Berlin 2009 - Wingender Hovenier Architecten
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Abspannwerk Humboldt, <strong>Berlin</strong>, 1925<br />
Hans Heinrich Müller<br />
Das zweite, zeitlich nur wenige<br />
Monate später in Betrieb genommene<br />
Werk Humboldt ist architektonisch eine<br />
Referenz an die Marienburg. Den Zugang<br />
von der Sonnenburger Strasse formen<br />
zwei Spitzbögen. Von der Strasse<br />
fällt der Blick auf den unerreichbaren<br />
Rundbau der Warte im Hof. Die Hauptfront<br />
an der Kopenhagener Strasse<br />
wirkt festungsartig abweisend.<br />
Turmartige Eckbetonungen verleihen<br />
der Anlage einen wehrhaften Charakter.<br />
Gleichmässig durchziehen vertikale<br />
Fensterschlitze, zu Dreiergruppen mit<br />
vorspringender Umrahmung<br />
zusammengezogen, das Erdgeschoss.<br />
Darüber befindliche kleine quadratische<br />
Fenster wirken wie Verteidigungsöffnungen.<br />
Die neutralen Fassaden<br />
verbergen die Gruppierung der<br />
einzelnen Bauteile um einen Innenhof,<br />
ein streng zentralistisches und<br />
symmetrisches System. Die Warte, der<br />
einzige Ort an dem Menschen<br />
arbeiteten und die Schaltvorgänge<br />
überwachten, bildet den Mittelpunkt.<br />
Von hier aus können alle Räume<br />
schnell erreicht werden und Balkone<br />
mit Umwehrungen aus den Verliesen<br />
der Marienburg ermöglichen<br />
den Kontrollblick auf die offenen<br />
Ölschalterkammern. In dem<br />
rückwärtigen Schalthaus sind die<br />
Stromverteilungsanlagen mehrgeschossig<br />
übereinander gestapelt. Die<br />
einzelnen Zellen zeigen sich an der<br />
Fassade jeweils durch Schlitze. Die<br />
innere Lastabtragung der hohen<br />
Maschinengewichte übernimmt ein<br />
Stahlgerüst. Dieses autonome System<br />
der Schaffung architektonischer Räume<br />
zur temporären Unterbringung<br />
technischer Apparate ermöglicht die<br />
Nutzung über den eigentlich gedachten<br />
Zweck hinaus. Die Hoffassade des<br />
seitlichen Eckturms lässt die<br />
Verschiedenheit der Nutzungen<br />
erahnen: Zwei technische Ebenen<br />
mit Akkumulatoren verfügen über<br />
vertikale Schlitzfenster, die darüber<br />
befindlichen Werkswohnungen liegen<br />
hinter Rundbogenloggien. Die Auswahl<br />
der eingesetzten Materialien bleibt<br />
funktionsbestimmt, die Anwendung<br />
und Detaillierung unterstützt jedoch die<br />
beabsichtigte Wirkung. Die Wände der<br />
Phasenschieberhalle sind vollflächig mit<br />
weiss glasierten Spaltklinkern bedeckt,<br />
um eventuell aus den Turbinen austretendes<br />
Öl beseitigen zu können. Die<br />
Laufbahnen des Krans ruhen auf sich<br />
konsolartig verbreiternden Pilastern,<br />
deren Basis und Kapitell mit roter<br />
Baukeramik verdeutlicht werden. Der<br />
Rhythmus von Fläche und vertikaler<br />
Struktur und das strahlende, glänzende<br />
Weiss der Wände beziehen sich auf die<br />
monochrom übermittelte griechische<br />
Klassik und frühbabylonische Wandtäfelungen.