Seniorenzeitung
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Köpenicker <strong>Seniorenzeitung</strong> – Ausgabe 5/2004<br />
Heinrich Zille: Das Museum (Teil 1)<br />
Heinrich Zille kam von unten und ist dem Milieu<br />
seiner Herkunft ein Leben lang treu geblieben, obwohl<br />
er vom Berliner Osten in den vornehmeren<br />
Westen umzog, aus einer Kellerwohnung vier<br />
Treppen hoch – „Aufstieg“, wie er es selbst ironisch<br />
formulierte. Auch als Akademiemitglied und<br />
Professor nahm er Anteil an den Nöten und Sorgen<br />
der kleinen Leute, skizzierte und fotografierte,<br />
was er sah, notierte, was er hörte. Mit Witz und<br />
Gespür für Pointen hielt er in seinen Bildern das<br />
Leben des fünften Standes so einprägsam fest, daß<br />
man jenes spezifische soziale Umfeld bald als „Zille-Milieu“<br />
bezeichnete.<br />
Er lernte dieses Milieu als Neunjähriger kennen,<br />
als er 1867 aus Sachsen nach Berlin kam. Sein<br />
Vater war ein Handwerker,<br />
der ab und zu Schulden<br />
machte, vor seinen Gläubigern<br />
nach Dänemark<br />
geflohen war und nun sein<br />
Glück in Berlin versuchte.<br />
Er fand nicht gleich eine<br />
Beschäftigung, und die<br />
Familie ernährte sich von<br />
dem, was die Mutter durch<br />
Heimarbeit verdiente.<br />
Auch die Kinder mußten<br />
helfen. Heinrich verdingte<br />
sich als Stadtführer; brachte Touristen in verrufene<br />
Kneipen oder auch zum kunstsinnigen<br />
Gastwirt Tübbecke, bestaunte dort Kupferstiche,<br />
sah aus dem Wasser gefischte Selbstmörder im<br />
Leichenhaus neben der Stralauer Dorfkirche. Mit<br />
zwölf Jahren wurde er Laufbursche für die Direktorin<br />
einer Damenkapelle.<br />
1869 bekam der Vater eine Anstellung als Mechaniker<br />
bei Siemens und Halske. Bald darauf<br />
erwarben die Eltern ein Häuschen in Rummelsburg,<br />
Fischerstraße 8. Heinrich beendete die<br />
Volksschule und sollte das Fleischerhandwerk erlernen.<br />
Daraus wurde nichts, sein empfindsames<br />
Gemüt war den Anforderungen des Berufs<br />
nicht gewachsen. Zeichenlehrer Spanner vermittelte<br />
ihm eine Lehrstelle beim Lithographen Fritz<br />
Hecht in der Alten Jacobstraße. Er hatte nach<br />
fotografischen Vorlagen zu zeichnen und Steindrucke<br />
zu kolorieren. Diese handwerkliche Tätigkeit<br />
genügte ihm nicht, deshalb besuchte er<br />
abends die „Königliche Kunstschule”. Dort traf<br />
er seinen wichtigsten Lehrer, Theodor Hosemann<br />
(1807–1875).<br />
In enger Zusammenarbeit mit Adolf Glassbrenner<br />
war Hosemann zum wichtigsten Karikaturisten<br />
des Vormärz geworden. Heute nennt man<br />
ihn den Vorläufer Zilles; mit Recht. Der Schüler<br />
übertraf seinen Lehrer an Einfallsreichtum,<br />
zeichnerischem Können und politischem Engagement.<br />
Aber den entscheidenden Anstoß,<br />
hinaus ins Freie zu gehen, nach der Natur zu<br />
zeichnen, was hieß, die Menschen in ihrem sozialen<br />
Milieu zu beobachten, ihnen aufs Maul<br />
zu schauen, diesen Anstoß bekam Zille von<br />
Hosemann und dafür blieb er ihm bis ans Lebensende<br />
dankbar.<br />
Sicher erweckten auch Ähnlichkeiten in der Biographie<br />
die Sympathie für den Lehrer. Hosemann<br />
wuchs auch in einfachen<br />
Verhältnissen auf.<br />
Als Zwölfjähriger kolorierte<br />
er Bilderbogen für die<br />
lithographische Anstalt<br />
Arnz und Winckelmann.<br />
Es war derselbe Winckelmann,<br />
der 1828 in Berlin<br />
sein eignes Unternehmen<br />
gründete, bei dem auch<br />
Zille in die Lehre ging. Als<br />
Hosemann im Alter von<br />
dreiundfünfzig Jahren in<br />
die Akademie der Künste aufgenommen wurde,<br />
gab er einen heiter-ironischen Lebenslauf<br />
zum besten. Auch Heinrich Zille, bereits sechsundsechzig,<br />
amüsierte die Preußische Akademie<br />
der Künste mit seiner Biographie. Hosemann<br />
starb, 68 jährig, im Jahr 1875. Von seinen<br />
letzten Lebensjahren nahm kaum noch jemand<br />
Notiz; sein Tod wurde in der Presse nur<br />
mit wenigen Zeilen erwähnt.<br />
Detlev Streichhahn<br />
(Fortsetzung in der nächsten Ausgabe)<br />
Fotoausstellung<br />
In der Zeit vom 10. August bis 3. September 2004<br />
ist in der Galerie MOTIV, Puchanstraße 22, die<br />
Foto-Ausstellung des Köpenicker Fotografen<br />
Wolfgang Dossow zu sehen. Gezeigt werden<br />
Ansichten vom „Haus Schwarzenberg“, dem<br />
Kaufhaus „Schrill“ und dem Türkenmarkt,<br />
IMPRESSUM<br />
IMPRESSUM<br />
9<br />
Die „Köpenicker <strong>Seniorenzeitung</strong>“ erscheint sechsmal<br />
im Jahr in Zusammenarbeit mit dem Bezirksamt<br />
Treptow-Köpenick von Berlin. Sie wird kostenlos<br />
vertrieben. Derzeitige Auflage: 4.000 Exemplare<br />
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sind zu richten an: Gerd Jandke, Bogenstraße<br />
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