Seelenhackerdass er sie in seinen Überlegungen nicht berücksichtigt; oder auch ihre Existenzschlichtweg bestreitet. Das Böse ist eine Krankheit; und das Sichsorgenum Krankheiten ist eine zusätzliche Form von Krankheit, die die eigentlichenBeschwerden nur vermehrt. Selbst Schuld- und Reuegefühle, wie siebei Menschen vorkommen, die im Dienste des Guten stehen, sind nur einZeichen des Kränkelns und unkontrollierter Triebe. [. . .][Wenden wir uns nun den Menschen zu], die den lästigen Eindruck desBösen nicht so leicht abschütteln können, sondern von Geburt an dazu bestimmtsind, unter seiner Gegenwart zu leiden. [. . .] [Es gibt] verschiedeneEbenen krankhaften Geistes [. . .] Da gibt es Menschen, für die das Böse nureine mangelhafte Anpassung an die Dinge ist, eine gestörte Beziehung deseigenen Lebens zur Umwelt. Ein solches Übel ist auf natürliche Weise heilbar,[. . .] durch eine bloße Veränderung entweder des eigenen Selbst oder derDinge oder beider zugleich [. . .] Aber da gibt es andere, für die das Bösenicht bloß ein Missverhältnis des Subjekts zu bestimmten äußeren Dingenist, sondern etwas Radikaleres und Allgemeineres, ein grundsätzlicher Fehleroder Mangel im Wesen ihrer Natur, den keine Veränderung der Umweltoder irgendeine oberflächliche Korrektur ihres Innenlebens beheben kann,der vielmehr ein übernatürliches Heilmittel erfordert. Die romanischen Völkerhaben eher dazu geneigt, das Böse in der ersten Weise zu betrachten,als Schlechtigkeiten und Sünden im Plural, die einzeln beseitigt werden können;während die germanischen Rassen mehr dazu tendierten, die Sünde imSingular zu denken, großgeschrieben, als etwas, das mit unserer natürlichenSubjektivität unausrottbar verwurzelt ist und durch stückwerkhafte oberflächlicheOperationen niemals beseitigt werden kann.[. . .] So sprechen wir im Allgemeinen von der Bewusstseinsschwelle einesMenschen, um damit die Menge des Lärms, Drucks oder eines anderenäußeren Reizes anzugeben, die erforderlich ist, um seine Aufmerksamkeit zuerregen. Ein Mensch mit einer hohen Schwelle wird bei einem Krach, dereinen anderen Menschen mit einer niedrigeren Schwelle sofort wecken würde,ruhig weiterschlafen. Ähnlich sagen wir von einem Menschen, der einEmpfinden für kleine Differenzen in einem bestimmten Sinnesbereich hat, erhabe eine niedrige ‚Differenzschwelle‘ – sein Geist überschreitet sie leichtund nimmt eine entsprechende Differenz wahr. Und ebenso können wir voneiner ‚Schmerzschwelle‘, einer ‚Angstschwelle‘, einer ‚Elendschwelle‘ sprechen,die in der Wahrnehmung mancher Menschen leicht überschritten wird,während sie bei anderen zu hoch liegt, als dass sie von ihrer Wahrnehmunghäufig erreicht wird. [. . .]40
Wohin du auch siehst, ist das Gesicht GottesWenn selbst ein so strahlender Optimist wie Goethe sich in dieser Weiseäußert, wie muss es dann erst um weniger erfolgreiche Menschen stehen?„Ich will gegen den Verlauf meines Lebens nichts sagen [schreibtGoethe 1824]. Aber im Grunde ist es nichts als Schmerz undLast gewesen, und ich kann versichern, dass ich während meinerganzen 75 Jahre nicht vier Wochen echten Wohlbefindens gehabthabe. Es ist das fortwährende Wälzen eines Felsens, der immerwieder neu aufgerichtet werden muss.“Welcher auf sich allein gestellte Mann war aufs Ganze gesehen jemals soerfolgreich wie Luther? Aber als er alt geworden war, blickte er auf seinLeben zurück, als wäre es ein absoluter Fehlschlag gewesen.„Ich bin des Lebens äußerst überdrüssig. Ich bete darum, derHerr möge unverzüglich kommen, um mich von hinnen zu nehmen.“[. . .] „ich würde eher meine Chance aufgeben, ins Paradieszu kommen, als weitere 40 Jahre leben zu müssen.“[. . .]Die einzige Erleichterung, die der gesunde Geist einer Seele geben kann,die diesen Zustand bemerkt und zu Recht erschauert, besteht in der Aufforderung:„Dummes Zeug, geh hinaus an die frische Luft!“ oder „Kopf hoch, alterKnabe, du wirst bald wieder in Ordnung sein, wenn du nur ablässt von deinenmorbiden Gedanken!“ Aber kann man ein derart plattes animalisches Geredeallen Ernstes als vernünftige Antwort durchgehen lassen? Würde man dieserHauruck-Zufriedenheit mit der kurzen Aussicht auf ein natürliches Gut religiösenWert beimessen, wäre das nichts anderes als die Heiligsprechungvon Vergesslichkeit und Oberflächlichkeit. Unsere Leiden liegen für dieseArt von Kur einfach zu tief. Was uns verwirrt, ist die Tatsache, dass wir sterbenkönnen, dass wir überhaupt krank sein können [. . .] Wir brauchen einLeben, dass nicht an den Tod gebunden ist, eine Gesundheit, die nicht derKrankheit unterworfen ist, etwas Gutes, das nicht vergeht [. . .][. . .] „Mein Problem ist“, sagte eine Bekannte von mir, „dass ich zu sehran allgemeines Glück und Gutsein glaube und dass mich nichts über ihreVergänglichkeit hinwegtrösten kann.“ So geht es den meisten von uns: Unseranimalisches Feuer muss nur ein wenig abkühlen, unsere tierische Zähigkeitnur ein wenig nachlassen, und eine kleine Reizbarkeit und die Senkung derSchmerzschwelle werden den Wurm im Kern unseres gewöhnlichen Vergnü-41
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