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Hypophysentumoren - eine interdisziplinäre Aufgabe<br />
Zentrum für Neuroendokrine Tumore am <strong>Klinikum</strong> <strong>Chemnitz</strong><br />
Durch die Mitarbeit in den neugegründeten<br />
Zentren wie Schädelbasiszentrum und<br />
dem Zentrum für Neuroendokrine Tumore<br />
(NET-Zentrum) ergeben sich verbesserte<br />
Möglichkeiten, die Fachkompetenzen von<br />
Endokrinologen, HNO-Ärzten, Augenärzten<br />
und Neurochirurgen für die interdisziplinäre<br />
Behandlung von Hypophysentumoren am<br />
<strong>Klinikum</strong> <strong>Chemnitz</strong> zu bündeln und die organisatorischen<br />
Abläufe zu optimieren. Es<br />
eröffnet sich die Gelegenheit, auf diese relativ<br />
seltene Tumorerkrankung aufmerksam<br />
zu machen, da die vielfältigen klinischen<br />
Erscheinungen verschiedenste Fachgebiete<br />
in Diagnostik und Behandlung einbeziehen.<br />
Die Hirnanhangsdrüse (Hypophyse) als<br />
zentrales hormonelles Steuerorgan, etwa<br />
kirschkerngroß, liegt in einer Vertiefung der<br />
inneren Schädelbasis (sella turcica) etwa<br />
10 cm hinter der Nasenwurzel. Tumorbildungen<br />
der Hypophyse, sogenannte Adenome,<br />
betreffen fast ausschließlich den Hypophysenvorderlappen<br />
und sind in aller Regel<br />
gutartig. Hypophysenadenome stellen etwa<br />
10-15% aller intrakraniellen Tumoren. Die<br />
Inzidenz beträgt 30/1 000 000. Die Klassifizierung<br />
der verschieden Adenomtypen,<br />
je nach betroffener Hormonachse, erfolgt<br />
nach klinisch-laborchemischen Hormonbefund<br />
und immunhistologischer Bestimmung<br />
der hormonbildenden Zellen (qualitativ und<br />
quantitativ) am histologischen Material.<br />
Die wichtigsten Adenomtypen sind Prolaktinome<br />
(etwa 50%), GH-produzierende<br />
Adenome (22%) und ACTH-produzierende<br />
Adenome (5%).<br />
Überproduktion von<br />
Hormonen mit weitreichenden<br />
Folgen<br />
Die Überproduktion von Hormonen hat weitreichende<br />
körperliche Veränderungen zur<br />
Folge. Entsprechend der betroffenen Hormonachse<br />
führt dies zu charakteristischen,<br />
klinisch definierten Krankheitsbildern. Die<br />
Prolaktinämie (Prolaktinom) bedingt Galaktorrhoe,<br />
Regelstörungen bei Frauen, Libido-<br />
und Potenzverlust beim Mann. Die Überproduktion<br />
von Wachstumshormon (GH) führt<br />
präpupertär zum Gigantismus und im Erwachsenenalter<br />
zur Akromegalie, die Überproduktion<br />
von ACTH, (adronocortikotropes<br />
Hormon) zum Morbus Cushing, charakterisiert<br />
durch Stammfettsucht, Vollmondgesicht,<br />
Striae rubrae, Büffelnacken und<br />
Hypertonie. Eine Verminderung der Hormon-<br />
Als bildgebende Untersuchung ist das MRT das wichtigste Untersuchungsverfahren der Diagnostik von Hypophysentumoren.<br />
Foto: Dynamic Graphics<br />
produktion (meist primär hormoninaktive<br />
Adenome) tritt als partielle oder globale Hypophyseninsuffizienz<br />
in Erscheinung. Neben<br />
den Veränderungen des Hormonhaushalts<br />
führt das Größenwachstum des Adenoms<br />
zur lokalen Raumforderung mit Beeinträchtigung<br />
von benachbarten Strukturen wie<br />
Sehnerven, Augenmuskelnerven und bei<br />
extrem großen Adenomen des basalen Gehirns.<br />
Die klinische Symptomatik entwickelt<br />
sich meist sehr langsam, und die körperlichen<br />
Veränderungen werden vom Patienten<br />
nicht oder viel zu spät wahrgenommen.<br />
Selbst Gesichtsfeld- und Visusstörungen<br />
werden lange Zeit nicht bemerkt, und erst<br />
drastische Visusveränderungen führen zur<br />
gezielten Diagnostik. Selten suchen die<br />
Patienten frühzeitig einen Endokrinologen<br />
auf, oft sind Gynäkologen, Neurologen und<br />
Augenärzte erste Anlaufstelle.<br />
Grundpfeiler der Diagnostik von Hypophysentumoren<br />
sind die umfassende endokrinologische<br />
Diagnostik, die ophthalmologische<br />
Untersuchung, und als bildgebende<br />
Untersuchung ist das MRT das wichtigste<br />
Untersuchungsverfahren.<br />
Auch bei eindeutigem MRT-Befund - gelegentlich<br />
werden Adenome als Zufallsbefunde<br />
entdeckt - ist die endokrinologische<br />
Diagnostik unerlässlich, um zwischen<br />
hormonaktiven und inaktiven Adenomen<br />
zu unterscheiden, insbesondere muss das<br />
Vorliegen eines Prolaktinoms ausgeschlossen<br />
werden, da hier auch bei größeren Ade-<br />
nomen in der Regel eine medikamentöse<br />
Therapie erfolgt. Einzig bei Prolaktinomen<br />
ist die medikamentöse Behandlung mit Dopaminagonisten<br />
Therapie der ersten Wahl,<br />
eine Operation ist nur in Ausnahmefällen<br />
erforderlich. Alle anderen Adenome werden<br />
operativ behandelt. Primäres Operationsziel<br />
ist die Beseitigung der Raumforderung<br />
zu Normalisierung von Visus und<br />
Gesichtsfeld sowie die Normalisierung der<br />
Hormonsekretion bei Erhalt der normalen<br />
Hypophysenfunktion.<br />
Zwei operative<br />
Zugangsmöglichkeiten<br />
Prinzipiell bestehen zwei Möglichkeiten die<br />
Hypophyse in der Mitte der Schädelbasis<br />
zu erreichen. Entweder von „oben“ entlang<br />
der Schädelbasis (transkraniell) oder von<br />
„unten“ durch die Nasenräume und die dahinterliegende<br />
Keilbeinhöhle (transsphenoidal).<br />
Bis in die 1960er Jahre war der transkranielle<br />
Zugang zur Hypophyse - also über<br />
den geöffneten Schädel - üblich. Allerdings<br />
hat der amerikanische Neurochirurg Harvey<br />
Cushing, einer der Pioniere der Hypophysenchirurgie,<br />
bereits zwischen 1910 und<br />
1915 den operativen Zugang über die Nasenräume<br />
entwickelt, diese Methode aber<br />
zugunsten der transkraniellen Operation<br />
wieder aufgegeben. Mitte der 1960er wurde<br />
der transsphenoidale Zugang unter den Bedingungen<br />
der mikroskopgestützen Operationstechnik<br />
wieder eingeführt. Seitdem ist