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Pfannenstiel, Chreis Cheib und Böögg –<br />
und weshalb die Zürcher so zünftig breit reden.<br />
Was andernorts die Bezeichnung für<br />
einen gemeinen Nasenpopel ist, ist hier<br />
uralte Tradition: Der Böögg. Am Sechse -<br />
läuten wird er jährlich aufs Neue ver -<br />
brannt. Und mit ihm der Winter.<br />
Je kürzer der Bursche aus Holzwolle,<br />
Pappmaché und Feuerwerk den Flammen<br />
trotzt, umso schöner wird hernach<br />
der Sommer, sagt man.<br />
Wahrlich zünftig geht es dann in <strong>Zürich</strong><br />
zu und her, und die das Sagen und<br />
Regieren haben in der Stadt, scheuen<br />
es nicht, sich im prächtigen Umzug<br />
feiern zu lassen wie die Könige. Das<br />
Zunftwesen hat in <strong>Zürich</strong> eine lange Geschichte.<br />
Als eine Art politische Parteien<br />
waren Zünfte nebst der Wahrung des<br />
Berufsstandes auch für verschiedene<br />
Staatsaufgaben zuständig: Ratsmitglieder<br />
stellen, Recht und Ordnung wahren,<br />
Steuern eintreiben, Stadtmauern bewachen,<br />
Feuer bekämpfen. Daraus entstand<br />
das weltweit wohl einzigartige<br />
Demokratieverständnis der Schweizer.<br />
Man kannte schon in der Frühzeit Lehrver<br />
träge, die Stadt engagierte sich für<br />
die Mobilität, mit der Reformation<br />
wurden nicht nur Bedürfnisse eingeschränkt,<br />
sondern auch die Gleichstellung<br />
ermöglicht.<br />
Was ein echter Zürcher ist, ist deshalb in<br />
einer Zunft. Einmal im Jahr wird denn<br />
auch das wahre Machtverhältnis zelebriert.<br />
Da werden die Rosse hervorge -<br />
holt und die Stadt verwandelt sich<br />
in eine Zeit, in der es noch Meister und<br />
Gesellen gab. Und dann hört man sie<br />
wieder, diese „Züri-Schnurre“ – diesen<br />
ur eigenen, breiten Dialekt mit den<br />
vielen ö und ä und rauh gesprochenen<br />
ch’s, den die anderen Schweizer so<br />
schrecklich breit und ordinär finden.<br />
„Chreis Cheib“ nennen die Zürcher den<br />
Teil der Stadt, in dem sich das andere<br />
<strong>Zürich</strong> eingenistet hat. Käufliche Damen,<br />
dubiose Bars und Drogen. Ein frecher<br />
Cheib ist ein frecher Kerl. „Cheib“ war<br />
ursprünglich die Bezeichnung für ein<br />
Aas – und auch wenn’s seltsam tönt:<br />
Es gibt in <strong>Zürich</strong> viele liebe Cheiben<br />
(gutmütige Typen). Der Pfannenstiel<br />
eignet sich hingegen schlecht zum<br />
Kochen, denn er ist ein Berg, der über<br />
der Goldküste thront. Und das Kno n -<br />
auer amt – jene südwestliche Ecke des<br />
Kantons – wird auch Säuliamt gerufen.<br />
Es hat seinen Namen davon, dass dereinst<br />
einmal Schweine und Kälber über<br />
den Uetliberg getrieben wurden. Da<br />
seien plötzlich die Schweine nach der<br />
einen Seite gelaufen, die Kälber nach<br />
der anderen. So heißt jetzt die westliche<br />
Seite eben Säuliamt – die östliche hingegen<br />
Kälberamt.<br />
Aber nehmen Sie doch einfach einmal<br />
ein Auge voll Brauchtum beim Sechse -<br />
läuten – oder ein Ohr Züridütsch ir -<br />
gend wo in einer der vielen kleinen<br />
Gassen des Niederdorfs – und kommen<br />
Sie selber hinter das Geheimnis der<br />
Schweizer Dialekte!<br />
KANTON<br />
SPORT TRAVEL KANTON KULTUR<br />
Alter Väter Sitte.<br />
Und wie Mutter sie<br />
schleunigst umging.<br />
SWISSGUIDE | ZÜRICH | 9<br />
ZITAT<br />
ZITAT<br />
ESSEN<br />
SHOPPING<br />
Nach der Reformation wurden<br />
sogenannte Sittenmandate aufgesetzt.<br />
Gesetzliche Regelungen<br />
gegen den Hang zum Exzess<br />
und die damit drohende Verarmung.<br />
So durften Frauen nur<br />
noch eine einzige Halskette<br />
tragen. Niemand dachte allerdings<br />
daran, den cleveren<br />
Zürcherinnen zu verbieten, dies<br />
in einer Länge zu tun, die man<br />
sich auch ein paar Mal um den<br />
Hals wickeln konnte.