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Von Teenies bis Oldies: Lebenszyklen im Wandel - Klinikmagazin

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■ Kinder- und Jugendpsychiatrie<br />

sein, ja selbstverständlich werden.<br />

Diese Fragen ergeben aber<br />

nur dann Sinn, wenn man mit<br />

den Antworten auch umgehen<br />

kann. Äußern die Eltern den<br />

Wunsch nach Unterstützung für<br />

ihre Kinder, müssen ihnen Angebote<br />

unterbreitet, Adressen<br />

vermittelt werden. Den Fragen<br />

nach Kindern muss zudem vorausgehen,<br />

dass es ein effektives<br />

Netzwerk gibt in der Zusammenarbeit<br />

zwischen Erwachsenenpsychiatrie,<br />

Jugendhilfe<br />

und Kinder- und Jugendpsychiatrie.<br />

Nur so können schnelle<br />

Hilfen garantiert werden und<br />

eine niedrigschwellige Unterstützung<br />

erfolgen. Scheinbar<br />

unauffällige Kinder brauchen<br />

darüber hinaus ein freiwilliges<br />

präventives Angebot.<br />

So kann es bei Kindern, die<br />

trotz der psychischen Erkrankung<br />

eines Elternteils gesund<br />

sind, bereits ausreichen, den<br />

Kontakt zu einer Beratungsstelle<br />

herzustellen oder das Kind in<br />

eine niedrigschwellige Gruppe<br />

für Kinder psychisch kranker Eltern<br />

zu integrieren. Dagegen stellen die psychisch<br />

erkrankten Kinder psychisch kranker<br />

Eltern bereits eine besondere Gruppe dar.<br />

Hierzu läuft zurzeit eine Untersuchung der<br />

LWL-Kliniken Elisabeth-Klinik Dortmund<br />

und Klinik Marl-Sinsen – beides Einrichtungen<br />

für Kinder- und Jugendpsychiatrie – zusammen<br />

mit Professor Lenz von der Katholischen<br />

Fachhochschule Paderborn.<br />

Geklärt werden soll dabei die Frage, ob es<br />

diagnostische und krankheitsbegründende<br />

Verbindungen gibt und inwieweit eine elterliche<br />

psychische Erkrankung eine erhöhte<br />

Gefährdung für die Erkrankung des Kindes<br />

darstellt. Zum anderen brauchen wir Aufschlüsse<br />

darüber, inwieweit die Behandlung<br />

des Kindes erfolgreich sein kann, wenn die<br />

Erkrankung des Elternteils fortbesteht.<br />

In diesen besonderen Fällen der multiplen<br />

psychischen Erkrankung in Familien<br />

bedarf es einer sehr engen Kooperation<br />

zwischen Kinder- und Jugendpsychiatrie<br />

28<br />

Kinder- und Jugendpsychiatrie als Seismograph der<br />

Entwicklungen <strong>im</strong> Sozial-, Jugend- und Familienbereich<br />

■ Immer mehr Kinder unter sechs Jahren müssen in NRW wegen<br />

akuter Krisen in der Familie in He<strong>im</strong>en oder Pflegefamilien<br />

untergebracht werden. Auch bei den ambulanten Hilfen,<br />

wo die Kinder in den Familien verbleiben dürfen, ist zwischen<br />

2005 und 2009 ein Anstieg der hilfsbedürftigen Kinder um<br />

60 Prozent zu beobachten. (Diakonie Rheinland-Westfalen)<br />

■ Immer mehr „lebensjungen Menschen“ an Rhein und Ruhr<br />

wird ein rechtlicher Betreuer zur Seite gestellt, weil sie ihre<br />

Angelegenheiten nicht mehr organisieren können.<br />

Grund: die deutliche Zunahme grundlegender Störungen bei<br />

jungen Erwachsenen.<br />

■ Immer mehr Jugendliche ohne Dach über dem Kopf; Beratungsstellen<br />

für Obdachlose sprechen von alarmierenden Zahlen.<br />

■ Die Nachfrage nach Kinderpsychiatrischer Behandlung steigt<br />

enorm, Überbelegung ist bereits die Regel, nur jedes zweite<br />

Kind erhält eine adäquate Therapie.<br />

■ Zwischen 1974 und 2010 ist es zu einem erheblichen Anstieg<br />

von Störungen des Sozialverhaltens bei Jungen und Mädchen<br />

gekommen, wobei alle sozialen Schichten und alle Familienkonstellationen<br />

betroffen sind.<br />

■ 50 Prozent der Eltern psychiatrisch auffälliger Kinder wissen<br />

nicht, woran sie sich in der Erziehung halten und orientieren<br />

sollen.<br />

■ Psychiatrische Mehrfacherkrankungen und desolate psychosoziale<br />

Verhältnisse nehmen zu.<br />

und Erwachsenenpsychiatrie. So besteht<br />

<strong>im</strong> LWL bereits eine enge Zusammenarbeit<br />

zwischen der LWL-Klinik Herten und der<br />

LWL-Klinik Marl-Sinsen. Zeigen die kleinen<br />

Kinder über den sechsten Lebensmonat hinaus<br />

eigene psychiatrische Symptome, haben<br />

sie Fütterstörungen, kommt es zu ausgeprägten<br />

Schlafdefiziten oder Schreien,<br />

erfolgt eine Weiterbehandlung von Kind<br />

und Mutter nach der Erwachsenenpsychiatrie<br />

in der Kinder- und Jugendpsychiatrie.<br />

Die LWL-Klinik Gütersloh wird zusammen<br />

mit der LWL-Klinik Hamm ein gemeinsames<br />

Zentrum für Familienmedizin in Gütersloh<br />

eröffnen, in dem Erwachsenenpsychiater<br />

und Kinder- und Jugendpsychiater<br />

in einer Klinik sowohl Eltern als auch Kinder<br />

derselben Familie behandeln können.<br />

Ein <strong>bis</strong>her wenig beachtetes Thema sind<br />

die Eltern psychisch kranker Kinder. Kinder<br />

und Jugendliche mit schweren, schon lang<br />

andauernden psychiatrischen Erkrankun-<br />

18<br />

gen stellen auch für die Eltern<br />

einen hohen Belastungsfaktor<br />

dar. Chronisch suizidale Jugendliche,<br />

magersüchtige Kinder, die<br />

bereits <strong>im</strong> Alter von zehn Jahren<br />

erkranken und über Jahre erkrankt<br />

bleiben, lassen die Eltern<br />

an ihrer Kompetenz zweifeln<br />

und führen zu fortwährender<br />

Sorge.<br />

Während ein psychisch krankes<br />

Kind bei einem ambulant<br />

tätigen Psychiater oder Psychotherapeuten<br />

Hilfe erfahren kann<br />

und sollte, ist es in diesen Fällen<br />

umgekehrt ebenso wichtig,<br />

dass die Kinder- und Jugendpsychiater<br />

aufmerksam mit den<br />

Eltern umgehen. Die Arbeit mit<br />

den Eltern ist in jeder kinder-<br />

und jugendpsychiatrischen Klinik<br />

selbstverständlich. In Eltern-<br />

oder Familiengesprächen ist der<br />

Blick zunächst gerichtet auf die<br />

Erkrankung des Kindes und dessen<br />

Behandlung. Es darf jedoch<br />

nicht vergessen werden, dass<br />

auch die Eltern zumeist stark<br />

unter dieser Situation leiden –<br />

und daher untersucht werden<br />

sollten, inwieweit sie eine eigene psychiatrische<br />

Störung entwickeln und erwachsenpsychiatrisch<br />

psychotherapeutische Hilfe<br />

benötigen. Denn auch dies ist Fakt: Ein psychisch<br />

belastetes und letztendlich erkranktes<br />

Elternteil stellt ein großes Hindernis für<br />

die Gesundung des Kindes dar.<br />

Diese Beispiele zeigen, dass eine Zusammenarbeit<br />

aller Fachleute zum Nutzen des<br />

Patienten notwendig ist. Disziplinen und<br />

sektorenübergreifendes Handeln ist erforderlich:<br />

Nur so können auch nachhaltige<br />

Erfolge in den Familien erzielt werden. ■<br />

Dr. Claus Rüdiger Haas<br />

Ärztlicher Direktor der<br />

LWL-Klinik Marl-Sinsen,<br />

Haardklinik und der<br />

Elisabeth-Klinik Dortmund<br />

Kinder- und Jugendpsychiatrie<br />

– Psychotherapie<br />

– Psychosomatik<br />

<strong>Klinikmagazin</strong> Nr. 15 2012

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