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HIV und Niere - Was ist Nephrologie?

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P.b.b. GZ 02Z031654 M, Benachrichtigungspostamt 1070 WienISSN 1605-881XFalls unzustellbar, bitte retour an: MEDMEDIA Verlag, Seidengasse 9/Top 1.1, 1070 WienScriptÖGNInterdisziplinäre Fortbildungsreihe derÖsterreichischen Gesellschaft für <strong>Nephrologie</strong>14. JAHRGANG / NR. 3 / 2011<strong>HIV</strong> & <strong>Niere</strong>MedMediaVerlags Ges.m.b.H.


NEPHRO ScriptEDITORIALSehr geehrte Nephrologinnen<strong>und</strong> Nephrologen!ao. Univ.-Prof. Dr.Sabine SchmaldienstAss.-Prof. Priv.-Doz. Dr.Marcus D. SäemannSeit vielen Jahren wissen wir, dass <strong>HIV</strong>-positive Patienten<strong>Niere</strong>nprobleme entwickeln können, was primär auf dieNephrotoxizität verschiedener antiviraler Substanzenzurückgeführt wurde. Kaum ein an Aids erkrankter Patienterlebte jedoch eine dialysepflichtige <strong>Niere</strong>ninsuffizienz. Eineh<strong>ist</strong>ologische Diagnostik wurde nicht durchgeführt, da im Fallevon glomerulären Erkrankungen eine immunsuppressive Therapieals unmöglich erachtet wurde. Dies änderte sich mit Einführungder antiretroviralen Therapie, mit der eine anhaltendeVirusfreiheit erzielt <strong>und</strong> das Überleben der Patienten schlagartigverbessert werden konnte. Mittlerweile werden <strong>HIV</strong>-Patientenmit nephrologischen Problemen auch bioptisch abgeklärt<strong>und</strong> gegebenenfalls entsprechend therapiert.Bei Patienten mit einer klassischen <strong>HIV</strong>-assoziierten Nephropathie(<strong>HIV</strong>AN) gibt es jedoch bislang immer noch keine gesicherteTherapie <strong>und</strong> der Verlust der <strong>Niere</strong>nfunktion verläuftrasch.Somit sind wir in den letzten Jahren vermehrt mit <strong>HIV</strong>-positivenPatienten konfrontiert, die einer <strong>Niere</strong>nersatztherapie zugeführtwerden müssen. Das wirft die Frage nach der idealenForm der <strong>Niere</strong>nersatztherapie bei <strong>HIV</strong>-Patienten mit terminaler<strong>Niere</strong>ninsuffizienz auf.Ermöglicht wurde dieses Themenheft durch die Beiträge engagierterGastautoren, die sich spontan bereit erklärt haben,sich in die jeweiligen Themen zu vertiefen, zu denen es derzeitnoch teilweise überraschend wenige Studien gibt. „<strong>HIV</strong> +<strong>Niere</strong>“ war Thema eines von Prof. Dr. Marcus Säemann <strong>und</strong>mir Ende November 2010 veranstalteten Seminars – zu diesemZeitpunkt war gerade die multizentrische Studie von Stock etal. im New England Journal of Medicine zur Wirksamkeit <strong>und</strong>Sicherheit der <strong>Niere</strong>ntransplantation bei <strong>HIV</strong>-Patienten erschienen.In insgesamt sechs Vorträgen wurden verschiedenenephrologische Aspekte bei <strong>HIV</strong>-Patienten näher beleuchtet.Aufgr<strong>und</strong> des sehr großen Interesses an diesem Thema betrauteuns Prof. Dr. Alexander Rosenkranz mit der Gestaltung dieserAusgabe von NEPHRO Script.Prof. Dr. Armin Rieger leitet seit Jahren die <strong>HIV</strong>-Station amAKH Wien <strong>und</strong> vermittelt in seinem Beitrag einen aktuellenÜberblick über <strong>HIV</strong>/Aids – Infektion <strong>und</strong> Krankheit. NeueTherapien werden eingehend von Priv.-Doz. Dr. KatharinaGrabmeier-Pf<strong>ist</strong>ershammer erläutert. Dass sich bei <strong>HIV</strong>-Patientenbioptisch nicht nur eine <strong>HIV</strong>AN findet, sondern einbreites Spektrum an renalen Veränderungen auftreten kann,zeigt der Beitrag von Dr. Afschin Soleiman, Pathologe in Hallin Tirol. Dank potenter neuer antiviraler Medikamente können<strong>HIV</strong>-Patienten mit Glomerulonephritis individuell therapiertwerden. Prof. Dr. Alexander Rosenkranz, Leiter derAbteilung für <strong>Nephrologie</strong> <strong>und</strong> Hämodialyse an der MedizinischenUniversität Graz, widmet sich eingehend diesemThema. Von Dr. Thomas Prikoszovich vom AKH Wien <strong>und</strong>mir werden dialyserelevante Aspekte bei <strong>HIV</strong>-positiven Patientenbeleuchtet. Prof. Dr. Marcus Säemann, Nephrologe amAKH Wien, arbeitet kritisch die <strong>Niere</strong>ntransplantation alsmögliche Option der <strong>Niere</strong>nersatztherapie bei diesen Patientenauf <strong>und</strong> diskutiert notwendige Voraussetzungen zur Transplantation<strong>und</strong> Besonderheiten bei der Immunsuppression.Wir hoffen, dass das Themenheft „<strong>HIV</strong> + <strong>Niere</strong>“ Ihr Interessefindet <strong>und</strong> Sie durch die Beiträge in Ihrem medizinischen Alltagunterstützt werden. Abschließend möchten wir uns nochmalsbei allen Autoren bedanken, ohne deren Engagementdiese Ausgabe von NEPHRO Script nicht möglich gewordenwäre. Insbesondere sind wir stolz darauf, dass sich neben deminterdisziplinären Aspekt auch die österreichweite gute Zusammenarbeitder verschiedenen Zentren in dieser Ausgabe desNEPHRO Script widerspiegelt.Mit lieben Grüßenao. Univ.-Prof. Dr.Sabine SchmaldienstAss.-Prof. Priv.-Doz.Dr. Marcus D. Säemann3


NEPHRO ScriptPrim. Univ.-Prof. Dr. Helmut Grafverlässt die aktive SzenePrim. Univ.-Prof. Dr.Josef KovarikProfessor Dr. Helmut Graf hat sich dazu entschlossen,mit Ende dieses Jahres seine kontinuierlicheärztliche Tätigkeit als Vorstand der3. Medizinischen Abteilung der KrankenanstaltRudolfstiftung, Wien, zu beenden <strong>und</strong> in denRuhestand zu treten. Mit diesem Zeitpunkt scheidetein außerordentlich renommiertes Mitgliedder Österreichischen Gesellschaft für <strong>Nephrologie</strong>nach mehr als 35 Jahren frühzeitig aus der aktivenSzene aus.Professor Graf begann nach Beendigung seines Medizinstudiumsan der Wiener Fakultät im Jahr 1975 seine Ausbildungzum Facharzt für Innere Medizin an der damaligen 2. MedizinischenUniversitätsklinik Wien. Bereits nach kurzer Zeit standsein Entschluss fest, seine wissenschaftliche Tätigkeit auf dieSubspezialität <strong>Nephrologie</strong> zu fokussieren.In seinen frühen klinischen Jahren setzte sich Professor Graf mitverschiedenen nephrologischen Fragestellungen auseinander <strong>und</strong>publizierte beispielsweise über die Langzeitimmunsuppressionbei <strong>Niere</strong>ntransplantation, das tubuläre Phosphatleak nach <strong>Niere</strong>ntransplantation<strong>und</strong> dessen Behandlung mit aktivem VitaminD sowie verschiedene andere Aspekte des Kalzium-Phosphat-Stoffwechsels <strong>und</strong> des sek<strong>und</strong>ären Hyperparathyreoidismus beichronischen Dialysepatienten. Gegen Ende seiner Ausbildungszeitzum Facharzt für Innere Medizin veröffentlichte ProfessorGraf sehr wesentliche Daten zur Aluminiumkinetik von Dialysepatientenin hochkarätigen Zeitschriften – dies in einer Zeit,in der bei Weitem noch nicht alle Dialysestationen mit Umkehrosmoseanlagenausgestattet waren <strong>und</strong> nahezu ausschließlichaluminiumhältige Phosphatbinder verwendet wurden. ProfessorGraf bearbeitete in weiterer Folge Themen wie die Biokompatibilitätvon Dialysatoren <strong>und</strong> die kontinuierliche arteriovenöseHämofiltration.Nach Erreichen des Facharztdekrets erhielt Professor Graf einMax-Cade-Stipendium für einen zweijährigen Aufenthalt an derUniversity of San Francisco. In dieser Zeit veröffentlichte ergr<strong>und</strong>legende Daten zur Pathophysiologie der hypoxischen Laktatzidose<strong>und</strong> deren Behandlung mit Dichloracetat <strong>und</strong> Bikarbonatin höchstrangigen Journalen. Diese Publikationsreihe warauch Gr<strong>und</strong>lage seiner Habilitation. Nach Rückkehr aus denUSA beschäftigte sich Professor Graf im Rahmendiverser klinischer Studien mit der Erythropoietintherapie<strong>und</strong> publizierte wesentlicheArbeiten zum Thema der Le<strong>ist</strong>ungsphysiologieunter Erythropoietintherapie.Bevor Professor Graf mit der Leitung der NephrologischenAbteilung der Rudolfstiftung betrautwurde, veröffentlichte er innovative Beiträgezum Glukosemetabolismus <strong>und</strong> zur Insulinresis -tenz chronischer Dialysepatienten unter Zuhilfenahme vonClamp-Techniken.Neben seiner umfassenden wissenschaftlichen Arbeit war ProfessorGraf an einer Reihe wesentlicher struktureller Aufbauarbeiten<strong>und</strong> an wichtigen Projekten im Rahmen der Gesellschaftfür <strong>Nephrologie</strong> beteiligt. Zu erwähnen <strong>ist</strong> der Aufbau der intern<strong>ist</strong>ischenIntensivstation an der damaligen Klinik, derenStrukturen wesentlich in das Konzept der heutigen Akutdialysedes AKH Wien eingeflossen sind.Professor Graf war langjähriger Präsident der ÖsterreichischenGesellschaft für <strong>Nephrologie</strong>, <strong>ist</strong> Begründer des traditionellenWintermeetings sowie Initiator der Industrieplattform <strong>und</strong> desNEPHRO Scripts. Professor Graf war für viele Kollegen klinischerLehrer <strong>und</strong> Mentor <strong>und</strong> letztlich über einen Zeitraum von 19Jahren Primarius der Nephrologischen Abteilung der Rudolfstiftung.Er hat in dieser Zeit seine Abteilung ausbauen <strong>und</strong>profilieren können <strong>und</strong> war ein zielorientierter <strong>und</strong> konstruktiverVerhandlungspartner in zahllosen Sitzungen mit dem Ziel,den ehemaligen Dialyseengpass in Wien zu beseitigen.Als langjährigem Fre<strong>und</strong> fällt mir die ehrenvolle Aufgabe zu,mich im Namen der Österreichischen Gesellschaft für <strong>Nephrologie</strong>bei Herrn Primarius Universitätsprofessor Dr. HelmutGraf für seine langjährige Tätigkeit als Arzt, Wissenschaftler,Kollege, Chef, Lehrer <strong>und</strong> Mentor zu bedanken <strong>und</strong> ihm fürseine Zukunft nach dem Berufsleben das Beste zu wünschen.Prim. Univ.-Prof. Dr. J. Kovarik4


NEPHRO ScriptINHALT03Editorial06HOT SPOTStatine bei <strong>Niere</strong>ninsuffizienz:Entscheidet die Qualität?Ass.-Prof. Priv.-Doz. Dr. Marcus D. Säemann,Dr. Thomas Weichhart101621253035FOCUSUpdate <strong>HIV</strong>Ass.-Prof. Dr. Armin RiegerTherapie <strong>und</strong> Management der <strong>HIV</strong>-InfektionPriv.-Doz. Dr. Katharina Grabmeier-Pf<strong>ist</strong>ershammerPathophysiologie <strong>und</strong> Pathodiagnostik<strong>HIV</strong>-assoziierter <strong>Niere</strong>nerkrankungenDr. Afschin Soleiman<strong>HIV</strong> <strong>und</strong> EigennierenerkrankungUniv.-Prof. Dr. Alexander Rosenkranz<strong>HIV</strong> <strong>und</strong> DialyseDr. Thomas Prikoszovich,ao. Univ.-Prof. Dr. Sabine Schmaldienst<strong>HIV</strong>-positiv – <strong>ist</strong> Transplantationwirklich eine Option?Ass.-Prof. Priv.-Doz. Dr. Marcus D. Säemann38FREIES THEMA(entgeltliche Einschaltung)Fosrenol ® Lanthancarbonat nun auch zur Senkungdes Phosphatspiegels bei PrädialysepatientenMEINUNGSFORUM(entgeltliche Einschaltung)Effektives Management des sHPTFa. Abbott Ges.m.b.H.IMPRESSUMVerlag: MEDMEDIA Verlag <strong>und</strong> Mediaservice Ges.m.b.H. Herausgeber: Österreichische Gesellschaft für <strong>Nephrologie</strong>, Univ.-Prof. DDr. Walter Hörl, Klinische Abteilungfür <strong>Nephrologie</strong> <strong>und</strong> Dialyse, Universitätsklinik für Innere Medizin III, AKH Wien, <strong>und</strong> ao. Univ.-Prof. Dr. Sabine Schmaldienst, Klinische Abteilung für <strong>Nephrologie</strong><strong>und</strong> Dialyse, Universitätsklinik für Innere Medizin III, AKH Wien. Chefredakteur: Univ.-Prof. Dr. Sabine Schmaldienst, Klinische Abteilung für <strong>Nephrologie</strong><strong>und</strong> Dialyse, Universitätsklinik für Innere Medizin III, AKH Wien. Ass.-Prof. Priv.-Doz. Dr. Marcus D. Säemann, Klinische Abteilung für <strong>Nephrologie</strong> <strong>und</strong> Dialyse,Universitätsklinik für Innere Medizin III, AKH Wien. Anzeigen/Organisation: MEDMEDIA Verlag <strong>und</strong> Mediaservice Ges.m.b.H., Seidengasse 9/Top 1.1, 1070Wien, Tel.: 01/407 31 11. Projekt leitung/Produktion: Friederike Maierhofer. Redaktion: Dr. Claudia Uhlir. Layout/DTP: Gerald Mollay. Coverillustration: ©fotolia. Lektorat: daphne.mark@chello.at. Druck: „agensketterl“ Druckerei, Mauerbach. Druckauflage: 7.800 Stück im 1. Halbjahr 2011, geprüft von der ÖsterreichischenAuflagenkontrolle. Bezugsbedingungen: Die Zeitschrift <strong>ist</strong> zum Einzelpreis von 9,50 Euro plus MwSt. zu be ziehen. Gr<strong>und</strong>sätze <strong>und</strong> Ziele von NEPHRO Script:Information für nephrologisch interessierte Krankenhaus- <strong>und</strong> niedergelassene Ärzte. Angaben über Dosierungen, Applikationsformen <strong>und</strong> Indikationen von pharmazeutischenSpezialitäten müssen vom jeweiligen Anwender auf ihre Richtigkeit überprüft werden. Herausgeber <strong>und</strong> Medieninhaber übernehmen dafür keine Gewähr. Literatur zu denFachbeiträgen bei den jeweiligen Autoren. Allgemeine Hinweise: Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben die persönliche <strong>und</strong>/oder wissenschaftliche Meinung des jeweiligenAutors wieder <strong>und</strong> fallen somit in den persönlichen Verantwortungs bereich des Verfassers. Mit „Freies Thema“ gekennzeichnete Beiträgesind entgeltliche Einschaltungen gem. § 26 Mediengesetz <strong>und</strong> fallen in den Verantwortungsbereich des jeweiligen Auftraggebers; sie müssen nichtdie Meinung von Herausgeber, Reviewer oder Redaktion wiedergeben. Angaben über Dosierungen, Applikationsformen <strong>und</strong> Indikationen vonpharmazeutischen Spezialitäten müssen vom jeweiligen Anwender auf ihre Richtigkeit überprüft werden. Trotz sorgfältiger Prüfung übernehmenMedieninhaber <strong>und</strong> Herausgeber kei nerlei Haftung für drucktechnische <strong>und</strong> inhaltliche Fehler. Ausgewählte Artikel dieser Ausgabe finden Sie auchunter www.medmedia.at zum Download. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (Fotokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren)ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme gespeichert, verarbeitet, vervielfältigt,verwertet oder verbreitet werden.5


NEPHRO ScriptHOT SPOTStatine bei <strong>Niere</strong>ninsuffizienz: Entscheidet die Qualität?The effects of lowering LDL cholesterol with simvastatin plus ezetimibe in patients with chronickidney disease (Study of Heart and Renal Protection): a randomised placebo-controlled trial.Baigent C et al., SHARP Investigators. Lancet 2011;377:2181-92Patienten mit chronischer <strong>Niere</strong>ninsuffizienz haben einexzessiv erhöhtes Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen.Dennoch wurden <strong>und</strong> werden Patienten mit signifikanter<strong>Niere</strong>ninsuffizienz in großen randomisierten Interventionsstudienselten berücksichtigt, weshalb zu diesem Patientenkollektivbislang nur sehr limitierte Informationen vorliegen.Gerade in Bezug auf Statine, für die als Teil einer multimodalenInterventionsstrategie bei weitgehend nierenges<strong>und</strong>enPatienten günstige Effekte auf kardiovaskuläre Ereignissegezeigt werden konnten, war die Datenlage bislang für einenevidenzbasierten Einsatz bei niereninsuffizienten Patientensehr dürftig. In zwei Studien (AURORA <strong>und</strong> 4D) hatten Statineim Gesamtkollektiv der Hämodialysepatienten keinesignifikanten Effekte auf kardiovaskuläre Ereignisse oder dasGesamtüberleben. Eine weitere Studie bei nierentransplantiertenPatienten ergab auch keinen signifikant günstigen Einflusseiner Statinbehandlung (ALERT). Für Dialysepatientenscheinen kompetitive Mortalitätsrisiken, wie solche für einenplötzlichen Herztod (z. B. Kardiomyopathie <strong>und</strong>/oderArrhythmien), den durchschlagenden Erfolg einer Statintherapiezu verhindern.Statine bei nicht terminalniereninsuffizienten PatientenEine Überprüfung der Effekte einer Statintherapie in einer eigensdarauf ausgerichteten Studie, wie der nun vorliegendenSHARP-Studie (Study of the Heart and Renal Protection), wardeshalb sehr willkommen, um die Auswirkungen einer potentenLDL-Cholesterin(LDL-C)-Senkung auf kardiovaskuläreEreignisse bei primär nicht terminal niereninsuffizienten Patientenbewerten zu können.Die SHARP-Studie inkludierte insgesamt 9.270 Patienten mitchronischer <strong>Niere</strong>ninsuffizienz <strong>und</strong> randomisierte die Patientenin einen Placeboarm, in einen Arm mit Simvastatin (20 mg)sowie in einen Arm mit einer Kombination von Simvastatin(20 mg) <strong>und</strong> Ezetimib (10 mg) als Cholesterinaufnahmehemmer<strong>und</strong> verfolgte die Patienten im Mittel für 4,9 Jahre. 3.023Patienten der Studie waren dialysepflichtig, die übrigen wiesenunterschiedliche Grade der <strong>Niere</strong>ninsuffizienz auf (>1,5 <strong>und</strong>>1,7 mg/dl Serumkreatinin für Frauen bzw. Männer). LeiderAss.-Prof. Priv.-Doz. Dr.Marcus D. Säemannwurde im weiteren Verlauf der reine Simvastatin-Arm aufgelöst<strong>und</strong> es wurde nur mehr Statin plus Ezetimib mit Placebo verglichen.Die Rationale für die Kombination war die potentereLDL-C-Senkung durch die Kombination.Weniger koronare Plaques,kein Effekt auf die <strong>Niere</strong>nfunktionDr.Thomas WeichhartKlinische Abteilung für <strong>Nephrologie</strong> <strong>und</strong> Dialyse,Universitätsklinik für Innere Medizin III,Medizinische Universität WienPrimärer Studienendpunkt war die Inzidenz größerer athero -sklerotischer Ereignisse (Tod durch koronare Ereignisse, Myokardinfarkt,ischämischer Insult, Revaskularisationsbedarf). Imweiteren Verlauf wurde der Endpunkt nochmals durch Ausschlussvon Nicht-KHK-bedingtem Herztod <strong>und</strong> hämorrhagischemInsult verfeinert. Insgesamt konnte nur eine Adhärenzvon ca. zwei Drittel aller Teilnehmer erreicht werden. Bedauerlicherweisestanden auch knapp 10 % der Patienten der Placebogruppeunter einer Statintherapie. Die LDL-C-Konzentrationwurde durch die Kombinationstherapie nur um 0,85 mmol/lgesenkt, dennoch lag die Inzidenz des primären Endpunktes umbeachtliche 17 % unter jener in der Placebogruppe (p = 0,0021).Der größte Anteil dieses Effekts wurde durch die deutlich reduziertenkoronaren Revaskularisationen erzielt (Risikominderung27 %).Es wurden erfreulicherweise keine bedeutsamen Unterschiedebei den gefürchteten Nebenwirkungen Myopathie <strong>und</strong> Malignomebeobachtet. Es war aber weder ein positiver Effekt aufdie <strong>Niere</strong>nfunktion noch auf das Gesamtüberleben nachzuweisen.Die deutliche Reduktion atherosklerotischer Ereignisse6


HOT SPOTNEPHRO Scriptstellt trotzdem einen bedeutsamen Fortschritt in der Behandlungsstrategiedas.In der Subgruppenanalyse der dialysepflichtigen Patientenwurde nahezu analog zu AURORA oder 4D wieder kein signifikanterBenefit einer Statintherapie beobachtet.Aus der SHARP-Studie kann zumindest abgeleitet werden,dass eine Statintherapie bei Patienten mit noch nicht zu weitfortgeschrittener <strong>Niere</strong>ninsuffizienz zumindest einen protektivenEinfluss auf die Bildung krankheitsrelevanter atheromatöser<strong>und</strong> hier vor allem koronarer Plaques haben könnte.Unklar bleibt jedoch, ob eine Statintherapie in einem spätenStadium, besonders bei Dialysepflichtigkeit, noch sinnvoll <strong>ist</strong>.Setzt man die Gesamtzahl aller koronar bedingten Todesfälle(181 von insgesamt 749 kardiovaskulären Todesfällen) in Relationzu allen Todesursachen (181 von 2.257, also 8 %), sowird klar, dass eine LDL-C-Senkung keinen sehr deutlichenEffekt hat. Dies macht deutlich, dass die Ursachen der starkerhöhten Mortalität von Patienten mit <strong>Niere</strong>ninsuffizienz ebennicht in der atheromatösen Plaqueruptur liegen, sondern inpathophysiologisch gänzlich anderen Bereichen zu suchen sind,wie beispielsweise der Linksventrikelhypertrophie, einer diastolischenDysfunktion oder einer Myokardfibrose.So waren in der Post-hoc-Analyse der AURORA-Diabetes-Studie(Rosuvastatin bei Patienten mit Diabetes mellitus; n = 731)signifikant weniger kardiale Events im Sinne von Herztod <strong>und</strong>nonfatalem Myokardinfarkt zu verzeichnen (HR 0,68; CI 0,51bis 0,90), wenn auch der primäre Endpunkt der AURORA-Studie (kardiovaskulärer Tod, nonfataler MI oder zerebralerInsult) nicht erreicht wurde. Gezeigt wurde eine nicht signifikanteRisikoreduktion um 16 % verglichen mit einer 8%igennicht signifikanten Risikoreduktion in der 4D-Studie. Im Vergleichdazu verringert eine Statintherapie auch bei weitgehendnierenges<strong>und</strong>en diabetischen Patienten das Risiko für Myokardinfarkt(MI) oder Herztod relativ um 22 % (CTT-Meta -analyse bei 18.686 Patienten). Interessanterweise kam eineretrospektive Auswertung der 4D-Studie zu ähnlichen Ergebnissen.Bei Patienten mit LDL-C-Ausgangswerten > 145 mg/dl(3,76 mmol/l) verringerte eine Statintherapie die Inzidenz tödlicherwie nicht tödlicher kardialer Ereignisse.Inkonklusive Datenzur SchlaganfallinzidenzEin wichtiger Aspekt beim Einsatz von Statinen <strong>ist</strong> die Schlaganfallinzidenz,waren doch ischämische, aber nicht hämorrhagischeInsulte in der 4D-Studie signifikant erhöht. EineMetaanalyse von über 170.000 statintherapierten Patientenergab hingegen eine signifikante Reduktion ischämischer Insulte(HR 0,84, CI 5 bis 26). In der SHARP-Studie sank dieSchlaganfallinzidenz unter Simvastatin/Ezetimib versus Placeboum 19 %, was auf eine verringerte Inzidenz ischämischer Insulteum 25 % zurückzuführen war. Die Zahl hämorrhagischer Insultewar knapp signifikant erhöht (HR 1,21; CI 0,78 bis 1,86),was den Daten der 4D-Studie widerspricht. Ein Unterschiedin den systolischen Blutdruckwerten (141 vs. 145 mmHg) alsmögliche Ursache für die erhöhte Inzidenz fataler Insulte, soder Erklärungsversuch von Holdaas et al. in ihrer retrospektivenAURORA-Diabetes-Studie, erscheint weit hergeholt. Eine Metaanalysedieser drei Studien bei Hämodialysepatienten solltemehr Klarheit bringen.Statin <strong>ist</strong>nicht gleich StatinInteressanterweise könnte die SHARP-Studie nun auch Antwortenauf die Frage nach einer möglichen Progressionshemmungder <strong>Niere</strong>nschädigung durch Statine ermöglichen.Frühere Metaanalysen mehrerer kleinerer Studien ließen dieHoffnung auf einen geringeren Verlust der glomerulären Filtration(GFR) sowie eine tendenzielle Abnahme der Albuminurieunter Statintherapie aufkommen.Eine mögliche Erklärung für die divergierenden Ergebnisse beiniereninsuffizienten Patienten liegt vielleicht unter anderem imverwendeten Statin. Möglicherweise sind Effekte zu berücksichtigen,die über das reine Ausmaß der LDL-C-Senkung hinausgehen.So ließen frühe klinische Beobachtungen den Verdachtaufkommen, dass es unter Rosuvastatin möglicherweise zu einererhöhten Eiweißausscheidung wie auch Hämaturie kommenkann (Scott LJ et al., Am J Cardiovasc Drugs 2004;4(2):117).Als eine mögliche Erklärung zumindest für die Proteinuriewurde angeführt, dass Rosuvastatin durch tubuläre HMG-CoA-Hemmung die Reabsorption kleinerer Proteine hemmen könnte(Kostapanos MS et al., J Clin Pharmacol 2006;46:1337). In derECLIPSE-Studie wurde bei Hochrisikopatienten mit Hypercholesterinämieunter Rosuvastatin eine dosisabhängige Proteinurie(0,2–1,8 %) <strong>und</strong> eine Hämaturie (2,9–4,0 %) beobachtet, nichtjedoch unter Atorvastatin (Faergeman O et al., Cardiology2008;111:219). Interessanterweise wurde von einer vergleichbarguten Verträglichkeit beider Statine gesprochen.NephrologInnen sollten daher auf die Publikation der PLANET-Studien gespannt sein. Erste Daten wurden bereits im Rahmender ERA-EGTA in München 2010 vorgestellt (Keller D et al.,XLVII ERA-EGTA 2010). PLANET-1 wurde als prospektivkontrollierteStudie zum Einfluss von Rosuvastatin (10 mg <strong>und</strong>40 mg täglich) <strong>und</strong> Atorvastatin (80 mg täglich) auf Albuminurie<strong>und</strong> eGFR nach 26 <strong>und</strong> 52 Wochen bei 353 Diabetikern mitCKD (GFR < 40 ml/min pro 1,73 m 2 ) geplant, welche als Bas<strong>ist</strong>herapieschon mindestens einen RAS-Blocker hatten. Nacheinem Jahr zeigte sich bei Patienten mit Atorvastatin kein Einflussauf die GFR, aber eine Reduktion der Albuminurie um 12,6 %,hingegen wiesen Patienten mit Rosuvastatin zwar keine erhöhteProteinurie, aber eine signifikant reduzierte GFR auf (eGFR-Verlust/Jahrunter Atorvastatin 80 mg: 1–2 ml/min/Jahr, unter Rosuvastatin10 mg: 4 ml/min/Jahr <strong>und</strong> unter Rosuvastatin 40 mg: 7


NEPHRO ScriptHOT SPOT8 ml/min/Jahr). Bei PLANET-2 wurden mit gleichem Endpunktprimär Nicht-Diabetiker mit chronischer <strong>Niere</strong>ninsuffizienzunter RAS-Blockade studiert, wobei Atorvastatin-behandelte Patienteneine um 24,6 % reduzierte Albuminurie aufwiesen. Wiederzeigten Patienten unter Rosuvastatin keine Verschlechterungder Proteinurie, wohl aber der GFR, jedoch nicht so deutlich wiein PLANET-1. Bedauerlicherweise wurde in dieser Studie keinPlaceboarm geführt, da dies von der Ethikkommission untersagtwurde (was seltsam erscheint, zumal Statinstudien in dieser PopulationMangelware sind). Da in all diesen Studien die <strong>Niere</strong>nfunktionnur mit eGFR ermittelt, aber nicht gemessen wurde,<strong>ist</strong> auch ein Bias durch eine Beeinflussung des Kreatinins durchStatine denkbar. Deshalb sind weitere Studien mit einer direkten<strong>Niere</strong>nfunktionsbestimmung zu fordern. Darüber hinaus könntendie jeweiligen Effekte abgesehen vom verwendeten Statinauch durch die jeweils vorherrschende renale Gr<strong>und</strong>erkrankungmitbeeinflusst werden.Qualitative Beeinflussungdes Lipidprofils entscheidendChronische Krankheitsverläufe könnten auch durch eine qualitativeÄnderung des Lipidprofils durch Medikamente beeinflusstwerden. So weiß man, dass weniger die Menge einesLipoproteins als seine qualitative Zusammensetzung ausschlaggebend<strong>ist</strong> für dessen Atherogenität. Dies betrifft vor allemHDL-C, in dessen Funktion <strong>und</strong> Qualität man in den letztenJahren bemerkenswerte Einsichten gewinnen konnte. So zeigenneue Daten, dass die Quantität von HDL im Plasma nicht unbedingtdie funktionelle Kapazität inklusive des atheroprotektivenPotenzials von HDL reflektiert, sondern dass denqualitativen Eigenschaften dieses Moleküls eine entscheidendeRolle zukommt. In dieses Bild fügen sich nun auch Ergebnisseneuerer Arbeiten ein. Sie weisen darauf hin, dass es bei chronischer<strong>Niere</strong>ninsuffizienz nicht nur zu einer Änderung desLDL-C/HDL-C-Konzentrationsverhältnisses im Sinne einerDyslipidämie in Richtung Proatherogenität kommt, sondernvor allem auch zu einer Änderung der Eigenschaften des HDL-C. So nimmt zum Beispiel die Konzentration von ApolipoproteinA-I im HDL-C ab, während Serumamyloid A (SAA) <strong>und</strong>die sekretorische Phospholipase A2 (sPLA2) verstärkt eingebautwerden. Die Vermutung, dass die HDL-C-Qualität <strong>und</strong>nicht die HDL-C-Quantität der determinierende Faktor fürdessen antiatherosklerotische Potenz darstellt, scheint auch mitBlick auf die ILLUMINATE-Studie mit über 15.000 Patientengerechtfertigt. In dieser Phase-III-Studie wurde durch Inhibitiondes Cholesterylester-Transferproteins (CETP) mittels Torcetrapibbei Patienten mit hohem kardiovaskulärem Risiko derHDL-C-Spiegel um über 70 % angehoben. Enttäuschenderweisezeigte sich nicht nur keinerlei Benefit hinsichtlich kardiovaskulärerErkrankungen, die Studie musste vielmehraufgr<strong>und</strong> exzessiver, auch nicht kardiovaskulär bedingter Mortalitätabgebrochen werden.Im bisher letzten Kapitel dieser weiterzuschreibenden Geschichtekonnte rezent in einer groß angelegten Studie gezeigtwerden, dass die funktionale Kapazität von HDL-C, den Cholesterin-Effluxaus Makrophagen zu fördern, stark <strong>und</strong> inversmit subklinischer Atherosklerose <strong>und</strong> obstruktiver koronarerHerzerkrankung korreliert <strong>ist</strong>, dies unabhängig von der reinenHDL-C-Menge (Khera M et al., New England J Med 2011).Unsere eigenen, von Hämodialysepatienten gewonnenenDaten zeigen ebenfalls, dass die HDL-C-Zusammensetzungder entscheidende Faktor für seine antiinflammatorischen <strong>und</strong>antiatherosklerotischen Eigenschaften darstellt. In Zukunftkann damit der HDL-C-Funktionalität als Laborparameterdurch noch zu entwickelnde einfache Routinetests eine entscheidendeRolle als Biomarker <strong>und</strong> Prädiktor für kardiovaskuläreEreignisse zukommen.ConclusioDie Daten aus Statinstudien bei Patienten mit <strong>Niere</strong>ninsuffizienzrücken vielfach diskutierte Qualitätsfragen in den Mittelpunktdes klinischen Interesses. Nicht nur das Ausmaß desLDL-C-senkenden Effekts eines Statins, sondern auch spezifischeEffekte des verwendeten Statins könnten für den Therapieerfolgentscheidend sein. Bei der Beeinflussung des HDL-Cgibt wiederum nicht nur die quantitative Veränderung desHDL-C-Spiegels durch eine therapeutische Intervention, sondernbesonders der Einfluss auf die spezifische Zusammensetzungvon HDL-C den Ausschlag.Bei verschiedenen Medikamenten oder Kombinationstherapien,die primär eingesetzt werden, um die Konzentrationender jeweiligen Cholesterine zu beeinflussen (Statine, Ezetimib,Nikotinsäure <strong>und</strong> Fibrate), sollte eigentlich auch nach den Effektenauf die Qualität der einzelnen Cholesterinsubgruppen<strong>und</strong> den damit verb<strong>und</strong>enen Auswirkungen auf das kardiovaskuläreRisiko gefragt werden.Die nächsten Jahre werden mit Sicherheit spannend werden<strong>und</strong> ein tieferes Wissen über die pathophysiologische Bedeutungder Cholesterinqualität <strong>und</strong> die individuellen therapeutischenKonsequenzen für unsere Patienten bringen. n8


NEPHRO ScriptFOCUSUpdate <strong>HIV</strong>Die Prognose von Patienten mit einer <strong>HIV</strong>-Infektion hat sich dank verbesserter Behandlungsmöglichkeitendramatisch verbessert. Da eine effektive Vakzine fehlt, <strong>ist</strong> eine Bewältigung des globalen Problems in dennächsten Jahrzehnten aber weiterhin nur durch den breiten Einsatz antiretroviraler Substanzen in Therapie<strong>und</strong>/oder Prophylaxe zu erwarten.<strong>HIV</strong> wird innerhalb der Retrovirusfamilie zurGattung der Lentiviren gezählt. Das reifeVirus besteht aus einem konischen Kapsid,welches jeweils 2 Kopien viraler Einzelstrang-RNA <strong>und</strong> Schlüsselenzyme für die virale Replikation(reverse Transkriptase – RT, Integrase <strong>und</strong>Protease) enthält. Das Kapsid wird von einerPhospholipid-Doppelmembran (zum Teil Wirtszellproteine)umgeben. In dieser äußeren Membransind 72 Glykoproteine (gp120/gp41) eingebettet,welche wie Spikes hervorragen. Das Eindringenvon <strong>HIV</strong> in die Wirtszelle bedarfzumindest zweier zellulärer Membranproteine,nämlich CD4 <strong>und</strong> entweder des Korezep torsCCR5 oder CXCR4. Der Gebrauch des einenoder anderen Korezeptors bestimmt den viralenTropismus. Nach Fusion des Virus mit der Zellmembranwird die virale RNA von der viralen reversen Transkriptasein Doppelstrang-<strong>HIV</strong>-DNA umgebaut <strong>und</strong> in Folgevon der viralen Integrase in das Wirtsgenom eingeschleust.Präsenz von viralem Genom im Wirtsgenom ohne aktiveVirusproduktion werden als latente Infektion einer Zellebezeichnet. Transkription <strong>und</strong> in weiterer Folge ProduktionAss.-Prof. Dr.Armin Rieger<strong>HIV</strong>-Ambulanz,Universitätsklinik fürDermatologie,MedizinischeUniversität Wienvon Viruspartikeln wird von viralen (z. B. Tat-Protein)<strong>und</strong> von zellulären Mechanismen (z. B. NF-B) kontrolliert. Ob eine Zelle zu einem gegebenenZeitpunkt aktiv <strong>HIV</strong> produziert, <strong>ist</strong> letztlichvon der Balance inhibitorischer bzw. aktivierenderviraler <strong>und</strong>/oder zellulärer Mechanismen abhängig.Gedächtnis-T-Zellen können mitunter jahrelanglatent infiziert sein <strong>und</strong> sind in dieser Zeit sowohlvor dem Zugriff des Immunsystems als auch vorden derzeit verfüg baren therapeutischen Interventionengeschützt. Dieser Umstand stellt die größteHerausforderung in Bezug auf Eradikationsstrategienvon <strong>HIV</strong> dar.Im Falle einer produktiven Infektion werden<strong>HIV</strong>-Transkripte wieder aus dem Zellkern exportiert,gp120/gp41 wird in die Zellmembran derWirtszelle eingeschleust, virale RNA <strong>und</strong> Glykoproteinelagern sich an, Virus formiert sich <strong>und</strong> wird durchAbschnürung der Membran von der Zelle freigesetzt (virusbudding). Die virale Maturation erfolgt durch Spaltung vonviralen Precursor-Polypeptiden durch die virale Protease. Die<strong>HIV</strong>-Protease zählt mit der RT <strong>und</strong> der Integrase zu denSchlüsselenzymen der viralen Replikation <strong>und</strong> diese stellen aktuelldie wichtigsten Zielstrukturen einer antiretrovirale Therapie(ART) dar.<strong>HIV</strong> – eine Zoonose!Abb. 1: Unterschiedliche SIV-Typen zirkulieren endemisch indiversen AffenpopulationenDie starken genetischen Gemeinsamkeiten der HI-Viren mitden sogenannten Simian Immunodeficiency Viruses (SIV)lieferten die Gr<strong>und</strong>lage der Erkenntnis, dass sowohl <strong>HIV</strong>-1 alsauch <strong>HIV</strong>-2 von Affen auf den Menschen übertragen wurden.Unterschiedliche SIV-Typen zirkulieren endemisch in diversenAffenpopulationen. <strong>HIV</strong>-1 dürfte von entsprechenden SIV-Variantenbei Schimpansen bzw. bei Gorillas abstammen <strong>und</strong> <strong>HIV</strong>-2 von SIV bei Mangaben (Abb. 1). Die Übertragung auf denMenschen erfolgte zu verschiedenen Zeiten im Rahmen mehrererGelegenheiten, wobei dies die Gr<strong>und</strong>lage zur Entstehung der verschiedenenGruppen (M, N, O) <strong>und</strong> Subtypen von <strong>HIV</strong>-1war. Als Infektionsweg werden der Verzehr von infizierten Affen10


FOCUSNEPHRO Scriptbzw. Ver letzungen bei deren Verarbeitung angenommen. Buschfleisch,also Fleisch wildlebender Tiere, <strong>ist</strong> in vielen GegendenAfrikas eine der Hauptnahrungsquellen.Die älteste bekannt <strong>HIV</strong>-positive Blutprobe datiert in das Jahr1959 <strong>und</strong> stammt aus Kinshasa im ehemaligen Belgisch-Kongo.Biomathematische Modelle basierend auf Sequenzanalysen <strong>und</strong>der genetischen D<strong>ist</strong>anz von frühen <strong>HIV</strong>-Varianten lassen daraufschließen, dass die ersten Übertragungen von SIV auf denMenschen im Zeitraum zwischen 1910 <strong>und</strong> 1940 erfolgten. Es<strong>ist</strong> anzunehmen, dass <strong>HIV</strong> im letzten Jahrh<strong>und</strong>ert viele Jahrelang endemisch auf bestimmte Gebiete in Afrika beschränktwar. Erst mit der Modernisierung der Verkehrsinfrastruktur <strong>und</strong>dem vermehrten Flugverkehr breitete sich die <strong>HIV</strong>-Infektionin den 1970er- <strong>und</strong> 1980er-Jahren über Haiti <strong>und</strong> die USA aufalle Länder der Welt aus.Vor beinahe 30 Jahren wurde Aids als eigenständige Erkrankungerkannt, 3 Jahre später wurde von französischen <strong>und</strong> amerikanischenForschern <strong>HIV</strong> als Ursache von Aids identifiziert. Nacheinem jahrelangen Rechtsstreit zwischen den beiden Gruppenwurde den Franzosen Luc Montagnier <strong>und</strong> Françoise Barré-Sinoussi im Jahr 2008 gemeinsam der Nobelpreis für Medizinfür die Entdeckung des HI-Virus zuerkannt.<strong>HIV</strong>-EpidemiologieSituation international: Der Global Report 2009 vonUNAids berichtet von weltweit 33,4 Millionen <strong>HIV</strong>-infiziertenMenschen, zwei Drittel davon leben in Subsahara-Afrika(Abb. 2). In diesen Ländern beträgt die Prävalenz in der adultenBevölkerung (15–49 Jahre) etwa 5 %. 1,3 Millionen Menschenstarben in diesen Ländern aufgr<strong>und</strong> von Aids. Im Jahr2009 infizierten sich etwa 7.000 Menschen täglich mit <strong>HIV</strong>,die me<strong>ist</strong>en davon in Ländern mit niedrigem ökonomischemNiveau. 1.000 von ihnen waren jünger als 15 Jahre, von denrestlichen 6.000 Infizierten gehörten 41 % zur Altersgruppeder 15- bis 24-Jährigen, etwa 51 % waren Frauen. Die höchs -ten Wachstumsraten der Epidemie sind in Russland <strong>und</strong> derUkraine zu verzeichnen. Während die Prävalenz in den Ländernder Subsahara stagniert oder leicht rückläufig <strong>ist</strong>, hat sichdie Prävalenz der <strong>HIV</strong>-Infektion in den Ländern der ehemaligenSowjetrepublik seit dem Jahr 2001 verdoppelt.Situation in Österreich: In Österreich dürften etwa 8.000 Menschenmit <strong>HIV</strong>/Aids leben (inklusive der Dunkelziffer), wobeidie Zahl der Neudiagnosen pro Jahr im letzten Jahrzehntzwischen 250 <strong>und</strong> 350 lag, Tendenz steigend. Zugenommenhaben die Neudiagnosen bei Menschen mit heterosexuellerOrientierung. Dies korreliert fast deckungsgleich mit der Zunahmeder Neudiagnosen bei Menschen mit Migrationshintergr<strong>und</strong>.Beunruhigend <strong>ist</strong> besonders die in den vergangenenJahren steigende Zahl der Neudiagnosen in der homosexuellenCommunity. Die Koinzidenz mit einer Zunahme von Syphilisfällen<strong>und</strong> anderen sexuell übertragbaren Erkrankungen in diesemKollektiv lässt auf einen sorgloseren Umgang mit Präventionsmaßnahmenschließen.TransmissionGesamt: 33,3 Millionen (31,4 Millionen bis 35,3 Millionen)Abb. 2: Erwachsene <strong>und</strong> Kinder mit <strong>HIV</strong> (Global Report 2009)Die drei wichtigsten Transmissionswege sind:1) Ungeschützter Geschlechtsverkehr mit einem <strong>HIV</strong>-positivenPartner2) Austausch von Spritzenutensilien bei Gebrauch intravenöserDrogen3) Vertikale Transmission von einer <strong>HIV</strong>-positiven Mutter aufdas NeugeboreneDas Risiko, im Rahmen einer Transfusion von Blut bzw. Blutprodukteninfiziert zu werden, <strong>ist</strong> nicht zuletzt aufgr<strong>und</strong> derTestung von Spenderblut mittels PCR als äußerst gering einzustufen(etwa 1 Fall auf 8 Mio. Transfusionen). Der alltäglicheUmgang mit <strong>HIV</strong>-positiven Menschen stellt in keiner Weiseein Risiko dar. Ein letztlich geringes Risiko besteht im medizinischenBereich für eine Infektion durch Nadelstichverletzungen.Das Risiko beträgt bei die Haut penetrierendenVerletzungen mit Hohlraumnadeln, welche unmittelbar zuvorbei einem <strong>HIV</strong>-positiven Patienten mit nachweisbarer Virusreplikationim Gebrauch waren, etwa 0,3 %. In diesen Fällenwird ein rascher Beginn einer postexpositionellen antiretroviralenProphylaxe (PEP) sowie die Betreuung <strong>und</strong> Beratungdurch ein <strong>HIV</strong>-Zentrum empfohlen.Der weitaus wichtigste Übertragungsweg <strong>ist</strong> der ungeschützteGeschlechtsverkehr mit einem <strong>HIV</strong>-positiven Partner. Mansollte diese Aussage jedoch differenzierter formulieren: Konkretbesteht das Risiko bei ungeschütztem Geschlechtsverkehrmit einem unbehandelten <strong>HIV</strong>-positiven Partner. Mehrereepidemiologische Studien bei <strong>HIV</strong>-diskordanten Paaren belegeneine drastische Reduktion der Transmissionsrate, wenndie Viruslast (<strong>HIV</strong>-PCR im Blut) des behandelten positivenPartners unter der Nachweisbarkeitsgrenze liegt. Die <strong>HIV</strong>-Therapie etabliert sich damit zunehmend als Präventionsinstrument.11


NEPHRO ScriptFOCUSsymptomatisch, wobei die Symptomatik von einer leichten fieberhaftenEpisode bis zu einer schwer verlaufenden, auch vonopportun<strong>ist</strong>ischen Infekten begleiteten Erkrankung reichenkann. Symptome einer akuten <strong>HIV</strong>-Infektion treten wenigeWochen (frühestens 2 Wochen) nach der Ansteckung auf. Dashäufigste <strong>und</strong> verlässlichste Symptom <strong>ist</strong> Fieber. Dies kann miteinem Exanthem (Abb. 3), vergrößerten Lymphknoten, Pharyngitis,Myalgien, Kopfschmerzen <strong>und</strong> Diarrhoen verb<strong>und</strong>ensein. Die Symptomatik <strong>ist</strong> prinzipiell selbstlimitiert.Abb. 3: Exanthem als Symptom einer akuten <strong>HIV</strong>-InfektionDiagnoseDie Diagnose einer <strong>HIV</strong>-Infektion wird durch den Nachweis<strong>HIV</strong>-spezifischer Antikörper gestellt. Erforderlich <strong>ist</strong> der <strong>HIV</strong>-Nachweis in zwei unabhängig abgenommenen Blutprobendurch zwei unterschiedliche Testverfahren, wobei eines ein Wes -tern Blot sein muss. Der Nachweis von Antikörpern stellt inder chronischen Phase der Infektion einen hochsensitiven <strong>und</strong>gleichzeitig spezifischen Test dar <strong>und</strong> eignet sich daher als Suchtest.Während der akuten <strong>HIV</strong>-Infektion können jedoch Antikörpernoch nicht nachweisbar sein. Die neuesten ELISAverkürzen dieses diagnostische Fenster durch den Nachweisnicht nur von <strong>HIV</strong>-spezifischen Antikörpern, sondern auch desviralen Glykoproteins p24. In dieser Phase <strong>ist</strong> allerdings der direkteVirusnachweis mittels PCR die sensitivste Untersuchungsmethode.Typischerweise ergibt sich hier ein hochpositivesErgebnis mit mehr als 10 5 bis 10 6 Kopien/ml (hohe Infektiosität!).Der direkte Virusnachweis <strong>ist</strong> darüber hinaus zum Nachweisbeziehungsweise Ausschluss einer vertikalen Infektionnotwendig, da in den ersten 18 Lebensmonaten nicht unterschiedenwerden kann, ob <strong>HIV</strong>-Antikörper beim Neugeborenenmütterlicher oder kindlicher Herkunft sind. Wurde eine<strong>HIV</strong>-Infektion mittels direktem Virusnachweis diagnostiziert,muss dennoch in weiterer Folge diese Diagnose zeitgerechtdurch einen Antikörpernachweis bestätigt werden.Die KlinikQuelle: A. Rieger 2011Akute <strong>HIV</strong>-Infektion: Das Erkennen der akuten <strong>HIV</strong>-Infektion<strong>ist</strong> nicht nur für den betroffenen Patienten, sondern auchinfektionsepidemiologisch von großer Bedeutung. Studien belegen,dass bis zu 50 % der <strong>HIV</strong>-Transmissionen durch Patientenmit einer Primärinfektion erfolgen. Dies liegt daran, dassdie HI-Virämie in keinem Stadium der Erkrankung so hoch<strong>ist</strong> wie in der Phase der akuten <strong>HIV</strong>-Infektion <strong>und</strong> der Patientzu diesem Zeitpunkt daher besonders infektiös <strong>ist</strong>. Nur etwadie Hälfte der Patienten mit einer akuten <strong>HIV</strong>-Infektion sindChronische <strong>HIV</strong>-Infektion: Mit dem Abklingen der Symp -tome der akuten Infektion bzw. nach erfolgter Serokonversion(positiver <strong>HIV</strong>-Antikörpernachweis) tritt die Infektion in daschronische Stadium über. Klinisch <strong>ist</strong> der Patient zume<strong>ist</strong>asymptomatisch oder oligosymptomatisch (z. B. generalisierteLymphadenopathie), nichtsdestoweniger <strong>ist</strong> diese Phase voneinem stetem Verlust von CD4 + -Lymphozyten mit progredienterSchwächung des Immunsystems <strong>und</strong> einer interindividuellunterschiedlich hohen Virusreplikation geprägt. Eine unbehandeltechronische <strong>HIV</strong>-Infektion mündet im Allgemeinennach 7 bis 10 Jahren in das Stadium Aids. Das Zeitintervallbis zum Ausbruch von Aids <strong>ist</strong> sehr unterschiedlich (RapidProgressor 2–3 Jahre; Long-term Non-Progressor > 10 Jahre).Eine Vielzahl von viralen <strong>und</strong> Wirtsfaktoren (genetischer Backgro<strong>und</strong>,Komorbiditäten, Alter, Ernährungsstatus etc.) determiniertdie individuelle Progressionsrate. Etwa 1 % der<strong>HIV</strong>-infizierten Patienten mit kaukasischer Herkunft weisenauch ohne ART eine nicht nachweisbare HI-Virusreplikationauf (Elite Controller).Die chronische <strong>HIV</strong>-Infektion, wenn klinisch auch oft asymp -tomatisch, <strong>ist</strong> letztlich ein hoch dynamischer Prozess, wobeibei einer Halbwertszeit des HI-Virus von wenigen St<strong>und</strong>en dervirale Pool im Plasma etwa alle 30 Minuten vollkommen ausgetauschtwird <strong>und</strong> > 99 % der im Plasma gemessenen Viren(Viruslast) von kürzlich infizierten Zellen stammen. Es <strong>ist</strong> jedochnicht primär der zytopathische Effekt von <strong>HIV</strong>, welcherletztlich zur progressiven Imm<strong>und</strong>epletion führt, sondern eswurde gezeigt, dass die überwiegende Zahl der verloren gehendenT-Zellen nicht infiziert <strong>ist</strong>. Dies impliziert einen Bystander-Mechanismusder CD4 + -Lymphozyten-Destruktion. Derhierfür verantwortliche Trigger dürften bereits Veränderungenim Rahmen der akuten <strong>HIV</strong>-Infektion sein. So <strong>ist</strong> bereits wenigeWochen nach der Infektion eine Depletion des Mukosaassoziiertenlymphoiden Gewebes (MALT) zu beobachten, diewährend der chronischen Phase der Infektion anhält. Dabei <strong>ist</strong>speziell jener T-Zell-Phänotyp betroffen, welcher eine entscheidendeRolle in der mikrobiellen Abwehr spielt (Th17-Zellen).Die Folge dürfte eine vermehrte Translokation proinflammatorischermikrobieller Produkte aus dem Darmlumen sein. Sosind im Vergleich zu <strong>HIV</strong>-negativen Probanden bei Patientenmit chronischer <strong>HIV</strong>-Infektion signifikant höhere Lipopolysaccharid(LPS)-Blutspiegelvorhanden. LPS-Spiegel sind höher 12


NEPHRO ScriptFOCUSbei Patienten mit rascher <strong>HIV</strong>-Progression, korrelieren positivmit Parametern der Immunaktivierung <strong>und</strong> negativ z. B. miteinem von einem durch eine antiretrovirale Therapie (ART)induzierten CD4-Zellgewinn. Patienten mit einer über Jahresehr gut kontrollierten <strong>HIV</strong>-Infektion (Elite Controller) <strong>und</strong>behandelte <strong>HIV</strong>-Patienten zeigen geringere LPS-Blutspiegel alsunbehandelte <strong>HIV</strong>-Patienten, aber immer noch höhere Werteals <strong>HIV</strong>-negative Personen.Neben LPS könnten auch andere mikrobielle Produkte (Flagellin,Peptidoglykane etc.) über die Bindung an Toll-like-Rezeptorenvon Makrophagen <strong>und</strong> dendritischen Zellen dieselbenzur Produktion einer Reihe von proinflammatorischen Zytokinen(Il-6, TNF, IL-1) stimulieren.Die Konsequenzen dieser chronischen Immunstimulation dürftenebenso mannigfaltig sein wie ihre Ursachen. Ein chronischentzündlichesMilieu führt zu aktivierungsinduzierter Apoptosevon zume<strong>ist</strong> nicht infizierten Lymphozyten unterschiedlichsterSpezifität. Dies wird heute als wichtigste Ursache der CD4-Depletionangenommen. Jede Immunaktivierung erhöht den Poolfür die <strong>HIV</strong>-Infektion empfänglicher Zellen <strong>und</strong> fördert somitden Virus-induzierten Zelluntergang. Mit der Zeit werdennaive <strong>und</strong> ruhende Gedächtniszellen zunehmend aufgebraucht<strong>und</strong> durch hochdifferenzierte oligoklonale Populationen ersetzt.Dadurch erschöpft sich das regenerative Potenzial des spezifischenImmunsystems zunehmend. Daher <strong>ist</strong> das späte Krankheitsstadiumnicht nur durch eine zunehmende Inzidenzopportun<strong>ist</strong>ischer Erkrankungen geprägt, sondern auch durchden Verlust der Fähigkeit zur Eindämmung der viralen Replikation.Me<strong>ist</strong> <strong>ist</strong> auch ein Anstieg der Viruslast als Ausdruckeiner weitgehend ungebremsten HI-Virusreplikation zu beobachten.Die chronische Sekretion von proinflammatorischen Zytokinenüber den gesamten Verlauf der <strong>HIV</strong>-Infektion geht jedoch auchan anderen Zelltypen <strong>und</strong> Organsystemen nicht spurlos vorüber.Eine Dysregulation im Zytokinmuster dürfte eine wichtigekausale Rolle in der Pathophysiologie der Osteoporose, vonkardiovaskulären Erkrankungen, neurokognitiven Funktionsdefiziten<strong>und</strong> des Alterns („inflamm-aging“) spielen.Neben den direkten <strong>und</strong> indirekten Auswirkungen der <strong>HIV</strong>-Infektion auf das Immunsystem <strong>und</strong> dessen Folgen dürfte dasHI-Virus auch für andere Organpathologien verantwortlichzeichnen wie der <strong>HIV</strong>-assoziierten Nephropathie oder der <strong>HIV</strong>assoziiertenKardiomyopathie.AidsDas Stadium Aids <strong>ist</strong> in Österreich durch das Auftreten vonIndikatorerkrankungen definiert <strong>und</strong> <strong>ist</strong> eine meldepflichtigeErkrankung. Die Centers of Disease Control (CDC) definiertdas Stadium Aids darüber hinaus auch mit einer peripherenCD4-Zellzahl von < 200/mm 3 . In Zeiten vor der Implementierungantiretroviraler Kombinationstherapien in den klinischenAlltag (vor 1995/96) betrug die mittlere Überlebensdauerder Betroffenen zwischen ein <strong>und</strong> drei Jahren. Aids wird heuteüberwiegend bei Patienten mit unbehandelter oder erst seitKurzem behandelter <strong>HIV</strong>-Infektion diagnostiziert. Trotz flächendeckenderMöglichkeit zur <strong>HIV</strong>-Testung, mehr als 2 Jahrzehntendiverser Aufklärungskampagnen <strong>und</strong> hervorragendenBehand lungs möglichkeiten werden in Österreich immer nochetwa 25 % der <strong>HIV</strong>-Diagnosen zu einem Zeitpunkt sehrfortgeschrittener Imm<strong>und</strong>epletion gestellt (CD4-Zellzahl< 200/mm 3 ). Risikofaktoren für eine späte Diagnose umfassenHeterosexualität, Alter > 50 Jahre, Migrationshintergr<strong>und</strong>sowie kulturelle <strong>und</strong> sozioökonomische Faktoren.Die aktuell häufigsten Aids-definierenden Diagnosen umfassenin Europa Soor-Ösophagitis, Pneumocystis-Pneumonie, Non-Hodgkin-Lymphome <strong>und</strong> Tuberkulose. Potenzielle Arzneimittelinteraktionenzwischen antiretroviralen Substanzen <strong>und</strong>Therapeutika gegen opportun<strong>ist</strong>ische Infektionen, kumulativeToxizität <strong>und</strong> Immunrekonstitutionssyndrome gestalten dieBehandlung oft schwierig <strong>und</strong> risikoreich. Eine späte <strong>HIV</strong>-Diagnose <strong>ist</strong> in jedem Fall mit einer erhöhten Morbidität <strong>und</strong>Mortalität vergesellschaftet. Selbst bei erfolgreicher Behandlungbleibt dieses Risiko im Vergleich zu Personen mit frühzeitigemBehandlungsbeginn über Jahre auf höherem Niveaubestehen.nNEPHRO SpotVor 30 Jahren, im Dezember 1981, wurden die ersten Berichteüber junge Homosexuelle mit Pneumocystis-Pneumonien,Kaposi-Sarkomen <strong>und</strong> Pilzinfektionen publiziert. 1983 wurdedas Retrovirus <strong>HIV</strong> als Ursache von <strong>HIV</strong>/Aids identifiziert <strong>und</strong>4 Jahre später wurde das erste Virostatikum (Retrovir) therapeutischeingesetzt.Aber erst mit den neuen antiretroviralen Therapien der letztenJahre <strong>ist</strong> es gelungen, den Verlauf der <strong>HIV</strong>-Infektion soweit zubeeinflussen, dass stat<strong>ist</strong>ischen Modellen zufolge unter idealenRahmenbedingungen bei lebenslanger Therapie mit einer fastnormalen Lebenserwartung zu rechnen <strong>ist</strong>. Dieser Erfolg kannallerdings nur erreicht werden, wenn Betroffene frühzeitig einerspezialisierten medizinischen Betreuung zugeführt werden bzw.eine solche in Anspruch nehmen.In den Ländern mit hoher <strong>HIV</strong>-Prävalenz <strong>und</strong>/oder -Inzidenz hatjedoch immer noch nur ein kleiner Teil therapiepflichtiger Menschenauch Zugang zur Therapie <strong>und</strong> für jeden neu therapiertenPatienten kommen im Gegenzug zwei Neuinfektionen hinzu. Daeine effektive Vakzine fehlt, <strong>ist</strong> eine Bewältigung des globalenProblems in den nächsten Jahrzehnten nur durch den breitenEinsatz von antiretroviralen Substanzen in Therapie <strong>und</strong>/oderProphylaxe zu erwarten.14


NEPHRO ScriptFOCUSTherapie <strong>und</strong> Management der <strong>HIV</strong>-InfektionDurch die moderne antiretrovirale Therapie <strong>ist</strong> die <strong>HIV</strong>-Infektion zu einer gut behandelbarenErkrankung geworden. Hier ein Überblick über die Indikation zur Therapie, die Therapieziele<strong>und</strong> die empfohlenen Strategien.Die Hauptindikation der antiretroviralen Therapie(ART) stellt die Behandlung <strong>HIV</strong>-infizierterPatienten dar. Zusätzlich finden dieseMedikamente auch in anderen Situationen Einsatzwie in der Prophylaxe der vertikalen Transmission(Mutter-Kind-Übertragung) oder in der postexpositionellenProphylaxe nach beruflichen oderaußerberuflichen Risikokontakten.Highly Active Antiretroviral Therapy(HAART)Die ART der <strong>HIV</strong>-Infektion stellt immer eineKombinationstherapie aus mehreren Wirkstoffklassendar, die als „highly active antiretroviraltherapy“ (HAART) bezeichnet wird. Unter Monotherapienentstehen rasch Res<strong>ist</strong>enzen, wie dieklinische Erfahrung mit der Behandlung mit Retrovirin den 1990er-Jahren gezeigt hat.Die Zahl der antiretroviral wirksamen Medikamente <strong>ist</strong> in denletzten 2 Jahrzehnten massiv gestiegen (Tab. 1). Die heute inder Klinik eingesetzten Substanzen gehören 4 Gruppen an:1. Nukleos(t)idische Reverse-Transkriptase-Inhibitoren(N(t)RTI), nicht nukleosidische Reverse-Transkriptase-Inhibitoren (NNRTI),2. Proteaseinhibitoren (PI),3. Entry-Inhibitoren <strong>und</strong>4. Integraseinhibitoren (INSTI).Die Kombination mehrerer Substanzen derselben Wirkstoffklassebzw. aus verschiedenen Wirkstoffklassen in Koformulierungenhat durch Reduktion der Pillenzahl die Einnahme derHAART für Patienten deutlich einfacher gemacht.Nebenwirkungen: Die häufigsten Nebenwirkungen der HAARTsind zu Beginn der Therapie Übelkeit <strong>und</strong> Durchfall (PI mehr alsNRTI), Hautausschläge (NNRTI), Hypersensitivitätssyndrome(ABC, NVP), Schlafstörung, Schwindel (EFV), Hyperbilirubinämie(ATV). Langfr<strong>ist</strong>ige Nebenwirkungen bzw. Spätfolgenbetreffen das kardiovaskuläre System (erhöhtes KHK-Risiko:PI, ABC), den Stoffwechsel (Insulinres<strong>ist</strong>enz, Hyperlipidämie:PI), die <strong>Niere</strong>nfunktion (TDF) <strong>und</strong> den Knochenstoffwechsel(TDF). N(t)RTI werden vor allem renal ausgeschieden <strong>und</strong> ihreDosierung muss an die <strong>Niere</strong>nfunktion angepasst werden, währendPI großteils über die Leber abgebaut werden.16Priv.-Doz. Dr. KatharinaGrabmeier-Pf<strong>ist</strong>ershammerKlinische Abteilungfür Imm<strong>und</strong>ermato -logie <strong>und</strong> InfektiöseHautkrankheiten,Universitätsklinikfür Dermatologie,MedizinischeUniversität WienInteraktionspotenzial: Von besonderer Wichtigkeitbei multimorbiden Patienten, die mehrererMedikamente bedürfen, <strong>ist</strong> das Interaktionspotenzialder antiretroviralen Substanzen untereinanderals auch mit anderen Pharmaka. AlleNNRTI <strong>und</strong> PI werden über Zytochrom P450metabolisiert <strong>und</strong> stellen entweder Induktorenoder Inhibitoren dieses Enzymsystems dar. Wegender großen Komplexität der zu erwartenden Interaktionenbieten Datenbanken einen schnellen<strong>und</strong> aktuellen Überblick zur Wirksamkeit <strong>und</strong>Verträglichkeit von therapeutischen Kombinationen(z. B. www.hiv-druginteractions.com, Universityof Liverpool). Relevante Interaktionen <strong>und</strong>klinische Herausforderungen ergeben sich auchbei der gleichzeitigen Gabe von Immunsuppressivawie Cyclosporin A, wobei je nach Zusammensetzungder ART viel geringere Dosierungenzu sehr hohen Spiegeln führen können oder deutlich höhereDosierung zur Aufrechterhaltung eines therapeutischen Spiegelsbenötigt werden können (Abb. 1).Hilfe bei unklaren Interaktionen kann das sogenannte Drug Monitoringbieten, d. h. das Messen der Plasmaspiegel der potenziellinteragierenden Substanzen. Diese Maßnahme stellt keine Rou-Cyclosporin A/Dosis (mg)300 –250 –200 –150 –100 –50 –0 –-EFV NVP PI mitRTVNNRT--PI ohneRTV– 0NNRTI NNRTI+ PI + PImit RTV ohne RTVEFV = Efavirenz, NVP = Nevirapin, PI = Proteaseinhibitor, RTV = Ritonavir,NNRTI = nicht nukleosidischer Reverse-Transkriptase-Inhibitor-– 300– 250– 200– 150– 100– 50Frassetto et al., American Journal of Transplantation 2007Abb. 1: Zur Erhaltung des Cyclosporin-A-Zielspiegels (150 ng/ml)nötige CsA-Dosierung (y1-Achse) je nach Zusammensetzung derantiretroviralen Therapie-Woche 2Woche 12-Cyclosporin-A-Plasmaspiegel (ng/ml)


FOCUSNEPHRO ScriptTabelle 1: Antiretroviral wirksame MedikamenteWirkstoff Handelsname Koformulierungen(nukleosidische Reverse-Transkriptase-Inhibitoren)Zidovudin ZDV Retrovir ® ZDV + 3TC = Combivir ®Lamivudin 3TC Epivir ®Emtricitabin FTC Emtriva ®Abacavir ABC Ziagen ® ABC + 3TC = Kivexa ®ABC + 3TC + ZDV = Trizivir ®Tenofovir TDF Viread ® TDF + FTC = Truvada ®Didanosin DDI Videx ®Stavudin d4T Zerit ®NNRTI (nicht nukleosidische Reverse-Transkriptase-Inhibitoren)Nevirapin NVP Viramune ®Efavirenz EFV Stocrin ® EFV + TDF + FTC = Atripla ®Etravirin ETV Intelence ®ProteaseinhibitorenLopinavir LPV LPV + RTV= Kaletra ®Atazanavir ATV Reyataz ®Darunavir DRV Prez<strong>ist</strong>a ®Fosamprenavir FPV Telzir ®Indinavir IDV Crixivan ®Tipranavir TPV Aptivus ®Ritonavir RTV Norvir ®Saquinavir SQV Invirase ®Nelfinavir NFV Viracept ®Entry-InhibitorenEnfuvirtid T-20 Fuzeon ®Maraviroc MVC Celsentri ®IntegraseinhibitorenRaltegravir RGV Isentress ®tineuntersuchung dar <strong>und</strong> <strong>ist</strong> nicht für alle antiretroviralen Substanzenetabliert (PI, NNRTI), kann aber auch bei Patienten mitComplianceproblemen, virologischem Versagen oder unklarenResorptionsstörungen (z. B. Diarrhö) hilfreich sein.TherapiebeginnDie aktuellen Richtlinien des Department of Health andHuman Services (DHHS) geben 3 gleichwertige Therapieregimefür therapienaive Patienten an, die alle aus einem „backbone“zweier N(t)RTIs in Kombination mit entweder einemNNRTI, einem PI oder einem Integraseinhibitor bestehen(Abb. 2). Die Auswahl der einzelnen Kombinationen sollte Patientencharakter<strong>ist</strong>ikawie Komorbiditäten <strong>und</strong> Komedikationen(mögliche Interaktionen), Kinderwunsch (Teratogenität),Compliance <strong>und</strong> Lebensstil (einmal tägliche Medikation, morgensoder abends etc.) berücksichtigen.Vor dem Beginn einer ART <strong>ist</strong> die Durchführung eine Res<strong>ist</strong>enztestungwichtig. Die Übertragung res<strong>ist</strong>enter Viren erfolgt zwarnach wie vor nur in einer Minderheit der Fälle <strong>und</strong> <strong>ist</strong> in denletzten Jahren trotz des breiteren Einsatzes der HAART nichtweiter angestiegen, sie erreicht aber für bestimmte Wirkstoffgruppendoch klinisch relevante Werte (10–15 % primäre Resis -tenzen, v. a. für NNRTI). Selbstverständlich muss auch vor demEinsatz von CCR5-Antagon<strong>ist</strong>en eine Tropismus-Bestimmungerfolgen, das heißt die Austestung des vom HI-Virus verwendetenKorezeptors. Denn der Einsatz dieser Substanzen <strong>ist</strong> nur beiausschließlich CCR5-tropen Viren sinnvoll.Derzeit stellt eine Kombination aus Tenofovir/Emtricitabinoder Abacavir/Lamivudin die empfohlene „backbone“-Kom- 17


NEPHRO ScriptFOCUSTabelle 2: Empfohlene Therapieregime für therapienaive Patienten (DHHS * -Guidelines, Jänner 2011)NNRTI-basiertes Regime PI-basiertes Regime INSTI-basiertes RegimeNNRTI + 2 NRTI PI + 2 NRTI INSTI + 2 NRTIPI vorzugsweise geboostertBevorzugtes NNRTI-basiertes RegimeEfavirenz/Tenofovir/EmtricitabinBevorzugtes PI-basiertes RegimeAtazanavir (geboostert) + Tenofovir/EmtricitabinDarunavir (geboostert) 1 x tägl. + Tenofovir/EmtricitabinBevorzugtes INSTI-basiertes RegimeRaltegravir + Tenofovir/EmtricitabinNNRTI = nicht nukleosidischer Reverse-Transkriptase-Inhibitor; NRTI = nukleos(t)idischer Reverse-Transkriptase-Inhibitor;PI = Proteaseinhibitor; INSTI = Integrase Strand Transfer Inhibitor; Integraseinhibitor* Department of Health and Human ServicesTabelle 3: Indikation zur antiretroviralen TherapieSymptomatische PatientenAsymptomatische Patienten• CDC B oder C: empfohlen• im Falle opportun<strong>ist</strong>ischer Infektionen im Allgemeinen so früh wie möglich• < 200 CD4-Zellen/µl: sofort empfohlen• 200–350 CD4-Zellen/µl: empfohlen• 350–500 CD4-Zellen/µl:- empfohlen bei Koinfektion mit HCV oder therapiebedürftiger HBV-Infektion,<strong>HIV</strong>-assoziierter Organopathie wie z. B. Nephropathie- erwägen bei Viruslast > 10 5 Kopien/ml, CD4-Abfall > 50–100 Zellen/ml/Jahr,Alter > 50 Jahre, Schwangerschaft, hohem kardiovaskulärem Risiko, Malignomen• > 500 CD4-Zellen/µl: abwarten; erwägen bei mehr als einer der obigen KomorbiditätenAuf individueller Basis Therapiebeginn bei jeder CD4-Zellzahl möglich!Adaptiert nach: EACS(European Aids Clinical Society)-Guidelines Version 5-4bination dar. In Einzelfällen können jedoch auch nicht in denGuidelines empfohlene Therapieregime einen geeigneterenTherapieansatz darstellen.Die Empfehlungen zum Zeitpunkt des Therapiebeginns habensich in den letzten Jahren mehrmals stark geändert. Währendman in den Anfängen der HAART-Regime (1995/96) für einenraschen bzw. sogar sofortigen Therapiebeginn plädierte, wurdeaufgr<strong>und</strong> schlechter Verträglichkeit <strong>und</strong> Res<strong>ist</strong>enzentwicklungenin weiterer Folge ein Zuwarten zur klinischen Progressionoder einer CD4-Zellzahl unter 200 Zellen/µl bevorzugt. RezenteStudien zeigten jedoch nun doch einen Vorteil eines früherenTherapiebeginns, der durch verbesserte Verträglichkeit<strong>und</strong> dauerhafte Wirksamkeit der aktuellen Kombinationspräparateauch praktikabel <strong>ist</strong>. Verlässliche Erkenntnisse über Nutzen<strong>und</strong> Risiken eines frühen Therapiebeginns erwartet mansich von einer derzeit laufenden Multicenterstudie (START-Studie), die randomisiert einen sofortigen Therapiebeginn beiDiagnosestellung <strong>und</strong> einer CD4-Zellzahl > 500/µl versus einenTherapiebeginn bei Erreichen der derzeit gültigen Richtwerte(im Allgemeinen < 350/µl, siehe unten) vergleicht.Indikation zur TherapieKonsens über die Sinnhaftigkeit einer antiretroviralen Therapiebesteht zurzeit bei1) symptomatischen <strong>HIV</strong>-Patienten Stadium B <strong>und</strong> C(nach CDC) sowie bei2) asymptomatischen Patienten mit weniger als 350 CD4-Zellen/µl.Bei Patienten mit 350–500 CD4-Zellen/µl sollte bei Vorliegenvon Komorbidität(en) wie einer Hepatitis-B- oder -C-Koinfek- 18


NEPHRO ScriptFOCUStion oder einer <strong>HIV</strong>-assoziierten Organpathologie (z. B. <strong>Niere</strong>nfunktionsstörung)ein Therapiebeginn empfohlen, bei Risikofaktorenfür eine beschleunigte Progression (hohe Viruslast,rascher CD4-Zellabfall, Alter > 50 Jahre) oder dem Vorliegenvon erhöhtem kardiovaskulärem Risiko oder Malignomen eineTherapie zumindest erwogen werden (Tab. 3).Einen Sonderfall stellt die Behandlung von <strong>HIV</strong>-infiziertenSchwangeren dar. Hier kann die Therapie nicht nur in dermütterlichen Indikation, sondern auch in der kindlichen Indikation(Vermeidung der vertikalen Transmission) begründetsein. Besteht keine Indikation zur Behandlung der Mutter perse, so sollte eine ART nach dem ersten Trimenon, spätestensjedoch in der 28. Schwangerschaftswoche begonnen werden,um zum Zeitpunkt des größten Risikos einer vertikalen Transmission– der Geburt – eine virologische Suppression erreichtzu haben.Ziel der antiretroviralen TherapieZiel der ART <strong>ist</strong> eine konstante Suppression der Virusreplikation<strong>und</strong> damit in weiterer Folge eine Immunrekonstitution(Wiederanstieg, Stabilisierung bzw. Normalisierung der CD4-Zellzahl). Regelmäßige Kontrollen des Therapieerfolgs <strong>und</strong> derVerträglichkeit sind indiziert. Das erreichbare Ausmaß der Immunrekonstitutionsowie der Zeitrahmen, der zum Erreichennormaler CD4-Zellzahlen nötig <strong>ist</strong>, wird maßgeblich durchdie CD4-Zellzahl zu Beginn der Therapie bzw. den CD4-Nadir (tiefster im Laufe der <strong>HIV</strong>-Infektion jemals gemessenerCD4-Zellwert) bestimmt. Aber auch andere Faktoren wie dasPatientenalter, die Dauer der Infektion, Koinfektionen <strong>und</strong>Komorbiditäten, aber auch noch nicht identifizierte Ursachenbeeinflussen diesen Vorgang. Rezente Studien zeigen, dass esauch nach Normalisierung der CD4-Zellzahl im Blut nicht zueiner kompletten Wiederherstellung aller Immunfunktionenkommt <strong>und</strong> z. B. schon im Rahmen der akuten <strong>HIV</strong>-Infektiongesetzte Schäden im Bereich des lymphatischen Systems imGastrointestinaltrakt (MALT) nicht mehr korrigiert werdenkönnen. Weiters bleiben, wenn auch im Vergleich zur unbehandelten<strong>HIV</strong>-Infektion geringer ausgeprägte Zeichen einerchronischen Immunaktivierung bestehen. Die im Rahmen derImmunrekonstitution wiedergewonnenen T-Zellen sind jedochfunktionstüchtig. Der beste Hinweis hierfür <strong>ist</strong>, dass gewöhnlichnach Überschreiten definierter CD4-Werteprophylaktische antimikrobielle Therapien abgesetzt werdenkönnen, die bei Patienten mit stark reduzierter CD4-Zellzahlzur Vermeidung von opportun<strong>ist</strong>ischen Infektionen (PCP, Toxoplasmose,MAC) gegeben werden müssen.nNEPHRO SpotMit keiner der derzeit vorhandenen Therapien <strong>ist</strong> eine Heilungder <strong>HIV</strong>-Infektion möglich. Gr<strong>und</strong> dafür <strong>ist</strong> das sogenanntelatente Reservoir – schlafende HI-Viren in ruhendenImmunzellen, die durch die ART nicht angegriffen <strong>und</strong> eliminiertwerden können. Dieses Reservoir bleibt über vieleJahre stabil, setzt immer wieder in geringer (me<strong>ist</strong> unter derNachweisgrenze liegender) Menge Viren frei <strong>und</strong> wird beikontinuierlicher erfolgreicher ART nur sehr langsam kleiner.Theoretische Berechnungen haben ergeben, dass diesesReservoir erst etwa nach 70 Jahren Therapie eliminiert <strong>ist</strong>.Auch wenn die <strong>HIV</strong>-Infektion eine chronische Krankheitbleibt, so <strong>ist</strong> sie doch zu einer gut behandelbaren Erkrankunggeworden. Der Erfolg der ART lässt sich deutlich an dergesteigerten Lebenserwartung der infizierten Personenzumindest in Ländern mit uneingeschränktem Zugang zu Therapieablesen. Der immer größer werdende Anteil an älterenPatienten sowie die lange Krankheitsdauer stellen denBehandler allerdings vor neue Herausforderungen. Damitwird es auch immer wichtiger, die <strong>HIV</strong>-Infektion als Systemerkrankungmit Auswirkungen auf fast alle Organsysteme zuerkennen <strong>und</strong> rechtzeitig mit der Behandlung zu beginnen.20


FOCUSNEPHRO ScriptPathophysiologie <strong>und</strong> Pathodiagnostik<strong>HIV</strong>-assoziierter <strong>Niere</strong>nerkrankungenFolgen der <strong>HIV</strong>-Infektion werden immer mehr zur Aufgabe für die nephrologische Diagnostik <strong>und</strong>Therapie. Die <strong>Niere</strong> rückt zunehmend in den Fokus jener Faktoren, die Überlebensdauer <strong>und</strong> -qualitätder <strong>HIV</strong>-Infizierten bestimmen.Seit der Entdeckung des HI-Virus in den frühen 1980er-Jahren haben sich die Infektion <strong>und</strong> ihre Folgekrankheitenals Pandemie global verbreitet. Die <strong>HIV</strong>-Infektion <strong>ist</strong>in zunehmendem Ausmaß ein national <strong>und</strong> internationalschwerwiegender Problemfaktor mit hoher Morbidität <strong>und</strong>Mortalität. Derzeit sind zirka 33 Millionen Menschen <strong>HIV</strong>infiziert,wobei in der Prävalenz der Bevölkerung starke regionaleUnterschiede bestehen. Die am schwersten betroffenenRegionen liegen in Afrika südlich der Sahara <strong>und</strong> in EntwicklungsländernAsiens. Mit dem Auftreten humaner <strong>HIV</strong>-Infektionen wurden neben dem typischen Folgesyndrom Aidsschon früh andere Organmanifestationen beschrieben, diemit steigender <strong>HIV</strong>-Prävalenz an Häufigkeit zunehmen <strong>und</strong>damit neue Herausforderungen an Diagnostik <strong>und</strong> Therapiestellen. Die <strong>Niere</strong> wurde schon früh in der Geschichte der<strong>HIV</strong>-Forschung als ein Ziel der <strong>HIV</strong>-Schadwirkung erkannt.<strong>HIV</strong>-assoziierte <strong>Niere</strong>nerkrankungen stellen neben derImmunsuppression des Aids die bei Weitem häufigste gefährlicheFolge der <strong>HIV</strong>-Infektion dar. Sie beeinflussen die Überlebenswahrscheinlichkeitder Patienten gr<strong>und</strong>legend. Generell<strong>ist</strong> die eingeschränkte <strong>Niere</strong>nfunktion ein unabhängigerprädiktiver Faktor für die Mortalität der <strong>HIV</strong>-Infektion. Mitder Verfügbarkeit neuer, hocheffizienter antiviraler Medikamentehaben sich das Spektrum <strong>und</strong> der Verlauf dieserOrganmanifestation gewandelt. Pathophysiologie <strong>und</strong> Diagnostik<strong>HIV</strong>-assoziierter <strong>Niere</strong>nerkrankungen sind somit einzunehmendes <strong>und</strong> wichtiges Thema im Management <strong>HIV</strong>positiverPatienten.Im Rahmen der <strong>HIV</strong>-Erkrankung können eine Vielzahl von<strong>Niere</strong>nstörungen auftreten, deren Pathophysiologie <strong>und</strong> Diagnostik– soweit bekannt – hier im Kurzen beschrieben werdensollen. Um eine in der Praxis brauchbare Klassifikation <strong>HIV</strong>assoziierter<strong>Niere</strong>nerkrankungen zu generieren, soll hier zwischenNephropathien durch die Schadwirkung des <strong>HIV</strong> selbst<strong>und</strong> therapieassoziierten <strong>Niere</strong>nschädigungen unterschiedenwerden. Bei den durch <strong>HIV</strong> selbst ausgelösten Nephropathien<strong>ist</strong> zwischen Nephropathien mit bewiesenem, kausalem Bezugzur <strong>HIV</strong>-Erkrankung <strong>und</strong> einer Vielzahl von bisher nur koinzidentbeschriebenen Nephropathienzu unterscheiden.Gesicherte <strong>HIV</strong>-assoziierte<strong>Niere</strong>nerkrankungen<strong>HIV</strong>-assoziierte Nephropathie(<strong>HIV</strong>AN)Die <strong>HIV</strong>AN wurde bereits 1984 beschrieben<strong>und</strong> stellt die bei Weitem schwerwiegendste<strong>und</strong> die am me<strong>ist</strong>en verbreitete<strong>HIV</strong>-assoziierte <strong>Niere</strong>nerkrankung dar.<strong>HIV</strong>AN manifestiert sich durch neuDr.Afschin SoleimanFacharzt fürPathologie <strong>und</strong>Zytodiagnostik,Hall in Tirolauftretende Proteinurie mit <strong>Niere</strong>nfunktionseinschränkung<strong>und</strong> schnellem Fortschreiten zur End-Stage Renal Disease(ESRD). Sie tritt nahezu ausschließlich bei <strong>HIV</strong>-Patientenschwarzer Hautfarbe <strong>und</strong> afrikanischer Abstammung auf. Die<strong>HIV</strong>AN stellt den Großteil der <strong>HIV</strong>-assoziierten <strong>Niere</strong>nerkran- Abb. 1: <strong>Niere</strong>nbiopsat mit typischer <strong>HIV</strong>AN: In der Trichromfärbungfinden sich kollabierte, partiell sklerosierte Glomerula mit Podozytenproliferatensowie interstitieller Fibrose (blau) <strong>und</strong> eine chronischedestruierende interstitielle Nephritis21


NEPHRO ScriptFOCUSAbb. 2: Vollständiger Kollaps des Glomerulums (Pfeil) mit massiverPodozytenproliferation, die den gesamten Bowman‘schen KapselraumausfülltAbb. 3: Tubuläre Einzelzellnekrosen (Pfeil) mit tubulären Proteinzylindern<strong>und</strong> tubulären MikrozystenTubulo-vesicularinclusion bodiesCapillarylumenUrinaryspaceAbb. 4: Tubulovesikuläre Körperchen in glomerulären Endothelienkungen in der US-amerikanischen <strong>und</strong> afrikanischen Patientenpopulation<strong>und</strong> macht die ESRD zur vierthäufigsten Todesursachebei <strong>HIV</strong>-Patienten dieser Population.Neue Studien zeigen, dass <strong>HIV</strong>AN die Folge einer direktenSchadwirkung des <strong>HIV</strong> an der <strong>Niere</strong>, konkret an den Podozytender Glomerula <strong>und</strong> an den Tubulusepithelien, <strong>ist</strong>. Die direkteInfektion der renalen Epithelzellen mit <strong>HIV</strong>-1 kann aufBasis des genetischen Backgro<strong>und</strong>s von Menschen mit schwarzerHautfarbe zum Auftreten der <strong>HIV</strong>AN führen. Die Diagnos -tik erfolgt mittels <strong>Niere</strong>nbiopsie. Charakter<strong>ist</strong>isch sind einmassiver glomerulärer Schlingenkollaps, halbmondartige Proliferateim Bowman’schen Kapselraum, interstitielle Fibrose,Tubuluszysten <strong>und</strong> Tubulusatrophie. Elektronenmikroskopischlassen sich tubulovesikuläre Einschlusskörper vereinzelt in glomerulärenEndothelien <strong>und</strong> Podozyten nachweisen, die pathologischenZytoskelettaggregaten entsprechen (Abb. 1–4). DiePathogenese der <strong>HIV</strong>AN war lange Zeit rätselhaft, da klassisch<strong>HIV</strong>-Zelloberflächenrezeptoren (CD4) <strong>und</strong> Korezeptoren(CXCR4, CCR5) auf renalen Epithelzellen nicht exprimiertwerden. <strong>HIV</strong> benutzt, wie neue Studien zeigten, alternativeRezeptoren (DC-SIGN, Makrophagen-Mannose-Rezeptor(MMR), DEC-205 ...) aus der Gruppe der C-Typ-Lektine,Zelloberflächenproteine, die an Karbohydratketten ihrer Ligandenbinden, um in renale Epithelzellen einzudringen. CholesterinreicheEndozytoseeinheiten auf der Zelloberfläche,sogenannte Lipid Rafts, spielen in der <strong>HIV</strong>-Infektion renalerEpithelzellen eine wichtige Rolle. So wurde in Studien dieNeuinfektion renaler Epithelzellen unter In-vitro-Cholesterindepletionstark herabgesetzt. Des Weiteren sind nicht alle <strong>HIV</strong>-1-Subtypen fähig, in renale Epithelzellen einzudringen <strong>und</strong> sichin ihnen zu replizieren. So wurde gezeigt, dass <strong>HIV</strong>-1-Isolateaus dem peripheren Blut teilweise nicht in der Lage sind, renaleEpithelien zu infizieren. Einmal in die Podozyten eingedrungen,führt <strong>HIV</strong>-1 zu einem Verlust differenzierter Zellfunktionenmit Verlust differenzierungsassozierter Oberflächenmarker wiePodocalyxin oder Podocin. Die im regulären Zustand nahezuvollständige proliferative Ruhe der Podozyten wird durch Wirkung<strong>HIV</strong>-1-spezifischer Genprodukte unterbrochen <strong>und</strong> eineRedifferenzierung in den Ruhezustand wird verhindert, sodasses graduell zum Verlust funktionierender Podozyten kommt.Die übriggebliebenen Podozyten hypertrophieren, die glomeruläreBasalmembran wird freigelegt <strong>und</strong> sklerosiert segmental,was mit einem Verlust der <strong>Niere</strong>nfunktion einhergeht. In Studienmit transgener retroviraler Infektion zeigte sich, dass die<strong>HIV</strong>-Gene Nef <strong>und</strong> Vpr zentrale Bedeutung in der intrarenalenSchadwirkung von <strong>HIV</strong> haben. So interagiert Nef mit derSrc-Kinase <strong>und</strong> führt zur Aktivierung des Ras-c-Raf-MAPK1,2-Pathways, der die podozytäre Dedifferenzierung<strong>und</strong> Proliferation induziert. Über Reduktion der RhoA <strong>und</strong>22


FOCUSNEPHRO ScriptAktivierung von Rac1 leitet Nef weiters den Verlust von StressFibers in den podozytären Fußfortsätzen <strong>und</strong> deren Abflachungein. Weiters wurde in Experimenten an Mäusen gezeigt,dass das podozytenspezifische Protein Podocin eine Rolle inder <strong>HIV</strong>AN-Entstehung spielt.Eines der großen Rätsel der <strong>HIV</strong>AN, der nahezu exklusive Befallschwarzafrikanischer Patienten, erscheint nach jüngstenStudien weitgehend aufgeklärt. Präliminäre Studien weisen aufdie Assoziation eines Genlokus im humanen Genom r<strong>und</strong> umdas MYH9-Gen (nonmuscle myosin heavy chain-9) auf demChromosom 22 mit der <strong>HIV</strong>AN-Entwicklung hin. In weiterenAnalysen gelang es, das benachbarte Apolipoprotein-L1-Genals Promoter einer <strong>HIV</strong>AN-Entwicklung zu identifizieren.ApoL1 kodiert einen Serumfaktor, der den Krankheitserregerder Schlafkrankheit, Trypanosoma brucei, lysiert. Die Trypanosoma-brucei-SubtypenT. b. gambiense <strong>und</strong> T. b. rhodesienseentwickelten evolutionär einen ApoL1-Inhibitor, dereine Infektion erlaubt. In Schwarzafrika traten daraufhin Mutationendes ApoL1-Gens auf (G1, G2), die eine Res<strong>ist</strong>enzgegen T. b. rhodesiense mediieren <strong>und</strong> somit einen evolutionärenVorteil darstellen. Dies sind nun jene ApoL1-Varianten,die bei <strong>HIV</strong>-Infektion das Auftreten einer <strong>HIV</strong>AN begünstigen.Interessanterweise gehen beide ApoL1-Varianten beiSchwarzafrikanern auch mit erhöhten Raten an fokal-segmentalerGlomerulosklerose <strong>und</strong> hypertensiver ESRD einher.Abb. 5: Bild einer Immunkomplexglomerulonephritis (IgA-Glomerulonephritis)bei <strong>HIV</strong>-Infekt mit mesangialer Zellproliferation, Kapsel -synechien <strong>und</strong> beginnender segmentaler Schlingensklerose (Pfeil)<strong>HIV</strong>-assoziierte ImmunkomplexglomerulonephritidenAbb. 6: Starke IgA-Ablagerungen in Mesangien <strong>und</strong> Schlingen -peripherie der Glomerula; IgA-Immunh<strong>ist</strong>ochemieBei nicht schwarzafrikanischen Patienten <strong>ist</strong> die vorherrschende<strong>HIV</strong>-assoziierte <strong>Niere</strong>nerkrankung die Immunkomplexglomerulonephritis.Sie kann in jeder ihrer Manifestationsformen auftreten.Besonders häufig werden IgA-Glomerulonephritiden,membranöse Glomerulonephritiden <strong>und</strong> membranoproliferativeGlomerulonephritiden diagnostiziert. Leitendes klinischesErscheinungsbild <strong>ist</strong> die Proteinurie optional in Verbindung mitMikrohämaturie <strong>und</strong>/oder einem aktiven Harnsediment. DiePrävalenz von Proteinurie bei kaukasischen <strong>HIV</strong>-Patientenwird zwischen 5,6 % <strong>und</strong> 32 % recht divergent angegeben <strong>und</strong>liegt somit über jener der <strong>HIV</strong>-negativen Bevölkerung. Auchbei <strong>HIV</strong>-positiven Patienten schwarzafrikanischen Ursprungs<strong>ist</strong> die Immunkomplexglomerulonephritis weit verbreitet. Dieverschiedenen Typen der Glomerulonephritis bei <strong>HIV</strong>-infizierten<strong>und</strong> nicht <strong>HIV</strong>-infizierten Patienten unterscheiden sich his -tologisch nicht (Abb. 5, 6). Häufige Koinfektionen mit HepatitisB <strong>und</strong> Hepatitis C erhöhen die Wahrscheinlichkeit für die Entwicklungeiner Immunkomplexglomerulonephritis weiter <strong>und</strong>verschlechtern das therapeutische Ansprechen <strong>und</strong> die Prognose.Die Ursache der erhöhten Inzidenz von Glomerulonephritidenunter <strong>HIV</strong> <strong>ist</strong> nicht restlos geklärt. Die Heterogenität der <strong>HIV</strong>assoziiertenImmunkomplexglomerulonephritiden erschwert dieSuche nach einer Kausalkette. In erster Linie dürfte es sich umeine generelle Aktivierung des humanen Immunsystems unmittelbarnach der <strong>HIV</strong>-Infektion <strong>und</strong> um einen proinflammatorischenZustand während der <strong>HIV</strong>-Infektion handeln, derletztlich ohne Behandlung im Kollaps des Immunsystems imAids seinen Höhepunkt findet. So findet sich bei <strong>HIV</strong>-Patientenein erhöhter Spiegel zirkulierender Immunkomplexe, eineKomplementaktivierung <strong>und</strong> das vermehrte Auftreten autoimmunerAntikörper in Verbindung mit einer Aktivierung desangeborenen <strong>und</strong> des adaptiven Immunsystems. Insbesonderewerden unter <strong>HIV</strong> starke Aktivierungen des proinflammatorischenTranskriptionsfaktors NF-kappaB beobachtet. Es entstehtdadurch ein Immunstatus, der entfernt dem des Lupuserythematosus ähnelt, <strong>und</strong> der die Entwicklung autoimmunerPathologien insbesondere in der <strong>Niere</strong> fördert. So werden 23


NEPHRO ScriptFOCUSneben Glomerulonephritiden auch vermehrt autoimmune interstitielleNephritiden beobachtet, die über progressive interstitielleFibrose <strong>und</strong> Tubulusatrophie die Entwicklung einerESRD beschleunigen.<strong>HIV</strong>-assoziierte thrombotische MikroangiopathieDie <strong>HIV</strong>-assoziierte akute thrombotische Mikroangiopathie(TMA) wurde vor allem in den Prä-HAART-Zeiten bei Patientenmit bereits manifestem Aids beobachtet. Hierbei dürfte essich um eine direkte Schadwirkung des <strong>HIV</strong>-1 auf Endothelienhandeln, die klinisch den Manifestationsformen der TMA bei<strong>HIV</strong>-negativen Patienten entspricht. H<strong>ist</strong>opathologisch erkenntman in der <strong>Niere</strong>nbiopsie multiple, überwiegend glomeruläreKapillaren, welche von Fibrinthromben verschlossen sind <strong>und</strong>starke Zeichen einer Endothelzelldystrophie zeigen.Pathogenetisch wurde eine Induktion des prokoagulatorischenTissue Factors in arteriolären glatten Muskelzellen durch das<strong>HIV</strong>-Oberflächenprotein gp120 beobachtet, das so die intravasaleGerinnung initiieren kann. Weiters wurde eine Reduktionder Spiegel des Von-Willebrand-Faktor-Cleaving-Proteaseinhibitorsbei <strong>HIV</strong>-positiven Patienten gemessen. Der weitverbreiteteEinsatz der HAART ließ die Inzidenz der <strong>HIV</strong>-assoziiertenTMA stark zurückgehen, sie stellt jedoch in nicht therapiertenPopulationen eine gefährliche Ursache der ESRD dar.<strong>Niere</strong>nerkrankungen mitvermuteter Assoziation mit <strong>HIV</strong>Eine Vielzahl von Berichten lässt einen Kausalzusammenhangeiner <strong>HIV</strong>-Infektion mit einer Reihe unterschiedlicher <strong>Niere</strong>nerkrankungenvermuten, darunter Amyloidosen, fibrilläre Glomerulonephritis,immunotaktoide Glomerulonephritis <strong>und</strong>Formen der interstitiellen Nephritis. Allen <strong>ist</strong> gemein, dass eine<strong>HIV</strong>-Wirkung pathogenetisch noch unklar <strong>ist</strong>. Diagnostischunterscheiden sie sich nicht von den Analoga in der <strong>HIV</strong>-negativenPopulation.Renale Nebenwirkungen der <strong>HIV</strong>-TherapieDer weitverbreitete Einsatz hocheffektiver antiretroviraler Therapien(HAART) hat seit der Mitte der 1990er-Jahre zu einerdeutlichen Verbesserung der Überlebensraten <strong>HIV</strong>-positiver Patientengeführt. Die Inzidenz des Aids als Endstufe der <strong>HIV</strong>-Erkrankung <strong>ist</strong> rückläufig. Somit <strong>ist</strong> eine immer größerwerdende Anzahl <strong>HIV</strong>-positiver Patienten der chronischen Einnahmepotenziell nephrotoxischer Substanzen im Rahmen derHAART ausgesetzt. In diesem Überblick <strong>ist</strong> es nur möglich,kursorisch einen Einblick in potenziell nephrotoxische Nebenwirkungeneinzelner Substanzgruppen zu geben. Weiterentwicklungder Therapien <strong>und</strong> neue Studien lassen hier noch großenRaum für neue Erkenntnisse, die in die Therapieregimeseinzubeziehen sind.Renale Nebenwirkungen der Nukleosid/Nukleotid-Reverse-Transkriptase-Inhibitoren (NRTI)Tenofovir kann zu akutem <strong>Niere</strong>nversagen, nephrogenem Diabetesinsipidus <strong>und</strong> Fanconi-Syndrom führen. NRTIs werdenrenal sezerniert <strong>und</strong> über den humanen organischen Anionentransporterin proximale Tubulusepithelien wieder aufgenommen.Eine Akkumulation der NRTI in den Epithelzellen führtzu lokaler Toxizität <strong>und</strong> reversibler Funktionseinschränkung.His tomorphologisch <strong>ist</strong> eine unspezifisch imponierende Tubulusschädigungzu erkennen, die nur in Zusammenschau mit derklinischen Anamnese zur korrekten Diagnose führen kann. DerVerlauf <strong>ist</strong> nach Absetzen bzw. Reduktion der Substanz reversibel.Renale Nebenwirkungen der ProteaseinhibitorenIndinavir <strong>ist</strong> der Vertreter mit dem größten nephrotoxischenPotenzial dieser Substanzgruppe. Es fand sich Kr<strong>ist</strong>allurie mitAusbildung von Steinen in <strong>Niere</strong> <strong>und</strong> ableitenden Harnwegen.Die Substanz wird partiell tubulär sezerniert <strong>und</strong> <strong>ist</strong> bei saurempH schlecht löslich. Kr<strong>ist</strong>allbildung wird hier durch Dehydratationgefördert, was ein gezieltes Flüssigkeitsmanagementindiziert.nReferenzen1Kaufman L et al., Adv Chronic Kidney Dis 2010; 17(1):36-432Papeta N et al., J Mol Med (Berl) 2011; 89(5):429-363Medapalli RK et al., Curr Opin Nephrol Hypertens 2011; 3:306-114Rachakonda AK et al., Adv Chronic Kidney Dis 2010; 17(1):83-935Jao J et al., Adv Chronic Kidney Dis 2010; 17(1):72-826Bruggeman LA et al., Nat Rev Nephrol 2009; 5(10):574-817Mikulak J et al., Nephron Exp Nephrol 2010; 115(2):e15-21NEPHRO SpotDie <strong>HIV</strong>-Infektion wird immer mehr auch zur Aufgabe für dienephrologische Diagnostik <strong>und</strong> Therapie. Der unter HAARTvollzogene Übergang von der <strong>HIV</strong>-Infektion bzw. Aids zu einerchronischen Erkrankung rückt die <strong>Niere</strong> in den Fokus jenerFaktoren, die Überlebensdauer <strong>und</strong> -qualität der Infiziertenbestimmen. Eine schnelle <strong>und</strong> präzise diagnostische Ab -klärung erfordert eine Zusammenarbeit zwischen Klinikern<strong>und</strong> den diagnostischen Disziplinen, um das optimale Outcomefür den Patienten zu erreichen.24


FOCUSNEPHRO Script<strong>HIV</strong> <strong>und</strong> EigennierenerkrankungDie <strong>Niere</strong>ntransplantation bei <strong>HIV</strong>-Erkrankung <strong>und</strong> auch <strong>HIV</strong>-assoziierte Eigennierenerkrankungenwerden in der <strong>Nephrologie</strong> in den nächsten Jahren zunehmend von auch klinischem Interesse werden.Dieser Beitrag gibt einen kurzen Überblick über den Wissensstand.Vor 10 Jahren stellten sich die Nephrologendie Frage, ob eine <strong>HIV</strong>-Infektion prinzipielleine Kontraindikation für die <strong>Niere</strong>ntransplantationbedeutet. So wurde in den im Jahr2003 publizierten European Renal Practice Guide -lines in Nephrology, Dialysis and Transplanta -tion von Sawyer <strong>und</strong> Ritz festgehalten, dass<strong>HIV</strong>-Positivität eine absolute Kontraindikationfür die <strong>Niere</strong>ntransplantation darstellt. Da sichdie Einschätzung in den letzten Jahren geänderthat, werden die <strong>Niere</strong>ntransplantation bei <strong>HIV</strong>-Erkrankung, aber auch Eigennierenerkrankungenim Zusammenhang mit einer <strong>HIV</strong>-Infektionfür Nephrologen in den nächsten Jahren zumThema werden.Im Folgenden sollen Zustände wie das akute <strong>Niere</strong>nversagen(AKI – acute kidney injury), <strong>HIV</strong>-assoziierte <strong>Niere</strong>nerkrankungen,nephrotoxische metabolische Langzeiteffekte derHAART sowie Empfehlungen zum nephrologischen Managementvorgestellt werden.Akutes <strong>Niere</strong>nversagenDie Ursachen für akutes <strong>Niere</strong>nversagen bei <strong>HIV</strong>-Patientenähneln jenen bei Nicht-<strong>HIV</strong>-Patienten. Die häufigste Ursache<strong>ist</strong> die akute Tubulusnekrose auf Basis von Sepsis, Dehydratation,Hypotension sowie Nephrotoxizität. Allerdings findensich bei stationärer Aufnahme von <strong>HIV</strong>-positiven Patientenin 20 % der Fälle ein akutes <strong>Niere</strong>nversagen sowie eine hoheMortalität mit 18 % nach 2 Monaten (davon 80 % mit derDiagnose Aids bei Aufnahme). In rezenten Untersuchungenkonnte gezeigt werden, dass gerade in dieser Patientenpopulationdas akute <strong>Niere</strong>nversagen mit erhöhter kardiovaskulärerMortalität <strong>und</strong> schlechter Prognose hinsichtlich Langzeit-Outcome der <strong>Niere</strong>nfunktion vergesellschaftet war. Es bestehteine Assoziation zwischen dem akuten <strong>Niere</strong>nversagen <strong>und</strong>Mortalität sowie zwischen akutem <strong>Niere</strong>nversagen <strong>und</strong> terminaler<strong>Niere</strong>ninsuffizienz bei <strong>HIV</strong>-positiven Patienten.<strong>HIV</strong>-assoziierte <strong>Niere</strong>nerkrankungen<strong>HIV</strong>AN (<strong>HIV</strong>-assoziierte Nephropathie): Erstmalig wurdedie <strong>HIV</strong>AN als Komplikation von Aids im Jahre 1984 in NewYork als Collapsing Focal Segmental Glomerulosclerosisbeschrieben. <strong>HIV</strong>AN war gekennzeichnet durch eine nephrotischeProteinurie <strong>und</strong> Progression zur DialysepflichtigkeitUniv.-Prof. Dr.Alexander RosenkranzKlinische Abteilungfür <strong>Nephrologie</strong>,Universitätsklinik fürInnere Medizin,MedizinischeUniversität Grazinnerhalb von 8–16 Wochen. Mittlerweile hatsich <strong>HIV</strong>AN als eigenständige klinische Entitätetabliert (collapsing FSGS). <strong>HIV</strong>AN <strong>ist</strong> nichtmit fortgeschrittener Immunsuppression imRahmen der <strong>HIV</strong>-Infektion assoziiert, sonderndie renalen Läsionen können zu jedem Zeitpunktder <strong>HIV</strong>-Infektion auftreten, auch bereitsvor Serokonversion. Die Mikroalbuminuriescheint ein früher Marker einer <strong>HIV</strong>-assoziiertenNephropathie zu sein, die Prävalenz der <strong>HIV</strong>-Positivität liegt bei über 11 %. Interessanterweisetritt <strong>HIV</strong>AN vor allem bei Afroamerikanerinnenauf – mehr als 90 % der Patienten mit <strong>HIV</strong>ANsind Afroamerikaner. Es war auch lange Zeit dieam stärksten zunehmende Ursache für die terminale<strong>Niere</strong>ninsuffizienz in dieser Population <strong>und</strong> stellte nachHypertonie <strong>und</strong> Diabetes die dritthäufigste Ursache für dieDialysepflichtigkeit in der Altersgruppe von 20–64 Jahren imletzten Jahrzehnt des vorigen Jahrtausends dar.Mittlerweile <strong>ist</strong> die Inzidenz der Dialysepflichtigkeit in der<strong>HIV</strong>-Population rückläufig. Die Prävalenz nimmt jedoch weiterzu, da sich die Überlebensraten für Aids deutlich verbesserthaben.<strong>HIV</strong>AN stellt derzeit die siebenthäufigste Ursache für Dialysepflichtigkeitbei Afroamerikanern dar (Daten aus demUSRDS 2007). Auch in Europa, am Beispiel von Frankreichgezeigt, kommt es zu einer Zunahme der Patienten mit <strong>HIV</strong>-Infektion an der Dialyse, 1997 betrug der Zuwachs 79 %.Dies dürfte in Frankreich vor allem auf den Zuzug von Personenaus Endemiegebieten wie Karibik <strong>und</strong> Subsahara zurückzuführensein. Die Mortalität von Patienten mit <strong>HIV</strong>ANinduzierterCKD5D <strong>ist</strong> deutlich höher als von <strong>HIV</strong>-negativenPatienten. Erfreulicherweise sieht man, dass sich in den letztenJahren das Überleben der Patienten mit <strong>HIV</strong>-Infektionenan der Dialyse deutlich verbesserte.Zur Therapie der <strong>HIV</strong>AN liegen keine randomisierten kontrolliertenStudien vor. Im Vordergr<strong>und</strong> stehen nephrologischeAllgemeinmaßnahmen wie die Gabe von ACE-Hemmernoder Angiotensinrezeptorblockern, für die es Daten für ver -bessertes <strong>Niere</strong>nüberleben gibt, Cyclosporin, das bei Kindernzu einer Remission der Proteinurie führte (keine Daten fürErwachsene) <strong>und</strong> natürlich die HAART (highly active antiretroviraltherapy). Der Einsatz der HAART führte zu einemdeutlichen Rückgang der <strong>HIV</strong>AN. Als Mechanismus wird eineInhibition von mTOR diskutiert. mTOR-Inhibitoren könn- 25


NEPHRO ScriptFOCUSJaPrärenaleAzotämie?JaNicht-<strong>HIV</strong>-assoziierte Erkrankung(z. B. gastrointestinal)?NeinDehydratation aufgr<strong>und</strong> arznei -mittelinduzierter TubulopathieAKIObstruktive<strong>Niere</strong>ninsuffizienz?JaArzneimittelinduziertetubuläre Kr<strong>ist</strong>alle?NeinHarnwegsinfektionJa Ja <strong>HIV</strong>-assoziierte NeinGlomerulopathie?glomeruläre Erkrankung?MöglicherweisearzneimittelinduziertParenchymale<strong>Niere</strong>ninsuffizienz?Akute interstitielleNephritis?JaInfektionsbedingt(<strong>HIV</strong> oder nicht-<strong>HIV</strong>)?NeinArzneimittelinduziertTubulopathie?JaArzneimittelinduziertesFS <strong>und</strong>/oder NDI?NeinVirale tubuläre ToxizitätCKDJaHCV, Diabetes,Hypertonie oder<strong>HIV</strong>-assoziiert?NeinHCV, Diabetes, Hypertonie oder<strong>HIV</strong>-assoziiert? Tenofovir-assoziiertoder Indinavir-assoziiertAKI = akutes <strong>Niere</strong>nversagen; CKD = chronische <strong>Niere</strong>ninsuffizienz;FS = Fanconi-Syndrom; NDI = nephrogener Diabetes insipidusAbb.: Flussdiagramm zur Diagnose renaler Symptome bei Patienten unter HAARTten hier eventuell einen therapeutischen Nutzen bringen, diesbezüglicheStudien sind allerdings noch ausständig.Andere Glomerulopathien: Neben der <strong>HIV</strong>-assoziiertenNephropathie gibt es eine Reihe von lupusähnlichen Glomerulonephritiden,FSGS, Immunkomplex-Nephritis, interstitielleNephritis <strong>und</strong> thrombotische Mikroangiopathie vor allem inden USA. In Europa stehen die IgA-Nephritis sowie Diabetes<strong>und</strong> Nephroangiosklerose im Vordergr<strong>und</strong> (z. B. Daten ausFrankreich). In Südafrika <strong>ist</strong> die zweithäufigste Ursache für eine<strong>Niere</strong>nerkrankung bei <strong>HIV</strong>-positiven Patienten eine Immunkomplexglomerulonephritis.Die anderen Glomerulonephritidenim Rahmen einer <strong>HIV</strong>-Infektion führen zu einem deutlichspäteren Verlust der <strong>Niere</strong>nfunktion als die <strong>HIV</strong>AN. Die <strong>HIV</strong>assoziierteImmunkomplexerkrankung (<strong>HIV</strong>ICK) tritt erstnach einem Zeitraum von durchschnittlich 10 Jahren auf. Zu70 % findet man ein nephrotisches Syndrom, zu 100 % eineHämaturie, zu 80 % eine Hypertonie <strong>und</strong> zu 50 % zusätzlicheine Hepatitis-C-Infektion. Bei 70 % der Betroffenen kommtes innerhalb eines Jahres nach der Diagnosestellung zu einerdialysepflichtigen <strong>Niere</strong>ninsuffizienz. Mit Ausnahme derHAART gibt es bisher keine Therapievorschläge.Nephrotoxische <strong>und</strong> metabolischeLangzeiteffekte der antiretroviralen TherapieDie HAART verbessert die glomeruläre Filtrationsrate, <strong>ist</strong>allerdings potenziell nephrotoxisch. Die Identifizierung <strong>und</strong>Beachtung der renalen Risikofaktoren vor Start von HAARTkann die therapieassoziierten toxischen Nebenwirkungenminimieren. Die <strong>Niere</strong>nfunktion von Patienten unterHAART sollte daher bei jeder Visite kontrolliert werden. DieAngst vor möglichen nephrotoxischen Effekten von HAART<strong>ist</strong> jedoch kein Gr<strong>und</strong>, diese lebensverlängernde Therapienicht einzusetzen.Nukleotid-Reverse-Transkriptase-Inhibitoren (NtRTI,Nukleotidanaloga): Unter den antiretroviralen Therapeutikasind besonders Nukleotidanaloga durch <strong>Niere</strong>ntoxizitätgekennzeichnet <strong>und</strong> können zu akutem <strong>Niere</strong>nversagen, Fanconi-Syndrom,nephrogenem Diabetes insipidus oder interstitiellerNephritis führen.Tenofovir (Viread ® ) wird unverändert über den Harn durchaktive Sekretion via proximale Tubuluszellen eliminiert, Probenezid<strong>und</strong> NSAR senken die intrazelluläre Konzentration.Aufgr<strong>und</strong> der Nephrotoxizität <strong>ist</strong> ein solcher therapeutischerAnsatz allerdings nicht sinnvoll. 20 % der Patienten unterTenofovir-freier HAART <strong>und</strong> 65 % der Patienten unterHAART mit Tenofovir entwickeln im Laufe von 5 JahrenTubulopathien. Ohne entsprechende Kontrollen könnenTubulopathien nicht erkannt werden, bevor es zu einer Störungder <strong>Niere</strong>nfunktion mit Serumkreatininanstieg kommt.Daher sollten bei jeder Visite Kontrollen von Serum -phosphor, Proteinurie <strong>und</strong> Harnglukose durchgeführt werden.Beta-2-Mikroglobulin im Harn vor Therapiebeginn kannbereits einen frühen Marker für die Tubulopathie darstellen.Durch die Beta-2-Mikroglobulin-Bestimmung kann eineSubgruppe von <strong>HIV</strong>-Patienten mit einem erhöhten renalenRisiko unter Tenofovir identifiziert werden. Daten zur Progressiondes <strong>Niere</strong>nfunktionsverlustes unter Tenofovir sindkontroversiell. Das Risiko scheint nur leicht erhöht, der Einflussauf die <strong>Niere</strong>nfunktion über die Jahre dürfte gering sein.26


FOCUSNEPHRO ScriptTabelle 1: Dosierung der antiretroviralen Therapie bei eingeschränkter <strong>Niere</strong>nfunktionGenerikum/FirmennameDosisanpassungProteaseinhibitoren Amprenavir/Agenerase keine Anpassung, Kontraindikation für die orale Suspensionbei einer GFR < 80 ml/min, da Propylenglykol als Arzne<strong>ist</strong>off -träger verwendet wirdIndivavir/Crixivankeine Daten vorhandenLopinavir (plus Ritonavir)/Kaletra keine AnpassungNelfinavir/Viraceptkeine Daten vorhandenRitonavir/Norvirkeine Daten vorhandenSaquinavir/Invirase oder Fortovase keine AnpassungNukleosid-Reverse-Transkriptase-Abacavir/Ziagenkeine Anpassung, keine Daten für terminales <strong>Niere</strong>nversagenvorhandenInhibitorenDidanosin/Vidextägliche Dosierung für Erwachsene 60 kgGFR 60 ml/min, 400 mgGFR = 30–59 ml/min, 200 mgGFR = 10–29 ml/min, 150 mg einmal täglichGFR < 10 ml/min, 100 mg einmal täglich, nach der HämodialyseLamivudin/Epivir oder Zeffixtägliche Dosierung für ErwachseneGFR 50 ml/min, 300 mgGFR = 30–49 ml/min, 150 mgGFR = 15–29 ml/min, 100 mgGFR = 5–14 ml/min, 50 mgGFR < 5 ml/min, 25 mgStavudin/Zeriftägliche Dosierung für Erwachsene 60 kgGFR > 50 ml/min, 40 mg zweimal täglichGFR = 26–50 ml/min, 20 mg zweimal täglichGFR < 25 ml/min, 20 mg einmal täglich, nach der HämodialyseZalcitabin/HividGFR = 10–40 ml/min, 0,75 mg zweimal täglichGFR < 10 ml/min, 0,75 mg einmal täglichZidovudin (Azidothymidin)/Retrovir GFR 10 ml/min, 500–600 mg/TagGFR < 10 ml/min, 300–400 mg/TagNicht-Nukleosid- Efavirenz/Sustiva keine Daten vorhandenReverse-Trans- Nevirapin/Viramune GFR 20 ml/min, keine Anpassungkriptase-InhibitorenGFR < 20 ml/min, keine Daten vorhandenHämodialyse, zusätzlich 200 mg nach der HämodialyseNukleotid-Reverse- Tenofovir/Viread GFR 50 ml/min, 245 mg/TagTranskriptase-GFR = 30–49 ml/min, 245 mg alle 48 St<strong>und</strong>enInhibitorenGFR = 10–29 ml/min, 245 mg alle 72 oder 96 St<strong>und</strong>enPatienten an der Hämodialyse: 245 mg einmal wöchentlichnach der HämodialyseDie me<strong>ist</strong>en Studien ergaben eine geringe absolute Therapieabbruchrateaufgr<strong>und</strong> von renaler Dysfunktion (0–2 %).Daten zu Tenofovir bei Patienten mit CKD sind sehr limitiert.Es sollte vor allem eine Dosisanpassung <strong>und</strong> ein entsprechendesMonitoring angestrebt werden, um eine sichereAnwendung dieser Substanz zu gewährle<strong>ist</strong>en.Nukleosid-Reverse-Transkriptase-Inhibitoren (NRTI; Nukle o -sidanaloga): Auch NRTI können zu den oben genanntenSymptomen wie akutem <strong>Niere</strong>nversagen, Fanconi-Syndrom,Hypokaliämie <strong>und</strong> Hypomagnesiämie (Abacavir, Didanosin,Lamivudin etc.) führen. Bekannt <strong>ist</strong> auch die mitochondrialeZytopathie, da NRTI die DNA-Polymerase hemmen <strong>und</strong> dieDNA-Polymerase für die Replikation der mitochondrialenDNA verantwortlich <strong>ist</strong>. Die Folge <strong>ist</strong> ein sek<strong>und</strong>äres Defizitvon Enzymen der mitochondrialen Atemkette, die von mitochondrialerDNA codiert werden. Durch Verringerung deroxidativen Phosphorylierung entsteht ein Adenosintriphosphat(ATP)-Defizit<strong>und</strong> es kommt zu einer Laktatproduktionüber die anaerobe Atmungskette. 20 % der Patienten, die mitNRTI behandelt werden, entwickelten eine asymptomatischeHyperlaktatämie aufgr<strong>und</strong> der mitochondrialen Zytopathie.Diese Komplikation wird typischerweise nach mehreren Therapiemonatenmanifest <strong>und</strong> kann auch nur temporär auftreten.Schwere Laktatazidosen sind selten (1,5–2 %) <strong>und</strong> mithoher Mortalität vergesellschaftet (80 %). Zu den Risikofak- 27


NEPHRO ScriptFOCUSTabelle 2: Feststellung der Ursache der renalen Erkrankung bei <strong>HIV</strong>-infizierten Patienten mit HAARTRenales Syndrom Klinische <strong>und</strong> Harn-Abnormalitäten ÄtiologieGlomeruläre Proteinurie wie beim nephrotischen Syndrom, <strong>HIV</strong>AN; <strong>HIV</strong>-assoziierte Immunkomplex-Nephropathie inklusive Albuminurie; +/– Hämaturie; Glomerulonephritis; Hepatitis-C-Virus-assoziierte+/– Systemische Hypertension Glomerulonephritis; andere infektiös bedingteGlomerulonephritiden; AmyloidoseVaskuläre Systemische Hypertension; geringe <strong>HIV</strong>-assoziierte TMA; TMA unabhängig von <strong>HIV</strong>;Nephropathie Proteinurie; inkons<strong>ist</strong>ente Hämaturie; ischämische Nephropathie; renale Infarzierung+/– Hämolyse + Fragmentozyten <strong>und</strong>Thrombozytopenie (nur bei TMA)Tubulointerstitielle Geringe nicht glomeruläre Proteinurie Arzneimittel-Nephrotoxizität; infektiöseNephritis (kleinmolekulare Proteine wie Retinol-Binding tubulointerstitielle Nephritis, inklusiveProtein <strong>und</strong>/oder Mikroglobulin); +/– tubuläre mykobakterielle InfektionenDysfunktion (Fanconi-Syndrom, tubuläreAzidose, nephrogener Diabetes insipidus);keine Hypertension; keine Hämaturie;Leukozyturie<strong>HIV</strong>AN = <strong>HIV</strong>-assoziierte Nephropathie; TMA = thrombotische Mikroangiopathietoren zählen längere Behandlungsdauer, höheres Alter, weiblichesGeschlecht, Schwangerschaft, Adipositas, Hepatitis C,CKD <strong>und</strong> die Kombination mit Ribavirin <strong>und</strong> Alkohol.Eine weitere seltene Nebenwirkung der HAART <strong>ist</strong> die Rhabdomyolyse.Sie sollte bei Auftreten von akutem <strong>Niere</strong>nversageninsbesondere unter Therapie mit Zidovudin oder Didanosinin Betracht gezogen werden. In einer Biopsieserie fandensich in 10 % der Fälle von akutem <strong>Niere</strong>nversagen indirekteHinweise auf eine Rhabdomyolyse. Es gibt einige Fallberichteeiner Rhabdomyolyse unter der Kombination einerHAART mit Statinen. Die Behandlung der Hyperlipidämiesollte daher immer eventuelle Arzneimittelinteraktionenberücksichtigen.Proteaseinhibitoren, hier vor allem Indinavir, können zu<strong>Niere</strong>nkoliken aufgr<strong>und</strong> von Nephrolithiasis oder Obstruk -tion des Harntraktes durch strahlendurchlässige <strong>Niere</strong>nsteineführen. Unter Indinavir waren renale Koliken vor allem unterDosen von 2 x 800 mg relativ häufig. Seit der Empfehlung zurVerwendung von Indinavir in der Dosierung von 2 x 400 mgwurden keine neuen Fälle von renalen Koliken mehr gemeldet.Vereinzelt wurden auch <strong>Niere</strong>nkoliken unter Lopinavir,Saquinavir, aber auch Nelfinavir beschrieben. Für Atazanavirfinden sich im FDA-Reporting-System über 4 Jahre 30 Fällevon assoziierter Nephrolithiasis <strong>und</strong> von interstitieller Nephritis.Die me<strong>ist</strong>en Fälle machten eine stationäre Aufnahme mitNephrostoma, Lithotripsie oder chirurgischer Interventionnotwendig. Bisher wurden keine Langzeitkomplikationen hinsichtlichCKD unter Atazanavir berichtet. Risikofaktoren sindDehydratation sowie eine Steinanamnese.Chronische <strong>Niere</strong>ninsuffizienz (CKD)aufgr<strong>und</strong> von Hypertonie <strong>und</strong> DiabetesEine cross-sektionalen Studie, an der 31 europäische Länder,Israel <strong>und</strong> Argentinien beteiligt waren, zeigt, dass bei 4 % der<strong>HIV</strong>-positiven Patienten nach MDRD-Formel eine CKD3vorliegt. Risikofaktoren für CKD bei <strong>HIV</strong> stellen das Alter,niedrige CD4 + -T-Zellzahl sowie eine kumulative Expositiongegenüber Tenofovir oder Indinavir dar. Single-Center-Studienmit kleineren Fallzahlen zeigen eine höhere Prävalenz (Brasilien1,1–5,6 %, Schweiz 18 %, Indien 27 %, Iran 20 %). Ein signifikanterAnstieg des Blutdrucks um über 10 mmHg wurde bei21 % der Patienten mit Lopinavir/Ritonavir innerhalb einesJahres beobachtet. Die Kombination wäre ein prädiktiver Faktorfür die Hypertonie. Auch die Diabetesinzidenz <strong>ist</strong> unterHAART erhöht. Unter Ritonavir fand sich eine vierfach höhereInzidenz.Empfehlungen zumnephrologischen ManagementDie Abbildung zeigt das Flussdiagramm zur Diagnose renalerSymptome bei Patienten unter HAART.Wichtig <strong>ist</strong>, die Ursache des akuten <strong>Niere</strong>nversagens ähnlichdem allgemeinen Algorithmus zu evaluieren (prärenal,obstruktiv, intrarenal). Bei Diagnose der <strong>HIV</strong>-Infektion solltemittels Harnanalyse <strong>und</strong> eGFR eine präex<strong>ist</strong>ente CKD ausgeschlossenwerden. Patienten mit GFR < 60 ml/min <strong>und</strong>/oderProteinurie sollten einem Nephrologen vorgestellt werden.Patienten mit Diabetes sollten auf Mikroalbuminurie getestet28


FOCUSNEPHRO Scriptwerden, wobei ein Harnstreifentest nicht ausreicht. Patientenmit hohem Risiko für CKD (Afroamerikaner, CD4< 200/mm 3 , <strong>HIV</strong>-RNA > 4.000 Kopien/ml, Diabetes,Hypertonie, HCV) sollten jährlich, Patienten unter Tenofoviralle 3 Monate „renal“ gescreent werden. Bei unklarer <strong>Niere</strong>nerkrankungsollte eine <strong>Niere</strong>nbiopsie durchgeführt werden,dies insbesondere bei ausgeprägter Proteinurie <strong>und</strong> Reduk -tion der GFR, weil bei dieser Konstellation das größte Risikofür eine terminale <strong>Niere</strong>ninsuffizienz besteht.Unter Tenofovir-Therapie steht bei CKD-Patienten vor allemdas Screening hinsichtlich Tenofovir-induzierter tubulärerDysfunktionen im Vordergr<strong>und</strong>, das in folgenden Situationendurchgeführt werden sollte: GFR < 90 ml/min, Komedikationmit anderen renal eliminierten Medikamenten (z. B.Adefovir, Aciclovir, Ganciclovir oder Cidofovir), bestehendeKomorbiditäten wie Hypertonie oder Diabetes sowie Verwendungvon mit Ritonavir geboosterten Proteaseinhibitoren-Therapieschemata. Das Screening sollte zweimal im Jahrdurchgeführt werden <strong>und</strong> inkludiert die Messung von Kaliumphosphat,Harnsäure <strong>und</strong> Bikarbonat, die Messung dertubulären Resorption von Phosphat, die fraktionelle Harnsäureexkretion,Beta-2-Mikroglobulin im Harn <strong>und</strong> Überprüfungeiner möglichen Glukosurie. Wesentlich <strong>ist</strong> auch dieDosisanpassung an die <strong>Niere</strong>nfunktion (Tab. 1). Keine Dosisanpassung<strong>ist</strong> erforderlich bei Etravirin, Proteaseinhibitorenwie Tipranavir/Ritonavir, Darunavir/Ritonavir-Kombination,Enfuvirtid oder Raltegravir. CCR5-Rezeptor-Antagon<strong>ist</strong>enwie Maravicor werden zu 25 % eliminiert. Hier <strong>ist</strong> Vorsichtbei einer GFR < 50 ml/min geboten.nNEPHRO SpotZusammenfassend kann festgehalten werden, dass die <strong>HIV</strong>-Erkrankung eine Herausforderung für den Nephrologen darstellt.Wichtig wäre, wie in Tabelle 1 angeführt, zur Feststellung derUrsache der renalen Erkrankung eine Abklärung hinsichtlichglomerulärer, vaskulärer oder tubulointerstitieller Nephritis.Eine enge Zusammenarbeit mit <strong>HIV</strong>-Spezial<strong>ist</strong>en <strong>ist</strong> daher un -abdingbare Voraussetzung.29


NEPHRO ScriptFOCUS<strong>HIV</strong> <strong>und</strong> DialyseDas Überleben <strong>HIV</strong>-positiver Patienten hat sich seit Einführung der kombinierten antiretroviralenTherapie dramatisch verbessert. Bedingt durch <strong>HIV</strong>-assoziierte Glomerulopathien <strong>und</strong> renaleVeränderungen anderer Genese werden Nephrologen zunehmend mit der Entscheidung imHinblick auf eine optimale <strong>Niere</strong>nersatztherapie bei <strong>HIV</strong>-positiven Patienten konfrontiert.Seit der Einführung der kombinierten antiretroviralenTherapie (HAART) im Jahr 1996 hat sich die Prognose<strong>HIV</strong>-positiver Patienten deutlich verbessert. Bedingtdurch das längere Überleben nimmt die Zahl von <strong>HIV</strong>-Patientenmit terminaler <strong>Niere</strong>ninsuffizienz zu, wodurch die Frageder idealen <strong>Niere</strong>nersatztherapie an Bedeutung gewinnt.In den USA stieg die Prävalenz <strong>HIV</strong>-positiver Patienten an derDialyse von 0,3 % im Jahr 1985 auf 1,5 % im Jahr 1992 <strong>und</strong>nimmt seither nur mehr langsam zu. Im Jahr 2002 waren 1,9 %der Dialysepatienten <strong>HIV</strong>-positiv oder hatten Aids. Die Inzidenzsteigt jedoch seit 1996 nicht mehr an. Das spiegelt dieWirksamkeit der HAART wider. Bei Afroamerikanern sankdie Anzahl der Patienten mit terminaler <strong>Niere</strong>ninsuffizienz bedingtdurch eine <strong>HIV</strong>-assoziierte Nephropathie (<strong>HIV</strong>AN) von8,5 % im Jahr 1995 auf 6,8 % im Jahr 1999. Gleichzeitig stiegdas 1-Jahres-Überleben in dieser Population von 52 % auf 69 %.Das Auftreten einer <strong>HIV</strong>AN hängt eng mit der Viruslast zusammen.In Europa waren im Jahr 1990 0,12 % der Patientenan der Dialyse oder mit einem <strong>Niere</strong>ntransplantat <strong>HIV</strong>-positiv(ERA-EDTA-Reg<strong>ist</strong>er). Eine rezente europäische Untersuchungzeigte einen Anstieg der prävalenten <strong>HIV</strong>-positiven Patientenmit <strong>Niere</strong>nersatztherapie auf 0,46 %. In den vergangenen Jahrenkam es zu einer Verschiebung der <strong>HIV</strong>-positiven Populationenmit terminaler <strong>Niere</strong>ninsuffizienz. In der Altersgruppe der über45-Jährigen <strong>ist</strong> bei Frauen <strong>und</strong> bei Kaukasiern eine Zunahmezu beobachten, während bei Afroamerikanern ein Rückgang beschriebenwurde.DialyseverfahrenBedingt durch die neuen antiviralen Therapien hat sich dasÜberleben von <strong>HIV</strong>-positiven Patienten an der Dialyse deutlichverbessert. Das Überleben <strong>ist</strong> an der Peritonealdialyse <strong>und</strong>an der Hämodialyse vergleichbar (Abb.). Auch im Hinblickauf die Hospitalisierungsrate ergibt sich kein Unterschied (21Aufnahmen/248,3 Patientenmonate vs. 24 Aufnahmen/207,9Patientenmonate, n. s.).DialysezugangShuntthrombosen bzw. Shuntinfektionen sind häufig die Limitationeneines Hämodialysezugangs. Der Effekt der <strong>HIV</strong>-Infektion auf das Auftreten von Shuntthrombosen bzw.Dr.Thomas Prikoszovichao. Univ.-Prof. Dr.Sabine SchmaldienstAbteilung für <strong>Nephrologie</strong> <strong>und</strong> Dialyse,Universitätsklinik für Innere Medizin III,Medizinische Universität WienShuntinfektionen wird in der Literatur kontroversiell diskutiert.In einer nordamerikanischen Studienpopulation hatten arteriovenöse(AV) Schleifenshunts bei <strong>HIV</strong>-positiven Dialysepatientenein schlechteres Outcome als bei <strong>HIV</strong>-negativen Dialysepatienten(keine Thrombose innerhalb eines Jahres: 17 vs. 62 % bzw.1-Jahres-Schleifenshunt-Überleben: 49 vs. 77 %). Die HazardRatio (HR) für eine Shuntthrombose lag für <strong>HIV</strong>-positive Patientenbei 3,22. Im Gegensatz dazu war die Thromboserate beiAV-F<strong>ist</strong>eln nicht erhöht. Der verantwortliche Mechanismus fürdie erhöhte Schleifenshunt-Thromboserate bei <strong>HIV</strong>-positivenPatienten <strong>ist</strong> nicht geklärt.Infektionen des Schleifenshunts traten ebenfalls häufiger in derGruppe der <strong>HIV</strong>-Infizierten (40 vs. 17 %) auf (HR: 3,5). DieCD4-Zellzahl bzw. das Serum-Albumin schien hierbei keinenEinfluss zu haben.Tunnelierte Katheter werden in den USA in ca. 25–28 % beiHämodialysepatienten verwendet <strong>und</strong> stellen einen der Hauptgründefür eine Bakteriämie dar. Dabei stellt sich die Frage, ob<strong>HIV</strong>-positive Patienten aufgr<strong>und</strong> der Modifikation ihres Immunsystemsein höheres Infektionsrisiko haben. In einem kleinenStudienkollektiv war die Rate an katheterassoziiertenInfektionen nicht unterschiedlich (<strong>HIV</strong>-Patienten: 52 %, Kontrollkollektiv:49 %), jedoch waren mehr Hospitalisierungenbzw. polymikrobielle Infektionen bei <strong>HIV</strong>-Patienten mit Katheterinfektionfestzustellen. Trotz gleichem Risiko war derVerlauf der Bakteriämien bei <strong>HIV</strong>-positiven Patienten schwerwiegender.Zusammenschauend sollte bei <strong>HIV</strong>-positiven Patientenprimär ein Cimino-Shunt erwogen werden. 30


NEPHRO ScriptFOCUSÜberlebende (%)100 –80 –60 –40 –20 – Hämodialyse (n = 5.338)Peritonealdialyse (n = 715)0 –0 5 10 15 20 25 30 35---Hämo 4.331 3.245 2.474 1.948 1.545 1.239 1.001PD 568 440 348 281 231 192 155Abb.: Vergleichbares Überleben für <strong>HIV</strong>-positive Patienten an derHämo- <strong>und</strong> PeritonealdialyseÜbertragungsrisiko bei der DialyseEine Isolierung von <strong>HIV</strong>-positiven Patienten an der Hämodialyse<strong>ist</strong> im Gegensatz zu Hepatitis-B- <strong>und</strong> Hepatitis-C-positiven Patientennicht notwendig. Hygienische Routinemaßnahmen <strong>und</strong>ein achtsamer Umgang mit Blut <strong>und</strong> Flüssigkeiten reichen aus,um eine Ausbreitung von <strong>HIV</strong> in einer Dialysestation zu verhindern.Im Falle einer Nadelstichverletzung <strong>ist</strong> das Risiko einer<strong>HIV</strong>-Infektion 4.000- bis 8.000-mal unwahrscheinlicher als eineInfektion mit Hepatitis B <strong>und</strong> Hepatitis C. Es wird aber einepostexpositionelle Prophylaxe empfohlen. Eine Übertragung vonPatient zu Patient <strong>ist</strong> bislang in Institutionen mit strengen Hygienestandardsnoch nicht berichtet worden. Standarddesinfektion<strong>und</strong> Sterilisation sind ausreichend, um eine Übertragung zuverhindern. Daher sind für <strong>HIV</strong>-positive Patienten keine eigenenDialysegeräte nötig. Bei den momentan verwendeten Dialysemembranenkommt es zu keinem Übertritt von HI-Viren insUltrafiltrat. Allerdings kommt es während einer Hämodialysebehandlungmit synthetischen Membranen zu einem Abfall derViruslast. Dies dürfte aber durch eine Adhärenz der Viren an derMembran zu erklären sein.Bei <strong>HIV</strong>-positiven Peritonealdialysepatienten <strong>ist</strong> zur Oberflächenreinigungeine Standarddesinfektion ausreichend. In derPeritonealdialysatflüssigkeit konnten jedoch replikationsfähigeHI-Viren nachgewiesen werden. Der Peritonealdialyseauslaufsollte deshalb für 30 Minuten mit einer Desinfektionslösungbehandelt werden. Als solche eignet sich eine Mischung ausAmukin 50 % (1:512) <strong>und</strong> Haushaltsbleichmittel (1:512). DieEntsorgung der Flüssigkeit sowie der Beutel <strong>und</strong> der Schlauchsystemeerfolgt als Sondermüll.AnämiemanagementLog Rank p-Wert = 0,02-Monate----Nach: Ahuja T.S. et al. A J Kidney Dis 2003; 41: 1060Der optimale Hämoglobinwert für <strong>HIV</strong>-positive Patienten mitterminaler <strong>Niere</strong>ninsuffizienz <strong>ist</strong> nicht bekannt. Die Anämie(Hämoglobin < 10g/dl) <strong>ist</strong> bei <strong>HIV</strong>-positiven Patienten unabhängigvon der CD4-Zellzahl <strong>und</strong> der HI-Viruslast mit einererhöhten Mortalität assoziiert. Betroffen sind r<strong>und</strong> 30 % der<strong>HIV</strong>-infizierten Patienten <strong>und</strong> ca. 75–80 % der Aids-Patienten.Die Anämie <strong>ist</strong> me<strong>ist</strong> multifaktoriell bedingt <strong>und</strong> eine Folge vonStromazellinfektion, Erythropoietinmangel, direkten <strong>HIV</strong>-Effektenan Erythrozytenvorläuferzellen, opportun<strong>ist</strong>ischen Infekten,Parvovirus-B19-Infektion, Nebenwirkungen medikamentöser(antiretroviraler) Therapien, <strong>HIV</strong>-assoziierter Malignome <strong>und</strong>selten von thrombotischer Mikroangiopathie.Virale <strong>und</strong> bakterielle Infektionen verschlechtern das Ansprechenauf eine Erythropoietin-(ESA)-Gabe. Die Koex<strong>ist</strong>enz von<strong>Niere</strong>ninsuffizienz <strong>und</strong> <strong>HIV</strong>-Infektion aggraviert die Anämie beiverminderter ESA-Responsivität weiter. So <strong>ist</strong> auch bei <strong>HIV</strong>-positivenDialysepatienten die Anämie deutlich ausgeprägter alsbei <strong>HIV</strong>-negativen Dialysepatienten (Hämatokrit 22 vs. 26 %).Die ESA-Responsivität wird in der Literatur kontroversiell diskutiert.In einer Studie war das Ansprechen auf ESA bei Dialysepatientenmit oder ohne <strong>HIV</strong>-Infektion vergleichbar.In einer anderen Untersuchung konnte gezeigt werden, dass beigut dialysierten <strong>HIV</strong>-positiven Patienten die richtlinienkonformenHämoglobin-Ziele sehr wohl erreicht werden können. Diebei Dialysepatienten mit <strong>HIV</strong>-Infektion notwendigen ESA-Dosen waren jedoch signifikant höher als bei Patienten ohne<strong>HIV</strong>-Infektion (90,2 14,9 vs. 41,6 12,5 U/kg KG). Unterschiedebestehen möglicherweise auch zwischen den einzelnenESA-Präparaten. Bei unveränderter antiretroviraler Therapie <strong>und</strong>stabiler <strong>HIV</strong>-Infektion während des Beobachtungszeitraumeswaren im Vergleich zu Erythropoietin alfa niedrigere Darbepoetin-Dosennotwendig, um den Hämoglobinwert bei 11 g/dlzu halten (Äquivalenzdosis: 1 µg Darbepoetin alfa = 200 IU Erythropoietinalfa). Die Studienteilnehmer erhielten zusätzlichwährend des Beobachtungszeitraumes Eisensaccharose i. v.(S-Ferritin zwischen 200–800 ng/ml; TSAT > 20 %). Im Rahmeneiner ESA-Therapie kommt es häufig zu einem funktionellenEisenmangel, da nicht rasch genug Eisen aus denSpeichern freigesetzt wird. Unter ESA-Therapie <strong>ist</strong> daher eineEisensubstitution erforderlich, obwohl intravenöse Eisengabe bei<strong>HIV</strong>-positiven Patienten kontroversiell diskutiert wird. OxidativerStress <strong>und</strong> Eisen könnten via NFB-Expression die <strong>HIV</strong>-Transkription aktivieren.<strong>HIV</strong>-infizierte Patienten weisen oft erhöhte Ferritin-Spiegel auf.Diese sind jedoch ebenfalls mit der CD4-Zellzahl assoziiert <strong>und</strong>somit nur von eingeschränkter Aussagekraft bezüglich des Eisenmangels.Ein bestehender Eisenmangel kann in diesem Fallanhand einer verminderten Transferrinsättigung (< 20 %) diagnostiziertwerden. Das „Kidney Disease: Improving GlobalOutcomes (KDIGO)“-Board empfiehlt eine Eisengabe beieiner Transferrinsättigung unter 20 % <strong>und</strong> einem Serum-Ferritinunter 100 ng/ml.Generell steigen bei <strong>HIV</strong>-positiven Patienten bei einem Hämoglobinwertüber 10 g/dl die Lebensqualität <strong>und</strong> das Überleben.Gleichzeitig sinkt die Transfusionsfrequenz <strong>und</strong> damit das Risikoeiner Infektionstransmission bzw. einer Eisenüberladung. Bluttransfusionensind bei <strong>HIV</strong>-infizierten Patienten mit einer er- 32


NEPHRO ScriptFOCUShöhten Mortalität vergesellschaftet. Einige Studienautoren pos -tulierten als Gr<strong>und</strong> dafür eine Induktion der Aktivierung von<strong>HIV</strong>-1, was eine <strong>HIV</strong>-Erkrankung akzelerieren könnte.Parvovirusinfektionen sind bei Aids-Patienten eine weitere, wennauch seltene Ursache für Anämie (pure red cell aplasia). Daransollte vor allem gedacht werden, wenn <strong>HIV</strong>-positive Patientennicht adäquat auf eine ESA-Gabe <strong>und</strong> Eisensubstitution ansprechen.Zur Diagnostik eignet sich vor allem die Polymerase ChainReaction (PCR). IgM-Antikörper können bei immunkompromittiertenPatienten fehlen. Die Anämietherapie der Wahl beiParvovirusinfektion <strong>ist</strong> nach heutigem Wissen die Gabe von intravenösenImmunglobulin-Präparaten.Mineralstoff- <strong>und</strong> Knochenerkrankungenbei chronischer <strong>Niere</strong>nerkrankungBei <strong>HIV</strong>-positiven Patienten gibt es einige Berichte über vermehrteOsteoporose <strong>und</strong> Osteopenie. Die genaue Ursache fürdie frühe Abnahme der Knochenmasse <strong>ist</strong> nicht gänzlich geklärt.Allerdings dürften herkömmliche Risikofaktoren, die<strong>HIV</strong>-Infektion selbst, <strong>HIV</strong>-assoziierte Fettumverteilung,HAART <strong>und</strong> eine gesteigerte Produktion von proinflammatorischenZytokinen (TNF-alpha <strong>und</strong> IL-6) einen Einfluss aufOsteoklastenaktivierung <strong>und</strong> Resorption haben. Generell findetsich bei <strong>HIV</strong>-positiven Patienten mit normaler <strong>Niere</strong>nfunktioneine niedrigere basale Sekretion von Parathormon (PTH). DieSerumspiegel von 1,25-Dihydroxyvitamin D3 sind ebenfalls erniedrigt,während der Serumphosphatspiegel erhöht <strong>ist</strong>. Bei diesenPatienten exprimieren Nebenschilddrüsenzellen ein Protein,welches von gegen CD4-Zellen gerichteten Antikörpern erkanntwird. Dies dürfte ein Hinweis dafür sein, dass Nebenschilddrüsenzellen<strong>HIV</strong>-infiziert sind <strong>und</strong> es dadurch zu einer gestörtenSekretion von PTH kommt. Besonders niedrige 1,25-Dihydroxyvitamin-D3-Wertesind mit einer niedrigen CD4-Lymphozytenzahl,einer fortgeschrittenen <strong>HIV</strong>-Infektion <strong>und</strong> erhöhtenTNF-alpha-Spiegeln assoziiert. Bei <strong>HIV</strong>-positiven Patienten mitdialysepflichtiger <strong>Niere</strong>ninsuffizienz entwickelt sich aber ein Hyperparathyreoidismusselben Ausmaßes wie bei <strong>HIV</strong>-negativenDialysepatienten. Für dieses Kollektiv fehlen eigene Behandlungsrichtlinien.Hepatitis-B-ImpfungIn einer retrospektiven Kohortenstudie zeigte sich bei dialysepflichtigenPatienten mit oder ohne <strong>HIV</strong>-Infektion eine vergleichbareImmunantwort auf eine Hepatitis-B-Impfung mitEngerixB 40 µg bzw. Recombivax 40 µg (54 vs. 50 %). Res -ponder der <strong>HIV</strong>-Gruppe hatten signifikant höhere Hämoglobinwerteals Non-Responder. Alter, Geschlecht <strong>und</strong> Rassezeigten jedoch keinen Einfluss auf die Responserate. Die Studieergab darüber hinaus, dass die Ansprechraten auf eine Hepatitis-B-Impfungin der Ära vor HAART besser war als in derHAART-Ära. Das legt nahe, dass die CD4-Zellzahl keinenEinfluss auf die Impfantwort hat. Derzeit wird bei Patientenohne Anti-HBs-Antikörper initial eine dreimalige Impfung imAbstand von vier Wochen empfohlen, gefolgt von halbjährlichenTiterkontrollen. Die Auffrischungsimpfung sollte beieinem Abfall des Antikörpertiters auf unter 10 U/l erfolgen.Überleben an der DialyseBei <strong>HIV</strong>-positiven Patienten an der Dialyse wird eine höhereMorbidität <strong>und</strong> Mortalität beobachtet, aber seit Einführung vonHAART hat sich das Überleben deutlich verbessert. In den Jahren1990 bis 1999 verbesserte sich das 1-Jahres-Überleben von56 % auf 74 %. Das Überleben von Kaukasiern <strong>und</strong> Afroamerikanernerwies sich in einer nordamerikanischen Untersuchungals vergleichbar, für Frauen zeigte sich ein besseres Überleben alsfür Männern. In einer späteren Untersuchung wurden französische<strong>HIV</strong>-positive Patienten (Dialysebeginn 2002) mit einer alters-<strong>und</strong> geschlechtsgematchten Kohorte aus DOPPS verglichen.Das 2-Jahres-Überleben lag in beiden Gruppen bei 89 %. DieUnterschiede zwischen den europäischen <strong>und</strong> amerikanischenErgebnissen sind teilweise dadurch zu erklären, dass in Europazu einem späteren Zeitpunkt untersucht wurde <strong>und</strong> somit mehrPatienten bereits eine HAART erhielten (75 vs. 33 %). Die europäischeKohorte umfasste weniger Schwarze (65 vs. 83 %), wenigerHepatitis-C-positive Patienten (27 vs. 68 %) sowie wenigeri.v.-Drogenabhängige (15 vs. 53 %). Weiters waren amerikanischePatienten seltener virusnegativ (18 vs. 54 %) <strong>und</strong> hatten eineniedrigere CD4-Zellzahl. Der entscheidende Faktor für die besserePrognose von <strong>HIV</strong>-positiven Dialysepatienten dürfte allerdingsdie Einführung von HAART gewesen sein. Zum Zeitpunktdes Ablebens sind <strong>HIV</strong>-positive Patienten signifikant jünger verglichenmit <strong>HIV</strong>-negativen Patienten. Dementsprechend findetsich auch ein anderes Spektrum an Todesursachen (Aids 49 %,Infektionen 6 %, kardiale Ursachen 17 %, unbekannt 28 %). nLiteratur bei den VerfassernNEPHRO SpotBedingt durch das bessere Überleben von <strong>HIV</strong>-positivenPatienten mit dialysepflichtiger <strong>Niere</strong>ninsuffizienz werdenNephrologen zunehmend vor die Entscheidung hinsichtlicheiner optimalen <strong>Niere</strong>nersatztherapie für diese Patientengestellt. In einer europäischen Untersuchung der vergangenenJahre <strong>ist</strong> das Überleben von <strong>HIV</strong>-positiven Patienten ander Dialyse jenem von <strong>HIV</strong>-negativen Patienten vergleichbar.Peritonealdialyse <strong>und</strong> Hämodialyse sind in Bezug auf Mortalität<strong>und</strong> Hospitalisierungsrate vergleichbar. Bei Hämodialysepatienten<strong>ist</strong> nach heutigem Wissen ein Cimino-Shunt mitdem geringsten Thrombose- <strong>und</strong> Infektionsrisiko behaftet. Bei<strong>HIV</strong>-positiven Dialysepatienten sind bezüglich Anämietherapie<strong>und</strong> auch in Bezug auf mögliche Mineralstoff- <strong>und</strong> Knochenerkrankungenbei chronischer <strong>Niere</strong>nerkrankung einigespezielle Aspekte zu beachten.34


FOCUSNEPHRO Script<strong>HIV</strong>-positiv – <strong>ist</strong> Transplantation wirklich eine Option?Obwohl das Transplantatüberleben bei <strong>HIV</strong>-infizierten Patienten schlechter <strong>ist</strong> als im Gesamtkollektiv,bleibt die <strong>Niere</strong>ntransplantation bei geeigneten Patienten eine wertvolle Therapieoption mit potenziellgutem Behandlungserfolg.Bei <strong>HIV</strong>-positiven Patienten <strong>ist</strong> die Prävalenzchronischer <strong>Niere</strong>nerkrankungen bis zur terminalen<strong>Niere</strong>ninsuffizienz trotz ART (Anti-Retroviral Therapy) immer noch hoch. Noch bisvor einem Jahrzehnt war die <strong>Niere</strong>ntransplantationbei <strong>HIV</strong>-Patienten nicht denkbar, dies vorallem aufgr<strong>und</strong> von Furcht vor einer notwendigenImmunsuppression. Man befürchtete eine <strong>HIV</strong>-Progression <strong>und</strong> schwere opportun<strong>ist</strong>ische Infektionen<strong>und</strong> ein Ungleichgewicht der Organallokationzuungunsten von Kandidaten mit bessererPrognose.Erste Organtransplantationen bei <strong>HIV</strong>-Patientenmit Endorganschaden waren nicht <strong>Niere</strong>ntransplantationen,da für diese Patienten die Hämo- oderPeritonealdialyse zur Verfügung stand, sondern Lebertransplantationenbei Hepatitis-C-koinfizierten<strong>HIV</strong>-Patienten. Mittlerweile stellt die <strong>Niere</strong>ntransplantation jedochein mögliches Verfahren der <strong>Niere</strong>nersatztherapie bei Patientenmit <strong>HIV</strong> dar, wobei eine rezente NIH-finanziertemultizentrische Studie zu diesem Thema weitere wertvolle Einblickein die Besonderheiten der <strong>Niere</strong>ntransplantation bei <strong>HIV</strong>-Patienten geliefert hat.Kriterien für die <strong>Niere</strong>ntransplantation<strong>HIV</strong>-infizierter PatientenAss.-Prof. Priv.-Doz. Dr.Marcus D. SäemannKlinische Abteilungfür <strong>Nephrologie</strong><strong>und</strong> Dialyse,Universitätsklinik fürInnere Medizin III,MedizinischeUniversität Wienwurden nur ca. 20 % der <strong>HIV</strong>-Patienten für eineTransplantation gemeldet verglichen mit 73 %der Nicht-<strong>HIV</strong>-Patienten (Sawinski D et al., AmJ Transplant 2009). Häufigste Faktoren für eineNichtl<strong>ist</strong>ung waren eine zu geringe CD4 + -Zellzahl<strong>und</strong>/oder zu viele RNA-Viruskopien sowieschwarze Hautfarbe. Dies wurde damit erklärt,dass Schwarze im Vergleich zur restlichen Transplantpopulationweniger wahrscheinlich die Vorbereitungsuntersuchungenkomplettieren (EpsteinAM et al., New Engl J Med 2000).Auswahl der ART beinierentransplantierten <strong>HIV</strong>-PatientenBei der Wahl der ART <strong>ist</strong> es entscheidend, eineTherapie zu wählen, die nicht mit der immunsuppressivenTherapie interferiert, hier vor allem mit dem Zytochrom-P450-System,<strong>und</strong> nicht signifikant organtoxisch <strong>ist</strong>.Geeignete Substanzen sind beispielsweise Abacavir oder Tenovovir,Lamivudin oder Emtricitabin, Raltegravir oder Efavirenzals Alternative. Zwei sogenannte NNRTIs (Nicht-Nukleosid- Idealerweise sollten alle <strong>HIV</strong>-Patienten mit terminaler <strong>Niere</strong>n -insuffizienz die Möglichkeit haben, nierentransplantiert zuwerden, wenn sie zumindest folgende Kriterien erfüllen:- Die Zahl der CD4 + -Zellen sollte über 200/mm 3 liegen,denn darunter steigt die Zahl der opportun<strong>ist</strong>ischen Infektionenstark an.- Die <strong>HIV</strong>-Viruslast sollte idealerweise unter 50 RNA-Kopien/mlliegen.- Es muss eine stabile Situation hinsichtlich eines potenziellenDrogenabusus ex<strong>ist</strong>ieren. Die Teilnahme an einem Methadonprogramm<strong>ist</strong> keine Kontraindikation.In der bislang größten retrospektiven Studie zur Evaluationvon <strong>HIV</strong>-Patienten für eine mögliche <strong>Niere</strong>ntransplantationAbb. 1: Hiv-VirusFOTOS: © FOTOLIA35


NEPHRO ScriptFOCUSAbb. 2: <strong>Niere</strong>ntransplantationReverse-Transkriptase-Inhibitoren) können sicher <strong>und</strong> ohne immunsuppressiveInteraktionen sowie ohne Adjustierung der <strong>Niere</strong>nfunktionangewendet werden.In der Praxis <strong>ist</strong> zu beachten, dass Proteaseinhibitoren zu exzessivhohen <strong>und</strong> langen Auslenkungen der Spiegel der Calcineurininhibitoren,insbesondere von Tacrolimus, führenkönnen. Daher sollten Proteaseinhibitoren bei Patienten aufder Wartel<strong>ist</strong>e für eine <strong>Niere</strong>ntransplantation eher vermiedenwerden. Neue antiretrovirale Substanzen wie Integraseinhibitorenweisen keine nennenswerten Interaktionen mit bekanntenImmunsuppressiva auf. CCR5-Korezeptorblocker könntenzudem günstige zusätzliche immunsuppressive Eigenschaftenhaben, wurden jedoch bei Transplantierten bislang noch nichtuntersucht.Offene FragenWährend mehre Zentren erfolgreich zeigen konnten, dass diebefürchtete Überimmunsuppression nicht das zentrale Problembei der <strong>Niere</strong>ntransplantation von <strong>HIV</strong>-Patienten darstellt,so waren <strong>und</strong> sind immer jedoch einige zentrale Fragennoch zu klären:• Besteht über den kurzen Zeitraum posttransplant hinauseine Nicht-Inferiorität bezüglich des Graftsurvival bei<strong>HIV</strong>-Patienten sowie insgesamt beim Patientenüberlebenauch über einen längeren Zeitraum?• Welche ART <strong>ist</strong> zum Zeitpunkt der Transplantation optimal<strong>und</strong> welche Immunsuppression bringt das beste Ergebnis?• Welches therapeutische Management sollte bei HCV-koinfiziertenPatienten angewendet werden?In einer rezent veröffentlichten Studie von Peter Stock <strong>und</strong>Mitarbeitern wurde versucht, diese Fragen weitestgehend zubeantworten (Stock P et al., N Engl J Med 2010). In die nichtrandomisierte Studie wurden 19 US-Zentren involviert. Evaluiertwerden sollten die Effizienz <strong>und</strong> Sicherheit der Transplantationvon <strong>Niere</strong>n von Lebend- <strong>und</strong> Nichtlebendspendern bei<strong>HIV</strong>-Patienten. Der primäre Endpunkt bestand aus Transplantat-<strong>und</strong> Patientenüberleben nach 3 Jahren, sek<strong>und</strong>äre Endpunktewaren opportun<strong>ist</strong>ische Komplikationen (Infektionen<strong>und</strong> Malignome) sowie Änderungen der CD4 + -Zellzahl <strong>und</strong>der <strong>HIV</strong>-RNA-Kopien. Einschlussvoraussetzung waren dieoben erwähnten Kriterien für eine <strong>Niere</strong>ntransplantation <strong>und</strong>es musste eine stabile ART über zumindest 4 Monate erfolgtsein. Die Obergrenze der Viruslast war mit 75 RNA-Kopienfestgelegt, gravierende vor allem <strong>HIV</strong>-typische Infektionendurften nicht bestehen. Das mittlere Alter der Empfänger lagbei 46 Jahren, 69 % davon waren Afroamerikaner; von den 102<strong>Niere</strong>ntransplantaten stammten 102 (68 %) von Nichtlebendspendern,die Immunsuppression wurde mit sowohl depletierenderals auch nicht depletierender Induktion (Basiliximaboder Thymoglobulin) erlaubt. Die Form der Induktion wardem Zentrum überlassen, gefolgt von einer Triple-Therapie. Sirolimuswar erlaubt bei Patienten mit nachgewiesener Calcineurinhemmertoxizität.Deutlich schlechteresTransplantatüberlebenNach einem Jahr waren 94,6 % der Patienten noch am Leben<strong>und</strong> 90,4 % der Patienten hatten ein funktionierendes Transplantat.Nach 3 Jahren war das Patientenüberleben auf 88,2 %gesunken <strong>und</strong> es funktionierten nur noch 73,7 % der <strong>Niere</strong>ntransplantate.Damit liegen diese Ergebnisse unter dem GesamtschnittTransplantierter in den USA, <strong>und</strong> knapp unter demErgebnis von Patienten mit einem deutlich erhöhten Risiko fürTransplantatverlust oder Tod (z. B. Empfänger > 65 Jahre). Patienten,die wegen einer Abstoßung oder überhaupt mit Anti-Thymozyten-Globulin (ATG) behandelt wurden, hatten ein 3-bzw. 2,5-fach erhöhtes Risiko für ein folgendes terminalesTransplantatversagen. Dagegen hatten Empfänger mit Transplantatenvon Lebendspendern ein deutlich reduziertes Abstoßungsrisiko(HR 0,2; 95 % CI 0,4–0,8). Die bereits in früherenkleineren Studien beobachtete erhöhte Abstoßungsinzidenz bei<strong>HIV</strong>-Patienten wurde eindrucksvoll bestätigt. Nach einem Jahrlag die Rate akuter Abstoßungsreaktionen bei 31 % <strong>und</strong> nach3 Jahren kumulativ sogar bei 41 %. Es war also auch die Rategefährlicher später akuter Abstoßungen hoch. In der Vergleichskohortewaren nach einem Jahr nur bei 12 % der Patientenakute Abstoßungsepisoden aufgetreten.Neben dem erwähnten Risikofaktor der Nichtlebendspendefür ein erhöhtes Abstoßungsrisiko war nur der Gebrauch vonCyclosporin A signifikant mit Abstoßung assoziiert. Noch ein-36


FOCUSNEPHRO Scriptdrücklicher als in anderen Transplantstudien war hier die Assoziationvon Abstoßungsepisoden mit einer niedrigeren GFR(51,8 vs. 60,5 ml/min nach einem Jahr <strong>und</strong> 38,3 vs. 64,0ml/min nach 3 Jahren). Der Nadir der CD4 + -Zellen war nach3 Monaten zu beobachten, nach einem Jahr war nur bei jenenPatienten, die ATG erhalten hatten, die CD4 + -Zellzahl signifikanterniedrigt, wobei nach 3 Jahren alle Patienten wiedernormale Zellzahlen aufwiesen. Infektionen, die eine Hospitalisierungnotwendig machten, waren bei 38 % der Patientenzu beobachten. Me<strong>ist</strong> handelte es sich um bakterielle Infektionen,die innerhalb der ersten 6 Monate nach der Transplantationauftraten. Virämien wurden bei 32 % der Empfängerverzeichnet <strong>und</strong> waren transienter Natur. Das Follow-up derPatienten war jedoch mit im Mittel nur 1,7 Jahren zu kurz,um solide Schlüsse hinsichtlich des Einflusses akuter Abstoßungsepisodenauf das Langzeitüberleben ziehen zu können.Auch eine zuverlässige Aussage bezüglich des Malignitätsrisikosbei der großen Zahl der Patienten, die wegen ihrer Abstoßungenintensiv immunsupprimierend behandelt werden mussten,<strong>ist</strong> auf Basis dieser Daten schwer möglich.Es gilt als gesichert, dass eine ART zwar einen Überlebensvorteilbringt, dass es jedoch aus nicht genau geklärter Ursache zueiner Progression kardiovaskulärer Erkrankungen kommt,diese also nicht nur vermehrt, sondern auch verfrüht auftreten.Fragen zur Entwicklung kardiovaskulärer Komplikationennach der Transplantation sowie ihr Einfluss auf das Gesamtüberlebenkonnten aufgr<strong>und</strong> der unangemessen kurzen Beobachtungszeitleider nicht beantwortet werden.<strong>HIV</strong>-Infektion <strong>ist</strong> keine Kontraindikationfür eine TransplantationDie Daten dieser bislang größten prospektiven Studie bei <strong>HIV</strong>-Patienten bestätigen die rezenten Erfahrungen <strong>und</strong> unterstützendie Sicht, dass eine <strong>HIV</strong>-Infektion keine absoluteKontraindikation für eine Transplantation mehr darstellensollte, vorausgesetzt, es werden die schon erwähnten Kriterienerfüllt. Die Studie macht auch klar, dass sich nur Zentren mitausreichend Erfahrung im Rahmen eines multidisziplinärenTeamansatzes dieser speziellen Patientengruppe annehmen sollten.Weiters zeigt diese Studie die Limitationen der Transplantationdeutlich auf. Die exzessive Rate an akuten Abstoßungen<strong>ist</strong> tatsächlich besorgniserregend, weshalb klar wird, dass zumindesteine ausreichend potente initiale Immunsuppression gewähltwerden sollte. Es sollte zumindest eine Induktion miteinem IL-2-R-Antagon<strong>ist</strong>en sowie Tacrolimus in einer über denvorgeschlagenen Niedrigdosierungen liegenden Dosis (z. B. nachELITE-SYMPHONY-Studie) sowie mit MMF <strong>und</strong> Steroidenerfolgen.Abb. 3: Virus infiziert eine ZelleÜberlegungen zumimmunsuppressiven RegimeDas weitere optimale immunsupprimierende Regime <strong>ist</strong> unklar<strong>und</strong> muss unbedingt in künftigen Studien untersuchtwerden. mTOR-Inhibitoren können prinzipiell verwendetwerden, diese sollten wegen ihrer generell schwachen immunsuppressivenPotenz aber nicht im Rahmen der initialenImmunsuppression zum Einsatz kommen. Es <strong>ist</strong> zwar unklar,warum gerade <strong>HIV</strong>-Patienten entgegen aller Intuitionso hohe Abstoßungsraten aufweisen. Dies dürfte vor allemdamit in Zusammenhang stehen, dass es sich bei der <strong>HIV</strong>-Infektion um eine Erkrankung handelt, bei der der primäreT-Zellpool direkt durch das Virus angegriffen wird. Die restlichenLymphozyten dürften sich sozusagen „kontrahieren“<strong>und</strong> in Richtung Memory-T-Zellen, also Gedächtniszellen,transformieren, wie sie nach einer Vakzinierung entstehen.Damit würden <strong>HIV</strong>-Patienten bei einer ersten Transplantationähnlich reagieren wie Patienten, die schon mehrfachtransplantiert wurden, <strong>und</strong> entsprechend eine viel intensivereImmunsuppression benötigen. Bekanntermaßen erhöhtATG nach erfolgter T-Zelldepletion die Zahl nachfolgenderMemory-Zellen, wodurch die Abstoßungstherapie mit ATGbei <strong>HIV</strong>-Patienten in der Klinik schwierig wird <strong>und</strong> in weitererFolge das Transplantüberleben so negativ beeinflusst<strong>ist</strong>.Solche <strong>und</strong> ähnliche Überlegungen sind die Gr<strong>und</strong>lage für weitereForschungsansätze, die dahin zielen, die immunsuppressiveTherapie an den individuellen Patienten anpassen zukönnen. Nichtsdestotrotz sollte es aber klar sein, dass gegenwärtigdie <strong>Niere</strong>ntransplantation geeigneten <strong>HIV</strong>-infiziertenPatienten als wertvolle Option angeboten werden kann <strong>und</strong>letztlich auch gute Resultate möglich sind.n37


,NEPHRO ScriptFREIES THEMAFosrenol ® (Lanthancarbonat) nun auchzur Senkung des Phosphatspiegels bei PrädialysepatientenBei Dialysepatienten <strong>ist</strong> Lanthancarbonat eine bewährte Option zur Senkung des Phosphatspiegels.Seit 1. Oktober wird Fosrenol ® auch zur Therapie der Hyperphosphatämie nicht dialysepflichtigerPatienten mit chronischer <strong>Niere</strong>nerkrankung erstattet.Redaktion: Dr. Claudia UhlirPhosphatüberladung <strong>ist</strong> ein wichtiger Faktor bei der chronischen<strong>Niere</strong>nerkrankung mit Störung des Mineralstoffwechsels(CKD-MBD) <strong>und</strong> ein später Marker der chronischen<strong>Niere</strong>ninsuffizienz. 1Die fraktionelle Phosphatausscheidung <strong>ist</strong> schon in einem sehrfrühen Stadium der <strong>Niere</strong>nerkrankung erhöht. 2 Im Frühstadium<strong>ist</strong> bei positiver Phosphatbilanz allerdings keine Hyper -phosphatämie messbar, solange Kompensationsmechanismen,wie eine gesteigerte FGF23-Produktion <strong>und</strong> ein PTH-Anstieg,die Phosphatausscheidung erhöhen.Osteoporose, vaskuläre Kalzifizierung,erhöhte MortalitätAnteil der Patientenmit Serumphosphat 1,48 mmol/l (%)80 –PlaceboLanthancarbonat-Hydrat (LC)70 –60 –50 –40 –30 –20 –10 –0 –0 1 2 3 4 6 8 EOTWochen----(n) 24 32 31 32 30 28 28 34(n) 56 55 46 45 44 43 42 56Abb.: Fosrenol ® (Lanthancarbonat) bringt 44,6 % der Patienten inden Phosphatspiegelzielbereich-Im Spätstadium der <strong>Niere</strong>ninsuffizienz fördert die Hyper -phosphatämie die Entstehung eines sek<strong>und</strong>ären Hyperparathyreoidismus(sHPT) <strong>und</strong> damit die High-Turnover-Osteoporose.Ein hoher extrazellulärer Phosphatspiegel <strong>ist</strong> zudem ein wesentlicherRisikofaktor für die vaskuläre Kalzifizierung. Entsprechendfindet sich bereits bei Patienten mit CKD Stadium3–4 zu 40 % eine Koronararterienkalzifizierung. 3 Bei Neuzugängenan der Dialyse liegt der Anteil bereits bei 57 % 4 <strong>und</strong>nach 3 Jahren an der Hämodialyse sind bereits über 80 % derPatienten davon betroffen 5, 6 .Darüber hinaus erhöhen hohe Phosphatspiegel die Mortalitätsowohl von Patienten mit chronischer <strong>Niere</strong>ninsuffizienz alsauch von <strong>Niere</strong>nges<strong>und</strong>en. Knapp 12 % des Mortalitätsrisikosvon Dialysepatienten sind auf einen hohen Phosphatspiegel(> 5,0 mg/dl) zurückzuführen. 7--Effektive Phosphatsenkungauch in der PrädialyseFOS_2011_007Mit Lanthancarbonat (Fosrenol ® ) steht seit mehreren Jahren eineffektiver Phosphatbinder zur Kontrolle der Hyperphosphatämiezur Verfügung, dessen Einsatz bisher auf Patienten mit chronischer<strong>Niere</strong>ninsuffizienz unter Hämodialyse oder Peritonealdialysebeschränkt war. Die kürzlich erfolgte Zulassungserweiterungermöglicht die Anwendung von Fosrenol ® nun auch bei nichtdialysepflichtigen Patienten mit CKD Stadium 3 <strong>und</strong> 4, beidenen eine phosphatarme Ernährung alleine zur Kontrolle desSerumphosphatspiegels nicht ausreicht.38


FREIES THEMANEPHRO Script44,6 % der Patientenin 8 Wochen im ZielbereichWie die Zulassungsstudie zeigt, kann mit Lanthancarbonatder Serumphosphatspiegel bei 44,6 % der Patienten innerhalbvon 8 Wochen in den Zielbereich von 4,6 mg/dl (1,48 mmol/l)gebracht werden (Placebo: 26,5 %). 8 Initialdosis in Woche 1 <strong>und</strong>Fosrenol ® (Lanthancarbonat) nunfür Dialyse- <strong>und</strong> PrädialysepatientenFosrenol ® <strong>ist</strong> indiziert• bei Hyperphosphatämie erwachsener DialysepatientInnen ab18 Jahren, wenn frei verschreibbare Therapiealternativen versagthaben bzw. kontraindiziert sind<strong>und</strong> seit 1.10.2011 auch• bei Hyperphosphatämie nicht dialysepflichtiger, erwachsener Patien -tInnen ab 18 Jahren mit chronischer <strong>Niere</strong>nerkrankung mit einemSerumphosphatspiegel >1,78 mmol/l, bei denen eine phosphatarmeErnährung alleine nicht ausreichend <strong>ist</strong>, um den Serumphosphat -spiegel zu kontrollieren.Fosrenol ® <strong>ist</strong> aus der hellgelben Box (RE 2) verschreibbar.Fosrenol ® 1.000 mg-Kautablettenwurden neu in die Erstattung aufgenommenWoche 2 war Lanthancarbonat 3 x 250 mg/Tag (= 750 mg/Tag),in den Wochen 3 <strong>und</strong> 4 wurde bis maximal 3 x 2 x 500 mg/Tagauftitriert (= 3.000 mg/Tag). Zu Behandlungsende war derSerumphosphatspiegel in der Fosrenol ® -Gruppe im Mittel um0,55 0,10 mg/dl (0,18 0,03 mmol/l) gegenüber demAusgangswert gesunken (Placebo: 0,18 0,13 mg/dl = 0,06 0,04 mmol/l; p = 0,02). Die Phosphatausscheidung imUrin über 24 St<strong>und</strong>en wurde durch Fosrenol ® gegenüber demBehandlungsbeginn im Mittel um 247,7 48,46 mg/d (7,99 1,56 mmol/d) reduziert, im Vergleich zu einer Verringerungum 76,6 87,65 mg/d (2,47 2,83 mmol/d) unterPlacebo (p = 0,04).Fosrenol ® <strong>ist</strong> seit 1. Oktober auch zur Therapie von nicht dialysepflichtigenPatienten aus der gelben Box verschreibbar(hellgelbe Box RE 2; Regeltext siehe Kasten).Darüber hinaus wurden auch Fosrenol ® 1.000 mg-Kautablettenin die Erstattung aufgenommen.n1 Kestenbaum B. J, Am Soc Nephrol 2005; 16:520–82 Craver L. et al., Nephrol Dial Transplant 2008; 22:1171–763 Russo D. et al., Am J Kidney Dis 2004; 44:1024–304 Block G.A. et al., Kidney Int 2005; 68:1815–245 Chertow G.M. et al., Kidney Int 2002; 62:245–2526 Raggi P. et al., J Am Coll Cardiol 2002; 39:695–7017 Moe S.M. et al., CJASN 2006; 1(4):697-7038 Sprague S. M. et al., Clin J Am Soc Nephrol 2009; 4:178–185Wir danken der Firma Sanova Pharma GmbH für die finanzielle UnterstützungFachkurzinformation siehe Seite 39

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