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10 Köpenicker <strong>Seniorenzeitung</strong> – Ausgabe 5/2004<br />
Vom Deutschen Gewerbe-Museum zum<br />
Kunstgewerbemuseum im Köpenicker Schloß<br />
Die Schloßinsel Köpenick gehört neben Cölln<br />
und Spandau zu den ältesten Siedlungsgebieten<br />
des heutigen Berlin. Der Gebäudekomplex<br />
auf der Schloßinsel ist einer der wenigen noch<br />
weitgehend in ihrem bauzeitlichen Zustand erhaltenen<br />
Schloßanlagen des frühen Brandenburgischen<br />
Barock und darf zusammen mit der<br />
Parkanlage sicherlich den Rang eines Gesamtkunstwerkes<br />
für sich beanspruchen. Als Baumeister<br />
wird der niederländische Maler Rutger von<br />
Langenfeld genannt, der 1678 als Hofmaler in<br />
brandenburgische Dienste trat.<br />
Das Berliner Kunstgewerbemuseum<br />
wurde 1867 unter dem Namen<br />
„Deutsches Gewerbe-Museum“ gegründet.<br />
Es war das erste Museum<br />
dieser Art in Deutschland und das<br />
dritte weltweit. Die Idee zu diesem<br />
neuen Museumstyp entsprang zunächst<br />
ökonomischen Notwendigkeiten.<br />
Mit der Zunahme industriell<br />
gefertigter Massenprodukte und<br />
den seit 1851 stattfindenden Weltausstellungen<br />
geriet das traditionelle<br />
deutsche Handwerk unter<br />
enormen Wettbewerbsdruck. Das<br />
vorrangige Ziel dieses Gewerbe-Museums, an das<br />
eine Unterrichtsanstalt angegliedert war, bestand<br />
darin, durch eine „Vorbilder- und Mustersammlung“<br />
das Qualitätsbewußtsein und ästhetische<br />
Formgefühl im Handwerk zu schulen.<br />
1875 wurde es in „Kunstgewerbe-Museum zu<br />
Berlin“ umbenannt. Seit 1885 zählte es zu den<br />
Königlichen Museen und war damit aus seiner<br />
ursprünglich privaten Existenz in die Obhut des<br />
Staates aufgenommen. 1921 erfolgte sein Umzug<br />
in das von Andreas Schlüter und Eosander<br />
von Göthe errichtete Berliner Schloß, das nach<br />
dem Ende des Ersten Weltkrieges und der Abdankung<br />
Kaiser Wilhelms II. verwaist war. Ende<br />
des Zweiten Weltkrieges war ein beträchtlicher<br />
Teil der Sammlung zerstört und verloren gegangen.<br />
Das Berliner Schloß war weitgehend eine<br />
Ruine und wurde 1950 abgerissen.<br />
Die Bestände des Kunstgewerbemuseums bildeten<br />
auf Grund ihrer Auslagerungs- und<br />
Bergungsorte nach dem Zweiten Weltkrieg den<br />
Grundstock von zwei Sammlungen. Im Westteil<br />
der Stadt kam es 1957 zur Gründung der<br />
Stiftung Preußischer Kulturbesitz mit den aus<br />
Hessen und Niedersachsen nach Berlin zurück<br />
geführten Kunstwerken, die zunächst im Knobelsdorff-Flügel<br />
des Charlottenburger Schlosses<br />
untergebracht wurden und seit 1985 im neuen<br />
Gebäude am Kulturforum ausgestellt werden.<br />
Die im Ostteil der Stadt zwischengelagerten<br />
Kunstwerke fanden 1963 einen repräsentativen<br />
Platz im barocken Köpenicker Schloß, das damit<br />
endlich wieder einer angemessenen Nutzung<br />
zugeführt wurde. Vorher war das Schloß<br />
über die Jahrhunderte hinweg verbunden mit<br />
unterschiedlichen baulichen Veränderungen<br />
unterschiedlich genutzt worden, so u. a. als<br />
Gefängnis, Lehrerseminar, Studentenwohnheim,<br />
Volksküche, Volkshaus und Wirtschaftsschule.<br />
Von der ursprünglichen Einrichtung des<br />
Schlosses war bereits Mitte des 19. Jahrhunderts<br />
kaum noch etwas vorhanden. Alle ausgestellten<br />
Kunstwerke sind Teil der Museumssammlung.<br />
Einen Schwerpunkt der Sammlung bildeten<br />
vor allem die kostbaren historischen Möbel.<br />
Nach zehnjähriger Generalinstandsetzung, die<br />
wahrlich notwendig war, wurde Ende Mai 2004<br />
die Dependance des Kunstgewerbemuseums<br />
nun wieder der Öffentlichkeit übergeben. Die<br />
Köpenicker und ihre Gäste – Touristen aus nah<br />
und fern – haben ihr Schloß und ihr Museum<br />
wieder. Mit dem Konzept, Werke der Raumkunst<br />
aus Renaissance, Barock und Rokoko zu präsentieren,<br />
zeigt sich die Sammlung des Kunstgewerbemuseums<br />
im Schloß in neuem Gewand.<br />
Das Schloß Köpenick ist kein Museumsschloß,<br />
sondern es beherbergt ein Museum im Schloß.<br />
Die Hauptwerke der Sammlung sind in 21<br />
Schauräumen auf ca. 1.500 m² zu besichtigen.<br />
Aus der Renaissance die Prunkstuben aus<br />
Schloß Haldenstein in Graubünden (um 1548)<br />
und aus dem Schloß Höllrich in Oberfranken<br />
(um 1555),<br />
das barocke Spiegelkabinett aus dem Schloß<br />
Wiesentheid (um 1724/25) sowie<br />
das Chinesenzimmer mit Lackmalereien aus<br />
dem Palazzo Graneri in Turin (um 1740/50) –<br />
einem Hauptwerk des Rokoko.<br />
Den herrschaftlich repräsentativen Charakter<br />
einer Raum- und Wandgestaltung<br />
demonstrieren das Große Silberbuffet<br />
aus dem Berliner Schloß<br />
(vor 1698) und natürlich der<br />
„Wappensaal“, dem Hauptsaal des<br />
Köpenicker Schlosses mit seinen<br />
beeindruckenden Stukkaturen.<br />
Dort ist auf einer Festtafel das für<br />
Friedrich II. im Jahre 1767/68 von<br />
der Königlichen Manufaktur Berlin<br />
für das Breslauer Stadtschloß<br />
angefertigte Tafelservice zu besichtigen.<br />
Alle anderen Kunstwerke waren<br />
einst Einrichtungen fürstlicher<br />
Paläste und Patrizierhäusern.<br />
Die kriegsbedingte und dann politisch erzwungene<br />
willkürliche Trennung des Sammlungsbestandes<br />
des Kunstgewerbemuseums war auch<br />
die Ursache für die Verteilung der ursprünglichen<br />
Bestände des Kunstgewerbemuseums auf<br />
zwei Standorte. Liebe Leser, besuchen Sie mit<br />
ihren Gästen das Köpenicker Schloß mit dem<br />
Museum und verschaffen Sie sich selbst einen<br />
Eindruck über die herrlichen Werke. Besichtigen<br />
Sie auch die Kunstwerke am Kulturforum.<br />
Freuen wir uns doch, daß so viele Kunstwerke<br />
trotz mörderischen Krieg und den politischen<br />
Kriegsfolgen erhalten geblieben sind. Alles, was<br />
an diesen beiden Standorten zu sehen ist, zeugt<br />
von den künstlerischen Leistungen unserer Vorfahren<br />
und entfaltet seine Wirkung weit über<br />
Köpenick und Berlin hinaus. Freuen wir uns<br />
über die Instandsetzung und Gestaltung unseres<br />
Schlosses. Das sind ingenieurtechnische und<br />
künstlerische Leistungen der heutigen Generation<br />
mittels unserer aller Steuern.<br />
Dr. Kurt Kutzschbauch