und dann wurden wir Kameradschaft. - Dr. Holger Zinn

... und dann wurden
wir Kameradschaft.
Der Kameradschaftsbegriff und
das Kameradschaftswesen
bis 1945
... und dann wurden wir Kameradschaft.
Zur Geschichte des Kameradschaftsbegriffs
und des studentischen Kameradschaftswesens bis 1945
mit Beispielen aus dem Coburger Convent
Vortrag von Dipl.-Volkswirt Dr. phil. Holger Zinn
am Pfingstsamstag 2001 in Coburg
Studentengeschichtliche Vereinigung des Coburger Convents

Zum Referenten
... und dann wurden
wir Kameradschaft.
Der Kameradschaftsbegriff und
das Kameradschaftswesen
bis 1945
• Holger Zinn
– geboren 1970 in Coburg
– Abitur 1990
• Bundeswehr
• Studium
– VWL-Studium ab WS 1991/92
– Geschichte-Studium ab SS 1994
– Abschluß Diplom-Volkswirt SS 1997
– Abschluß der Promotion Herbst 2000
• Interessen
– Ferienverbindung Franco-Thuringia Neustadt bei Coburg seit Sommer 1986
– L! Chattia Marburg seit WS 1991/92
• Beruf
– UGW AG ManagementConsulting GmbH
• Veröffentlichungen zur Studentengeschichte

Gliederung
• Die Begriffe Kamerad bzw. Kameradschaft und
ihre Herkunft
... und dann wurden
wir Kameradschaft.
Der Kameradschaftsbegriff und
das Kameradschaftswesen
bis 1945
• Die Kameradschaften der Deutschen Studentenschaft (D.St.) in der
ersten Kameradschaftsphase von WS 1933/34 bis Oktober 1934
• Die zweite Phase von Januar 1935 bis Februar 1936 - Die ersten
Kameradschaften des NSDStB
• Die Kameradschaften des NSDStB in der dritten Phase von 1937 bis
1945

Der Begriff Kameradschaft
• Die Entwicklung des Begriffs "Kamerad"
– Quelle: Trübners Deutsches Wörterbuch, vierter Band, Berlin 1943.
– ital. camerata, Weiterbildung von lat. camera (Kammer)
» früher: Bezeichnung für "Stubengenossenschaft"
» neuer: Bezeichnung für Stubengenossen
– frz. und engl. Soldatenwort im 30-jährigen Krieg
– seit 1600 auch in Deutschland
» "Rott- und Spießgenossen, die jetzt auff new-teutsch Camaraden heißen"
– Weiterbestehen des Begriffs in der Soldatensprache
– Neuer Sinngehalt durch den Ersten Weltkrieg
» "Die Kameraden in der Schützenlinie knieten auf und entblößten das Haupt"
» "Kamerad Schnürschuh"
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Der Kameradschaftsbegriff und
das Kameradschaftswesen
bis 1945

Der Begriff Kameradschaft
• Die Entwicklung des Begriffs "Kameradschaft"
– Bezeichnet vor allem "Wesen und Geist der Kameraden"
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Der Kameradschaftsbegriff und
das Kameradschaftswesen
bis 1945
» "Im Kriege machte sich enge Kameradschaft geltender [...] als in ruhigen Zeiten"
» "Kameradschaftsehe" (nicht akzeptabel)
– Ab 1933: Kameradschaft als "Gesamtheit der Kameraden"
» Zusammenhang zwischen Nationalsozialismus und Kameradschaft
• Beide sind in den Schützengräben des Ersten Weltkriegs geboren
• Beide fordern soldatische Grundhaltung
» Hitlerjugend, Arbeitsdienst, Wehrsport
» Studentenbund
• Gruppen von 15 Mann
• Auf dem Kameradschaftshaus untergebracht

Erste Kameradschaftsphase
von WS 1933/34 bis Oktober 1934
• Die Entstehung des Kameradschaftskonzepts
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Der Kameradschaftsbegriff und
das Kameradschaftswesen
bis 1945
– Bisher: Studenten wohnten in der Stadt, teilweise auf den Häusern der Bünde
– Diskussion des Kameradschaftskonzepts ab 1931
» A. Feickert (Hamburg), H. Roosch (Göttingen) von der D.St.
• Tradition des "Lagers"
– Jugendbewegung
– Freiwilliger Arbeitsdienstes
– Wehrsport
• Mannschaftsgeist sollte an der Hochschule weitergenutzt werden
» Idee:
• Kaserne, Männerbund, politische Wohngemeinschaft
• leben, studieren, Dienst tun
– Probleme
» Keine Häuser (Blick auf die Korporationshäuser)
» Konflikte mit den Vermietern (besonders in den Kleinstädten)

Erste Kameradschaftsphase
von WS 1933/34 bis Oktober 1934
• Der Ablauf der ersten Kameradschaftsphase
– Erste Versuche der Einrichtung von Kameradschaften bereits im SS 1933
– Einführung für alle Hochschulen ab WS 1933/34
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Der Kameradschaftsbegriff und
das Kameradschaftswesen
bis 1945
» Kameradschaften der D.St.
• Funktionäre
• Freistudenten
» Wohnkameradschaften der Korporationen / Vereine für die ersten zwei oder drei Semester
» "Militärische Ausgestaltungen" aller Kameradschaften als Grundlage
– Prinzip der Freiwilligkeit
» Kein Zwang zur Einrichtung von Kameradschaften
» Kein Zwang zum Eintritt in eine Kameradschaft
– Realität
» Druck der lokalen Studentenführer
» Kameradschaftshaus als Loyalitätsbeweis der Korporationen
» Geringes Interesse der Studenten
• Kein Platz zum Studium
• Kein persönlicher Freiraum

Erste Kameradschaftsphase
von WS 1933/34 bis Oktober 1934
• Das Leben in den Kameradschaften
– Dienstplan der Kameradschaft
– Realität
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bis 1945
6.15 Wecken
6.20 - 6.35 Sport
6.35 - 7.15 Waschen, Bettenbau
7.15 Frühstück
8.00 - 13.00 "Wissenschaftsdienst"
13.15 Mittagessen
14.00 - 19.00 "Wissenschaftsdienst"
19.45 - 21.45 dreimal wöchentlich Kameradschafts- und pol. Schulungsabende
22.00 Licht aus
» Zusätzlich dazu Veranstaltungen der Verbindung, Vermischung von Kameradschafts- und
Bundesveranstaltungen
» Rückgang der Studienleistungen, Gesundheitliche Schäden, Müdigkeit als Folge
der Massenunterkünfte
» Kritik der D.St. am "lustigen Studentenleben"
in den Kameradschaften
» Dienstplan wurde ignoriert

Erste Kameradschaftsphase
von WS 1933/34 bis Oktober 1934
• Reaktionen der Deutschen Studentenschaft
– Ausgangslage
» Keine ausreichende Kontrolle der D.St.
» Keine ausreichende Zahl von Kameradschaftsplätzen für Freistudenten
• Zwangseinquartierungen bei Korporationen verursachten Konflikte
» Widerstand der Studenten
» Durchschnittlich 11 Studenten in Wohnkameradschaften
» Kameradschaften der Studentenschaft waren Massenunterkünfte
– Januar 1934
» "Wer bis Oktober 1934 keine Kameradschaft einrichtet, wird suspendiert"
– SS 1934
» Kameradschaftspflicht für Studenten bis zum 3. Semester angeordnet
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Der Kameradschaftsbegriff und
das Kameradschaftswesen
bis 1945
– Feickert-Erlaß (20. September 1934)
» Erst- und Zweitsemester mußten für ein Jahr auf dem Kameradschaftshaus wohnen
» Wohnkameradschaften der Korporationen mußten von der D.St. anerkannt werden
» Kameradschaftsführer mußte von der D.St.
anerkannt und ausgebildet werden
» Einheitlicher Uniform für alle Kameradschaftsmitglieder,
kein Band und keine Mütze

Erste Kameradschaftsphase
von WS 1933/34 bis Oktober 1934
• Reaktionen auf den Feickert-Erlaß
– Proteste bei den Korporationsverbänden
» Einzig die DB stand dem Plan positiv gegenüber
» Sammlung der Verbände unter der Führung Lammers (G.St.V.)
– NS-Studentenbund gegen den Plan
» Grund: Prinzipielle Diskrepanzen zwischen D.St. und NSDStB
» NSDStB ab sofort zuständig für "weltanschauliche Schulung" der Studenten
– Hitler
» "Bei Kasernierung besteht die Gefahr der Homosexualität"
– Feickert-Erlaß fällt (27. September 1934)
– Neuregelung
» Prinzip des freiwilligen Eintritts für Studenten
» Freiwillige Beibehaltung der Korporationskameradschaften
» Studentenbund übernimmt Kameradschaften der D.St.
» Rückgang der Zahl der Kameradschaften und der Kameradschaftsmitglieder
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Zweite Kameradschaftsphase
von Januar 1935 bis Februar 1936
• Die allgemeine Entwicklung
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– Januar 1935: Gründung der Gemeinschaft Studentischer Verbände (G.St.V.)
– Ab Mai 1935: HJ und SA gegen Korporationen
– Juni 1935: dreiwöchiges Pflichtlager für drei Mitglieder jedes Bundes
– Hitler: Korporationen sollen zeigen "welch Geistes Kind sie sind"
– Verbot der Mitgliedschaft im Studentenbund und in einer Korporation
• Neues Kameradschaftskonzept
– Keine Pflichtumwandlung der Korporationen in nationalsozialistische
Erziehungsanstalten
– Auswahl politisch zuverlässiger Bünde als Kameradschaften des NSDStB
– Abbruch der Kontakte zur G.St.V.
– Interne Auseinandersetzung in der G.St.V. führen zu deren Auflösung (Herbst 1935)
– Auflösung der Verbände im Herbst 1935

Zweite Kameradschaftsphase
von Januar 1935 bis Februar 1936
• Plauener Abkommen zwischen DB und Studentenbund
(Herbst 1935)
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– Umwandlung der Bünde der DB in Kameradschaften des Studentenbundes
– Auch andere Korporationen konnten diesen Schritt beantragen
» Zuvor Beurteilung der politischen Zuverlässigkeit
» Scheu der Bünde, diesen Schritt zu gehen
– Demonstratives Aufblühen des Korporationswesens
– Rückgang der Mitgliederzahlen des NSDStB

Zweite Kameradschaftsphase
von Januar 1935 bis Februar 1936
• Hitlerrede 26. Januar 1936
– "Korporationen müssen Neuem weichen"
– Februar 1936: Bruch des Plauener Abkommens
– Kein Interesse der Kameradschaften an der Arbeit des Studentenbundes
– Führungskrise im Studentenbund und in der D.St.
• Mai 1936: Verbot der Mitgliedschaft von Parteigenossen in
Korporationen
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Dritte Kameradschaftsphase
von November 1936 bis Kriegsende
• Friedensjahre
– Gründung der Reichsstudentenführung unter Gustav Adolf Scheel
» Zusammenführung aller studentischen Organisationen
» Effektive Kameradschaften
» Befriedung der AH-schaften
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bis 1945
– Kurswende ab Mai 1937
» Nutzung der guten Aspekte des Korporationswesens
» Ehrenordnung mit unbedingter Satisfaktion
» Umstrukturierung des NS-AH-Bundes
• Anwachsen der Mitgliederzahl nach dem Anschluß Österreichs
• Übernahme ganzer AH-schaften
• Vermietung / Überlassung des Hauses an eine Kameradschaft des Studentenbunds

Dritte Kameradschaftsphase
von November 1936 bis Kriegsende
• Richtlinien zur Kameradschaftserziehung 1937
– allgemein: wenig Inhalte, da nur wenige exakt formulierte Regeln
» Richtlinien ungenau
» Einfluß der AH-schaften
» Wenig politische Schulung, viel Geselligkeit
– Lebensbundprinzip, Alt- und Jungkameraden
– Stammhochschule für drei Semester
– Abkehr vom Kasernenbetrieb
» Homosexualität
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Der Kameradschaftsbegriff und
das Kameradschaftswesen
bis 1945
– Glanzzeit der Kameradschaften, da finanzielle Mittel vorhanden waren
» Anwachsen der Zahl der Kameradschaften
» Anstieg der Mitgliederzahlen
– Probleme
» Großstädte
» Katholische Hochschulen
» Erfassung der Studentinnen

Dritte Kameradschaftsphase
von November 1936 bis Kriegsende
• Allgemeine Entwicklung
– Kontrollverlust der Funktionäre
– Ständiger personeller Wechsel in der Studentenschaft
– Hoher Frauenanteil (mehr als 50%)
– Kaum Veröffentlichungen der Kameradschaften
• Richtlinien zur Kameradschaftserziehung 1942
– Anpassung an die Kriegsverhältnisse
– Weitere Annäherung an die korporationsstudentischen Traditionen
» Kameradschaftsring
• Ende der Kameradschaften
– Auflösung in aller Stille
... und dann wurden
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Der Kameradschaftsbegriff und
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