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16 Köpenicker <strong>Seniorenzeitung</strong> – Ausgabe 5/2004<br />

zerschlagen. Meine Mutter verhielt sich innerhalb<br />

unserer Familie stets passiv, sie erlaubte mir<br />

zwar bestimmte Dinge, ohne sich lange zu streiten,<br />

aber das war mehr aus einer Art heimlicher<br />

Solidarisierung mit der Tochter heraus. Auch<br />

meine Schwestern hielten sich weitestgehend an<br />

Vaters Ge- und Verbote und dazu gehörte auch,<br />

Punkt zwölf Uhr nachts wieder zu Hause zu sein,<br />

wenn sie ausgegangen waren.<br />

Aber ich gehorchte dem nicht und eines Tages<br />

– ich war 14 oder 15 – knallte es. In der Nacht<br />

kam ich erst gegen eins zurück, meine Freundinnen<br />

und Freunde hatten mich noch nach<br />

Hause begleitet, alles war ganz harmlos gewesen<br />

und das sah man uns auch an. Doch mein<br />

Vater stellte mich vor versammelter Mannschaft<br />

noch an der Tür zur Rede und schrie mich an,<br />

was mir denn eingefallen sei, so spät zu kommen.<br />

Tja, und dann fügte er noch hinzu, dass<br />

eine Frau, die erst nach halb eins nachts nach<br />

Hause käme, eine Nutte sei. Da explodierte ich<br />

auch, obwohl ich wusste, dass ich dafür eine<br />

gesalzene Strafe bekommen würde; als er mir<br />

androhte, mich zu schlagen, schrie ich zurück,<br />

dass wenn er das täte, ich ihn wegen Misshandlung<br />

anzeigen würde. Von dem Tag an begann<br />

er langsam, mich und meine Art, die Dinge zu<br />

sehen, zu respektieren.<br />

Ich habe allerdings lange gebraucht, um die von<br />

meinen Eltern übermittelten Ehe-Verhaltensmuster<br />

in meinen Beziehungen zu Männern<br />

abzulegen.<br />

Meine Mutter hat immer auch außer Haus gearbeitet,<br />

erst als Putzkraft, dann lange Zeit als<br />

Fahrstuhlführerin, vielleicht hat ihr das geholfen,<br />

ihrem Leben ein wenig Sauerstoff zu geben.<br />

Sie repräsentierte stets den weichen Part in<br />

der Familie und hat mich gelehrt, in jeder Person<br />

den Menschen zu sehen, unabhängig davon,<br />

was dieser Mensch in seinem Leben macht.<br />

Vielleicht tat sie das – wenn auch damals unbewusst<br />

–, damit ich begriffe, dass auch mein<br />

Vater bestimmten starren Schemata unterworfen<br />

sei, und damit ich ihn besser verstünde.<br />

Erst heute, mit 67 Jahren, sagt sie endlich:<br />

»Wenn er streiten will, gut, dann soll er doch –<br />

dann gehe ich eben.« Ich freue mich, dass sie<br />

das jetzt so sagt, denn auch wenn ich immer<br />

geglaubt hatte, dass es schön sei, den Familienverband<br />

zu erhalten, denke ich heute doch, dass<br />

das nicht für den Preis der eigenen Herabwürdigung<br />

geschehen darf. So geht es vielmehr<br />

darum, sich einfach zu lieben, denn schließlich<br />

leben wir ja alle mehr oder weniger unter<br />

demselben Dach.<br />

***<br />

Steig in das Luftschiff der<br />

Träume!<br />

Die versprochenen blühenden Landschaften<br />

sind da. Eine Stunde von Berlin entfernt, entsteht<br />

in der größten frei tragenden Halle der Welt<br />

ein tropischer Regenwald mit Tropenmeer. Aus<br />

der Cargo-Lifter-Halle wird der Tropical-Islands-<br />

Dome, ein tropisches Paradies. Eröffnung Ende<br />

2004.<br />

Palmen und die Blüten von fleischfressenden<br />

Pflanzen können ab April 2004 bei Führungen<br />

über die Baustelle in der Halle (im Dome) bewundert<br />

werden.<br />

Die Brandenburger Pleiten, Pech und Pannen-<br />

Olympiade – bestehend aus den Leuchttürmen<br />

Lausitzring, Cargo-Lifter und Chipfabrik – ermöglicht<br />

diese sensationelle Leistung. Brandenburg<br />

hat große Erfolge mit dem Import von<br />

drittklassigen Experten aufzuweisen.<br />

In Zeitungsartikeln war zu lesen und aus den<br />

vielen Untersuchungsausschüssen zu Pleiten<br />

war zu erfahren, daß z. B. die Verträge für die<br />

Chip-Fabrik von totalen Amateuren ausgearbeitet<br />

wurden.<br />

In der Pleiten, Pech und Pannen-Olympiade<br />

gibt es weitere Höchstleistungen. Konnte in Berlin<br />

der Einsatz des Insolvenzverwalters für den<br />

Herlitz-Konzern den Konzern retten, so haben<br />

die Brandenburger mit dem Insolvenzverwalter<br />

Prof. Dr. Mönning für Cargo-Lifter einen tüchtigen<br />

Plattmacher á la Treuhand gefunden. Die<br />

Einlagen von 70.000 Cargo-Lifter Aktionären<br />

mit einem Wert von 300 Millionen EUR werden<br />

ignoriert. Die Rettung von Cargo-Lifter war nie<br />

zu spüren, vorhandene Werte wurden vernichtet,<br />

die hervorragende Halle verscherbelt. Die<br />

Entwicklung geht jetzt vom Großluftschiff zurück<br />

auf das Niveau tropischer Dörfer.<br />

Es gibt einen entscheidenden Unterschied zwischen<br />

den drei Großprojekten, bei Cargo-Lifter<br />

wurden zu 85 % Privatgelder eingezahlt. Gregor<br />

Gysi sprach einmal als Wirtschaftssenator<br />

von Berlin vom VEB Cargo-Lifter.<br />

Geprellten Cargo-Lifter-Aktionäre reichte es, sie<br />

setzen sich zur Wehr, sie vereinen sich.<br />

Die Initiative „Zukunft in Brand e.V.“, der Verein<br />

zur Verteidigung der Eigentumsrechte der<br />

Cargo-Lifter Aktionäre wurde 2003 gegründet.<br />

Innerhalb eines Jahres wurden über 500 Mitglieder<br />

aufgenommen. Am 8. Mai 2004 fand die<br />

Mitgliederversammlung 2004 mit 72 stimmberechtigten<br />

Mitgliedern statt.<br />

Man kann über Luftschiffe spotten und Witze<br />

machen. Physikalisch gibt es aber trotzdem<br />

Gase, die leichter als Luft sind. Dieses Prinzip<br />

zu nutzen wurde von der Initiative „Zukunft<br />

in Brand e.V.“ nicht aufgegeben.<br />

Ein Teilnehmer der Versammlung bezeichnete<br />

in seiner Diskussionsrede sich und die Mitglieder<br />

der Initiative natürlich als Spinner,<br />

Träumer, Visionäre. Unsere Aktien sind im Keller,<br />

aber alle Angereisten, aus allen Ländern<br />

der Bundesrepublik, haben die Vision an die<br />

Zukunft großer Luftschiffe nicht verloren.<br />

Nach dem bekannten Motto ein Schritt vorwärts,<br />

zwei Schritte zurück, wurde der Rückschlag<br />

von Cargo-Lifter kritisch und schonungslos<br />

aufgearbeitet. Unter Verwendung der<br />

neuesten Erkenntnisse der Antriebstechnik, der<br />

Materialkunde und der Dynamik, wurden Konzepte<br />

für Großluftschiffe vorgestellt.<br />

Ein Höhepunkt der Versammlung war natürlich<br />

die Anwesenheit und der Vortrag von Dr.<br />

Carl von Gablenz (ehemaliger Chef von Cargo-Lifter).<br />

Ich möchte den Faden noch weiter spinnen.<br />

In einigen Jahren, wenn die Attraktivität von<br />

Tropical Islands verflogen ist, werden in Brand<br />

endlich die Großluftschiffe gebaut und die<br />

Halle erhält ihren wirklichen Zweck zurück.<br />

Im ehemaligen Land der Dichter und Denker<br />

sollten vielleicht doch noch kühne Ideen gefördert<br />

und realisiert werden können.<br />

Es geht darum dieser Region eine Perspektive<br />

mit hochwertigen Arbeitsplätzen zu geben, der<br />

Jugend, unseren Enkeln, statt einer Mobilitätsprämie<br />

hier wieder eine Zukunft zu geben, die<br />

nicht mit dem Schulabschluß endet. Freizeitparks<br />

nützen erst dann etwas, wenn die Menschen<br />

das Geld dafür wieder in der Tasche haben.<br />

Zeppeline gab es schon vor vielen Jahren, der<br />

Stand der Technik hat sich enorm weiterentwickelt.<br />

Aus fliegenden Kisten wurden Flugzeuge.<br />

Es gibt reale Chancen zur Wiederauferstehung<br />

von Großluftschiffen, Konstruktionspläne<br />

wurden vorgestellt und diskutiert. Der Neustart<br />

hat begonnen. Die Initiative „Zukunft in<br />

Brand“ habe ich begeistert erlebt.<br />

Klaus Paulsen

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