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Man nennt sie den leisen Killer. Müdigkeit<br />
ist ein massives Sicherheits problem<br />
auf den Straßen – sie zu ignorieren<br />
genauso. Übermüdete Fahrer sind der<br />
Grund für Tausende von Verkehrstoten<br />
und Schwerverletzten jedes Jahr. Sogar<br />
Berufskraftfahrer – und ihre Chefs – sind<br />
sich der Gefahr nicht immer bewusst.<br />
Das Schlafforschungslabor in Loughborough<br />
in Großbritannien untersucht<br />
schon seit mehr als zehn Jahren Übermüdung<br />
bei Fahrern. Zusammen mit der<br />
britischen Regierung, der Polizei und<br />
Transportfirmen verfügt die Forschungsanstalt<br />
über eine ausgeklügelte Software<br />
und einen Fahrsimulator, neben speziellen<br />
Weiterbildungskursen für Fahrer und<br />
Trainer. So können die Wissenschaftler<br />
Fahrgewohnheiten auswerten. Zudem<br />
stellen sie per Gehirnstrommessung fest,<br />
in welchem physiologischen Zustand<br />
Fahrer schläfrig werden.<br />
iM testRaUM DeR Forschungsanstalt<br />
sitzt ein Fahrer im Simulator. Rund 20<br />
Elektroden überwachen ihn dabei. Er<br />
muss seine Müdigkeit nach der sogenannten<br />
KarolinskaSchläfrigkeitsskala selbst<br />
einschätzen, indem er seinen Zustand mit<br />
einer Zahl beschreibt. Stufe eins bedeutet<br />
hellwach. Bei Stufe neun kämpft der Proband<br />
bereits gegen zufallende Augen. Bei<br />
Stufe zehn schläft er. Alles über sieben ist<br />
bereits extrem gefährlich für die Person<br />
am Steuer. Der Fahrer im Video blinzelt<br />
immer langsamer. Doch er macht keine<br />
Anstalten anzuhalten. Stattdessen ruft er<br />
laut „fünf“, gerade als er für einige Sekunden<br />
mit geschlossenen Augen gefahren ist.<br />
DR. LoUise ReyneR ist als Forschungsleiterin<br />
verantwortlich für diese Versuche.<br />
Sie bestätigt, was die Forscher bewiesen<br />
haben: Kein Fahrer kommt gegen den<br />
Schlaf an. Es sind vor allem Männer, die<br />
weiterfahren, obwohl sie schläfrig werden.<br />
Berufskraftfahrer könnten sogar mit offenen<br />
Augen schlafen. Der Sekundenschlaf<br />
und seine Gefahren waren in den letzten<br />
Jahren für die Forschung praktisch erst<br />
nach einem Unfallereignis interessant.<br />
Heute steht für die Forscher fest: Müdigkeit<br />
hinter dem Lenkrad ist genauso<br />
gefährlich wie Alkohol. „Vor 40 Jahren<br />
war Trunkenheit am Steuer noch ein<br />
„Kavaliers delikt“, heute denken das viele<br />
über die Müdigkeit. Denn wer merkt<br />
schon, wann er einschläft? Wir können<br />
aber beweisen, dass Sie durchaus merken,<br />
wenn Sie einschlafen.“<br />
Die softwaRe des Forschungslabors<br />
ist mittlerweile so verlässlich, dass sie<br />
sogar in Gerichtsverfahren zum Einsatz<br />
kommt, bei denen müde Fahrer die Ursache<br />
für tödliche Unfälle sind. „Wir haben<br />
ein Schaubild, das zeigt, wann Unfälle<br />
passieren. Die Fahrer haben immer gegen<br />
zwei Uhr in der Nacht, zwischen fünf und<br />
sieben Uhr am Morgen und zwischen<br />
zwei und vier Uhr nachmittags ihre natürlichen<br />
Tiefpunkte“, sagt Forschungslei<br />
“auf lange Sicht<br />
gibt es kein mittel<br />
gegen den<br />
Sekundenschlaf –<br />
außer Schlaf.”<br />
Dr. Louise Reyner, Loughborough<br />
Sleep Research Centre<br />
terin Reyner. Sie ist besonders besorgt um<br />
die LkwFahrer. Die Fahrer werden immer<br />
älter und sind oft übergewichtig. Das ist<br />
ein Grund für Schlafapnoe. Und die wiederum<br />
kann tagsüber zum Sekundenschlaf<br />
führen. „Berufskraftfahrer dürfen<br />
laut Gesetz viereinhalb Stunden am Stück<br />
fahren. Fällt diese Zeit auf solche Tiefpunkte,<br />
sind sie verwundbar. Der beste<br />
Rat für Fahrer ist, erst gar nicht in solche<br />
Situationen zu kommen“, sagt sie. Ihr<br />
Tipp: „Planen Sie Ruhepausen ein, bevor<br />
Sie schläfrig werden. Planen Sie Ihre Reise<br />
so, dass Sie Ihre Tiefpunkte, also potenzielle<br />
Unfallzeiten, vermeiden. Die ersten<br />
Anzeichen von leichter Schläfrigkeit dauern<br />
etwa eine bis eineinhalb Stunden. Sie<br />
haben also Zeit zu reagieren.“<br />
Wie Sie Müdigkeit<br />
verhindern<br />
Tiefpunkte<br />
vermeiden<br />
• Hören Sie auf Ihre innere Uhr: Die<br />
meisten Unfälle passieren in den Tiefs<br />
zwischen fünf und sieben Uhr morgens<br />
und zwei und vier Uhr am Nachmittag.<br />
• Fahren Sie von der Straße ab, suchen<br />
Sie sich einen sicheren Parkplatz und<br />
machen Sie ein Nickerchen.<br />
1–2 Getränke<br />
• Trinken Sie eine oder zwei Dosen eines<br />
Energydrinks mit erhöhtem Koffeingehalt<br />
oder zwei Tassen Kaffee. Halten<br />
Sie dann ein Nickerchen für etwa 20<br />
Minuten, um dem Koffeineffekt genug<br />
Zeit zu geben, sich zu entwickeln.<br />
7–8 Stunden Schlaf<br />
• Kurze Nickerchen helfen, sind aber kein<br />
Ersatz für eine anständige Mütze voll<br />
Schlaf (sieben bis acht Stunden).<br />
• Ein Schlafdefizit, das sich über eine<br />
Reihe von unruhigen oder sehr kurzen<br />
Nächten aufgebaut hat, können Sie mit<br />
zwei aufeinanderfolgenden ruhigen und<br />
langen Nächten wieder wettmachen.<br />
Kein Alkohol<br />
• Planen Sie Reisepausen an sicheren<br />
Halteplätzen ein. Berücksichtigen Sie<br />
lange, monotone Wegstrecken wie<br />
Autobahnen und Tiefpunkte der inneren<br />
Uhr in der Planung.<br />
• Hören Sie auf Ihren Körper: Wenn Sie<br />
sich müde fühlen, brauchen Sie Schlaf.<br />
• Nur auszuruhen ist niemals<br />
ein Ersatz für Schlaf.<br />
• Vermeiden Sie Alkohol und Medikamente,<br />
die müde machen.<br />
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Foto: Michael WildsMith/getty iMages, istockphoto