Liebe Leserinnen und Leser der Köpenicker ... - Trafo Verlag

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17.08.2012 Aufrufe

Köpenicker Seniorenzeitung – Ausgabe 1/2004 Es sind die leisen Töne Es sind die leisen Töne, die ich liebe. Ein sanftes Wort vielleicht. Ein Flüsterton. Ein zartes „Du“, bei dem ich gerne bliebe, und wenn ich gehen muß, dein „Schon?“ Es sind die leisen Töne, die ich liebe. Und ein Gedicht, das ich kaum hörbar schriebe. Es sind die leisen Töne, die ich liebe. Das leise Ticken einer Pendeluhr. Ein Wort nur „Bleib“, bei dem ich bei dir bliebe, und auch dein Schweigen. – Doch das nicht nur. Jürgen Molzogen Pisa zum Trotz – Joethe lebt Eine kleine Überraschung Neulich erlebte ich ganz unerwartet etwas, was mir die tröstliche Gewißheit gab, daß das „Land der Dichter und Denker“ noch nicht völlig verloren ist. Ich fragte die Toilettenfrau bei C & A am Kudamm, wo ich meinen Obolus hinlegen solle – auf den Stuhl oder aufs Tischchen. Mit Berliner Witz entgegnete sie: „Für mich können sie überall Geld hinlegen.“ Ich darauf: „In der Hinsicht sind wir Menschen doch alle gleich.“ Zu meinem freudigen Staunen krönte sie das Gespräch mit dem Zitat: „Nach Golde drängt, am Golde hängt doch alles. Ach, wir Armen!“ Maria Loß Nachbarschaft Er sitzt neben mir in der Bahn. Sie arbeitet mit mir im gleichen Raum. Unsere Länder sind benachbart. Unsere Gärten liegen nebeneinander. Unsere Wohnungen grenzen an den gemeinsamen Hausflur. Sie drücken zusammen die Schulbank. Sie liegen beieinander am Strand. Sie kauern Körper an Körper im Schützengraben. Sie laufen gleichgesinnt in der Demo. Sie wohnen nebeneinander im Zelt. Nachbarlich sitzen sie da und schreiben, malen, plaudern. Nachbar – farbig oder weiß – ob du die gleiche Sprache sprichst, ob du ähnlich denkst und fühlst, ob du die gleiche Wahl triffst wie ich, ob du mir widersprichst oder zustimmst, ob du meiner Kultur fern bist oder nah – wir sind zusammen auf dieser Welt in dieser Zeit. Wenn wir uns auch nicht in jedem Fall lieben, wir sollten uns achten, schätzen, verstehen. Unser Globus ist nicht so groß, wie wir es als Kinder glaubten. Er ist zu klein für Streit, Krieg, Kälte, Haß, Mißtrauen, Schikane, Unverständnis und Neid. Aber er ist groß genug für gute Nachbarschaft. Maria Loß „Nicht verzagen, Scappino fragen!“ Zwei Stunden herzhaft lachen, eine Erfrischung für die Seele gegen den grauen Alltag, bietet das Stadttheater Cöpenick mit dieser turbulenten Komödie nach Moliere. Und das kann sich jeder leisten. Die unaufdringlich eingeschobenen aktuellen Bemerkungen sind eine besondere Köstlichkeit und die Nähe zum Publikum in diesem kleinen Theater gibt allen Zuschauern das Gefühl, sie gehören selbst zum Ensemble. U. Schirmer So gesehen ... Wer zuletzt lacht... lacht allein. 11 G.B.

12 Der Bücherfreund empfiehlt: Vor Liebe brennen Susanne Kerckhoff (1918–1950) – Lyrikerin, Erzählerin, Journalistin, Köpenickerin. Sie war eine Frau, die sich ganz zu ihrer Weiblichkeit bekannte und seit ihrer Jugend von einer tiefen revolutionären Begeisterung erfüllt war. In den wenigen Jahren zwischen Kriegsende und ihrem Tod spielte sie in der literarischen Szene Berlins eine beträchtliche Rolle. Im Schulddiskurs der ersten Nachkriegszeit gehörte sie zu den wichtigen politischen Stimmen. Wie ihr Halbbruder Wolfgang Harich entschied sie sich für den gesellschaftlichen Neuansatz im Osten Deutschlands, von dem sie hoffte, er würde die Erfüllung ihrer frühen Ideale bringen. Revolutionäres Pathos und leidenschaft- liche Liebe sind die Hauptpole ihres Lebens. Mit zwei Gedichtbänden (Das innere Antlitz und Menschliches Brevier) macht die Lyrikerin auf sich aufmerksam; in dem Roman Die verlorenen Stürme verarbeitet sie die Prägungen ihrer Jugendjahre in der Weimarer Republik – zwischen der Herkunft aus einer bürgerlichen Künstlerfamilie und ihrem Engagement in der sozialistischen Jugendbewegung. Die Berliner Briefe an einen emigrierten jüdischen Freund zeugen von ihrem wachen zeitkritischen Geist. In Lyrik und Prosa setzt sie sich mit der deutschen Schuld auseinander. In ihren letzten Gedichten, gewidmet einer großen, doch unlebbaren Liebe, bricht in dunklen Bildern der Trauer ihre lyrische Kraft noch einmal voll hervor. Die letzten Lebensjahre bewohnt sie ein Haus im Köpenicker Ortsteil Karolinenhof, Rohrwallallee 73. Sie liebt die märkische Landschaft und die charakteristische Atmosphäre der winddurchzausten Kiefern am Langen See. Hier entstehen viele ihrer schönsten Liebesgedichte, aber auch Lieder voller Verzweiflung über den Verlust ihrer Kinder, die bei der Ehescheidung ihrem Mann in Westdeutschland zugesprochen wurden. Als sie 1950 den Freitod wählt, glaubt sie sich in einer ausweglosen Situation. Arnold Zweig, der verehrte Schriftstellerfreund, erinnert sich liebevoll der Lesung ihrer Gedichte in seinem Garten und schreibt „An die Abwesende“ von seiner Hoffnung, „das grüngoldene Licht zwischen den großen und alten Bäumen des Parks hätte Dich begeistert und vielleicht zum Weiterleben verführt.“ Susanne Kerckhoff um 1948 Der Bücherfreund empfiehlt: Maria hat viele Gesichter: Die Evangelisten beschreiben sie als jüdische Frau und Mutter, die an ihre göttliche Erwählung glaubt und Jesus, den christlichen Messias und Erlöser zur Welt brachte. Sie beschreiben Marias Roll in der christlichen Heilsgeschichte. Was sie über ihre Person berichten, reicht nicht aus, um sich von ihrer Persönlichkeit und dem Verlauf ihres Lebens ein klares, umfassendes Bild zu machen. An der Biographie einer un- und außergewöhnlichen Frau waren die Verfasser der Evangelien nicht interessiert. Sie geben keine Auskunft über Marias Eltern, Geschwister und Verwandte; sie sagen nichts über ihre Kindheit und ihre Jugend, nichts über das familiäre Milieu, in dem sie aufwuchs. Aus der Bibel, dem „Buch der Bücher“, war vieles nicht zu erfahren, was Christen auch über das Leben und Wirken Marias gern gewußt hätten. Hält man sich an die Angaben des Protoevangeliums des Jakobus (nach 150), hieß Marias Mutter Anna, ihr Vater Joachim. Beide lebten in Jerusalem. Ihre Ehe blieb lange Zeit un- Köpenicker Seniorenzeitung – Ausgabe 1/2004 Susanne Kerckhoff ist heute eine jener beinahe vergessenen Autorinnen, deren Spuren nachzufragen sich lohnt. Der Band „Vor Liebe brennen“ bietet eine repräsentative Auswahl ihrer Lyrik und Prosa. Die Köpenickerin Dr. Monika Melchert leitet neben ihrer publizistischen Arbeit die Anna- Seghers-Gedenkstätte in Berlin-Adlershof, die, nach umfangreicher Rekonstruktion des Hauses, gerade wieder eröffnet wurde. Monika Melchert Bibliographische Angaben: Melchert, Monika (Hrsg.): „Susanne Kerckhoff (1918–1950), Vor Liebe brennen, Lyrik und Prosa, Spurensuche. Vergessene Autorinnen wiederentdeckt, Bd. 3, trafo verlag 2003, 266 S., ISBN 3-89626-405-2, 30,80 EUR In jeder guten Buchhandlung oder direkt beim Verlag Maria – Leben, Legenden, Symbole fruchtbar. Annas Schwangerschaft, aus der ein Mädchen namens Mirjam hervorging, die als junge Frau Jesus zur Welt brachte, verstand sich deshalb nicht von selbst, sondern kam einem von Gott bewirkten Wunder gleich. Der Autor des kleinen, gut lesbaren Buches vermittelt Fragmente der Biographie von Maria, ihre intellektuellen Fähigkeiten (konnte Maria lesen und schreiben?), über ihre Emotionen (konnte sie weinen und lachen?), über Marias Tod und ihre Rolle als Schutzfrau der Bürger. Der Autor gibt einen Überblick über die Marienverehrung im 19. und 20. Jahrhundert. Er führt auch eine Übersicht über weiterführende Literatur an. Dr. Kurt Kutzschbauch Klaus Schreiner: „Maria – Leben, Legenden, Symbole“, C. H. Beck Verlag, Beck’sche Reihe, München 2003, ISBN 3-406-48014-6, 7,90 EUR

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Der Bücherfre<strong>und</strong> empfiehlt:<br />

Vor <strong>Liebe</strong><br />

brennen<br />

Susanne Kerckhoff (1918–1950) – Lyrikerin,<br />

Erzählerin, Journalistin, <strong>Köpenicker</strong>in. Sie war<br />

eine Frau, die sich ganz zu ihrer Weiblichkeit<br />

bekannte <strong>und</strong> seit ihrer Jugend von einer tiefen<br />

revolutionären Begeisterung erfüllt war. In den<br />

wenigen Jahren zwischen Kriegsende <strong>und</strong> ihrem<br />

Tod spielte sie in <strong>der</strong> literarischen Szene Berlins<br />

eine beträchtliche Rolle. Im Schulddiskurs <strong>der</strong><br />

ersten Nachkriegszeit gehörte sie zu den wichtigen<br />

politischen Stimmen. Wie ihr Halbbru<strong>der</strong><br />

Wolfgang Harich entschied sie sich für den gesellschaftlichen<br />

Neuansatz im Osten Deutschlands,<br />

von dem sie hoffte, er würde die Erfüllung<br />

ihrer frühen Ideale bringen.<br />

Revolutionäres Pathos <strong>und</strong> leidenschaft- liche<br />

<strong>Liebe</strong> sind die Hauptpole ihres Lebens. Mit zwei<br />

Gedichtbänden (Das innere Antlitz <strong>und</strong><br />

Menschliches Brevier) macht die Lyrikerin auf<br />

sich aufmerksam; in dem Roman Die verlorenen<br />

Stürme verarbeitet sie die Prägungen ihrer<br />

Jugendjahre in <strong>der</strong> Weimarer Republik –<br />

zwischen <strong>der</strong> Herkunft aus einer bürgerlichen<br />

Künstlerfamilie <strong>und</strong> ihrem Engagement in <strong>der</strong><br />

sozialistischen Jugendbewegung. Die Berliner<br />

Briefe an einen emigrierten jüdischen Fre<strong>und</strong><br />

zeugen von ihrem wachen zeitkritischen Geist.<br />

In Lyrik <strong>und</strong> Prosa setzt sie sich mit <strong>der</strong> deutschen<br />

Schuld auseinan<strong>der</strong>. In ihren letzten Gedichten,<br />

gewidmet einer großen, doch unlebbaren<br />

<strong>Liebe</strong>, bricht in dunklen Bil<strong>der</strong>n <strong>der</strong> Trauer<br />

ihre lyrische Kraft noch einmal voll hervor.<br />

Die letzten Lebensjahre bewohnt sie ein Haus<br />

im <strong>Köpenicker</strong> Ortsteil Karolinenhof, Rohrwallallee<br />

73. Sie liebt die märkische Landschaft <strong>und</strong><br />

die charakteristische Atmosphäre <strong>der</strong> winddurchzausten<br />

Kiefern am Langen See. Hier entstehen<br />

viele ihrer schönsten <strong>Liebe</strong>sgedichte, aber<br />

auch Lie<strong>der</strong> voller Verzweiflung über den Verlust<br />

ihrer Kin<strong>der</strong>, die bei <strong>der</strong> Ehescheidung ihrem<br />

Mann in Westdeutschland zugesprochen<br />

wurden. Als sie 1950 den Freitod wählt, glaubt<br />

sie sich in einer ausweglosen Situation. Arnold<br />

Zweig, <strong>der</strong> verehrte Schriftstellerfre<strong>und</strong>, erinnert<br />

sich liebevoll <strong>der</strong> Lesung ihrer Gedichte in seinem<br />

Garten <strong>und</strong> schreibt „An die Abwesende“<br />

von seiner Hoffnung, „das grüngoldene Licht<br />

zwischen den großen <strong>und</strong> alten Bäumen des<br />

Parks hätte Dich begeistert <strong>und</strong> vielleicht zum<br />

Weiterleben verführt.“<br />

Susanne Kerckhoff um 1948<br />

Der Bücherfre<strong>und</strong> empfiehlt:<br />

Maria hat viele Gesichter: Die Evangelisten beschreiben<br />

sie als jüdische Frau <strong>und</strong> Mutter, die<br />

an ihre göttliche Erwählung glaubt <strong>und</strong> Jesus,<br />

den christlichen Messias <strong>und</strong> Erlöser zur Welt<br />

brachte. Sie beschreiben Marias Roll in <strong>der</strong><br />

christlichen Heilsgeschichte. Was sie über ihre<br />

Person berichten, reicht nicht aus, um sich von<br />

ihrer Persönlichkeit <strong>und</strong> dem Verlauf ihres Lebens<br />

ein klares, umfassendes Bild zu machen.<br />

An <strong>der</strong> Biographie einer un- <strong>und</strong> außergewöhnlichen<br />

Frau waren die Verfasser <strong>der</strong> Evangelien<br />

nicht interessiert. Sie geben keine Auskunft über<br />

Marias Eltern, Geschwister <strong>und</strong> Verwandte; sie<br />

sagen nichts über ihre Kindheit <strong>und</strong> ihre Jugend,<br />

nichts über das familiäre Milieu, in dem sie<br />

aufwuchs.<br />

Aus <strong>der</strong> Bibel, dem „Buch <strong>der</strong> Bücher“, war vieles<br />

nicht zu erfahren, was Christen auch über<br />

das Leben <strong>und</strong> Wirken Marias gern gewußt hätten.<br />

Hält man sich an die Angaben des Protoevangeliums<br />

des Jakobus (nach 150), hieß Marias<br />

Mutter Anna, ihr Vater Joachim. Beide lebten<br />

in Jerusalem. Ihre Ehe blieb lange Zeit un-<br />

<strong>Köpenicker</strong> Seniorenzeitung – Ausgabe 1/2004<br />

Susanne Kerckhoff ist heute eine jener beinahe<br />

vergessenen Autorinnen, <strong>der</strong>en Spuren<br />

nachzufragen sich lohnt. Der Band „Vor <strong>Liebe</strong><br />

brennen“ bietet eine repräsentative Auswahl<br />

ihrer Lyrik <strong>und</strong> Prosa.<br />

Die <strong>Köpenicker</strong>in Dr. Monika Melchert leitet<br />

neben ihrer publizistischen Arbeit die Anna-<br />

Seghers-Gedenkstätte in Berlin-Adlershof, die,<br />

nach umfangreicher Rekonstruktion des Hauses,<br />

gerade wie<strong>der</strong> eröffnet wurde.<br />

Monika Melchert<br />

Bibliographische Angaben:<br />

Melchert, Monika (Hrsg.): „Susanne Kerckhoff<br />

(1918–1950), Vor <strong>Liebe</strong> brennen, Lyrik <strong>und</strong> Prosa,<br />

Spurensuche. Vergessene Autorinnen wie<strong>der</strong>entdeckt,<br />

Bd. 3, trafo verlag 2003, 266 S., ISBN<br />

3-89626-405-2, 30,80 EUR<br />

In je<strong>der</strong> guten Buchhandlung o<strong>der</strong> direkt beim<br />

<strong>Verlag</strong><br />

Maria – Leben, Legenden,<br />

Symbole<br />

fruchtbar. Annas Schwangerschaft, aus <strong>der</strong> ein<br />

Mädchen namens Mirjam hervorging, die als<br />

junge Frau Jesus zur Welt brachte, verstand<br />

sich deshalb nicht von selbst, son<strong>der</strong>n kam einem<br />

von Gott bewirkten W<strong>und</strong>er gleich. Der<br />

Autor des kleinen, gut lesbaren Buches vermittelt<br />

Fragmente <strong>der</strong> Biographie von Maria, ihre<br />

intellektuellen Fähigkeiten (konnte Maria lesen<br />

<strong>und</strong> schreiben?), über ihre Emotionen<br />

(konnte sie weinen <strong>und</strong> lachen?), über Marias<br />

Tod <strong>und</strong> ihre Rolle als Schutzfrau <strong>der</strong> Bürger.<br />

Der Autor gibt einen Überblick über die Marienverehrung<br />

im 19. <strong>und</strong> 20. Jahrh<strong>und</strong>ert. Er<br />

führt auch eine Übersicht über weiterführende<br />

Literatur an.<br />

Dr. Kurt Kutzschbauch<br />

Klaus Schreiner: „Maria – Leben, Legenden,<br />

Symbole“, C. H. Beck <strong>Verlag</strong>, Beck’sche Reihe,<br />

München 2003, ISBN 3-406-48014-6, 7,90<br />

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