis-Reproduktionszahl R 0 abhängig gemacht wird.Diese Reproduktionszahl ist definiert als die durchschnittliche Anzahl an Herden, die proZeitschritt, ausgehend <strong>von</strong> einer einzigen infektiösen Herde, mit dem Erreger kontaminiertwerden.Für einfache SIR-<strong>Modell</strong>e kann die Basis-Reproduktionszahl nach RUBEL (2002) auch wiefolgt formuliert werden:mitα ... Genesungsrateβ ... InfektionsrateR0=Reproduktionszahlen <strong>von</strong> R 0 < 1 führen im Mittel zu einer Abnahme und R 0 > 1 zu einerZunahme der Inzidenz einer Infektionskrankheit.βαDie Verbreitung <strong>von</strong> infektiösem Material ist im Falle der <strong>Maul</strong>- und Klauenseuche wiederumein sehr komplexes Geschehen, das im Wesentlichen <strong>von</strong> folgenden Faktoren beeinflusstwird:• geographische Verhältnisse• vorherrschende klimatische Bedingungen• lokale Dichte an empfänglichen Viehbeständen• Struktur der Landwirtschaft• Größe und tierartliche Zusammensetzung der durchschnittlichen Herde• Individuelles Verhalten der Landwirte• Effektivität der Bekämpfungsmaßnahmen


29Während der stillen Phase einer MKS-Epidemie (bevor der erste Ausbruch bestätigt wurde),kann für alle Zeitschritte die Zahl der Herden, zu denen das Virus <strong>von</strong> jeder infektiösen Herdeweiterverschleppt wird, als konstant angesehen werden. Der korrespondierende R 0 – Wertquantifiziert die Fähigkeit der Seuche, sich in einer bestimmten Region ohne gesetzteGegenmaßnahmen frei auszubreiten.Sobald der erste Seuchenfall diagnostiziert ist, werden Kontrollzonen mit den entsprechendenRestriktionen errichtet: ab sofort sind Tiertransporte verboten oder unterliegen einer strengenÜberwachung, diverse Sperr- und Sicherungsmaßnahmen werden getroffen, Desinfektionenvorgeschrieben, etc., und es ändert sich auch generell das Verhalten der Landwirte. Dies allesführt zu einer Reduktion der Anzahl der Herden, die <strong>von</strong> jeder infektiösen Herde proZeitschritt infiziert werden, ungeachtet den offensiven Maßnahmen <strong>zur</strong> <strong>Ein</strong>dämmung derEpidemie wie Keulung und aktive Suche nach Neuausbrüchen.Die korrespondierenden Werte für R 0 in dieser zweiten epidemiologischen Phase sind alsoeiner kontinuierlichen Regression unterworfen.Für dieses <strong>Modell</strong> wurden die Reproduktionszahlen in Abhängigkeit des ersten positivenFalles folgendermaßen allgemein definiert:• R 0 ist konstant, solange noch keine Herde im Zustand D ist (D < 1).• Sobald eine oder mehrere Herden den Zustand D erreicht haben (D ≥ 1), wirdangenommen, dass der Wert <strong>von</strong> R 0 nach der Funktion R 0(t+1) = R 0(t) / 8 abnimmt..Unter <strong>Ein</strong>beziehung der Basis-Reproduktionszahl lautet die entsprechende Formel <strong>zur</strong>Berechnung der Infektionswahrscheinlichkeit (DIJKHUIZEN, 1988; DURAND u. MAHUL,2000):pSL(t+1)⎛ It+ D= 1−exp⎜−R0⎝ Ntt⎞⎟⎠wobei:R 0 ... Basis-ReproduktionszahlI t + D t ... Summe aller infektiösen Herden zum Zeitpunkt tN t ... Anzahl der empfänglichen und exponierten Herden zum Zeitpunkt t


303.1.1.3 <strong>Modell</strong>ierung der KontrollstrategienDie Dauer und das Ausmaß einer <strong>Maul</strong>- und Klauenseuche Epidemie sind wesentlich <strong>von</strong> derArt und Effektivität der gewählten Kontrollstrategie abhängig. Es wurden zwei möglicheKontrollszenarien in der <strong>Simulation</strong> implementiert, und zwar stamping out und slaughter ofdangerous contacts.3.1.1.3.1 Stamping out (SO)Stamping out bedeutet, dass alle Klauentiere eines Seuchengehöftes (seuchenkranke,verdächtige und gesunde) getötet und entsorgt werden müssen. Im <strong>Modell</strong> ist dieseMaßnahme durch die Elimination der bestätigt infizierten Herden implementiert, also durchden Übergang vom Zustand D in den Zustand R, mit der entsprechenden Wahrscheinlichkeitp DR .Die Effizienz des stamping out ist abhängig <strong>von</strong> einer raschen Identifizierung neuer Fälle undder Zeit, die bis <strong>zur</strong> Durchführung der Keulung verstreicht. Die SO-Strategie ist umsowirkungsvoller, je näher die Übergangsrate p DR dem Wert 1 zustrebt. Wenn p DR den Wert 1annimmt, besteht die höchste Effizienz, da sich in diesem Fall jede infektiöse Herde nur füreinen Zeitschritt im Zustand D befindet.3.1.1.3.2 Slaughter of dangerous contacts (SODC)Dangerous contacts (DCs) sind empfängliche Herden, die dem Risiko einer direkten oderindirekten MKS-Infektion ausgesetzt waren, das heißt, sie sind mit einer gewissenWahrscheinlichkeit infiziert, und würden sich in der Folge zu weiteren Virusstreuern(infektiösen Herden) entwickeln. Solche DCs können Herden sein, die sich entweder inunmittelbarer Nähe zu einem Seuchengehöft befinden (aneinandergrenzende Ställe oderWeiden), oder aber auch in größerer Entfernung, wenn aufgrund epidemiologischerRecherchen eine Viruseinschleppung in die Herde erfolgt sein könnte (z.B. wennnachgewiesen wurde, dass Personen, Fahrzeuge oder Gegenstände des Seuchenhofes währendder infektiösen Phase mit Tieren des anderen Bestandes in Kontakt gekommen sind).Mit der sofortigen präventiven Keulung der identifizierten dangerous contact Herden(zusätzlich zum stamping out der Seuchengehöfte), ohne zu warten, ob die Tiere tatsächlichSymptome entwickeln oder nicht, wird angestrebt, die Entstehung weiterer Infektionsquellenzu verhindern, und somit die Seuchenwelle in der Ausbreitung frühzeitig zu bremsen undschneller zum Erliegen zu bringen.Die SODC-Kontrollstrategie wurde unter folgenden Annahmen implementiert: es wird probestätigt infizierter Herde (D) ein bestimmter Anteil α der dangerous contacts pro Zeitschrittgekeult. Dies führt zu einer Reduktion der Zahl der Herden in den Zuständen empfänglich (S),latent infiziert (L) und inkubierend-infektiös (I). Die Effizienz dieser Maßnahme hängt dabei<strong>von</strong> der Wahrscheinlichkeit δ, mit der die eliminierte DC-Herde eine infektiöse Herde (imZustand L oder I) und nicht eine nur empfängliche Herde (S) ist, ab. Da diese


31Wahrscheinlichkeit für die Zustände S, L und I unterschiedliche Werte annehmen kann, wurdefolgende Unterscheidung getroffen:δ 1 ... Wahrscheinlichkeit, mit der eine DC-Herde im Zustand S ist.δ 2 ... Wahrscheinlichkeit, mit der eine DC-Herde im Zustand L ist.δ 3 ... Wahrscheinlichkeit, mit der eine DC-Herde im Zustand I ist.wobei die Bedingung3∑δ ii=1= 1gilt.Die SODC-Strategie ist umso effizienter, je mehr gekeulte DC-Herden sich in den ZuständenL und I befinden (d.h. je höher die Wahrscheinlichkeiten δ 2 und δ 3 sind). Wenn δ 1 nahe bei 1liegt, dann ist die SODC-Strategie nahezu ineffizient.Um diese Kontrollstrategie letztendlich auch im <strong>Modell</strong> implementieren zu können, müssendie Übergangsgleichungen entsprechend neu definiert werden.Die Übergangsgleichungen für die <strong>Simulation</strong> der slaughter of dangerous contact herdsKontrollstrategie lauten:S t+1 = S t p SS + N ew – δ 1 α t D t p DRL t+1 = S t p SL + L t p LL – δ 2 α t D t p DRI t+1 = L t p LI + I t p II – δ 3 α t D t p DRD t+1 = I t p ID + D t p DDR t+1 = D t p DR + R t p RR + α t D t p DRwobei:α t ... Faktor, der angibt, welcher Anteil der DC´s zum Zeitpunkt t gekeult wird. α t = 1bedeutet, dass genau so viele DC´s wie SO´s gekeult werden.


323.1.2 Allgemeiner Ansatz <strong>zur</strong> Erklärung des <strong>Modell</strong>sBei DURAND u. MAHUL (2000) wurde das <strong>Modell</strong> als state-transition <strong>Modell</strong> bezeichnetund als solches erklärt. <strong>State</strong>-transition <strong>Modell</strong>e sind ein Spezialfall aus der allgemeinenTheorie epidemiologischer <strong>Modell</strong>e. Neben der in Kapitel 3.1.1 beschriebenen Möglichkeit,das <strong>Modell</strong> anhand einer Übergangsmatrix mit den daraus abgeleiteten Übergangsgleichungenzu formulieren, soll an dieser Stelle erklärt werden, wie das state-transition <strong>Modell</strong> mit derallgemeinen Theorie in <strong>Ein</strong>klang gebracht werden kann.Hierfür kann das Schema des beschriebenen MKS-<strong>Modell</strong>s wie folgt aufgesetzt werden:Newp SL S p LI L p ID I p DR DS L I D Rδ 1 α p DR Dδ 2 α p DR Dδ 3 α p DR Dα p DR DVon dem Faktor α (der an sich bestimmt wie viele DC´s pro diagnostiziertem MKS-Fall (D)gekeult werden) wird nun auch bestimmt, mit welcher Kontrollstrategie das <strong>Modell</strong> rechnet:wenn α = 0 gesetzt wird, so ist nur die SO-Strategie implementiert; sobald α > 0 ist, wirdzusätzlich die SODC-Strategie aktiv.Anhand des oben gezeigten Schemabildes können nun die Gleichungen folgendermaßenabgeleitet werden: betrachtet man zum Beispiel die Änderung der empfänglichen Herden Smit der Zeit, dann kann diese als kontinuierlicher Prozess durch den Differentialquotientenausgedrückt werden.dSdt


33Die Bilanz der Herden im Zustand S wird demnach mit der DifferentialgleichungdS= − pdtSLS + New −δ 1α pDRDbeschrieben.Die einzelnen Terme können dabei wie folgt erklärt werden:p SL SNewδ 1 α p DR D... Anzahl der Herden, die vom Kompartiment S in das nächste Kompartiment Lübergehen.... Anzahl der Herden, die durch die Ausdehnung der Kontrollzone <strong>zur</strong> Klasse derempfänglichen Herden S neu hinzukommt.... Anzahl der empfänglichen Herden, die bei aktivierter SODC-Strategie gekeultwerden (δ 1 ist die Wahrscheinlichkeit, mit der eine DC Herde keine infektiöseHerde ist).Wenn das <strong>Modell</strong> mit solchen Differentialgleichungen angeschrieben wird, so bedeutet das,dass es sich um ein kontinuierliches <strong>Modell</strong> handelt, da die Zustände für alle Zeitpunktevorliegen. Um die Gleichungen am Computer lösen zu können, müssen sie aber alsDifferenzengleichungen implementiert werden, das <strong>Modell</strong> muss also diskretisiert werden(das heißt, dass die einzelnen Zustände zu definierten Zeitpunkten vorliegen müssen). Bei derDiskretisierung wird das Differential dS/dt durch die endliche Differenz ∆S/∆t angenähert.Die oben beschriebene kontinuierliche Gleichung als diskrete Gleichung formuliert lautetdaher:∆S/∆t ≈ (S t + ∆t - S t ) / ∆t ≈ S t – p SL S t + New – δ 1 α t p DR D tmit ∆t = 1 folgt:S t + 1 ≈ S t – p SL S t + New – δ 1 α t p DR D t


34In Analogie zu den aus dem state-transition Ansatz abgeleiteten Gleichungen lautet dasgesamte Gleichungssystem für die Implementierung des MKS-<strong>Modell</strong>s:S t + 1 ≈ S t – p SL S t + New – δ 1 α t p DR D tL t + 1 ≈ L t + p SL S t – p LI L t – δ 2 α t p DR D tI t +1 ≈ I t + p LI L t – p ID I t – δ 3 α t p DR D tD t + 1 ≈ D t + p ID I t – p DR D tR t +1 ≈ R t + p DR D t + α t p DR D tDieses Gleichungssystem ist aber ident mit jenem, das im vorhergehenden Kapitel 3.1.1abgeleitet wurde. Man kann das SLIDR-<strong>Modell</strong> auch aus einem allgemeinen Ansatzgewinnen.


353.2 VerifikationDie Verifikation ist die Prüfung, ob das <strong>Modell</strong> richtig rechnet (interne Validierung). Mitdiesem Schritt wird demnach kontrolliert, ob alle mathematischen Gleichungen korrektbeschrieben und implementiert wurden. Die für die Verifikation notwendigen Daten wurdender Arbeit <strong>von</strong> DURAND u. MAHUL (2000) entnommen und geringfügig modifiziert. Eshandelt sich dabei um Parameter, die <strong>von</strong> den Autoren <strong>zur</strong> <strong>Simulation</strong> eines fiktiven MKS-Ausbruches in der französischen Bretagne, einer Region mit hoher Dichte an Rinder- undSchweinebetrieben, ermittelt wurden.Tab. 2: Datensatz für die Verifikation des MKS-<strong>Modell</strong>s nach DURAND u. MAHUL(2000).Anzahl empfänglicher Herden pro km² 1,30Basis-Reproduktionszahl R 0(t) stille Phase 9,32Bekämpfungsphase R 0(t+1) = R 0(t) / 8Übergangswahrscheinlichkeitenp LI(t) 0,50p ID(t) stille Phase 0,70Bekämpfungsphase 0,95p DR(t) stille Phase 0,00Bekämpfungsphase 0,95DCs pro Zeitschritt α t stille Phase 0,00Bekämpfungsphase 1,00SODC-Effizienzδ 1 0,60δ 2 = δ 3 0,20


363.3 Sensitivitätsanalysen3.3.1 BedeutungDie Intention <strong>zur</strong> Durchführung <strong>von</strong> Sensitivitätsanalysen (Sensitivitätsstudien) amverifizierten <strong>Modell</strong> liegt darin, zu untersuchen, wie stark die einzelnen Annahmen auf denendie <strong>Modell</strong>ierung basiert, den Verlauf der <strong>Simulation</strong> beeinflussen. Dabei werden allerelevanten Parameter systematisch variiert, und anschließend die entsprechenden Ergebnissemiteinander verglichen. Führen bereits sehr geringfügige Änderungen einer Variablen zuerheblichen Unterschieden im Ergebnis, so bedeutet das, dass sich das <strong>Modell</strong> gegenüberdiesem Parameter als sehr sensitiv erweist. Im umgekehrten Fall, wenn selbst großeÄnderungen den Verlauf nur unwesentlich beeinflussen, spricht man <strong>von</strong> geringerSensitivität. Primäres Ziel solcher Studien ist es, die sensitiven Parameter zu identifizierenund zu beschreiben. Die aus solchen Analysen gewonnenen Erkenntnisse können nun dazuverwendet werden, um einerseits Justierungen am <strong>Modell</strong> vorzunehmen, andererseits um esan unterschiedliche reale Situationen adaptieren zu können. Die Kenntnis um die sensitivenParameter ist folglich auch dahingehend <strong>von</strong> Bedeutung, als dass diese Parameter so genauwie möglich aus den der <strong>Simulation</strong> zugrundeliegenden realen Daten bestimmt werdenmüssen. Im Gegenzug dazu ist der Anwender in der Lage, anhand genau dieser Parameter diekonkretesten Aussagen über den fraglichen Prozess zu treffen, um diesen besser zu verstehenoder gegebenenfalls auch zu manipulieren.Im Rahmen solcher Untersuchungen kann die <strong>Simulation</strong> auch unter kontrolliertenBedingungen geprüft werden (sie sind also auch erste Validierungsschritte), und zugleichwird der Anwender mit dem Verhalten des <strong>Modell</strong>s besser vertraut.Rein theoretisch gibt es für jedes <strong>Modell</strong> unendlich viele verschiedene Möglichkeiten dieParametereinstellungen zu variieren und kombinieren. Damit letztendlich eineSensitivitätsstudie mit einer sinnvollen Bandbreite und Abstufung der Werte für die einzelnenVariablen durchgeführt werden kann, ist es notwendig, vorab durch freies Experimentiereneine Selektion auf die wesentlichen Variationen zu treffen.3.3.2 MethodeDie Sensitivitätsanalysen für das gegenständliche MKS-<strong>Modell</strong> wurden nach folgenderMethode durchgeführt: aus den Erkenntnissen der experimentellen Vorphase wurde zunächstfür jeden Parameter, der eine Annahme beschreibt, ein Variationsbereich bestimmt. Daraufhinwurden diese Parameter systematisch und exklusiv variiert. Sollte zum Beispiel dieSensitivität des <strong>Modell</strong>s auf die Übergangswahrscheinlichkeit p ID untersucht werden, sowurde ausschließlich dieser Wert verändert und alle anderen Variablen in derGrundeinstellung belassen.Die <strong>Simulation</strong>sergebnisse der einzelnen Parametervariationen werden jeweils nur für denZustand D (die bestätigten Fälle) im Vergleich mit der Grundeinstellung in einer Grafikdargestellt und anschließend interpretiert. Dies erhöht die Übersichtlichkeit, ebenso wie derbewusste Verzicht auf Kombinationen veränderter Variablen.


37<strong>Ein</strong>leitend werden zum besseren Verständnis die jeweiligen zugrundeliegenden Annahmenzusammenfassend beschrieben, sowie die Werte für die Grundeinstellung (GE) angeführt(siehe Kapitel 3.2).3.4 Validierung3.4.1 Allgemeine Aspekte und Methode der ValidierungNachdem das <strong>Modell</strong> verifiziert wurde, erfolgt mit der Validierung die Prüfung, ob und wiegenau die <strong>Simulation</strong> die Realität nachbildet. Dazu werden Beobachtungsdaten aus einerabgelaufenen und dokumentierten MKS-Epidemie benötigt, die idealerweise alle im <strong>Modell</strong>implementierten Annahmen bzw. Parameter abdecken. Sind die erforderlichen Daten nicht inausreichendem Maße vorhanden, so können nur Teile des <strong>Modell</strong>s validiert werden, wasallerdings die gesamte Aussagekraft und Anwendbarkeit der <strong>Simulation</strong> nicht zwingend inFrage stellen muss: mathematische <strong>Modell</strong>e werden oft nicht zuletzt deshalb entwickelt, umnicht oder nur mit erheblichem Aufwand beobachtbare Phänomene zu berechnen und damitsichtbar zu machen (RUBEL, 2002).Zeigt sich im Zuge der Validierung, dass das <strong>Modell</strong> die Realität unzutreffend oder nicht mitder gewünschten Genauigkeit wiedergibt, dann müssen Verbesserungen vorgenommenwerden, indem entweder die Komplexität erhöht wird oder Parameter genauer angepasstwerden (unter Zuhilfenahme der aus den Sensitivitätsstudien gewonnenen Ergebnisse).<strong>Ein</strong>e akzeptierte Validität ist unabdingbare Voraussetzung dafür, dass das <strong>Modell</strong> für seinebestimmte Aufgabe eingesetzt werden kann.Für das vorliegende <strong>Modell</strong> wurde <strong>zur</strong> Validierung die MKS-Epidemie in Großbritannien imJahr 2001 gewählt.3.4.2 Beschreibung der MKS-Epidemie in Großbritannien 2001Am 19. Februar 2001 wurde in einem Schlachthof in der Englischen Grafschaft Essex <strong>von</strong>den für die Schlachttier- und Fleischuntersuchung verantwortlichen Tierärzten bei einer nichtnäher bekannten Anzahl an Schlachttieren der klinische Verdacht auf das Vorliegen einer<strong>Maul</strong>- und Klauenseuche Erkrankung ausgesprochen. Die betroffenen Tiere stammten auseiner Gruppe <strong>von</strong> 308 Schweinen und 2 Rindern aus dem Ort Heddon-on-the-Wall in dernördlichen Grafschaft Northumberland.Das World Reference Laboratory für MKS in Pirbright (GB) verifizierte die Viruspräsenz; dieTypisierung brachte das Ergebnis, dass es sich hierbei um ein hoch virulentes Virus aus derpanasiatischen Gruppe des MKS-Serotyps O handelt, welches zuvor schon unter anderem inJapan und Südkorea Ausbrüche verursacht hatte. Als mögliche Erregerquelle wird vombritischen Landwirtschaftsministerium (DEFRA) die Verfütterung <strong>von</strong> nicht ausreichenderhitzten Speiseabfällen in dem Schweinebetrieb in Northumberland genannt. <strong>Ein</strong>e offizielleBestätigung über die genaue Ursache bzw. Quelle des Seuchenausbruchs liegt bis dato nichtvor.Die Altersbestimmung der gefundenen Läsionen und erste epidemiologische Untersuchungenbrachten zum Vorschein, dass die Seuche bereits seit ca. 2 Wochen vor der Feststellung im


38Land existierte. In diesem Zeitraum konnte sich die Epidemie völlig ungehindert ausbreiten:über unzählige Tiertransporte, vor allem <strong>von</strong> Schafen zu Viehmärkten und Schlachthöfen,wurde der Erreger unerkannt in fast alle Teile des Landes verschleppt. Diese sehr lange stilleAusbreitungsphase gilt als Hauptursache für den explosionsartigen Verlauf und das folglichverheerende Gesamtausmaß der Seuchenwelle (am 20. Februar, als dem Tag der offiziellenBestätigung des Ausbruchs, wurde de facto nicht der erste Fall verifiziert, vielmehr waren dieverantwortlichen Behörden zu diesem Zeitpunkt schon mit einem multifokalen Auftretenkonfrontiert). Abbildung 6 zeigt eine Übersicht über die anfänglichen Ausbreitungsrouten.Abb. 6: Darstellung der Seuchenverschleppung während der stillen Phase, sowie derbestätigten Fälle (blaue Kreise) bis zum 30. März 2001 (FERGUSON et al., 2001a).Der rote Kreis markiert die Indexfarm in Northumberland, das hellblaue Dreieck einenViehmarkt in der Grafschaft Cumbria (Longtown market), als Drehscheibe fürzahlreiche Tiertransporte. Die Pfeile zeigen nachvollziehbare Transporte zu Farmennach Essex (rot), De<strong>von</strong> (violett), Wiltshire (gelb) und Hereford (schwarz).


39In weiterer Folge entwickelte sich daraus die bislang größte MKS-Epidemie innerhalb einesLandes: zwischen dem 20. Februar und dem 30. September 2001 wurden 2.030 Fällebestätigt. In 9.585 betroffenen Betrieben mussten im Rahmen der Seuchenbekämpfunginsgesamt 4.198.000 Tiere gekeult werden, da<strong>von</strong> 3.464.000 Schafe, 585.000 Rinder und144.000 Schweine (der Rest Ziegen, Hirsche und sonstige Tiere).Als volkswirtschaftlicher Schaden, der nicht auf die Landwirtschaft begrenzt blieb, wird <strong>von</strong>den britischen Behörden ein Betrag <strong>von</strong> rund 6,2 Mrd. EURO diskutiert.In Abbildung 7 ist der Verlauf und das Ausmaß der Seuchenwelle in Form einer Zeitreihedargestellt.MKS-Epidemie in England (20.Feb. - 30.Sept.2001)7060Inzidenz bestätigter Fälle5040302010020. Feb3. Apr17. Apr1. Mai15. Mai29. Mai12. JunTag26. Jun10. Jul24. Jul7. Aug21. Aug4. Sep18. Sep2. OktAbb. 7: Zeitreihe der MKS-Epidemie in England vom 20. Februar bis30. September 2001 (Datenquelle: DEFRA, 2001)Der Verlauf der Epidemie ist zunächst durch ein sehr steiles Ansteigen der täglichen Inzidenzgekennzeichnet. Nach etwa 4 Wochen (ca. Ende März) erreichte die Seuchenwelle mit täglichüber 40 neuen bestätigten Fällen ihren Höhepunkt (bis etwa Anfang April), um danach fastebenso steil wieder abzufallen. Dieses Bild entspricht dem klassischen epidemiologischenMuster für hoch kontagiöse Explosivepidemien, und ist somit auch für die MKS typisch(KEELING et al., 2001).


40<strong>Ein</strong>e Besonderheit ist allerdings die extrem lange „Auslaufphase“ (epidemic tail) über einenZeitraum <strong>von</strong> ca. 4 Monaten (1. Juni bis 30. September) mit durchschnittlich 3 neuen Fällenpro Tag.Die vom britischen Landwirtschaftsministerium implementierten Kontrollmaßnahmen lassensich wie folgt zusammenfassen: Am 23. Februar trat erstmals das generelle Verbot <strong>von</strong>Tiertransporten in Kraft (stand still), sowie die Sperre der zahlreichen öffentlichenWanderwege in Weidegebieten. Zusätzlich <strong>zur</strong> Politik des stamping out seuchenpositiverHerden, wurden <strong>von</strong> Beginn an (genauer Zeitpunkt nicht bekannt) auch alle identifizierbarendangerous contact Herden gekeult. Um jedes Seuchengehöft wurde eine Schutzzone miteinem Radius <strong>von</strong> 3 km definiert, innerhalb welcher jeder Betrieb mit empfänglichen Tierendurch regelmäßige klinische Untersuchungen überwacht wurde, und <strong>zur</strong> Durchführung <strong>von</strong>biosecurity Maßnahmen verpflichtet war (Errichtung <strong>von</strong> Seuchenteppichen an allenZufahrten, Reinigung und Desinfektion der Fahrzeuge, etc.).Diese Bekämpfungsstrategien konnten die Ausbreitung der Epidemie zwar bremsen, warenaber nicht in der Lage, sie zum Stillstand zu bringen und eine Ausmerzung zu erzielen(FERGUSON et al., 2001b). Die Ursache dafür liegt allerdings nicht in einer etwaigengeringen Effizienz der erwähnten Maßnahmen an sich, sondern vielmehr in der mangelhaftenpraktischen Umsetzung bzw. Durchführung. Massive logistische Probleme während der erstenWochen gelten als hauptverantwortlich für den schlechten Erfolg: FERGUSON et al. (2001a,b) und KEELING et al. (2001) konnten mit ihren Analysen aufzeigen, dass anfänglicheVerzögerungen im Ausmaß <strong>von</strong> mehreren Tagen zwischen der Infektion einer Herde und derbehördlichen Bestätigung als positiver Fall, sowie zwischen der Bestätigung undDurchführung der Keulung, die ursächlichen Faktoren für die hohen Neuinfektionsraten undletztendlich auch für das enorme Gesamtausmaß der MKS-Epidemie waren. Erst gegen EndeMärz, als die britische Armee <strong>zur</strong> Assistenzleistung in der Seuchenbekämpfung herangezogenwurde, konnte dieser logistisch bedingten Verzögerungen Abhilfe geschafft werden: abdiesem Zeitpunkt gelang es, die gesetzten Vorgaben, Seuchengehöfte innerhalb <strong>von</strong> 24Stunden und die korrespondierenden dangerous contact Betriebe innerhalb <strong>von</strong> 48 Stunden zukeulen, einzuhalten 2 .Zusätzlich wurden in den am heftigsten betroffenen Regionen (Cumbria, Dumfries andGalloway) alle Schafe innerhalb der 3 km Schutzzonen gekeult, außerhalb der Zonengelegenen Schafbetrieben wurde nahegelegt, die Tiere freiwillig keulen zu lassen (voluntarycull).Notimpfungen wurden nicht durchgeführt.2 Der Verfasser dieser Arbeit war in der Zeit <strong>von</strong> Mai bis Juli 2001 als TVI (Temporary Veterinary Inspector) inder Grafschaft Cumbria, England tätig.


413.4.3 Datenmaterial für die ValidierungDie für die Validierung des MKS-<strong>Modell</strong>s verfügbaren Daten aus der Epidemie in England2001 wurden den Internetseiten des englischen Department for Environment, Food and RuralAffairs (DEFRA, 2001), sowie den Publikationen <strong>von</strong> FERGUSON et al. (2001a, b)entnommen. Parameter, für die kein Datenmaterial gewonnen werden konnte, wurdenempirisch bestimmt.3.4.3.1 Liste der täglichen bestätigten MKS-FälleTab. 3: Auflistung der täglichen bestätigten Fälle der MKS-Epidemie inEngland vom 20. Februar bis 30. September 2001 (Quelle: DEFRA, 2001)Datum MKS-Fälle Datum MKS-Fälle Datum MKS-Fälle Datum MKS-Fälle20.02. 1 17.03. 25 11.04. 32 06.05. 321.02. 1 18.03. 28 12.04. 21 07.05. 322.02. 1 19.03. 27 13.04. 31 08.05. 223.02. 3 20.03. 42 14.04. 11 09.05. 524.02. 1 21.03. 43 15.04. 20 10.05. 525.02. 0 22.03. 42 16.04. 18 11.05. 926.02. 5 23.03. 35 17.04. 26 12.05. 527.02. 6 24.03. 45 18.04. 17 13.05. 428.02. 9 25.03. 46 19.04. 14 14.05. 601.03. 6 26.03. 42 20.04. 14 15.05. 102.03. 9 27.03. 44 21.04. 15 16.05. 303.03. 14 28.03. 49 22.04. 8 17.05. 004.03. 12 29.03. 38 23.04. 15 18.05. 505.03. 7 30.03. 61 24.04. 12 19.05. 306.03. 5 31.03. 29 25.04. 18 20.05. 607.03. 15 01.04. 43 26.04. 2 21.05. 408.03. 19 02.04. 39 27.04. 16 22.05. 409.03. 20 03.04. 40 28.04. 10 23.05. 910.03. 7 04.04. 38 29.04. 3 24.05. 111.03. 27 05.04. 33 30.04. 7 25.05. 112.03. 19 06.04. 28 01.05. 7 26.05. 813.03. 17 07.04. 19 02.05. 8 27.05. 614.03. 28 08.04. 28 03.05. 10 28.05. 715.03. 23 09.04. 27 04.05. 10 29.05. 316.03. 17 10.04. 45 05.05. 4 30.05. 2


4231.05. 10 11.07. 3 21.08. 401.06. 4 12.07. 2 22.08. 102.06. 11 13.07. 4 23.08. 203.06. 6 14.07. 4 24.08. 204.06. 10 15.07. 3 25.08. 105.06. 2 16.07. 4 26.08. 706.06. 2 17.07. 3 27.08. 707.06. 7 18.07. 9 28.08. 208.06. 4 19.07. 2 29.08. 009.06. 7 20.07. 3 30.08. 010.06. 1 21.07. 3 31.08. 511.06. 6 22.07. 4 01.09. 112.06. 4 23.07. 4 02.09. 313.06. 4 24.07. 3 03.09. 214.06. 4 25.07. 4 04.09. 315.06. 4 26.07. 4 05.09. 116.06. 4 27.07. 4 06.09. 217.06. 7 28.07. 2 07.09. 118.06. 3 29.07. 1 08.09. 319.06. 6 30.07. 6 09.09. 320.06. 1 31.07. 10 10.09. 121.06. 4 01.08. 3 11.09. 022.06. 4 02.08. 3 12.09. 123.06. 5 03.08. 2 13.09. 024.06. 1 04.08. 2 14.09. 125.06. 2 05.08. 0 15.09. 326.06. 3 06.08. 0 16.09. 127.06. 2 07.08. 3 17.09. 128.06. 4 08.08. 6 18.09. 229.06. 5 09.08. 4 19.09. 030.06. 4 10.08. 1 20.09. 101.07. 0 11.08. 2 21.09. 202.07. 4 12.08. 3 22.09. 003.07. 2 13.08. 0 23.09. 004.07. 2 14.08. 2 24.09. 105.07. 3 15.08. 5 25.09. 006.07. 4 16.08. 2 26.09. 107.07. 3 17.08. 2 27.09. 008.07. 6 18.08. 2 28.09. 009.07. 5 19.08. 0 29.09. 110.07. 4 20.08. 3 30.09. 1


43In Summe wurden 2.030 MKS-positive Herden beobachtet. Die Anzahl aller durchgeführtenKeulungen beläuft sich auf 9.585 Herden.3.4.3.1.1 Umrechnung der täglichen Fälle in <strong>Ein</strong>heiten zu ½ WocheDa das <strong>Modell</strong> mit Zeitschritten <strong>von</strong> einer halben Woche arbeitet, und um das Ergebnis der<strong>Simulation</strong> mit der realen Zeitreihe vergleichen zu können, mussten die Daten aus Tabelle 3auf diese <strong>Ein</strong>heit transformiert werden.Die Umrechnung erfolgte nach der FormelF 1(1/2 Wo) = d 1 + d 2 + d 3 + 0,5 d 4F 2(1/2 Wo) = d 5 + d 6 + d 7 + 0,5 d 4F 3(1/2 Wo) = d 8 + d 9 + d 10 + 0,5 d 11...F n(1/2 Wo) = d n + d n+1 + d n+2 + 0,5 d n+3wobeiF 1(1/2 Wo) , F n(1/2 Wo) ... Anzahl bestätigter Fälle pro halber Woche im chronologischen Verlaufd 1 , d n... Anzahl bestätigter Fälle pro Tag im chronologischen VerlaufTabelle 4 zeigt die Ergebnisse der Umrechnung, wobei in dieser Auflistung berechnete „halbeFälle“ immer dem nächsten Zeitschritt zugeordnet wurden. In Abbildung 8 ist dieentsprechende Zeitreihe grafisch dargestellt.


44Tab. 4: Anzahl der bestätigten Fälle der MKS-Epidemie in England vom 20.Februar bis 30. September 2001, umgerechnet auf <strong>Ein</strong>heiten <strong>von</strong> ½ Woche1/2 Wochen MKS-Fälle 1/2 Wochen MKS-Fälle1 4 37 112 8 38 113 25 39 94 38 40 165 49 41 116 63 42 137 76 43 158 89 44 139 144 45 1310 151 46 1111 161 47 1712 142 48 313 125 49 1314 88 50 615 113 51 1016 65 52 617 64 53 818 45 54 1619 40 55 420 28 56 921 30 57 622 15 58 823 16 59 124 20 60 625 6 61 426 16 62 227 14 63 128 22 64 229 1730 29 Gesamtanzahl 2.03031 1332 1633 1434 1635 1336 10


45180MKS-Epidemie in England 2001160Inzidenz bestätigter Fälle1401201008060402001 3 5 7 9 11 13 15 17 19 21 23 25 27 29 31 33 35 37 39 41 43 45 47 49 51 53 55 57 59 61 63Zeit (in <strong>Ein</strong>heiten <strong>von</strong> 1/2 Woche)Abb. 8: Zeitreihe der MKS-Epidemie in England 2001, umgerechnet auf <strong>Ein</strong>heiten<strong>von</strong> ½ Wochen, wie sie <strong>zur</strong> Validierung des hier diskutierten MKS-<strong>Modell</strong>s verwendetwurden.


463.4.3.2 HerdendichteAbb. 9: England-Karte mit geografischer Verteilung der Anzahl anlandwirtschaftlichen Betrieben mit Schafen, Rindern und/oder Schweinen pro 10km², anhand der Daten aus der Viehzählung im Juni 2000 (Quelle: FERGUSONet al., 2001a). Zu beachten ist, dass eine Zahl <strong>von</strong> 100 Betrieben pro 10 km²einer mittleren Dichte <strong>von</strong> 1 Herde pro km² entspricht.Aus der <strong>von</strong> FERGUSON et al. (2001a) erstellten Veranschaulichung der Anzahl anBetrieben mit Klauentieren (Abb. 9), wurde für das <strong>Modell</strong> eine mittlere Dichte <strong>von</strong> 1,3empfänglichen Herden pro km² angenommen.3.4.3.3 Basis-Reproduktionszahl R 0(t)Für die etwa 2 Wochen dauernde Phase der stillen Seuchenausbreitung (vor dem 20. Februar2001) wurde <strong>von</strong> FERGUSON et al. (2001a) für die Basis-Reproduktionszahl der konstanteWert <strong>von</strong> R 0(t) = 9,8 ermittelt (dieser Wert ist jenem <strong>von</strong> DURAND u. MAHUL (2000) fürFrankreich berechneten Anfangswert <strong>von</strong> R 0 = 9,32 ähnlich). Für die Bekämpfungsphasewurden die <strong>von</strong> FERGUSON et al. (2001b) für die ersten 20 Wochen ab Seuchenfeststellung(Zeitraum vom 20. Februar bis 9. Juli 2001) berechneten Werte für die Basis-Reproduktionszahlen herangezogen. Die entsprechenden Werte sind in Tabelle 5 aufgelistetund in Abbildung 10 grafisch dargestellt.


47Tab. 5: Werte für die wöchentlichen Basis-Reproduktionszahlen R 0(t) vom20. Februar bis 9. Juli 2001, berechnet für das Ende der jeweiligen laufendenWoche (FERGUSON et al., 2001b).Ende derWocheR 0(t)95 % Konfidenzintervallobere Grenze untere Grenze1 4,0 >4,5 1,62 2,0 2,4 1,53 1,7 1,9 1,44 1,4 1,5 1,25 1,3 1,4 1,16 1,05 1,15 0,97 0,9 1,0 0,88 0,9 1,0 0,89 0,9 1,1 0,810 0,8 1,0 0,711 0,9 1,1 0,612 1,2 1,6 0,813 1,4 1,8 0,914 1,3 1,7 0,915 1,2 1,5 0,816 0,8 1,1 0,517 1,5 1,9 1,118 1,4 2,1 0,819 1,1 1,6 0,620 1,3 1,7 0,8


48Abb. 10: Grafische Darstellung der wöchentlichen Basis-Reproduktionszahlen.Für die Zeitschritte nach der 20. Woche wurden für R 0(t) bis zum 25. September kontinuierlichabnehmende Werte nach der Funktion,angenommen.R 0(t+1) = R 0(t) / 1,1Ab dem 25. September wurde die Basis-Reproduktionszahl für alle weiteren Zeitschritte mitR 0(t) = 0,15 konstant gesetzt.3.4.3.4 ÜbergangswahrscheinlichkeitenDer Wert für die Übergangswahrscheinlichkeit p LI („Inkubationszeit“), sowie die Berechnungder Infektionswahrscheinlichkeit p SL , wurde nicht verändert.


49Für die Übergangswahrscheinlichkeiten p ID (Diagnoserate) und p DR (Keulungsrate) wurden inAnlehnung an die Berichte über die in England beobachteten Verzögerungen bei derAuffindung <strong>von</strong> neuen Seuchenfällen und der Durchführung der Keulungen (FERGUSON etal., 2001a, b; KEELING et al., 2001), folgende Annahmen empirisch bestimmt:Die Wahrscheinlichkeit p ID , mit der ein MKS-Fall in der stillen Phase spontan entdeckt wird,beträgt 0,2. Mit Beginn der Bekämpfungsphase ist p ID = 0,35 und erhöht sich sodann in jedemZeitschritt um den Wert 0,02 bis zum Maximalwert 1.Die Keulungswahrscheinlichkeit p DR ist in der stillen Phase naturgemäß 0,0. Sobald der ersteSeuchenfall erkannt wird, ist p DR = 0,35 und steigt folglich pro Zeitschritt solange um denWert 0,01 an, bis p DR = 1 ist.Mit der Bestimmung dieser Parametereinstellungen wurde somit versucht, die anfänglichenlogistischen Probleme bei den surveillance Untersuchungen und den anstehenden Keulungen,sowie die in weiterer Folge zunehmenden Verbesserungen in diesen Bereichen derSeuchenbekämpfung, in groben Zügen nachzuvollziehen.3.4.3.5 KontrollstrategienWie bereits in Kapitel 3.4.2 beschrieben, wurde während der MKS-Epidemie in Englandneben dem üblichen stamping out zusätzlich auch die SODC-Strategie eingesetzt. Dadiesbezüglich keine spezifischen Daten zu eruieren waren, mussten die beiden Parameter αund δ, auf denen die <strong>Modell</strong>ierung der SODC-Strategie beruht, wiederum empirisch bestimmtwerden: das präventive Keulen <strong>von</strong> DC-Herden beginnt mit dem Ende der stillen Phase,wobei der Faktor α als Funktion der Zeitansteigt.α t = exp[(t – 4)/ 18] – 1Für die Wahrscheinlichkeit δ wurden folgende Werte bestimmt:δ 1 = 0,97δ 2 = 0,015δ 3 = 0,015Die Parameter wurden so gewählt, dass die Gesamtzahl der diagnostizierten Fälle, dieGesamtzahl der gekeulten Herden sowie die Zeitreihe der Inzidenz bestmöglich reproduziertwird.


503.4.3.6 Zusammenfassung der ValidierungsdatenZur besseren Übersicht wurden alle für die Validierung des MKS-<strong>Modell</strong>s verwendeten Datenbzw. Parametereinstellungen in Tabelle 6 zusammengefasst.Tab. 6: Daten und Parametereinstellungen für die <strong>Modell</strong>validierungAnzahl empfänglicher Herden pro km² 1,3Basis-Reproduktionszahl R 0(t)stille Phase 9,8Bekämpfungsphase20. Feb. – 9. Juli Ende derWoche1 4,02 2,03 1,74 1,45 1,36 1,057 0,98 0,99 0,910 0,811 0,912 1,213 1,414 1,315 1,216 0,817 1,518 1,419 1,120 1,310. Juli – 25. Sept. R 0(t+1) = R 0(t) / 1,1ab 25. Sept. 0,15


51Übergangswahrscheinlichkeitenp LI(t) 0,50p ID(t)stille Phase 0,20BekämpfungsphaseErhöhung pro Zeitschritt0,350,02p DR(t)stille Phase 0,00Bekämpfungsphase 0,35Erhöhung pro Zeitschritt 0,01DCs pro Zeitschritt α tSODC-Effizienzstille Phase 0,00Bekämpfungsphase α t = exp[(t – 4)/ 18] – 1δ 1 0,970δ 2 0,015δ 3 0,015


524. Ergebnisse4.1 Ergebnisse der VerifikationDie Abbildungen 11 bis 15 zeigen die Ergebnisse der <strong>Simulation</strong> mit demVerifikationsdatensatz aus Tabelle 2, getrennt für die beiden Kontrollstrategien stamping out(SO) und slaughter of dangerous contacts (SODC).80Simulierte MKS-Ausbreitung in Frankreich (Bretagne)SO - StrategieAnzahl Herden706050403020100LID0 2 4 6 8 10 12 14 16 18 20Zeit (in <strong>Ein</strong>heiten <strong>von</strong> 1/2 Woche)Abb. 11: Simulierter Verlauf einer fiktiven MKS-Epidemie in der Bretagne fürdie Zustände latent infiziert (L), inkubierend-infektiös (I) und diagnostiziert(D), mit implementierter stamping out Strategie.


53Ausmaß der simulierten MKS-Epidemie in Frankreich (Bretagne)SO - StrategieAnzahl Herden18001600140012001000800600Herden gesamtSR40020000 2 4 6 8 10 12 14 16 18 20Zeit (in <strong>Ein</strong>heiten <strong>von</strong> 1/2 Woche)Abb. 12: Ausmaß der simulierten fiktiven MKS-Epidemie in der Bretagne, fürdie Zustände empfänglich (S), gekeult (R), sowie für die Anzahl allerbetroffenen Herden innerhalb der Kontrollzone (Herden gesamt), beiimplementierter stamping out Strategie.80Simulierte MKS-Ausbreitung in Frankreich (Bretagne)SODC - StrategieAnzahl Herden7060504030201000 2 4 6 8 10 12 14 16 18 20Zeit (in <strong>Ein</strong>heiten <strong>von</strong> 1/2 Woche)LIDAbb. 13: Simulierter Verlauf einer fiktiven MKS-Epidemie in der Bretagne fürdie Zustände latent infiziert (L), inkubierend-infektiös (I) und diagnostiziert (D),mit implementierter slaughter of dangerous contacts Strategie.


54Anzahl Herden180016001400120010008006004002000Ausmaß der simulierten MKS-Epidemie in Frankreich (Bretagne)SODC - StrategieHerden gesamtSR0 2 4 6 8 10 12 14 16 18 20Zeit (in <strong>Ein</strong>heiten <strong>von</strong> 1/2 Woche)Abb. 14: Ausmaß der simulierten fiktiven MKS-Epidemie in der Bretagne, fürdie Zustände empfänglich (S), gekeult (R), sowie für die Anzahl aller betroffenerHerden innerhalb der Kontrollzone (Herden gesamt), bei implementierterslaughter of dangerous contacts Strategie.Vergleich der Kontrollstrategien für die simulierte MKS-Epidemiein Frankreich (Bretagne)Anzahl Herden4035302520151050SOSODC0 2 4 6 8 10 12 14 16 18 20Zeit (in <strong>Ein</strong>heiten <strong>von</strong> 1/2 Woche)Abb. 15: Vergleich der beiden Kontrollstrategien für die simulierte fiktiveMKS-Epidemie in der Bretagne, für den Zustand diagnostiziert (D).


554.1.1 InterpretationWie die Abbildungen 11 bis 15 zeigen, ist das <strong>Modell</strong> in der Lage, mit einem bestimmtenDatensatz den zeitlichen Verlauf einer MKS-Epidemie in einer bestimmten Region für diebeiden Kontrollstrategien SO und SODC, zu simulieren. Es konnte somit belegt werden, dassalle beschriebenen Gleichungen korrekt und konsistent implementiert wurden, womit das<strong>Modell</strong> als verifiziert gilt.Die Tabelle 7 beinhaltet einen zahlenmäßigen Vergleich der eigenen Ergebnisse, mit den <strong>von</strong>DURAND u. MAHUL (2000) ermittelten Ergebnissen.Tab. 7: Gegenüberstellung der eigenen Ergebnisse für die <strong>Simulation</strong> einerMKS-Epidemie in der französischen Bretagne mit jenen <strong>von</strong> DURAND u.MAHUL (2000), getrennt nach den beiden Kontrollstrategien SO und SODC.eigene Ergebnisse DURAND u. MAHUL (2000)SO SODC SO SODCDauer der Epidemiein Wochen7 4,5 8 3bestätigte Fälle 135 85 176 85durchgeführteKeulungen135 161 176 168Beim Vergleich der Ergebnisse ist zu beachten, dass das hier implementierte <strong>Modell</strong> mit dem<strong>Modell</strong> <strong>von</strong> DURAND u.MAHUL (2000) zwar identisch ist, aber anstelle der diskutiertenR 0 – Werte die Funktion R 0(t+1) = R 0(t) / 8 verwendet. Auch die beidenÜbergangswahrscheinlichkeiten p ID und p DR sind bei DURAND u.MAHUL (2000) variablergehalten als in diesem Ansatz.


564.2 Ergebnisse der Sensitivitätsanalysen4.2.1 Ergebnisse für den Parameter RadiusAnnahme:Während der stillen Phase einer Epidemie kann sich die Seuche in einem Umkreis mitdefiniertem Radius frei ausbreiten. Sobald der erste Fall bestätigt wurde, werdenKontrollmaßnahmen eingeführt, die möglichst alle Infektionswege abriegeln sollen. In dieserPhase wird der Radius pro Zeitschritt immer um einen konstanten Wert erhöht (Zuwachsrate),wodurch die räumliche Ausbreitung der Seuche simuliert wird.Grundeinstellung (GE):stille PhaseZuwachsrate pro Zeitschrittab dem ersten MKS-Fall10 km1 km4.2.1.1 Sensitivität hinsichtlich der freien SeuchenausbreitungBei dieser Variation wird die Auswirkung <strong>von</strong> unterschiedlichen Anfangsradien auf die<strong>Simulation</strong> untersucht, wodurch die Annahme für den Aspekt „freie Seuchenausbreitung“ inder stillen epidemischen Phase evaluiert werden kann. Die gewählten <strong>Ein</strong>stellungen betragen3, 5, 6, 8, 10, 12, 16, 20 und 50 km. Die Zuwachsrate bleibt jeweils unverändert (1 km).


57Sensitivität Radius Variation 1Anzahl bestätigter Fälle5045403530252015103 km5 km6 km8 km10 km (GE)12 km16 km20 km50 km500 2 4 6 8 10 12 14 16 18 20Zeit (in <strong>Ein</strong>heiten <strong>von</strong> 1/2 Woche)Abb. 16: Ergebnisse für die Sensitivität hinsichtlich der freien SeuchenausbreitungAus den Ergebnissen in Abbildung 16 ist zu erkennen, dass kleinere Anfangsradien dasprognostizierte Ausmaß der MKS-Epidemie deutlich reduzieren. Wird zum Beispiel derRadius auf die Hälfte (5 km Kurve) der Grundeinstellung verkleinert, so nimmt dieGesamtanzahl der Herden im Zustand D um 35 % (<strong>von</strong> 135 auf 88), die maximale Inzidenzum 37 % (<strong>von</strong> 38 auf 24) ab.Nimmt man an, dass eine Infektion empfänglicher Herden während der stillen Phase nur ineinem Umkreis <strong>von</strong> 3 km stattfinden kann, reduziert sich die Zahl der bestätigten Fälle um66 % (<strong>von</strong> 135 auf 46), die maximale Inzidenz um 74 % (<strong>von</strong> 38 auf 10).Vergrößert man hingegen den Anfangsradius, so wirkt sich das quantitativ auf densimulierten Seuchenverlauf nur unwesentlich aus: eine Verdoppelung auf 20 km führtbeispielsweise lediglich zu einer Zunahme <strong>von</strong> 15 % bei den bestätigten Fällen (<strong>von</strong> 135 auf155) und 13 % bei der maximalen Inzidenz (<strong>von</strong> 38 auf 43).


58Das <strong>Modell</strong> reagiert also auf den Parameter „Anfangsradius“ partiell sensitiv: kleinere Werteverursachen relevante Abweichungen im Ergebnis, größere Werte jedoch nicht. Der zeitlicheVerlauf zeigt sich durch Änderungen in jedem Fall völlig unbeeinflusst.Aus dieser Analyse lässt sich weiters interpretieren, dass der Anfangsradius <strong>von</strong> 10 km füreine Region mit hoher Dichte an empfänglichen Herden ausreichend dimensioniert wurde,womit die reale Beobachtung der Plaque – Bildung (d.h. die Ausbreitung <strong>von</strong> MKS erfolgtzum überwiegenden Teil auf lokaler Ebene, trotz möglicher aerogener und transportbedingterVirusverschleppung über große Distanzen) mit dieser Annahme hinreichend genau modelliertwird.Durch Variation dieses Parameters im Bereich < 10 km, ergibt sich eine Möglichkeit, das<strong>Modell</strong> an solche reale Situationen anzupassen, in denen während der Phase der freienSeuchenausbreitung Faktoren vorliegen, die eine Übertragung über größere Entfernungenhintanhalten. Beispiele für solche Faktoren sind: geographische Gegebenheiten (Berge, Täler,Strassen, etc.), sehr geringe Frequenz an Tiertransporten und/oder sonstigemlandwirtschaftlichen Verkehr.4.2.1.2 Sensitivität hinsichtlich der räumlichen AusbreitungDer Radius während der stillen Phase (Anfangsradius) bleibt mit 10 km unverändert, sobaldder erste bestätigte Fall vorliegt, wird angenommen, dass sich das <strong>von</strong> der Seuche betroffeneGebiet sukzessive vergrößert. Der Flächenzunahme wird dadurch berücksichtigt, indem derRadiuszuwachs pro Zeitschritt auf 5, 10 und 15 km gesetzt wird.


59Sensitivität Radius Variation 2Anzahl besätigter Fälle4035302520151050+ 1 km (GE)+ 5km+ 10 km+ 15 km0 2 4 6 8 10 12 14 16 18 20Zeit (in <strong>Ein</strong>heiten <strong>von</strong> 1/2 Woche)Abb. 17: Ergebnisse für die Sensitivität hinsichtlich der räumlichen Ausbreitung.Wird der Radius während der ersten epidemischen Phase wie in der Grundeinstellung mit 10km angesetzt und lediglich die kontinuierliche Zuwachsrate erhöht, so hat das so gut wiekeinen <strong>Ein</strong>fluss auf den prognostizierten Seuchenverlauf. Selbst wenn extremerweise eineRadiusvergrößerung <strong>von</strong> 15 km pro Zeitschritt angenommen wird, bleibt das Ergebnisunverändert, das <strong>Modell</strong> zeigt demnach keine Sensitivität für eine Änderung derRadiuszuwachsrate in der Phase der Seuchenbekämpfung.


604.2.2 Ergebnisse für die Übergangswahrscheinlichkeit p IDAnnahme:Die Übergangswahrscheinlichkeit p ID beschreibt die Rate mit der infizierte Herden proZeitschritt als solche identifiziert werden. Während der stillen Phase wird eine geringereWahrscheinlichkeit als in der Bekämpfungsphase angenommen, in der ja aktiv nach weiterenMKS-Fällen gesucht wird.Grundeinstellung:stille Phase 0,70Bekämpfungsphase 0,954.2.2.1 Variation 1 – stille PhaseEs wird die Sensitivität des <strong>Modell</strong>s auf den Parameter p ID während der Phase der freienSeuchenausbreitung untersucht. Dazu werden die Werte <strong>von</strong> p ID mit 0,2, 0,3 und 1 angesetzt,wobei für die Zeit nach dem ersten positiven Fall immer die Grundeinstellung <strong>von</strong> p ID = 0,95beibehalten wird.


61Übergangswahrscheinlichkeit pID Variation 190Inzidenz bestätigter Fälle807060504030200,20,30,7 (GE)11000 2 4 6 8 10 12 14 16 18 20Zeit (in <strong>Ein</strong>heiten <strong>von</strong> 1/2 Woche)Abb. 18: Ergebnisse der Variation 1 (stille Phase) der Sensitivitätsanalyse fürdie Übergangswahrscheinlichkeit p ID .Die Ergebnisse in Abbildung 18 zeigen deutlich, dass das <strong>Modell</strong> auf dieÜbergangswahrscheinlichkeit p ID in der Zeit der stillen Seuchenausbreitung sehr wenigsensitiv reagiert. Jeder mögliche Wert <strong>von</strong> 0,3 bis 1 führt zu einer identen Kurve, die<strong>Simulation</strong> bleibt also über einen sehr weiten Bereich vollkommen stabil. Bemerkenswert istallerdings die sprunghafte massive Änderung der Inzidenzen und der Gesamtzahl derbestätigten Fälle, wenn eine extrem niedrige Übergangsrate angenommen wird: bei einerWahrscheinlichkeit <strong>von</strong> 0,2 wird ein Maximum <strong>von</strong> 84 neuen Fällen pro ½ Woche, und eineSumme <strong>von</strong> 292 Fällen errechnet.Die Ursache dieser drastischen Änderungen liegt in der Verlängerung der stillen Phase: wenndie Wahrscheinlichkeit der spontanen Entdeckung <strong>von</strong> Symptomen der <strong>Maul</strong>- undKlauenseuche sehr gering ist, dauert es eben länger bis der erste Fall entlarvt wird. Liegt dieentsprechende Rate bei 0,2, so dauert diese Phase 2 ½ Wochen. Dadurch erhöht sich nuninnerhalb dieses Zeitraumes die Zahl der infizierten Herden (die Infektionswahrscheinlichkeit


62bleibt ja unverändert), mit der Konsequenz, dass zu Beginn der Bekämpfungsmaßnahmen dieSeuche bereits um ein Vielfaches etablierter ist, als nach einer kurzen stillen Phase.Diese Beobachtung geht auch konform mit den Beobachtungen aus der Entwicklung derSeuchensituation in England 2001, wo es etwa 2 Wochen dauerte, bis die MKS entdecktwurde. <strong>Ein</strong>e sehr lange stille Phase ist daher nachweislich eine der wesentlichsten Ursachenfür ein umfangreiches Ausmaß eines Seuchenzuges.Obwohl die Sensitivität gegenüber diesem Parameter sehr gering ist, lässt sich aus dieserAnalyse dennoch für die Praxis folgende Erkenntnis ableiten: Primär sind permanentwirksame Voraussetzungen zu schaffen, unter denen eine möglichst frühzeitige Entdeckungder <strong>Maul</strong>- und Klauenseuche gewährleistet ist. Die Basis für die Realisierung dieserForderung ist eine umfassende Information und Sensibilisierung der Landwirte, sowie eineregelmäßige Präsenz <strong>von</strong> Tierärzten in den Betrieben.4.2.2.2 Variation 2 – BekämpfungsphaseUm die Sensitivität auf die Diagnosewahrscheinlichkeit p ID während der Bekämpfungsphasezu untersuchen, wurde p ID zunächst während der stillen Phase mit 0,2 fixiert, und sodann inAbhängigkeit vom ersten bestätigten Fall auf die Werte 0,25, 0,5, 0,7, 0,9, und 1 geändert. Fürp ID wurde in der stillen Phase der niedrige Wert <strong>von</strong> 0,2 deshalb gewählt, da es nicht sinnvollist, für diese Wahrscheinlichkeit in der Bekämpfungsphase kleinere Werte anzunehmen, als inder stillen Phase.


63Übergangswahrscheinlichkeit pID Variation 2Inzidenz bestätigter Fälle10090807060504030200,250,50,70,911000 2 4 6 8 10 12 14 16 18 20 22 24 26Zeit (in <strong>Ein</strong>heiten <strong>von</strong> 1/2 Woche)Abb. 19: Ergebnisse der Variation 2 (Bekämpfungsphase) der Sensitivitätsanalysefür die Übergangswahrscheinlichkeit p ID .Aus den in Abbildung 19 gezeigten Ergebnissen ist zu erkennen, dass bei Variation der p ID -Werte während der Bekämpfungsphase nur der zeitliche Verlauf der Seuchenwelle beeinflusstwird (die Gesamtanzahl der bestätigten Fälle bleibt mit 284 immer gleich). Ist dieDiagnosewahrscheinlichkeit in der zweiten epidemischen Phase mit 0,25 nur geringfügiggrößer als in der ersten Phase, so endet die simulierte Epidemie erst nach 12 ½ Wochen, miteiner gegenüber der Grundeinstellung nur geringfügig höheren maximalen Inzidenz derdiagnostizierten Fälle. Werden für p ID deutlich höhere Werte angenommen als in der stillenPhase (0,5 bis 1), so führt dies zu einer entsprechend kürzeren Dauer der Epidemie, allerdingszu Lasten einer massiven Erhöhung der periodischen Inzidenzen.


64Die Ergebnisse dieser Parameterstudie bestätigen somit nur teilweise die postulierteAnnahme, die Übergangswahrscheinlichkeit p ID nach Bekanntwerden des ersten MKS-Fallessei geeignet, die Effektivität des Surveillance – Programmes umfassend zu modellieren. Imrealen Prozess führt eine ineffiziente Surveillance (d.h. die Rate mit der Seuchenfälle entlarvtwerden ist niedrig) zu einer längeren Dauer des Seuchenzuges und zu einer höherenGesamtzahl an positiven Fällen, bedingt durch die Tatsache, dass sich das Infektionspotentialsolcher nicht rechtzeitig erkannter Fälle aufgrund der sehr raschen Durchseuchung einerHerde exponentiell erhöht. Über diesen Parameter ist daher bei der Anwendung keineAnpassung an den realen Prozess möglich.4.2.3 Ergebnisse für die Übergangswahrscheinlichkeit p DRAnnahme:Die Wahrscheinlichkeit p DR ist die Rate mit der als MKS-positiv entlarvte Herden proZeitschritt gekeult werden, womit die Kontrollstrategie des stamping out modelliert wird. Jehöher diese Übergangswahrscheinlichkeit ist, desto rascher kommt es <strong>zur</strong> Keulung derbetroffenen Tierbestände und desto effizienter ist daher diese Kontrollmaßnahme, wasletztendlich zu einer schnelleren Tilgung der Seuche und zu einem geringeren Gesamtausmaßführt.Grundeinstellung:stille Phase 0,00Bekämpfungsphase 0,954.2.3.1 Variationen der p DR – WerteZur Durchführung der Sensitivitätsstudie für die Übergangswahrscheinlichkeit p DR wurdenfolgende Werte angenommen: 0,2, 0,3, 0,4, 0,5, 0,6, 0,7, 0,8 und 1.


65Übergangswahrscheinlichkeit pDRInzidenz bestätigter Fälle90807060504030200,20,30,40,50,60,70,80,95 (GE)11000 2 4 6 8 10 12 14 16 18 20 22 24 26 28 30 32 34 36Zeit (in <strong>Ein</strong>heiten <strong>von</strong> 1/2 Woche)Abb. 20: Ergebnisse der Sensitivitätsanalyse für die Übergangswahrscheinlichkeit p DR .Wird für die Keulungsrate der Maximalwert <strong>von</strong> 1 angenommen, so führt dies gegenüber derGrundeinstellung (0,95) zu keiner nennenswerten Veränderung im Ergebnis. Auf kleinerep DR – Werte reagiert das <strong>Modell</strong> allerdings deutlich sensitiv: sowohl das Ausmaß als auch dieDauer der simulierten Epidemie werden kontinuierlich erhöht. Dieses Ergebnis entsprichtsomit eindeutig der für diesen Parameter getroffenen Annahme, womit die wichtige Optiongeboten ist, die gesamte Logistik rund um den Komplex der Keulung, samt etwaigerProbleme in diesem Bereich, gegebenenfalls situationsbezogen zu berücksichtigen.


664.2.4 Ergebnisse für die Übergangswahrscheinlichkeit p LIAnnahme:Die Übergangswahrscheinlichkeit p LI ist die Wahrscheinlichkeit, mit der eine latent infizierteHerde (Herde im Zustand L) innerhalb eines Zeitschrittes zu einer infektiösen Herde wird(Herde im Zustand I). Mit dieser Übergangsrate kann die Inkubationszeit bzw. auch dieLatenzphase moduliert werden, womit die zeitliche Entwicklung einer MKS-Infektioninnerhalb einer geschlossenen epidemiologischen Gruppe (Herde) simuliert wird.Grundeinstellung:p LI = 0,504.2.4.1 Variationen der p LI – WerteZur Durchführung der Sensitivitätsstudie für die Übergangswahrscheinlichkeit p LI wurdenfolgende Werte angenommen: 0,40, 0,45, 0,55, 0,60, 0,65 und 0,70Übergangswahrscheinlichkeit pLIInzidenz bestätigter Fälle6050403020100,40,450,5 (GE)0,550,600 2 4 6 8 10 12 14 16 18 20Zeit (in <strong>Ein</strong>heiten <strong>von</strong> 1/2 Woche)Abb. 21: Ergebnisse der Sensitivitätsanalyse für die Übergangswahrscheinlichkeit p LI .


67Das <strong>Modell</strong> reagiert auf den Parameter p LI deutlich sensitiv, da bereits sehr geringeÄnderungen das Ausmaß der Epidemie hinsichtlich der auftretenden Seuchenfälle (Herden imZustand D) relevant beeinflussen (der zeitliche Verlauf ändert sich in einem unbedeutendmarginalen Bereich). Die mit steigenden p LI – Werten zu verzeichnenden Zunahmen derperiodischen MKS-positiven Herden, lässt sich folgendermaßen erklären: je höher dieseÜbergangswahrscheinlichkeit ist, desto mehr latent infizierte (noch nicht infektiöse) Herdenwerden pro Zeitschritt zu infektiösen Herden. Anders ausgedrückt bedeutet das, dass sich ausder Gesamtheit der infizierten Bestände, rascher und mehr infektiöse Bestände entwickeln(die Inkubationszeit bzw. die Latenzphase verkürzt sich umgekehrt proportional <strong>zur</strong>Übergangswahrscheinlichkeit p LI ), wodurch es durch den steigenden Infektionsdruck in derGesamtpopulation wiederum zu mehr Infektionen kommt.4.2.5 Ergebnisse für die HerdendichteAnnahme:Die Herdendichte ist definiert als die Anzahl empfänglicher Klauentierbestände pro km² einerRegion oder eines Landes. Je höher die Herdendichte ist, desto leichter kommt es zu einerWeiterverbreitung der MKS, und desto größer ist folglich auch das Gesamtausmaß derEpidemie.Grundeinstellung:Herdendichte = 1,304.2.5.1 Variationen der HerdendichteDie Sensitivitätsanalyse für diesen Parameter wurde mit folgenden Werten durchgeführt:0,05, 0,1, 0,2, 0,3, 0,4, 0,7, 1,0 und 3,0.


68HerdendichteInzidenz bestätigter Fälle4540353025201510500,050,10,20,30,40,711,3 (GE)30 2 4 6 8 10 12 14 16 18 20Zeit (in <strong>Ein</strong>heiten <strong>von</strong> 1/2 Woche)Abb. 22: Ergebnisse der Sensitivitätsanalyse für die Herdendichte.Aus den in Abbildung 22 gezeigten Ergebnissen ist ersichtlich, dass das Prozessmodell aufden Parameter Herdendichte partiell sensitiv reagiert: mit abnehmender Dichte anempfänglichen Herden in einer Region, wird sowohl das Ausmaß der Epidemie bezüglichAnzahl an Fällen, als auch die Dauer zunehmend geringer ausfallen.Erhöhungen der Herdendichte über den ohnehin schon sehr hohen Wert <strong>von</strong> 1,3 Herden prokm² zeigten erst bei der als unrealistisch anmutenden Dichte <strong>von</strong> 3 Beständen pro km² einemerkliche Änderung der Epidemiegröße.


694.2.6 Ergebnisse für die Basis-Reproduktionszahl R 0Annahme:Die Basis-Reproduktionszahl gibt an, wie viele empfängliche Herden, ausgehend <strong>von</strong> einereinzigen infektiösen Herde, durchschnittlich pro Zeitschritt infiziert werden. In der stillenepidemischen Phase ist R 0 ein konstanter Wert, mit dem das Ausbreitungspotential der MKSohne spezifische Kontrollmaßnahmen quantifiziert wird. Mit dem Zeitpunkt derSeuchenfeststellung wird <strong>von</strong> den Behörden sofort ein Bekämpfungsprogrammimplementiert, demzufolge die periodische Verbreitungsrate R 0 abnimmt.Grundeinstellung:stille Phase 9,32Bekämpfungsphase R 0(t+1) = R 0(t) / 84.2.6.1 Variation 1 – stille PhaseBei dieser Analyse wurde der <strong>Ein</strong>fluss unterschiedlicher Basis-Reproduktionszahlen währendder Phase der freien Seuchenausbreitung auf das Ausmaß der Epidemie untersucht. Hierfürwurden für R 0 folgende Werte angenommen: 5, 6, 7, 8, 11, 12, 13 und 14.Die Abnahmefunktion <strong>von</strong> R 0 in der Bekämpfungsphase blieb jeweils gleich wie in derGrundeinstellung.


70Ro Variation 1Inzidenz bestätigter Fälle70605040302056789,32 (GE)111213141000 2 4 6 8 10 12 14 16 18Zeit (in <strong>Ein</strong>heiten <strong>von</strong> 1/2 Woche)Abb. 23: Ergebnisse der Variation 1 (stille Phase) der Sensitivitätsanalyse für dieBasis-Reproduktionszahl R 0 .Die Abbildung 23 zeigt, dass das Gesamtausmaß der MKS-Epidemie <strong>von</strong> der Höhe der Basis-Reproduktionszahl während der stillen Ausbreitungsphase entscheidend beeinflusst wird: jegrößer R 0 zu Beginn eines MKS-Ausbruchs ist, desto mehr Infektionen treten im weiterenVerlauf auf, wobei die Sensitivität als sehr hoch eingestuft werden kann (bereits geringeUnterschiede <strong>von</strong> R 0 führen zu relevanten Änderungen).Die Dauer der Epidemie wird durch Variation dieses Parameters nicht relevant verändert;auch bleibt die Zeit bis <strong>zur</strong> ersten Entdeckung eines Seuchenfalles, selbst bei sehr hohen R 0 –Werten, immer gleich (je mehr Herden zu Beginn infiziert werden, desto höher ist auch dieWahrscheinlichkeit, dass ein Seuchenfall entdeckt wird).


714.2.6.2 Variation 2 – BekämpfungsphaseUm die Sensitivität des <strong>Modell</strong>s auf R 0 in der Bekämpfungsphase zu analysieren, wurden mitEnde der stillen Phase unterschiedliche Funktionen <strong>zur</strong> periodischen Reduktion <strong>von</strong> R 0implementiert:R 0(t+1) = R 0(t) / xwobei x = 20, 5, 3, 2, 1,8 und 1,6Für die stille Phase wurde R 0 immer in der Grundeinstellung belassen.Ro Variation 2Inzidenz bestätigter Fälle12010080604020/ 20/ 8 (GE)/ 5/ 3/ 2/ 1,8/ 1,600 2 4 6 8 10 12 14 16 18 20 22 24Zeit (in <strong>Ein</strong>heiten <strong>von</strong> 1/2 Woche)Abb. 24: Ergebnisse der Variation 2 (Bekämpfungsphase) der Sensitivitätsanalyse fürdie Basis-Reproduktionszahl R 0 .


72Das Prozessmodell erweist sich gegenüber der Basis-Reproduktionszahl in derBekämpfungsphase als partiell sensitiv: während selbst bei einer drastischen Steigerung derperiodischen Reduktion <strong>von</strong> R 0 keine nennenswerte Auswirkung auf den Seuchenverlauf zubeobachten ist, kommt es bei langsameren Abnahmen der R 0 – Werte zu entsprechendunfangreicheren Seuchenzügen, und zwar sowohl quantitativ als auch zeitlich. Die Sensitivitätgegenüber höheren Basis-Reproduktionszahlen ist dabei sehr hoch.


734.3 Ergebnisse der Validierung4.3.1 Ergebnisse der <strong>Simulation</strong> der MKS-Epidemie in England 2001Tabelle 8 zeigt die vom Prozessmodell unter Verwendung des Validierungsdatensatzes(Tabelle 6) errechnete Anzahl an MKS-Fällen (Herden im Zustand D) pro Zeitschritt ( ½Woche), im Vergleich mit den tatsächlich während der Epidemie in England 2001 pro halberWoche bestätigten Seuchenfällen. In Tabelle 10 sind die Kenngrößen für das Gesamtausmaßgegenübergestellt.In der Abbildung 21 ist die zeitliche Entwicklung der bestätigten Seuchenfälle grafischdargestellt.Tab. 8: Errechnete und tatsächliche periodische Fälle der MKS-Epidemie inEngland 2001tbestätigte MKS-Fälle½ Woche England Prozessmodell0 0 01 0 02 0 03 4 14 8 35 25 96 38 227 49 388 63 689 76 8710 89 11011 144 12512 151 13413 161 13214 142 12515 125 11316 88 9917 113 8118 65 6619 64 5120 45 4021 40 3222 28 2723 30 2324 15 2025 16 1726 20 1527 6 15


7428 16 1429 14 1530 22 1631 17 1832 29 2033 13 2134 16 2335 14 2436 16 2637 13 2138 10 2039 11 2840 11 3141 9 3242 16 3543 11 3344 13 3245 15 3546 13 3647 13 3348 11 3049 17 2550 3 2051 13 1552 6 1153 10 754 6 555 8 356 16 157 4 158 9 059 6 060 8 061 1 062 6 063 4 064 2 065 1 066 2 067 0 068 0 069 0 070 0 0gesamt 2.030 2.086


75Tab. 9: Vergleich der simulierten und realen Epidemie.Dauer der Epidemiein WochenProzessmodell England 200129 33Anzahl an MKS-Herden 2.086 2.030Anzahl an Keulungen 9.194 9.585MKS-Epidemie in England 2001180160140bestätigte MKS-FälleProzessmodellInzidenz (Herden)1201008060402001 4 7 10131619222528313437404346495255586164677073767982Zeit (1/2 Wochen)Abb. 21: Zeitliche Entwicklung der vom Prozessmodell simulierten Epidemie,im Vergleich mit dem realen Verlauf des MKS-Ausbruches in England 2001


76Differenz der Fälle diagnostiziert - modelliert4020Inzidenz0-201 4 7 10 13 16 19 22 25 28 31 34 37 40 43 46 49 52 55 58 61 64 67 70 73 76 79-40Zeit (1/2 Wochen)Abb. 22: Differenz der tatsächlich in England diagnostizierten und der vom <strong>Modell</strong>berechneten Fälle MKS-Fälle. (Zu beachten ist, dass die Zahl der bestätigten MKS-Fälle mit Sicherheit nicht der tatsächlichen Zahl der MKS-Fälle entspricht. Über dieGenauigkeit der bestätigten Fälle liegt keine Information vor.)Ausmaß der simulierten MKS-Epidemie10.000Anzahl Herden8.0006.0004.0002.0000MKS-Herdengekeulte Herden0 10 20 30 40 50 60 70 80Zeit (1/2 Wochen)Abb. 23: Ausmaß der simulierten MKS-Epidemie als kumulative Bilanz


77Um die Übereinstimmung der <strong>Modell</strong>-Ergebnisse mit den beobachteten Daten objektivierenzu können, wurde zusätzlich <strong>zur</strong> Berechnung der Differenzen, der Korrelationskoeffizientnach Pearson (r) zwischen den Datensätzen für die periodischen Fallzahlen (Tab. 8),berechnet:Pearson´scher Korrelationskoeffizient für periodische MKS-Fälle: r = 0,95.Das gezeigten Ergebnisse lassen erkennen, dass die vom <strong>Modell</strong> unter Verwendung derBeobachtungsdaten und mit der empirischen Anpassung der nicht dokumentierten Parameterberechnete zeitliche Entwicklung der bestätigten Seuchenfälle mit dem tatsächlichen Verlaufder England-Epidemie gut übereinstimmt. Für den Zeitraum <strong>von</strong> der initialen Infektion einerHerde (Indexfall) bis <strong>zur</strong> erstmaligen Identifikation der MKS (stille epidemische Phase) wirdeine Dauer <strong>von</strong> 2 Wochen berechnet. Folglich (ab dem Zeitpunkt der Seuchenfeststellung)zeigt die Kurve einen sehr steilen, kontinuierlichen Anstieg, bis nach etwa 4 Wochen derHöhepunkt der Seuchenwelle erreicht ist (mit 134 Fällen pro ½ Woche). Danach kommt esbis ca. <strong>zur</strong> 11. Woche zu einem ebenso steilen Abfall der periodischen Inzidenzen. Das<strong>Ein</strong>treffen des Seuchenhöhepunktes wird vom <strong>Modell</strong> mit einer halben Woche geringfügigfrüher ausgewiesen als tatsächlich, und der epidemische Peak fällt um 29 Fälle geringer aus,als tatsächlich. Bis <strong>zur</strong> 11. Woche zeigt die <strong>Simulation</strong>, in weitgehender Übereinstimmungmit dem beobachteten Verlauf, das für eine Explosivepidemie wie die <strong>Maul</strong>- undKlauenseuche typische epidemiologische Muster: rapide Zunahme der Zahl derNeuerkrankungen (bedingt durch die hohe Kontagiosität des Erregers), nach Überschreitendes Höhepunktes ebenso rapide Abnahme derselben (bedingt durch entsprechende Reduktionder empfänglichen Population, bzw. durch die nachhältige Wirksamkeit derKontrollmaßnahmen).Etwa ab der 12. Woche wird der Verlauf der Kurve etwas flacher, und beschreibt sodanneinen ca. 4 Monate dauernden epidemic tail. Das Prozessmodell berechnet für diese Periodeeine durchschnittliche Anzahl <strong>von</strong> 16 neuen Seuchenfällen pro ½ Woche, gegenüberdurchschnittlich 11 tatsächlich aufgetretenen Fällen.Die ermittelte Gesamtdauer beträgt 29 Wochen (einschließlich der Phase der stillenAusbreitung <strong>von</strong> 2 Wochen), und weicht somit nur geringfügig <strong>von</strong> der Beobachtung ab(Ende der realen Epidemie nach 33 Wochen, da<strong>von</strong> ca. 2 Wochen stille Phase).Auch bei der absoluten Anzahl an bestätigten MKS-Fällen zeigt das <strong>Modell</strong> eine nur sehrgeringe Abweichung (2.086 gegenüber 2.030 beobachteten Fällen), ebenso wie bei derAnzahl der insgesamt durchgeführten Keulungen (9.194 gegenüber 9.585 tatsächlichenKeulungen).


784.3.2 Ausmaß der Epidemie bei <strong>Ein</strong>satz der oberen und unteren Konfidenzgrenze fürdie Basis-Reproduktionszahl R 0Die Abbildung 24 zeigt die Ergebnisse für den Verlauf der MKS-Epidemie, wenn für dieperiodischen Basis-Reproduktionszahlen die <strong>von</strong> FERGUSON et al. (2001b) berechnetenGrenzen des 95 % Konfidenzintervalles (Tab. 5) eingesetzt werden.MKS-Epidemie in England 2001Inzidenz (Herden)180160140120100806040200bestätigte MKS-Fälleberechnete obere Grenze für Roberechnete untere Grenze für Roberechnete Ro - Werte1 4 7 10131619222528313437404346495255586164677073767982Zeit (1/2 Wochen)Abb. 24: Zeitreihe der Inzidenz: gegenübergestellt sind die bestätigten MKS-Fälle und die berechneten Fälle für gegebene R 0 – Werte der ersten 20 Wochen,sowie für die obere und untere 95 % Konfidenzgrenze dieser R 0 – Werte.


79Tab. 10: Vergleich der simulierten und realen Epidemie für das 95 % KonfidenzintervallProzessmodellobereGrenzeuntereGrenzeEngland2001Dauer der Epidemiein Wochen29 27 27 33Anzahl an MKS-Herden 2.086 2.465 1.607 2.030Anzahl an Keulungen 9.194 11.648 4.394 9.5854.3.3 Ausmaß der Epidemie bei höherer Effizienz der SODC-StrategieDie Effizienz der SODC-Kontrollstrategie ist abhängig <strong>von</strong> der Wahrscheinlichkeit δ, mit dereine gekeulte DC-Herde auch tatsächlich infiziert war. Abbildung 25 zeigt den Verlauf derEpidemie, wenn für δ folgende Werte angenommen werden:δ 1 = 0,8δ 2 = 0,1δ 3 = 0,1


80MKS-Epidemie in England 2001Inzidenz (Herden)180160140120100806040200bestätigte MKS-FälleProzessmodell1 4 7 10131619222528313437404346495255586164677073767982Zeit (1/2 Wochen)Abb. 25: Verlauf der simulierten Epidemie bei höherer Effizienz der SODC-StrategieAusmaß der simulierten MKS-Epidemiebei höherer SODC-Effizienz3.5003.000MKS-Herdengekeulte HerdenAnzahl Herden2.5002.0001.5001.00050000 10 20 30 40 50 60 70 80Zeit (1/2 Wochen)Abb. 26: Ausmaß der simulierten MKS-Epidemie als kumulative Bilanz, bei höhererEffizienz der SODC-Strategie


81Tab. 11: Vergleich der simulierten Epidemien mit der realen EpidemieProzessmodellhöhereSODC-EffizienzEngland2001Dauer der Epidemiein Wochen29 25 33Anzahl an MKS-Herden 2.086 1.383 2.030Anzahl an Keulungen 9.194 3.347 9.5854.3.4 Experimentelle Studie <strong>zur</strong> Ermittlung der maximal möglichen <strong>Simulation</strong>sgenauigkeitZiel dieser empirischen Studie war es, die methodisch bedingte Grenze der<strong>Simulation</strong>sgenauigkeit des beschriebenen MKS-<strong>Modell</strong>s auszuloten. Hierfür wurde versucht,die mit dem Validierungsdatensatz ermittelte Kurve für die bestätigten Seuchenfälle (Herdenim Zustand D), ausschließlich durch experimentelle Auswahl fiktiver R 0 – Werte, bestmöglichan die beobachtete Zeitreihe der England-Epidemie anzupassen.Der entsprechende R 0 – Datensatz ist in Tabelle 12 zusammengefasst.Tab. 12: Empirische Werte für R 0 , bei denen die MKS-<strong>Simulation</strong> für dieidentifizierten Fälle die größtmögliche Übereinstimmung mit der England-Epidemiezeigt.t 0 – t 3 t 4 t 5 t 6 t 7 t 8 t 9 t 10 t 11 t 12 t 13 t 14 t 15 t 16 t 17 t 18R 0 10,0 8,0 6,0 3,0 1,2 1,6 3,0 3,0 2,0 2,0 2,0 1,5 1,4 1,7 1,9 1,6t 19 t 20 t 21 t 22 t 23 t 24 t 25 t 26 t 27 t 28 t 29 t 30 t 31 t 32 t 33 t 34R 0 2,0 1,3 0,9 1,0 0,8 0,6 0,8 1,9 1,4 1,5 1,6 2,4 0,7 0,8 0,6 0,8t 35 t 36 t 37 t 38 t 39 t 40 t 41 t 42 t 43 t 44 t 45 t 46 t 47 t 48 t 49 t 50R 0 0,6 0,8 1,0 0,7 1,0 1,4 1,1 1,1 1,0 1,1 1,1 0,9 0,8 0,3 1,2 0,8t 51 t 52 t 53 t 54 t 55 t 56 t 57 t 58R 0 0,7 0,7 1,2 1,6 0,8 0,7 1,0 0,7


82MKS-Epidemie in England 2001180Inzidenz (Herden)1601401201008060bestätigte MKS-FälleProzessmodell mit berechnetenRo-WertenProzessmodell mit empirischenRo-Werten402001 4 7 10 13 16 19 22 25 28 31 34 37 40 43 46 49 52 55 58 61 64 67 70 73 76 79Zeit (1/2 Wochen)Abb. 27: Bestmögliche Anpassung des Prozessmodells an die Zeitreihe der MKS-Epidemie in England 2001 (Korrelation nach Pearson r = 0,99)Diese Grafik zeigt, dass die Freiheitsgrade des gewählten <strong>Modell</strong>s ausreichen, um die MKS-Epidemie mit hoher Genauigkeit zu simulieren. In der Folge bleibt aber die Frage offen, wiedie Basis-Reproduktionszahlen R 0 praktisch zu bestimmen sind, bzw. wie sie während einerlaufenden Epidemie in das <strong>Modell</strong> assimiliert werden können.


835. Diskussion5.1 Allgemeine und zusammenfassende DiskussionDie mathematische <strong>Modell</strong>ierung <strong>von</strong> Infektionskrankheiten hat als Teilgebiet dertheoretischen Epidemiologie in der Veterinärmedizin innerhalb der letzten Jahrzehntezunehmend an Bedeutung gewonnen. Computermodelle können im Notfall einesSeuchenausbruches für eine rasche und auf objektiver Information beruhenderEntscheidungsfindung über etwaige Vorteile verschiedener Kontrollstrategien in derBekämpfung unterstützend herangezogen werden, vorausgesetzt, dass ein adäquates <strong>Modell</strong>bereits entwickelt und getestet (validiert) ist (MORRIS et al., 2001). Als einige neuereAnwendungsbeispiele werden <strong>von</strong> CARPENTER (1988) unter anderem <strong>Modell</strong>e <strong>zur</strong>Evaluierung verschiedener Kontrollstrategien für respiratorische und transovariellübertragbare Krankheiten bei Truthühnern, Mastitiden bei Milchrindern, infektiöse Aborte beiMastrindern und für die Rinderpest genannt. Weitere aktuellere <strong>Simulation</strong>en finden sich beiBARLOW et al. (1997) und NEILL et al. (1991) <strong>zur</strong> Bovinen Tuberkulose, CARPENTER(1987) <strong>zur</strong> Brucellose beim Schaf, COLLINS u. MORGAN (1991) <strong>zur</strong> Paratuberkulose beimMilchrind, INNOCENT et al. (1997), PASMAN et al. (1994) und SORENSEN u.ENEVOLDSEN (1995) <strong>zur</strong> Bovinen Virus Diarrhoe (BVD), JALVINGH et al. (1999),MEUWISSEN et al. (1999) und NIELEN et al. (1999) <strong>zur</strong> Schweinepest, sowie bei WEBB etal. (2001) <strong>zur</strong> Scrapie-Problematik in Großbritannien.Auch die Epidemiologie und Bekämpfung der Tollwut, einer der gefürchtetsten Zoonosen,wurde mit Hilfe <strong>von</strong> Prozessmodellen intensiv erforscht: ANDERSON et al. (1981) zeigtenerstmals, wie man ein Massenimmunisierungsprogramm plant; einen österreichischen Beitraglieferten JAHN u. TIMISCHL (1984).Anhand der angeführten Beispiele aus der neueren Literatur wird evident, dass mathematische<strong>Modell</strong>e in der Veterinärepidemiologie hauptsächlich <strong>zur</strong> weiteren Erforschung der diversenkomplexen Mechanismen <strong>von</strong> wirtschaftlich bedeutenden Infektionen landwirtschaftlicherNutztiere bzw. <strong>von</strong> Krankheiten mit zoosanitärer Relevanz Anwendung finden. Die <strong>Maul</strong>undKlauenseuche nimmt in dieser Hinsicht eine herausragende Stellung ein: sie gilt mitAbstand als die ökonomisch folgenschwerste Tierseuche der Welt, und zählt zu den am bestenerforschten Viruskrankheiten in der Veterinärmedizin. Trotz der Tatsache, dass prinzipiell allemaßgeblichen pathologischen und epidemiologischen Zusammenhänge bekannt sind (dasWissen um den Prozess kann als sehr hoch eingestuft werden), können speziell mitmathematischen Analysen und <strong>Modell</strong>ierungen vergangener Seuchenzüge, noch detailliertereund vor allem auch objektivierbare Erkenntnisse der diversen neuralgischen Mechanismenerlangt werden. Speziell das bei MKS-Ausbrüchen mögliche und bislang wenig erforschtePhänomen der aerogenen Virusverschleppung wurde in zahlreichen verschiedenen Ansätzenmodelliert. Seuchenmodelle, die in erster Linie genau auf diesen Aspekt abzielen, finden sichbei CANNON u. GARNER (1999), CASAL et al. (1997), DONALDSON et al. (1982b),GLOSTER et al. (1981), MANUEL-LEÓN u. CASAL (2001), MOUTOU u. DURAND(1994), SORENSEN (2000) und SORENSEN et al. (2001).


84Das Windverbreitungsmodell <strong>von</strong> MOUTOU u. DURAND (1994) kam während der MKS-Epidemie in Italien 1993 zum praktischen <strong>Ein</strong>satz, und unterstützte die Behörden bei derIdentifikation potentiell infizierter Viehbestände, die sodann präventiv ausgemerzt wurden.Zur MKS-Virusverbreitung über Aerosole ist allerdings zu bemerken, dass es sich hierbei umein ausgesprochen selten zu beobachtendes Phänomen handelt (CASAL et al., 1997), da esnur beim Zusammentreffen mehrerer Faktoren zustande kommt (siehe Kapitel 2.4). DieAnwendbarkeit solcher spezieller MKS-<strong>Modell</strong>e ist daher nicht bei jedem Seuchenausbruchmöglich, sondern bleibt auf wenige <strong>Ein</strong>zelfälle beschränkt.Die Epidemiologie der MKS allgemein umfassende <strong>Modell</strong>e, ohne explizite Berücksichtigungder Windverbreitung, sind in der neueren Literatur weniger zahlreich zu finden. Die MKS-Ausbruch in England 2001 hat aber zu einen sprunghaften Anstieg der Publikationen über die<strong>Modell</strong>ierung <strong>von</strong> MKS-Epidemien geführt. Als Beispiele hierfür sei auf die Arbeiten <strong>von</strong>FERGUSON et al. (2001a, b), KEELING et al. (2001, 2003), sowie MORRIS et al. (2001)verwiesen.Prozessmodelle <strong>von</strong> Infektionskrankheiten werden gegenwärtig generell auf sehr hohemmathematischen Niveau entwickelt, wobei vor allem auch die <strong>Simulation</strong>en der <strong>Maul</strong>- undKlauenseuche auf komplizierten Formulierungen und Ableitungen basieren. Der Stand destheoretischen Wissens und der technischen Möglichkeiten fordert gleichermaßen eine hoheKomplexität, nicht zuletzt deshalb, um auch entsprechende Sicherheit bei der Anwendung zuerreichen. Dieser Umstand führt aber leider auch dazu, dass an der Thematik interessiertePersonen oder Wissenschaftler verwandter Fachgebiete (Mediziner, Biologen,Seuchenbeauftragte, etc.) ohne einschlägige mathematische Kenntnisse häufig davor<strong>zur</strong>ückschrecken, sich mit der Materie der Prozessmodellierung näher auseinander zu setzen.Die vorliegende Arbeit wurde daher unter dem Hauptaugenmerk, die Methodik desverwendeten epidemiologischen <strong>Modell</strong>s verständlich darzustellen, durchgeführt. Deminteressierten Leser ohne spezielle Vorkenntnisse wird somit die Möglichkeit geboten, sichrasch einen <strong>Ein</strong>blick in die grundlegende Funktionsweise eines mathematischenProzessmodells zu verschaffen. Die Wahl der <strong>Maul</strong>- und Klauenseuche wurde einerseits ausGründen der Aktualität (England-Epidemie 2001) getroffen, andererseits sollte mit dieserArbeit zusätzlich sowohl Grundstein als auch Anreiz für die Entwicklung einer in Österreichbei einem etwaigen MKS-Ausbruch auch praktisch anwendbaren <strong>Simulation</strong> geschaffenwerden.Um dem Anspruch auf eine verständliche Mathematik gerecht zu werden, fiel die Wahl derMethodik auf ein state-transition <strong>Modell</strong> nach dem Prinzip einer Markov-Kette. Das einfachestandard SIR-<strong>Modell</strong>, welches einen epidemischen Prozess durch drei verschiedene Zustände(Klassen) beschreibt (Susceptible, Infectious und Removed), wurde um lediglich zweiZustände erweitert: L (latent infiziert) und D (diagnostiziert). Mit der Definition <strong>von</strong> nurinsgesamt fünf Klassen konnten alle elementaren Aspekte der Dynamik einer MKS –Epidemie berücksichtigt werden, nämlich die Problematik der unerkannten Virusverbreitungin der Zeit vor der Identifikation des ersten Falles (stille epidemische Phase), derSeuchenverlauf innerhalb einer Herde, die Weiterverschleppung des Erregers aufempfängliche Herden (der eigentliche epidemische Prozess) und das behördlicheBekämpfungsprogramm. Für das Bekämpfungsprogramm stehen zudem zwei verschiedeneKontrollszenarien <strong>zur</strong> Auswahl: stamping out (Ausmerzung nachweislich infizierter


85Bestände) und slaughter of dangerous contacts (zusätzliche Keulung potentiell infizierterBestände).Das <strong>Modell</strong> arbeitet nicht mit einzelnen Tieren sondern mit Herden (Tierbeständelandwirtschaftlicher Betriebe): sobald ein Tier in der Herde infiziert ist, gilt die gesamteHerde als infiziert; auch Herden mit nur einem bestätigten MKS-Fall werden gekeult.Die Beschreibung der Annahmen und die Formulierung der Gleichungen erfolgte dabei inAnlehnung an das MKS-<strong>Modell</strong> nach DURAND u. MAHUL (2000). Auch das Datenmaterial<strong>zur</strong> Verifizierung wurde dieser Arbeit entnommen. Es handelt sich dabei ebenfalls um einSIR-<strong>Modell</strong>, das allerdings Herden durch 7 mögliche Zustände klassifiziert: exponiertempfänglich (S 1 ), nicht exponiert empfänglich (S 2 ), infiziert (I 1 ), infektiös (I 2 ), bestätigtinfektiös (I 3 ), immun oder geimpft (R 1 ) und gekeult (R 2 ).Um das <strong>Modell</strong> übersichtlicher zu präsentieren, wurde auf die Zustände nicht exponiertempfänglich und immun oder geimpft verzichtet. Das heißt, dass die KontrollstrategieImpfung nicht implementiert wurde.Die Möglichkeit der Seucheneindämmung mittels eines Impfprogrammes (Ringimpfung,Flächenimpfung, etc.) wurde auch deshalb nicht in diesem <strong>Modell</strong> berücksichtigt, da sie in derbei DURAND u. MAHUL (2000) beschriebenen Form als nicht zielführend angesehen wird.Die Bekämpfung der MKS mittels Notvakzinierungen ist gegenwärtig EU-weit generellunerwünscht. Es werden <strong>von</strong> den Veterinärbehörden allgemein jene Kontrollmaßnahmenbevorzugt, die eine möglichst rasche Wiederherstellung der völligen Erregerfreiheit einesLandes in Aussicht stellen. Impfungen sind diesbezüglich als kontraproduktiv anzusehen, dageimpfte Tiere über einen sehr langen Zeitraum Virusträger und –streuer (Carrier) seinkönnen, und Impftiter <strong>von</strong> Titern einer Feldinfektion nur schwer und kostenintensiv zuunterscheiden sind. Impfprogramme sind immer mit sehr hohen Kosten verbunden, wobei dieindirekten wirtschaftlichen Verluste durch Restriktionen im internationalen Handelüberwiegen (im Rahmen des GATT/WTO werden geimpfte Tiere nicht akzeptiert). Wenn dieEffizienz <strong>von</strong> Notimpfungen als zusätzliche Option der MKS-Bekämpfung mit einermathematischen <strong>Simulation</strong> überprüft werden soll, so ist dies aus den eben erwähntenGründen nur in Kombination mit einer entsprechend fundierten Kosten- / Nutzenanalysesinnvoll. MKS-<strong>Modell</strong>e, die zusätzlich auch die ökonomischen Aspekte der unterschiedlichenBekämpfungsmaßnahmen berücksichtigen, finden sich bei BERENTSEN et al. (1992),GARNER u. LACK (1995) und MAHUL u. DURAND (2000). Die genannten Autorenkonnten <strong>von</strong>einander unabhängig, mit unterschiedlichen Ansätzen und für unterschiedlicheRegionen berechnen, dass eine Notimpfung <strong>von</strong> allen untersuchten Kontrollmöglichkeiten inSumme die höchsten Kosten verursacht (direkte und indirekte Kosten), und somit dienachhältigsten wirtschaftlichen Schäden mit sich bringt. Angesichts der Tatsache, dassgeimpfte Tiere später ebenfalls getötet werden müssen, damit Exportverbote aufgehobenwerden können (in Summe fallen bei <strong>Ein</strong>satz der Notimpfung verglichen mit anderenKontrollstrategien die meisten Tiere zum Opfer), führt sich diese Maßnahme ad absurdum.Auch wenn aus ökonomischer und handelspolitischer Sicht die Impfung gegen MKS derzeitals nicht zielführend angesehen wird, so ist sie rein epidemiologisch betrachtet dennoch einsehr effektives Instrument, das sowohl prophylaktisch als auch im Falle eines Ausbruches <strong>zur</strong>Bekämpfung herangezogen werden könnte (KEELING et al., 2003).


86Um das beschriebene <strong>Modell</strong> am Computer implementieren zu können, sind keine speziellenVoraussetzungen, wie das Beherrschen einer bestimmten Programmiersprache oder derZugang zu exklusiver Software, nötig. Alle mathematischen Gleichungen undZusammenhänge sind so konzipiert, sodass jeder interessierte Leser, der über allgemeingängige Kenntnis in Standard – Computeranwendungen (Tabellenkalkulationsprogramme wiez.B.: Microsoft EXCEL ® ) verfügt, in der Lage ist, die Implementierung durchzuführen.Damit eröffnet sich auch die Perspektive, dieses Seuchenmodell in der epidemiologischenLehre einzusetzen: durch die geringe Komplexität könnte anhand eines kaum an Aktualitätverlierenden Beispiels, wie eben die MKS, mit überschaubarem Aufwand grundlegendesVerständnis einer Prozessmodellierung praxisnah vermittelt werden.Das <strong>Modell</strong> kann über die Charakteristik einer MKS-Epidemie folgende Aussagen treffen:• Gesamtdauer der Epidemie (<strong>von</strong> der initialen Infektion bis zum letzten auftretendenSeuchenfall)• Dauer der stillen Ausbreitungsphase (<strong>von</strong> der initialen Infektion bis zu erstmaligenSeuchenfeststellung)• Inzidenz der bestätigten Fälle (pro halber Woche auftretende Fälle)• Anzahl der in Summe auftretenden Seuchenfälle• Anzahl der gekeulten Betriebe (sowohl für die SO-, als auch für die SODC-Strategie)Da das <strong>Modell</strong> ein rein <strong>dynamisches</strong> <strong>Modell</strong> ist, kann mit ihm keine Aussage bezüglich derräumlichen (geografischen) Ausbreitung der MKS getroffen werden, obwohl es implizitAnnahmen über die räumliche Ausbreitung enthält.Die Ergebnisse für die oben angeführten Parameter können mit dem Programm MicrosoftEXCEL ® auch unmittelbar grafisch dargestellt werden.Das <strong>Modell</strong> berechnet für einen bestimmten Datensatz immer genau ein Ergebnis. Es handeltsich somit um eine typische, rein deterministische mathematische <strong>Simulation</strong>. Dieserausschließlich deterministische Ansatz vermag es durchaus, berechtigten Anlass <strong>zur</strong> Kritikdieser Arbeit zu geben: speziell bei der <strong>Modell</strong>ierung komplexer biologischer Prozesse sindsolche <strong>Modell</strong>e in ihrer allgemeinen Aussagekraft wesentlichen Limitierungen unterworfen(MORRIS et al., 2001), da sie keine Komponenten zufälliger Variationen beinhalten, die inder Realität bei miteinander verflochtenen biologischen Abläufen (wie eben auch der Verlauf<strong>von</strong> Infektionskrankheiten in einer Population), regelmäßig zu beobachten sind.Deterministische <strong>Modell</strong>e sind stark vereinfachte mathematische Abstraktionen natürlicherPhänomene, die immer nur eine Punktaussage liefern, was unter Umständen dazu führenkann, dass bereits durch geringfügige Unstimmigkeiten bei den Ausgangsdaten das gesamteErgebnis falsifiziert werden muss. Diese Tatsache bedingt eine durchaus relevanteUnsicherheit bei der praktischen Anwendung solcher <strong>Modell</strong>e, verbunden mit der Gefahr <strong>von</strong>möglichen Fehlentscheidungen. Stochastische Seuchenmodelle sind hingegen aus statistischerSicht den deterministischen überlegen, und werden generell als realitätsnäher angesehen(HORST et al., 1999; HURD u. KANEENE, 1993; KEELING et al., 2001; MORRIS et al.,2001; RUBEL, 2002). Die zufällige Variation bestimmter Parameter bringt den Vorteil, dassdie inhärenten biologischen Variabilitäten einer Epidemie berücksichtigt werden können.Dem Anwender (Entscheidungsträger in der Seuchenbekämpfung) wird anstelle einer


87Punktaussage eine Häufigkeitsverteilung des Ergebnisses (Erwartungswerte mitKonfidenzintervallen) geboten, also gewissermaßen die zusätzliche <strong>Modell</strong>ierung derbiologischen Unsicherheit, was eine fundiertere Interpretation erlaubt. Vor allem wenn ein<strong>Modell</strong> <strong>zur</strong> Prognosestellung eingesetzt werden soll, ist ein stochastischer Ansatz einem reindeterministischen vorzuziehen.Wenn auch die <strong>Simulation</strong> ohne stochastische Komponenten eine stärkere Vereinfachung derRealität ist, so eröffnet dieser Ansatz dennoch einige Vorteile: ein deterministisches <strong>Modell</strong>kann für einen etwaigen Ernstfall im allgemeinen schneller entwickelt, sowie schneller anneue Situationen adaptiert werden. MORRIS et al. (2001) weisen darauf hin, dassstochastische <strong>Modell</strong>e auf komplexeren Strukturen basieren, und daher auch mehr Parameter,bzw. detaillierteres Datenmaterial benötigen. Deterministische <strong>Modell</strong>e sind zudem sehr gutgeeignet, um Sensitivitätsanalysen durchzuführen. Es kann unter stabilen Bedingungengetestet werden, welche Parameter den größten <strong>Ein</strong>fluss auf das System besitzen, wodurchletztendlich auch die Datenerhebung selektiv gesteuert werden kann (Daten für sensitiveParameter müssen qualitativ hochwertiger sein, als jene für nicht sensitive Parameter).Ebenso können objektive Analysen vergangener und dokumentierter Epidemien angestelltwerden, um das Datenmaterial zu veranschaulichen, vorhandenes Wissen zu testen,neuralgische Mechanismen zu entlarven und folglich auch wichtige Erkenntnisse fürzukünftige Seuchenausbrüche zu gewinnen.Trotz der oben erwähnten Limitierungen deterministischer Seuchenmodelle bei derpraktischen Anwendung, können sie durchaus auch im Ernstfall wertvolle Dienste leisten. Alsaktuelles Beispiel seien die Arbeiten <strong>von</strong> FERGUSON et al. (2001a, b) erwähnt: die Autorenentwickelten anlässlich des MKS-Ausbruches in England im Februar 2001 ein <strong>Modell</strong> mitdeterministischem Ansatz, welches den Behörden während der gesamten Dauer der Epidemieobjektive Entscheidungshilfe bot.DURAND u. MAHUL (2000) betonen auch die Bedeutung <strong>von</strong> Sensitivitätsanalysen beideterministischen <strong>Simulation</strong>en <strong>zur</strong> Identifikation <strong>von</strong> Schlüsselparametern, allerdings fehlt inihrer Arbeit eine umfassende Darstellung derselben. Die Autoren erwähnen lediglich, dass dieBasis-Reproduktionszahlen (als DRs bezeichnet) elementar sind, und dass mit steigenderDiagnosewahrscheinlichkeit und steigender Keulungsrate die Zahl der MKS-Fälle abnimmt.In der vorliegenden Arbeit wurde daher mit allen Parametern des MKS-<strong>Modell</strong>s eineSensitivitätsstudie durchgeführt, und die einzelnen Resultate der Variationen im Vergleich mitder Grundeinstellung grafisch dargestellt. Dem Leser wird damit auch der <strong>Ein</strong>fluss derwichtigsten Teilprozesse auf die Dynamik einer MKS-Epidemie veranschaulicht.Im folgenden wird beschrieben, welche Schlüsse aus den Ergebnissen der Sensitivitätsstudiengezogen werden können:Der Umfang der Zone, in der während der stillen Ausbreitungsphase infektiöse Kontaktemöglich sind, ist mit einem Radius <strong>von</strong> 10 km ausreichend dimensioniert. Größere Radienführen zu keinen markanten Änderungen im Ergebnis, obwohl dadurch die Größe derursprünglich empfänglichen Population zunimmt. Dies entspricht auch der realenBeobachtung, dass sich die MKS überwiegend auf lokaler Ebene, im Umkreis weniger


88Kilometer ausbreitet (Plaque-Bildung). Werden hingegen kleinere Anfangsradienangenommen, so fällt auch das Gesamtausmaß der MKS-Epidemie deutlich geringer aus. Dasbedeutet, dass sich die MKS in Regionen, in denen potentiell infektiöse Kontakte nur übergeringe Entfernungen ablaufen (z.B. aus geographischen Gegebenheiten, kürzereTransportwege, etc), ungeachtet der Herdendichte, insgesamt weniger stark etabliert.Das Ausmaß der periodischen Ausdehnung der Kontrollzone ab bekannt werden des erstenSeuchenfalles (= periodisches Anwachsen der empfänglichen Population) erwies sich alsnicht sensitiver Parameter, da selbst eine extrem hohe Zuwachsrate <strong>von</strong> 15 km pro halberWoche den Seuchenverlauf nicht verändert.Auf die Wahrscheinlichkeit der spontanen Entdeckung einer klinisch manifesten MKS-Infektion (Übergangswahrscheinlichkeit p ID während der stillen Phase) reagiert das <strong>Modell</strong>mit geringer Sensitivität. Trotz dieser geringen Sensitivität in der <strong>Simulation</strong>, muss dieBedeutung dieses Faktors in der Praxis unterstrichen werden: es ist sehr wichtig, permanentwirksame Vorraussetzungen zu schaffen, die eine möglichst frühzeitige Erkennung einerMKS-Infektion ermöglichen. Basis hierfür sind einerseits informierte und sensibilisierteLandwirte, andererseits die regelmäßige Präsenz <strong>von</strong> Tierärzten in den Betrieben. Der MKS-Ausbruch in England 2001, in einem Land wo Tierärzte in hohem Maß aus derLandwirtschaft verdrängt wurden, entwickelte sich unter anderem auch deshalb zu einem soverheerenden Ausmaß, weil die Seuche lange Zeit nicht erkannt wurde, und sich somitanfänglich massiv ausbreiten konnte.Auch die Sensitivität gegenüber derselben Wahrscheinlichkeit in der Bekämpfungsphase, wosie die Effizienz der Surveillance-Untersuchungen beschreibt, ist als sehr gering einzustufen.Es wird lediglich das zeitliche Muster der MKS-Epidemie beeinflusst, die Zahl der bestätigtenFälle bleibt bei jeder Variation immer konstant. Dieses Ergebnis ist der <strong>von</strong> DURAND u.MAHUL (2000) bezüglich dieses Parameters getroffenen Aussage konträr: die Autorenklassifizieren diese Übergangswahrscheinlichkeit als sensitiv und erwähnen, dass eineReduktion der durchschnittlichen Verweildauer der Herden im Zustand infektiös (I 2 )(entspricht dem infektiösen Zustand I dieser Arbeit), zu einer Abnahme der Fallzahlen führt.Da in der zitierten Arbeit keine nachvollziehbare Beschreibung der Sensitivitätsanalyseenthalten ist, kann die Ursache dieser Gegensätzlichkeit nicht diskutiert werden.Die Sensitivitätsstudie der Keulungsrate (Übergangswahrscheinlichkeit p DR ) zeigte, dass essich hierbei um einen relevant sensitiven Parameter handelt. Niedrigere Keulungsratenbedingen eine Zunahme der Epidemiedauer und der Anzahl der Fälle. DURAND u. MAHUL(2000) berichten nur <strong>von</strong> einer Auswirkung auf die Fallzahl.Die Logistik der Ausmerzung <strong>von</strong> MKS-Herden ist nachweislich eines der wichtigstenKriterien einer effizienten Bekämpfung (FERGUSON et al., 2001a; MORRIS et al., 2001). Jeschneller die betroffenen Tierbestände nach der Diagnosestellung gekeult werden, destogeringer ist der gesamte Infektionsdruck in der empfänglichen Population, was letztendlich zueiner rascheren Tilgung und zu einem geringeren Gesamtausmaß führt. HOWARD u.DONELLY (2000) konnten mit der Anwendung ihres MKS-<strong>Modell</strong>s auf zwei historischeSeuchenzüge (Großbritannien 1967/68 und Taiwan 1997) ebenfalls demonstrieren, dass einesofortige Keulung der MKS-Herden Größe und Dauer einer Epidemie dramatisch reduzierenkann. Zusammenfassend kann daraus nun für jeden Ernstfall eines MKS-Ausbruches diepraktische Erkenntnis gewonnnen werden, dass die in der Seuchenbekämpfung verfügbarenKräfte schwerpunktmäßig im Bereich der Keulung (inklusive seuchensichere Entsorgung der


89Kadaver und Desinfektion der Betriebe) einzusetzen sind, sodass gewährleistet ist, dassbetroffene Betriebe möglichst noch am selben Tag der Seuchenfeststellung gekeult unddesinfiziert werden können.Auf die Übergangswahrscheinlichkeit p LI reagiert das <strong>Modell</strong> ebenfalls sensitiv, allerdings istdas für die praktische Anwendung <strong>von</strong> untergeordneter Bedeutung: mit dieserWahrscheinlichkeit kann die durchschnittliche Dauer der Inkubationszeit moduliert werden,die aber für die meisten Infektionskrankheiten einen spezifischen und relativ konstanten Wertdarstellt. Mit der angenommen Grundeinstellung <strong>von</strong> 0,5 inkubiert die MKS durchschnittlich7 Tage. Diese Dauer wird als ausreichend realitätskonformer Durchschnitt betrachtet, undmuss daher in diesem einfachen <strong>Modell</strong> nicht verändert werden. Es konnte mit dieser Analysedennoch demonstriert werden, welchen <strong>Ein</strong>fluss die Länge der Inkubationszeit ganz allgemeinauf die Dynamik einer hoch kontagiösen Seuche ausübt: kürzere Inkubationszeiten führen zueinem explosiveren Epidemieverlauf, bei längeren Inkubationszeiten ist das Ausmaßmoderater (je kürzer die Individuen inkubieren, desto höher ist die Sekundärinfektionsrate).Wird das <strong>Modell</strong> gegebenenfalls auf andere Seuchen als die MKS angewandt (aufgrund dergeringen Komplexität ist dies bei entsprechender Umformulierung der Annahmen ohnegrößeren Aufwand möglich), so konnte gezeigt werden, dass die mittlere Dauer derInkubation einen sensitiven Parameter darstellt und unbedingt aus fundierten Daten zuermitteln ist.Für die Herdendichte konnte eine partielle Sensitivität festgestellt werden, wobei der Wert derGrundeinstellung <strong>von</strong> 1,3 Herden pro km² (entspricht einer Region mit sehr hoherHerdendichte) als Schwellenwert fungiert. In Regionen mit geringerer Dichte anViehbetrieben fällt das Gesamtausmaß und die Dauer einer MKS-Epidemie geringer aus.Für Gebiete mit höherer Herdendichte bleibt der Verlauf der Epidemie konstant (erst bei derals unrealistisch anmutenden Dichte <strong>von</strong> 3 Herden pro km² zeigt die <strong>Simulation</strong> einenrelevanten Anstieg der Epidemiegröße). Oberhalb des kritischen Wertes <strong>von</strong> 1,3 Herden prokm² kann die modellierte MKS-Ausbreitung demnach im wesentlichen als Dichte-unabhängigbezeichnet werden.Die Sensitivitätsanalyse der Basis-Reproduktionszahl R 0 zeigte, dass es sich hierbei um denentscheidenden Schlüsselparameter des MKS-<strong>Modell</strong>s handelt. Bereits marginaleUnterschiede <strong>von</strong> R 0 vermögen das Ausmaß der simulierten Epidemie maßgeblich zubeeinflussen, wobei zwei Effekte zu unterscheiden sind: (1) Durch Änderungen derkonstanten Basis-Reproduktionszahl in der stillen Ausbreitungsphase wird in erster Linie dasGesamtausmaß der auftretenden Seuchenfälle massiv beeinflusst. Auf die Dauer der Epidemiekonnte kein relevanter Effekt beobachtet werden. (2) Die Höhe der periodischen R 0 -Wertewährend der Bekämpfungsphase ist sowohl für das Ausmaß (Quantität der Fälle), als auch fürdie Dauer der Epidemie ausschlaggebend.DURAND u. MAHUL (2000) konnten für die Basis-Reproduktionszahl dieselben Effektebeobachten.Die zentrale Bedeutung der Basis-Reproduktionszahl R 0 in einem state-transition <strong>Modell</strong>erklärt sich dadurch, dass sie in die Berechnung der Infektionswahrscheinlichkeit, demeigentlichen epidemiologischen Term, einfließt: R 0 , die Zahl der <strong>von</strong> einer einzigen Herde proZeitschritt neu infizierten Herden, ist mit dem Anteil der infektiösen Herden (I t + D t ) an allen


90Herden (N t ) in der Kontrollzone gewichtet (siehe Kap. 3.1.1.2). R 0 fungiert daher in einemstate-transition <strong>Modell</strong> wie die effektive Kontaktrate (transmission coefficient) in Reed-Frost<strong>Modell</strong>en (RUBEL, 2002).Nach DE JONG u. DIEKMANN (1992) und HEUER u. SCHUKKEN (2000) kann für dieBasis-Reproduktionszahl im Zusammenhang mit der Frage, ob sich eine Infektion ausbreitetoder nicht, folgende Gesetzmäßigkeit aufgestellt werden: Reproduktionszahlen <strong>von</strong> R 0 >1führen im Mittel zu einer Zunahme und R 0


91infektiösen Tiere weniger stark reduzieren kann, als präventive Keulungen. Die klareVermittlung dieses epidemiologischen Grundprinzips ist die Basis für die Rechtfertigungeiner solchen aggressiven Keulungspolitik, auch gegenüber der Öffentlichkeit.<strong>Ein</strong> zentrales Motiv der vorliegenden Arbeit war auch die Beantwortung der Frage, ob und inwelcher Genauigkeit mit einem <strong>Modell</strong> mittlerer Komplexität der Verlauf einer realen MKS-Epidemie nachvollziehbar ist. Dieser Aspekt wurde <strong>von</strong> DURAND u. MAHUL (2000) nichtberücksichtigt, da sie nur fiktive Szenarien für Frankreich beschreiben, und die Anwendungdes <strong>Modell</strong>s auf reale Epidemien fehlt. Die Autoren haben das MKS-<strong>Modell</strong> somit nicht aufValidität überprüft, was einen praktischen <strong>Ein</strong>satz bei einem Ernstfall nicht erlaubt.Mathematische <strong>Simulation</strong>en dürfen immer nur unter der Vorraussetzung, dass sie auchentsprechend validiert und getestet sind, im Seuchenfall angewendet werden (MORRIS et al.,2001; RUBEL, 2002).Das beschriebene <strong>Modell</strong> wurde mit der Anwendung auf die MKS-Epidemie in England 2001validiert, wobei allerdings nur für die Herdendichte und die Basis-Reproduktionszahlen realesDatenmaterial bezogen werden konnte. Alle übrigen Parameter wurden entweder in derGrundeinstellung (wie bei DURAND u. MAHUL (2000) angeführt) belassen, oder empirischbestimmt.Die Ergebnisse der Anwendung (Validierung) lassen sich folgendermaßen diskutieren:Das <strong>Modell</strong> wurde mit den empirisch zu bestimmenden Parametern so eingestellt, dass sichbezüglich der Anzahl der Seuchenfälle und der insgesamt gekeulten Herden (MKS-Herdenund dangerous contacts) eine akzeptable Übereinstimmung ergibt (2.086 berechnete Fällegegenüber 2.030 realen Fällen; 9.194 berechnete Keulungen gegenüber 9.585 tatsächlichgekeulten Herden). Der Verlauf der simulierten Epidemie entspricht dabei in der explosivenPhase (steiler Anstieg und Abfall der Inzidenzen) sehr gut der Wirklichkeit, hingegen zeigtsich für die Auslaufphase (epidemic tail) eine geringere Konformität. Um die beschriebeneÜbereinstimmung bei den Fallzahlen (MKS-Herden und Keulungen) erzielen zu können, wares notwendig, die SODC-Kontrollstrategie auf ein sehr niedriges Effizienzniveau einzustellen:die Wahrscheinlichkeit δ, mit der eine DC-Herde eine infizierte bzw. infektiöse Herde ist,musste bis auf δ = 0,015 reduziert werden.Bei den 9.585 in England durchgeführten Keulungen handelte es sich nicht ausschließlich umbestätigte MKS-Fälle und dangerous contact Betriebe, sondern es wurden auch zahlreicheKlauentierbestände unter dem Titel „slaughter on suspicion (SOS)“, „voluntary cull“ oder„cull on animal welfare purpose“ ausgemerzt. Unter SOS sind alle jene Fälle derseuchenhygienischen Tötung und Entsorgung <strong>von</strong> empfänglichen Tieren zu verstehen, beidenen nur eine Verdachtsdiagnose gestellt werden konnte. Im Rahmen des „voluntary cull“ –Programmes wurden alle Schafbetriebe im Bereich <strong>von</strong> konfluierenden 3 km Schutzzonenaufgefordert, ihre Tiere keulen zu lassen, und ein „cull on animal welfare purpose“ wurdeimmer dann vollzogen, wenn dies aus dringenden Gründen des Tierschutzes erforderlich war.Darüber hinaus haben die englischen Behörden noch die obligatorische Keulung allerSchweine innerhalb der Schutzzonen angeordnet. Da über das detaillierte Ausmaß all dieserKeulungen kein entsprechendes Datenmaterial bezogen werden konnte, ist eine objektiveDifferenzierung der Gesamtanzahl <strong>von</strong> 9.585 Keulungen nicht möglich.Wird die Effizienz der SODC-Startegie in der <strong>Simulation</strong> durch Erhöhung derWahrscheinlichkeit δ auf δ = 0,1 nur geringfügig gesteigert, so führt dies bereits zu einer


92erheblichen Reduktion der Anzahl an notwendigen Keulungen (statt 9.194 müssen lediglich3.347 Herden gekeult werden), bei gleichzeitig weniger MKS-Fällen und kürzerer Dauer derSeuche.Es sei an dieser Stelle ausdrücklich darauf hingewiesen, dass mit der Anwendung auf dieEngland-Epidemie keine Analyse der Situation bezweckt wurde, sondern ausschließlich eineValidierung des beschriebenen <strong>Modell</strong>s. Dennoch drängt sich hier bei der Betrachtung derErgebnisse die Vermutung auf, dass die Keulungspolitk in England 2001 überaggressiv war,und zu viele, respektive die „falschen“ Herden präventiv gekeult wurden.Mit der experimentellen Anpassung der <strong>Modell</strong>kurve an die reale Zeitreihe (siehe Kap. 4.3.4,Abb. 27) durch exklusive Variation des sensitivsten Parameters (Basis-Reproduktionszahl R 0 )konnte letztlich gezeigt werden, dass die inhärente Komplexität dieses MKS-<strong>Modell</strong>sausreicht, um den zeitlichen Verlauf einer Epidemie nach ½ wöchentlichen Inzidenzen derbestätigten Fälle mit sehr hoher Genauigkeit zu simulieren (die erzielbare Korrelation istbeliebig hoch, wenn die <strong>Modell</strong>parameter hinreichend genau bekannt sind).Das <strong>Modell</strong> ist somit in der Lage, für eine MKS-Epidemie hinsichtlich der ½ wöchentlichenInzidenzen, sowie der in Summe auftretenden Fälle und notwendigen Keulungen, realistischeErgebnisse zu berechnen.


935.2 Perspektiven und weiterer ForschungsbedarfDas Prozessmodell in der beschriebenen Form konnte zwar validiert werden, allerdings kannes derzeit noch nicht optimal <strong>zur</strong> <strong>Simulation</strong> <strong>von</strong> MKS-Ausbrüchen in Österreich angewendetwerden, da keine expliziten Daten für die Basis-Reproduktionszahlen vorliegen.Primäres Ziel zukünftiger Arbeiten muss es daher sein, eine Methode <strong>zur</strong> Bestimmung <strong>von</strong> R 0zu etablieren, wobei zwei Aspekte zu berücksichtigen sind: (1) eine Möglichkeit dersimulativen R 0 – Berechnung, damit fiktive MKS-Ausbrüche in verschiedenen RegionenÖsterreichs durchgespielt werden können. (2) eine spezifische Methode als integraler Teileines Maßnahmenpaketes <strong>zur</strong> Bestimmung <strong>von</strong> R 0 im Ernstfall, damit das <strong>Modell</strong> <strong>von</strong> Anfangan in der Seuchenbekämpfung unterstützend eingesetzt werden kann.Erst wenn diese Lücken geschlossen sind, sollten weitere Verbesserungen und Ergänzungenin Angriff genommen werden, wobei sich folgende Optionen anbieten:• Steigerung der Realitätstreue und prognostischen Aussagekraft durch den <strong>Ein</strong>baustochastischer Komponenten (z.B.: zufällige Variation der Keulungsrate oder derInkubationszeiten).• Höhere zeitliche Auflösung (tägliche Inzidenzen statt ½ wöchentlichen).• Möglichkeit der Speziesdifferenzierung nach Rind, Schwein, Schaf und Ziege.• Implementierung einer Impfstrategie, aber nur in Kombination mit einer Kosten-Nutzen Analyse.• <strong>Simulation</strong> der räumlichen Ausbreitung einer Epidemie, auch in Verbindung miteinem Geografischen Informationssystem (GIS).


946. ZusammenfassungIm Rahmen dieser Arbeit wurde ein <strong>dynamisches</strong> state-transition <strong>Modell</strong> <strong>zur</strong> <strong>Simulation</strong> <strong>von</strong><strong>Maul</strong>- und Klauenseuche Epidemien beschrieben. Das <strong>Modell</strong> basiert auf dem Prinzip einerMarkov-Kette und unterscheidet zwischen den fünf Zuständen: 1. empfängliche, 2. latentinfizierte, 3. inkubierend-infektiöse, 4. diagnostizierte (bestätigt MKS-positive), sowie 5.gekeulte Herden. Der zeitliche Verlauf und das Gesamtausmaß einer Epidemie werden unterVerwendung <strong>von</strong> Übergangswahrscheinlichkeiten zwischen diesen Zuständen berechnet,wobei die Infektionswahrscheinlichkeit die dynamische Komponente darstellt, und folgendeTeilprozesse eines MKS-Ausbruchs in der <strong>Simulation</strong> berücksichtigt sind: die Problematikder unerkannten Virusverbreitung bevor der erste Fall identifiziert ist (stille epidemischePhase), der Seuchenverlauf innerhalb einer Herde, die Weiterverschleppung des Erregers aufempfängliche Herden (der eigentliche epidemische Prozess) und das Bekämpfungsprogramm.Für das Bekämpfungsprogramm können zwei verschiedene Kontrollszenarien gewählt undderen Effizienz evaluiert werden: stamping out (Keulung aller MKS-positiver Herden) undslaughter of dangerous contacts (zusätzliche Keulungen potentiell infizierter Bestände).Das <strong>Modell</strong> ist in der Lage, eine Epidemie anhand der folgenden Aussagen zucharakterisieren: Dauer der stillen Phase und Gesamtdauer, Inzidenz und Gesamtanzahl derMKS-Fälle sowie Anzahl der gekeulten Betriebe (für beide Kontrollstrategien).Weiters wurden Sensitivitätsanalysen <strong>zur</strong> Identifizierung spezifisch relevanter Parameterdurchgeführt, wobei sich herausstellte, dass die Basis-Reproduktionszahl, dieKeulungswahrscheinlichkeit und die Herdendichte das Ausmaß der simulierten MKS-Epidemie entscheidend beeinflussen, und daher bei der Anwendung des <strong>Modell</strong>s nachMöglichkeit aus realen Daten bestimmt werden sollten.Die Validierung erfolgte am Beispiel des Seuchenzuges in England 2001. Hierbei erwies sichdas Prozessmodell bezüglich der periodischen Inzidenzen der MKS-Fälle mit einerKorrelation <strong>von</strong> 0,95 (Korrelationskoeffizient nach Pearson) als ausreichend zuverlässig.Mit den vorgegebenen <strong>Ein</strong>gangsdaten berechnet das <strong>Modell</strong> für die Epidemie insgesamt 2.086Seuchenfälle (gegenüber 2.030 tatsächlichen) und 9.194 gekeulte Herden (gegenüber 9.585wirklichen Keulungen). Auch die Dauer der Epidemie zeigte mit einer Abweichung <strong>von</strong> 4Wochen (Dauer der simulierten Epidemie: 29 Wochen; Dauer der realen Epidemie: 33Wochen) nur eine geringfügige Abweichung <strong>von</strong> der Wirklichkeit.Schlüsselwörter: Mathematische <strong>Modell</strong>ierung, <strong>Maul</strong>- und Klauenseuche, Prozessmodelle,Seuchenbekämpfung, state-transition <strong>Modell</strong>, Veterinärepidemiologie


957. SummaryA dynamic state – transition modelfor simulation offoot – and – mouth disease epidemicsThe objective of this thesis was to describe a dynamic state-transition model for foot-andmouthdisease (FMD) epidemics. Based on a standard Markov-chain, the model was extendedto five different health-states: 1. susceptible, 2. latent infected, 3. incubating-infectious, 4.diagnosed (confirmed case of FMD) and 5. culled herds. The temporal development and thetotal size of an epidemic are estimated using transition-probabilities, whereas the probabilityof infection represents the dynamic component and the following aspects of an FMD outbreakare taken into account: the problem of the hidden spread of the virus before the first case isdiagnosed (silent development of FMD), the intra-herd evolution of the disease, thecontamination of susceptible herds (the actual epidemic process) and the control strategy. Onmodelling disease control, the efficiency of two different strategies can be evaluated, whichare stamping out (slaughter of all animals in the infected premises) and slaughter ofdangerous contacts (the cull is extended to healthy herds that may have been contaminated).The model characterizes an epidemic according to the disease parameters duration, incidenceas well as total number of cases and ammount of depopulated premises (for both controlstrategies).Furthermore, sensitivity analysis were performed to detect the specific key parameters, whichshowed, that the basic-reproduction-rate, the probability of culling infected herds and theherd-density have crucial influence on the simulated epidemic, so that these values have to bedetermined from real data in each case of application.The model was validated with the FMD epidemic in Great Britain 2001: the correlationbetween the observed and calculated periodic incidences was 0,95 (Pearson correlationcoefficient). The comparison of the calculated cases and duration with the observed onesshowed following results: the model calculated 2.058 cases and a duration of 29 weeks,against 2.030 observed cases and an observed duration of 33 weeks. Concerning the totalnumber of culled herds, the model estimated 9.194 culls against 9.585 perfomed ones. Thismeans, that the model performance is sufficient to describe an epidemic of FMD.Keywords: control of epidemics, foot-and-mouth disease, mathematical modelling, processmodels,state-transition models, veterinary epidemiology


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