Schlaf am Steuer Text: Jane Jarner, Markus Bauer Fotos: Mike Hayward und Loughborough Sleep Research Centre Illustration: Krister Flodin Wer schläft, verliert Es passiert um drei Uhr früh, Peter ist noch eine halbe Stunde vor dem Ziel. Er ist müde, aber er will durchhalten. Mit lauter Musik und offenem Fenster kämpft er gegen den Schlaf. Doch vergebens, seine Augen fallen zu. Er stirbt im Schlaf. 28 SCANIA BEWEGT • 4.<strong>2011</strong> www.<strong>scania</strong>.de
Man nennt sie den leisen Killer. Müdigkeit ist ein massives Sicherheits problem auf den Straßen – sie zu ignorieren genauso. Übermüdete Fahrer sind der Grund für Tausende von Verkehrstoten und Schwerverletzten jedes Jahr. Sogar Berufskraftfahrer – und ihre Chefs – sind sich der Gefahr nicht immer bewusst. Das Schlafforschungslabor in Loughborough in Großbritannien untersucht schon seit mehr als zehn Jahren Übermüdung bei Fahrern. Zusammen mit der britischen Regierung, der Polizei und Transportfirmen verfügt die Forschungsanstalt über eine ausgeklügelte Software und einen Fahrsimulator, neben speziellen Weiterbildungskursen für Fahrer und Trainer. So können die Wissenschaftler Fahrgewohnheiten auswerten. Zudem stellen sie per Gehirnstrommessung fest, in welchem physiologischen Zustand Fahrer schläfrig werden. iM testRaUM DeR Forschungsanstalt sitzt ein Fahrer im Simulator. Rund 20 Elektroden überwachen ihn dabei. Er muss seine Müdigkeit nach der sogenannten KarolinskaSchläfrigkeitsskala selbst einschätzen, indem er seinen Zustand mit einer Zahl beschreibt. Stufe eins bedeutet hellwach. Bei Stufe neun kämpft der Proband bereits gegen zufallende Augen. Bei Stufe zehn schläft er. Alles über sieben ist bereits extrem gefährlich für die Person am Steuer. Der Fahrer im Video blinzelt immer langsamer. Doch er macht keine Anstalten anzuhalten. Stattdessen ruft er laut „fünf“, gerade als er für einige Sekunden mit geschlossenen Augen gefahren ist. DR. LoUise ReyneR ist als Forschungsleiterin verantwortlich für diese Versuche. Sie bestätigt, was die Forscher bewiesen haben: Kein Fahrer kommt gegen den Schlaf an. Es sind vor allem Männer, die weiterfahren, obwohl sie schläfrig werden. Berufskraftfahrer könnten sogar mit offenen Augen schlafen. Der Sekundenschlaf und seine Gefahren waren in den letzten Jahren für die Forschung praktisch erst nach einem Unfallereignis interessant. Heute steht für die Forscher fest: Müdigkeit hinter dem Lenkrad ist genauso gefährlich wie Alkohol. „Vor 40 Jahren war Trunkenheit am Steuer noch ein „Kavaliers delikt“, heute denken das viele über die Müdigkeit. Denn wer merkt schon, wann er einschläft? Wir können aber beweisen, dass Sie durchaus merken, wenn Sie einschlafen.“ Die softwaRe des Forschungslabors ist mittlerweile so verlässlich, dass sie sogar in Gerichtsverfahren zum Einsatz kommt, bei denen müde Fahrer die Ursache für tödliche Unfälle sind. „Wir haben ein Schaubild, das zeigt, wann Unfälle passieren. Die Fahrer haben immer gegen zwei Uhr in der Nacht, zwischen fünf und sieben Uhr am Morgen und zwischen zwei und vier Uhr nachmittags ihre natürlichen Tiefpunkte“, sagt Forschungslei “auf lange Sicht gibt es kein mittel gegen den Sekundenschlaf – außer Schlaf.” Dr. Louise Reyner, Loughborough Sleep Research Centre terin Reyner. Sie ist besonders besorgt um die LkwFahrer. Die Fahrer werden immer älter und sind oft übergewichtig. Das ist ein Grund für Schlafapnoe. Und die wiederum kann tagsüber zum Sekundenschlaf führen. „Berufskraftfahrer dürfen laut Gesetz viereinhalb Stunden am Stück fahren. Fällt diese Zeit auf solche Tiefpunkte, sind sie verwundbar. Der beste Rat für Fahrer ist, erst gar nicht in solche Situationen zu kommen“, sagt sie. Ihr Tipp: „Planen Sie Ruhepausen ein, bevor Sie schläfrig werden. Planen Sie Ihre Reise so, dass Sie Ihre Tiefpunkte, also potenzielle Unfallzeiten, vermeiden. Die ersten Anzeichen von leichter Schläfrigkeit dauern etwa eine bis eineinhalb Stunden. Sie haben also Zeit zu reagieren.“ Wie Sie Müdigkeit verhindern Tiefpunkte vermeiden • Hören Sie auf Ihre innere Uhr: Die meisten Unfälle passieren in den Tiefs zwischen fünf und sieben Uhr morgens und zwei und vier Uhr am Nachmittag. • Fahren Sie von der Straße ab, suchen Sie sich einen sicheren Parkplatz und machen Sie ein Nickerchen. 1–2 Getränke • Trinken Sie eine oder zwei Dosen eines Energydrinks mit erhöhtem Koffeingehalt oder zwei Tassen Kaffee. Halten Sie dann ein Nickerchen für etwa 20 Minuten, um dem Koffeineffekt genug Zeit zu geben, sich zu entwickeln. 7–8 Stunden Schlaf • Kurze Nickerchen helfen, sind aber kein Ersatz für eine anständige Mütze voll Schlaf (sieben bis acht Stunden). • Ein Schlafdefizit, das sich über eine Reihe von unruhigen oder sehr kurzen Nächten aufgebaut hat, können Sie mit zwei aufeinanderfolgenden ruhigen und langen Nächten wieder wettmachen. Kein Alkohol • Planen Sie Reisepausen an sicheren Halteplätzen ein. Berücksichtigen Sie lange, monotone Wegstrecken wie Autobahnen und Tiefpunkte der inneren Uhr in der Planung. • Hören Sie auf Ihren Körper: Wenn Sie sich müde fühlen, brauchen Sie Schlaf. • Nur auszuruhen ist niemals ein Ersatz für Schlaf. • Vermeiden Sie Alkohol und Medikamente, die müde machen. www.<strong>scania</strong>.de 4.<strong>2011</strong> • SCANIA BEWEGT 29 Foto: Michael WildsMith/getty iMages, istockphoto