Liebe Leserinnen und Leser der Köpenicker ... - Trafo Verlag
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2<br />
Verständnis für Sorgen – kein Gr<strong>und</strong> für Ängste (?)<br />
Interview <strong>der</strong> B<strong>und</strong>esministerin für Familie, Senioren, Frauen <strong>und</strong> Jugend, Renate Schmidt, mit <strong>der</strong> <strong>Köpenicker</strong> Seniorenzeitung<br />
1. Zurzeit erfüllt viele Seniorinnen <strong>und</strong> Senioren<br />
eine tiefe Sorge über die diskutierten<br />
<strong>und</strong> geplanten Reformen, die als Einschnitte<br />
in das Alterseinkommen <strong>und</strong> als reale Verteuerung<br />
<strong>der</strong> ges<strong>und</strong>heitlichen Versorgung<br />
betrachtet werden. Was können Sie zu diesen<br />
Sorgen <strong>und</strong> Ängsten <strong>der</strong> älteren Bürgerinnen<br />
<strong>und</strong> Bürger sagen? Wie berechtigt sind<br />
diese Sorgen <strong>und</strong> Ängste?<br />
Ich habe großes Verständnis für die Sorgen <strong>und</strong><br />
Ängste, auch wenn sie in den allermeisten Fällen<br />
unbegründet sind. Rentnerinnen <strong>und</strong> Rentner<br />
können auch weiterhin auf die Sicherheit<br />
ihrer Rentenzahlungen <strong>und</strong> eine ausgezeichnete<br />
Ges<strong>und</strong>heitsversorgung bauen. Doch wir<br />
müssen auch sehen, daß die Leistungsfähigkeit<br />
unserer sozialen Sicherungssysteme erhalten<br />
bleibt. Wir müssen unser System <strong>der</strong> Alterssicherung,<br />
das sich in mehr als 100 Jahren bewährt<br />
hat <strong>und</strong> auch die Herausfor<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong> Deutschen<br />
Einheit bewältigt hat, zukunftsfähig machen<br />
– <strong>und</strong> zwar für alle Generationen gerecht.<br />
Wir müssen zu einem vernünftigen Interessenausgleich<br />
zwischen Jung <strong>und</strong> Alt kommen. Die<br />
sogenannte „Sandwich-Generation“ wird ansonsten<br />
überfor<strong>der</strong>t; da sie die jüngeren Jahrgänge<br />
bis zum 20./25. Lebensjahr materiell versorgen<br />
muß, mindestens die Hälfte <strong>der</strong> Jahrgänge<br />
von 50 bis 65 <strong>und</strong> alle darüber hinaus.<br />
2. In <strong>der</strong> Vergangenheit gab es bereits Mehrbelastungen<br />
<strong>der</strong> Rentner („Null-R<strong>und</strong>e“ bei den<br />
Renten <strong>und</strong> Ökosteuer). Leisten die Rentner -<br />
ich spreche immer von Rentnern, nicht von<br />
Pensionären – wahrlich nicht überdurchschnittlich<br />
viel zur Sanierung des Staatshaushaltes,<br />
<strong>der</strong> Rentenkassen <strong>und</strong> Versicherungen?<br />
Es ist richtig, daß die Rentnerinnen <strong>und</strong> Rentner<br />
auch in <strong>der</strong> Vergangenheit Einschnitte hinnehmen<br />
mußten, doch kann ich nicht erkennen,<br />
daß die ältere Generation mehr als an<strong>der</strong>e<br />
in die Pflicht genommen wird. Keiner kann sich<br />
mehr <strong>der</strong> Tatsache verschließen, daß unsere Gesellschaft<br />
älter wird. Und ebenso muß klar sein,<br />
daß je<strong>der</strong> – dabei spreche ich ausdrücklich von<br />
allen Generationen – einen Beitrag leisten muß.<br />
Die meisten Rentner <strong>und</strong> Rentnerinnen verstehen,<br />
daß die mittlere Generation <strong>der</strong> Erwerbstätigen<br />
nicht durch immense Beitragsleistun-<br />
gen überfor<strong>der</strong>t werden darf <strong>und</strong> Raum, auch<br />
materieller Raum, für die jüngste Generation,<br />
also die Kin<strong>der</strong> braucht. Zu den aktuellen Reformen<br />
gibt es keine Alternative. Es käme sonst<br />
zu einer dramatischen Erhöhung <strong>der</strong> Rentenversicherungsbeiträge.<br />
Und eine Erhöhung <strong>der</strong><br />
Lohnnebenkosten um 0,1 Prozent kostet etwa<br />
120.000 Arbeitsplätze mit allen Folgen für unsere<br />
sozialen Sicherungssysteme.<br />
3. Millionen von Seniorinnen <strong>und</strong> Senioren<br />
leisten insbes. in sozialen, sportlichen <strong>und</strong><br />
kulturellen Bereichen ehrenamtliche Arbeit.<br />
Dadurch wird viel Geld eingespart. Untersuchungen<br />
über die Generationenbeziehungen<br />
von Frau Prof. Ingrid Herlyn ergaben, daß<br />
die tägliche Enkelbetreuung durch Großmütter<br />
den Umfang einer Halbtagsbeschäftigung<br />
von r<strong>und</strong> 20 St<strong>und</strong>en pro Woche hat. Müßten<br />
die vielfältigen ehrenamtlichen Aktivitäten<br />
nicht stärker beachtet <strong>und</strong> gewürdigt werden?<br />
Mehr als ein Drittel <strong>der</strong> 50 bis 59jährigen <strong>und</strong><br />
immerhin noch über ein Viertel <strong>der</strong> über 60jährigen<br />
setzen sich im Rahmen eines freiwilligen<br />
Engagements für die Gemeinschaft ein. Erst im<br />
Alter von etwa 75 Jahren nimmt das freiwillige<br />
Engagement ab, was ges<strong>und</strong>heitliche <strong>und</strong> biographische<br />
Gründe hat. Aber immer noch gut<br />
20 Prozent <strong>der</strong> Älteren sind zu freiwilligem Engagement<br />
bereit. All dies zeigt, daß die meisten<br />
ihre Fähigkeiten nutzen <strong>und</strong> das, was sie in ihrem<br />
Lebensverlauf gewonnen haben, gerne an<br />
die Gesellschaft <strong>und</strong> die nachfolgenden Generationen<br />
weitergeben. Gerade die Generation <strong>der</strong><br />
60 bis 75jährigen – ich nenne sie die aktiven<br />
Alten – wollen aktiv ihren Beitrag für die Gesellschaft<br />
leisten. Das unterstützen <strong>und</strong> för<strong>der</strong>n<br />
wir mit zahlreichen Initiativen im Rahmen<br />
unseres Modellprogramms, „Erfahrungswissen<br />
für Initiativen“. Eines sollten wir aber auch<br />
nicht vergessen: für die meisten Großeltern, die<br />
ihre Enkel betreuen, ist dies eine beson<strong>der</strong>s schöne<br />
<strong>und</strong> ausgefüllte Zeit. Sie gewinnen dadurch<br />
Lebensfreude <strong>und</strong> erhalten die Lebendigkeit, die<br />
das Leben bunt <strong>und</strong> interessant macht.<br />
4. Durch eine Reihe von Medien werden üble<br />
Zerrbil<strong>der</strong> von Älteren vermittelt, die sich auf<br />
Bänken sonnen, das halbe Jahr durch die Welt<br />
reisen <strong>und</strong> den Jungen gnadenlos auf <strong>der</strong><br />
<strong>Köpenicker</strong> Seniorenzeitung – Ausgabe 1/2004<br />
Tasche liegen. Gegen <strong>der</strong>artige Vorstellungen<br />
sind offenbar auch manche Politiker nicht gefeit.<br />
Was tut Ihr Ministerium gegen solche Zerrbil<strong>der</strong>?<br />
Ich ärgere mich sehr über die unterschiedlichen<br />
Zerrbil<strong>der</strong> in <strong>der</strong> Öffentlichkeit: Einerseits ist Alter<br />
gleich arm <strong>und</strong> pflegebedürftig, an<strong>der</strong>erseits<br />
ist Alter gleich Leben in Saus <strong>und</strong> Braus auf Kosten<br />
<strong>der</strong> Jungen – Alter zwischen Pflegebett <strong>und</strong><br />
Liegestuhl unter Palmen also. Wir wissen aber,<br />
daß nur r<strong>und</strong> fünf Prozent <strong>der</strong> älteren Menschen<br />
hilfs- o<strong>der</strong> pflegebedürftig sind <strong>und</strong> ein<br />
Leben im Süden nur für wenige eine Alternative<br />
ist. Wenn wir auf die Fakten schauen, so erleben<br />
wir etwas an<strong>der</strong>es: Ältere Menschen kümmern<br />
sich um ihre Familie <strong>und</strong> die Enkelkin<strong>der</strong>,<br />
viele haben selbst noch Eltern, die von ihnen<br />
betreut o<strong>der</strong> gepflegt werden. Glücklicherweise<br />
hat sich in den vergangenen Monaten<br />
gezeigt, daß die meisten Menschen ein realistischeres<br />
Bild vom Alter <strong>und</strong> dem Zusammenhalt<br />
<strong>der</strong> Generationen haben als einige Medien. Ich<br />
werde in dieser Legislaturperiode – im Sommer<br />
2005 – den Fünften Altenbericht <strong>der</strong> B<strong>und</strong>esregierung<br />
vorlegen, den ich unter das Thema<br />
„Potenziale des Alters – Der Beitrag älterer Menschen<br />
zum Zusammenhalt <strong>der</strong> Generationen“<br />
gestellt habe. Auch damit will ich die Aktivitäten<br />
älterer Menschen stärker beleuchten <strong>und</strong> för<strong>der</strong>n.<br />
5. Die Rentner in Ostdeutschland kritisieren<br />
vehement, daß 13 Jahre nach <strong>der</strong> Herstellung<br />
<strong>der</strong> deutschen Einheit <strong>der</strong> Rentenwert Ost er-