Forschung 16RZPD entwickelt hoch-spezifischesiRNA ProdukteEffi Rees 1 , Markus Schuster 1 , Frank Buchholz 2 , Bernhard Korn 11RZPD Deutsches Ressourcenzentrum für Genomforschung, Im Neuenheimer Feld 580, 69120 Heidelberg2Max-Planck-Institut für Molekulare Zellbiologie und Genetik, Pfotenhauer Str. 108, 01307 DresdenRNA Interferenz (RNAi, Fire et al. 1998) hat sichzu einem wichtigen Werkzeug zum Studium vonGenfunktionen entwickelt („functional genomics“)und ermöglicht den „Knock down“ vonGenen in einer Vielzahl von Organismen (z.B.Drosophila, Caenorhabditis, Mus musculus) sowiein menschlichen Zelllinien. Ein wichtigesCharakteristikum des Mechanismus ist das Prozessierenvon langen dsRNAs in 21-23 Nukleotide,die sogenannten small interfering RNAs(siRNA, Elbashir et al. 2001) durch den Dicer-Enzymkomplex. Die siRNA bildet mit einem Proteinkomplexden sogenannten RNA-inducedSilencing Complex (RISC), dieser bindet an denantisense Strang des 21-mers und schneidet diemRNA in der Mitte des Hybrides (Hammond etal. 2000). Die mRNA Degradation führt zu einem„gene silencing“ auf posttranskriptioneller Ebene.Die neue Technik der RNA Interferenz erlaubtes unter anderem in Säugerzellkulturen im HochdurchsatzGenfunktionen zu analysieren.Ursprünglich wurden 21 bp dsRNAs für den„Knock down“ in menschlichen, murinen undRattenzellen beschrieben (Elbashir et al., 2001).Diese Organismen verfügen über keine inhärenteDicerfunktionalität, d. h. ihnen müssen dieRNAs in ihrer für den „Knock down“ aktivenForm zugeführt werden (im Gegensatz zu Drosophilaund Caenorhabditis).Der Einsatz von 21 bp siRNA Produkten hatjedoch drei wesentliche Nachteile: i.) eine ungewisseErfolgsrate (i. Allg. braucht man 2-3 verschiedenesiRNA Oligos um einen „Knock downzu erreichen), ii.) die Effizienz ist meist gering,d.h. die eingesetzten siRNA Oligos führen lediglichzu einer Reduktion des Proteinlevels vonweniger als 75%), und iii.) die Kosten für siRNAOligonukleotide belaufen sich auf mehrere HundertEURO pro Gen, wodurch ein Genom-weitesScreening behindert wird.Daher arbeitet das RZPD seit einiger Zeit aneinem alternativen Weg des „gene silencing“.Wir beziehen uns dabei auf eine Technologie, dieseit ca. zwei Jahren in der Literatur beschriebenwird: Den Einsatz von in vitro Transkription undrekombinanten, RNA verdauenden Enzymen zurHerstellung von funktionellen siRNAs (Yang etal., 2002; Zhang et al., 2002). Das Prinzip dersiRNAs der RZPD ist in Abb. 1 dargestellt. Wirhaben genspezifische Produkte für 39.161 unigeneCluster hergestellt und verifiziert. Dabeihandelt es sich um PCR Produkte, die mit zweispezifischen Primern pro Gen hergestellt wurdenund keinerlei repetitive bzw. konservierte Sequenzenenthalten. Um diese dsDNA in dsRNAumzuwandeln wurden T7 Promotoren angefügt.Diese Produkte lassen sich sehr leicht über invitro Transkription in dsRNA Moleküle überführen,was am RZPD in automatisierter Form undunter Barcodekontrolle etabliert ist. Diese „langen“dsRNA Moleküle können mittels Dicer oderRNaseIII Reaktion in funktionelle „kleine“siRNAs überführt werden (Abb. 2). Diese Endproduktehaben sich als potente „Tools“ für denspezifischen „Knock down“ erwiesen, die oftden siRNA Oligos überlegen sind (Kawasaki etal., 2003).Das RZPD hat bisher mehr als 2.378 verschiedene,hoch-spezifische, lange dsRNAs hergestellt.Diese werden z. Z. in Kollaboration mit dem MPIfür Zellbiologie (F. Buchholz) und dem DKFZ(S. Wiemann) in Modellversuchen eingesetzt.Entsprechende doppelsträngige PCR Produkte,inkl. T7 Promotoren sollen ab Ende Oktober überdas RZPD zur Verfügung gestellt werden. Parallelwird dieser Satz erweitert und wir gehen davonaus, dass bis Ende des kommenden Jahres 39.000gen-spezifische Produkte für den Menschen zurVerfügung stehen. Darüber hinaus arbeiten wir anentsprechenden Materialien für Maus und Ratte,die zum Frühjahr 2004 bereitstehen sollten.Abb. 1: Von mRNA Sequenz zu siRNA ProduktEine Teilsequenz, die frei von repeats (R) und konserviertenAnteilen ist wird über gen-spezifische PCRamplifiziert. Die Produkte werden verifiziert und mitT7 Promotoren versehen. Über in vitro Transkriptionwerden die PCR Produkte in „lange“ dsRNAs überführt.Diese werden anschließend über spezifischeRNA-abbauende Enzyme (Dicer/RNaseIII) in funktionellesiRNAs umgewandelt.Abb. 2: Dicer/RNaseIII Reaktion in vitro(A) zeigt den Verdau von dsDNA verschiener Längedurch rekombinantes Dicer Enzym. Die Längen derdsRNAs und des Größenmarkers sind in bp angegeben,nach Zhang et al., 2002(B) zeigt dsRNAs nach RNaseIII BehandlungGenomXPress 3/03
17 ForschungLiteratur• Elbashir, S.M. et al. (2001) RNA interference ismediated by 21- and 22-. nucleotide RNAs.Genes Dev 15, 188-200• Fire, A. et al. (1998) Potent and specific geneticinterference by double-stranded RNA in Caenorhabditiselegans. Nature 391, 806-811• Hammond, S. M. et al. (2000) An RNA-directednuclease mediates post-transcriptional genesilencing in Drosophila cells. Nature 404, 293-296• Kawasaki, H. et al. (2003) siRNAs generated byrecombinant human Dicer induce specific andsignificant but target site-independent genesilencing in human cells. NAR 31, 981-987• Yang, D. et al. (2002) Short RNA duplexes producedby hydrolysis with Escherichia coli RNase III mediateeffective RNA interference in mammalian cells. PNAS99, 9942-9947• Zhang, H. et al. (2002) Human Dicer preferentiallycleaves dsRNAs at their termini without a requirementfor ATP. EMBO J. 21, 5875-5885InformationEffi ReesRZPD Deutsches Ressourcenzentrumfür GenomforschungIm Neuenheimer Feld 580 · 69120 HeidelbergE-Mail: rees@rzpd.deDiagnostische Gentests bei TumorpatientenGregor Weißflog und Reinhold Schwarz, Universität LeipzigHintergrundDie derzeitige Humangenomforschungstellt einen enormen Umfang an neuem Grundlagenwissenbereit. Die Schwierigkeit in diesemZusammenhang besteht darin, dieses Wissenaus der Forschung in den Bereich der klinischenAnwendung zu überführen. Auf den Punktbringt den Sachverhalt das Zitat eines Arztes:„Es ist ungefähr das Gleiche, einem 10jährigendie gesamte Enzyklopädie Britannica einzutrichtern.Wir sind in der Lage, sie zu lesen, esexistieren eine Menge an Informationen... Diegrößte Herausforderung wird es sein, die Bedeutungdieses Wissens zu erkennen und zuentscheiden,wie wir es nutzen...“(Mountcastle-Shah, Holtzmann, 2000).Aus diesem Grund werdenvom BMBF Projekte gefördert, die sich mitethischen, rechtlichen und sozialen Aspektender Molekularen Medizin befassen.VorgehenDas von uns durchgeführte vom BMBFgeförderte Projekt „Molekulargenetische Unter-und Überdiagnostik, eine Studie zum Prozessder Risikoidentifikation bei Krebserkrankungen”untersucht daher die aktuelle Praxisder humangenetischen Beratung und Testungvon Tumorpatienten. Dabei wird untersucht: (a)nach welchem Modus ein genetisches Risikoidentifiziert wird und (b) wie häufig genetischeBeratungen und Testungen bei Tumorpatientenstattfinden. Zur Beantwortung dieser Fragestellungenwird ein prospektives Längsschnittdesignmit drei Messzeitpunkten verwendet.Zunächst soll der Anteil an Tumorpatienten mitgenetischer Disposition (f. Risikopersonen) anhandklinisch-epidemiologischer Kriterien ineiner konsekutiven Stichprobe eines Akutkrankenhausesermittelt werden. Nachfolgend wirduntersucht, welche dieser Risikopersonen nacheinem Zeitraum von zehn Wochen eine genetischeBeratung und Testung zur Abklärung dergenetischen Disposition aufgesucht haben.ErgebnisseNach etwa einem halben Jahr Projektlaufzeit(Stand 23.7.03) können erste Ergebnisseberichtet werden. Bisher wurden bei 248Patienten (52% weiblich; Alter: Ø 61 +/-9Jahre) Stammbäume zur Erfassung der krebsspezifischenFamilienanamnese erhoben. DieIdentifikation eines genetischen Risikos erfolgteanschließend in einem mehrstufigen Verfahren.Zuerst wurde bei allen Stammbäumen eineStammbaumanalyse unter Zuhilfenahme familienanamnestischer(klinisch-epidemiologischer)Kriterien durchgeführt. Hierbei konnten22 Risikopersonen (8.9% der Gesamtstichprobe)ermittelt werden. Anschließend wurdenweitere „auffällige“ Stammbäume, d.h. solchebei denen die o.g. Kriterien nicht zutreffend waren,die aber mindestens zwei weitere Krebserkrankungenin der Familie aufwiesen bzw. beidenen unklare klinisch-epidemiologische Kriteriender betreffenden Tumorlokalisation vorlagen,einer humangenetischen Expertin vorgelegt.Dadurch konnte bei weiteren 49 Patienten(19.8%) ein erhöhtes genetisches Risiko identifiziertwerden. Somit wurden insgesamt 71(28.7%) Risikopersonen mit einer genetischenDisposition für Krebserkrankungen ermittelt.Bei 39 der 71 zum ersten Befragungszeitpunktermittelten Risikopersonen konnte inzwischeneine telefonische Nachbefragung durchgeführtwerden. Von diesen Risikopersonen war lediglicheine (!) Patientin bisher bei einer Beratungbeim genetischen Experten (Facharzt für Humangenetikbzw. Facharzt mit ZusatzbezeichnungMedizinische Genetik). Drei weitere Patientenplanten, einen genetischen Expertenaufzusuchen. Bezüglich des Zuweisungsmodusgaben zwei Patienten an, den genetischen Expertenselbständig aufgesucht zu haben. Diezwei anderen Patienten hatten eine Überweisungerhalten.Die erste Fragestellung nach dem Modus derFallidentifikation eines erhöhten genetischenRisikos, z.B. wie und in welchem Umfang diekrebsspezifische Familienanamnese bei Tumorpatientenerhoben wird, kann zum jetzigenZeitpunkt noch nicht beantwortet werden.Zur zweiten Fragestellung nach der Häufigkeitder Durchführung genetischer Beratung undTestung bei Tumorpatienten lässt sich feststellen,dass der Anteil an Risikopersonen, die zurAbklärung über das Vorliegen einer genetischenDisposition den genetischen Expertenaufsuchen, sehr gering ist (10 Wochen nachAkutbehandlung: 2.6%). Fügt man der einentatsächlich bereits durchgeführten genetischenBeratung die drei geplanten Beratungen hinzu,ergibt sich ein Anteil von 10.3% der nachbefragtenRisikopersonen (n=39), die zur Abklärungeiner genetischen Disposition dengenetischen Experten aufsuchen.DiskussionDer Anteil an Risikopersonen, derengenetisches Risiko erstens von den Ärzten derPrimärversorgung identifiziert wird und diezweitens zur Abklärung des genetischen Risi-