Luftwaffe - Strategie und Technik

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Luftwaffe(Foto:Björn Trotzki)AllwetterfähigeBewaffnungKann die Fähigkeitslücke fliegender Plattformenauf mittlere Reichweite geschlossen werden?Stefan RigauerUm eine allwetterfähige Bewaffnung flexibel und präzise bei nahezu allen Wetterbedingungen und unabhängigvon der Tageszeit einsetzen zu können, werden u.a. auch besondere Anforderungen an die Sensorik, dieFlugsteuerung und -regelung der Effektoren sowie an die Daten- und Kommunikationsverbindungen gestellt.Sowohl bei Luftverteidigungs- alsauch bei Luftangriffskräften beschäftigensich moderne Luftstreitkräfteintensiv mit dem Thema Abstandsbewaffnungzur Steigerung derÜberlebensfähigkeit und Effizienz. Daeine umfassende Beleuchtung dieser Thematikden Rahmen eines solchen Artikelsdeutlich sprengen würde, beschränkt sichdie nachfolgende Betrachtung auf Überlegungender deutschen Luftwaffe für ihrefliegenden Waffensysteme in der Luftangriffsrolle.LuftmachtDie Ausübung von Luftmacht ist ein wesentlicherBestandteil in nahezu jeder militärischenOperation, von humanitärenHilfseinsätzen bis hin zu Eingreif- und Stabilisierungsoperationenund in der LandesundBündnisverteidigung.AutorOberstleutnant i.G. Stefan Rigauerist im Waffensystemkommando derLuftwaffe zuständig für die FähigkeitskategorieWirkung im Einsatz.Auch die Verteidigungspolitischen Richtlinien2011 definieren „die internationaleKonfliktverhütung und Krisenbewältigung– einschließlich des Kampfs gegen deninternationalen Terrorismus“ als eine derHauptaufgaben der Bundeswehr. DieseAufgaben prägen daher maßgeblich dieFähigkeiten und die Ausrüstung der Bundeswehrund sind strukturbestimmend.Gleichwohl bleibt der Schutz des Territoriumsder Bundesrepublik Deutschland undseiner Bürgerinnen und Bürger eine Kernaufgabeder Bundeswehr.Besonders in Szenarien, in denen derGegner über eine leistungsfähige Luftverteidigung(LV) verfügt, kommen derDurchsetzungs- und Überlebensfähigkeiteingesetzter Luftfahrzeugbesatzungen,Trägerplattformen und Effektoren eine besondereBedeutung zu. Für Luftstreitkräftesind diese Fähigkeiten gerade zu Beginn einesbewaffneten Konflikts erforderlich, ummit möglichst geringen eigenen Verlusteneine günstige Luftlage zu erringen. EineSteigerung der Reichweite von Effektorenermöglicht eine Erhöhung der Abstandsfähigkeitder Trägerplattform, die im Wesentlichendem Schutz der eigenen Kräfteund Mittel vor der Bedrohung durch diegegnerische Luftverteidigung dient.Um eine derartige Bewaffnung flexibel undpräzise bei nahezu allen Wetterbedingungenund unabhängig von der Tageszeiteinsetzen zu können, werden u.a. auch besondereAnforderungen an die Sensorik, dieFlugsteuerung und -regelung der Effektorensowie an die Daten- und Kommunikationsverbindungengestellt. Diese zunehmendetechnische Komplexität moderner Bewaffnungschlägt sich auch in Form von aufwändigerenIntegrationsmaßnahmen in dieTrägerplattform nieder, deren Kosten die reinenBeschaffungskosten des Effektors nichtselten um ein Vielfaches überschreiten.Darüber hinaus ist eine leistungsfähige Unterstützungdurch Elemente der Nachrichtengewinnungund Aufklärung, deren aufbereiteteInformationen über das Ziel unddie gegnerische Bedrohung wesentlich zurPlanung beitragen, ebenso wichtig wie einfunktionierender Führungsverbund.Um zukünftig den Zeit- und Kostenaufwandeindämmen zu können, werden insbesonderemultinationale Ansätze, aber auchKompromisslösungen verfolgt. Auch Bestrebungen,anstelle von spezialisierten Effektorenz.B. durch Modularität der Sensoren,der Steuerung und der Wirkladung vielfältigeinsetzbare Bomben- oder Flugkörperfamilienzu erhalten, folgen diesem Ansatz.Strategie & Technik · November 2011 37

<strong>Luftwaffe</strong>(Foto:Björn Trotzki)AllwetterfähigeBewaffnungKann die Fähigkeitslücke fliegender Plattformenauf mittlere Reichweite geschlossen werden?Stefan RigauerUm eine allwetterfähige Bewaffnung flexibel <strong>und</strong> präzise bei nahezu allen Wetterbedingungen <strong>und</strong> unabhängigvon der Tageszeit einsetzen zu können, werden u.a. auch besondere Anforderungen an die Sensorik, dieFlugsteuerung <strong>und</strong> -regelung der Effektoren sowie an die Daten- <strong>und</strong> Kommunikationsverbindungen gestellt.Sowohl bei Luftverteidigungs- alsauch bei Luftangriffskräften beschäftigensich moderne Luftstreitkräfteintensiv mit dem Thema Abstandsbewaffnungzur Steigerung derÜberlebensfähigkeit <strong>und</strong> Effizienz. Daeine umfassende Beleuchtung dieser Thematikden Rahmen eines solchen Artikelsdeutlich sprengen würde, beschränkt sichdie nachfolgende Betrachtung auf Überlegungender deutschen <strong>Luftwaffe</strong> für ihrefliegenden Waffensysteme in der Luftangriffsrolle.LuftmachtDie Ausübung von Luftmacht ist ein wesentlicherBestandteil in nahezu jeder militärischenOperation, von humanitärenHilfseinsätzen bis hin zu Eingreif- <strong>und</strong> Stabilisierungsoperationen<strong>und</strong> in der Landes<strong>und</strong>Bündnisverteidigung.AutorOberstleutnant i.G. Stefan Rigauerist im Waffensystemkommando der<strong>Luftwaffe</strong> zuständig für die FähigkeitskategorieWirkung im Einsatz.Auch die Verteidigungspolitischen Richtlinien2011 definieren „die internationaleKonfliktverhütung <strong>und</strong> Krisenbewältigung– einschließlich des Kampfs gegen deninternationalen Terrorismus“ als eine derHauptaufgaben der B<strong>und</strong>eswehr. DieseAufgaben prägen daher maßgeblich dieFähigkeiten <strong>und</strong> die Ausrüstung der B<strong>und</strong>eswehr<strong>und</strong> sind strukturbestimmend.Gleichwohl bleibt der Schutz des Territoriumsder B<strong>und</strong>esrepublik Deutschland <strong>und</strong>seiner Bürgerinnen <strong>und</strong> Bürger eine Kernaufgabeder B<strong>und</strong>eswehr.Besonders in Szenarien, in denen derGegner über eine leistungsfähige Luftverteidigung(LV) verfügt, kommen derDurchsetzungs- <strong>und</strong> Überlebensfähigkeiteingesetzter Luftfahrzeugbesatzungen,Trägerplattformen <strong>und</strong> Effektoren eine besondereBedeutung zu. Für Luftstreitkräftesind diese Fähigkeiten gerade zu Beginn einesbewaffneten Konflikts erforderlich, ummit möglichst geringen eigenen Verlusteneine günstige Luftlage zu erringen. EineSteigerung der Reichweite von Effektorenermöglicht eine Erhöhung der Abstandsfähigkeitder Trägerplattform, die im Wesentlichendem Schutz der eigenen Kräfte<strong>und</strong> Mittel vor der Bedrohung durch diegegnerische Luftverteidigung dient.Um eine derartige Bewaffnung flexibel <strong>und</strong>präzise bei nahezu allen Wetterbedingungen<strong>und</strong> unabhängig von der Tageszeiteinsetzen zu können, werden u.a. auch besondereAnforderungen an die Sensorik, dieFlugsteuerung <strong>und</strong> -regelung der Effektorensowie an die Daten- <strong>und</strong> Kommunikationsverbindungengestellt. Diese zunehmendetechnische Komplexität moderner Bewaffnungschlägt sich auch in Form von aufwändigerenIntegrationsmaßnahmen in dieTrägerplattform nieder, deren Kosten die reinenBeschaffungskosten des Effektors nichtselten um ein Vielfaches überschreiten.Darüber hinaus ist eine leistungsfähige Unterstützungdurch Elemente der Nachrichtengewinnung<strong>und</strong> Aufklärung, deren aufbereiteteInformationen über das Ziel <strong>und</strong>die gegnerische Bedrohung wesentlich zurPlanung beitragen, ebenso wichtig wie einfunktionierender Führungsverb<strong>und</strong>.Um zukünftig den Zeit- <strong>und</strong> Kostenaufwandeindämmen zu können, werden insbesonderemultinationale Ansätze, aber auchKompromisslösungen verfolgt. Auch Bestrebungen,anstelle von spezialisierten Effektorenz.B. durch Modularität der Sensoren,der Steuerung <strong>und</strong> der Wirkladung vielfältigeinsetzbare Bomben- oder Flugkörperfamilienzu erhalten, folgen diesem Ansatz.<strong>Strategie</strong> & <strong>Technik</strong> · November 2011 37


<strong>Luftwaffe</strong>Eingeführte EffektorenMit dem spezialisierten Anti-Radar-LenkflugkörperHARM (High-Speed Anti-RadiationMissile) verfügt die <strong>Luftwaffe</strong> gegenwärtigüber eine wetterunabhängigeAbstandswaffe kurzer bis mittlerer Reichweite(mR) gegen radargeführte Flugabwehrsysteme.Er ist für den Einsatz durchdas Waffensystem Tornado ECR (ElectronicCombat Reconnaissance) in der Einsatzrolle„Supression of Enemy Air Defences“(SEAD) vorgesehen.Die Lenkflugkörper (LFK) HARM herkömmlicherTechnologie, so auch der inder <strong>Luftwaffe</strong> eingeführte LFK AGM-88BBlock III A, verfügen über einen passivenRadar-Suchkopf, der die abgestrahlte elektromagnetischeEnergie eines Emitters auffassen,identifizieren <strong>und</strong> verfolgen kann.Das Signal dient dem LFK als Leitstrahl zumZiel. Eine erfolgreiche Bekämpfung ist nurmöglich, wenn der Emitter quasi ununterbrochenbis zum Eintreffen des LFK einSignal sendet <strong>und</strong> der Suchkopf das Zielnicht verliert. Zu Zeiten des Kalten Kriegeswar diese Konzeption sicherlich richtig, esist heute jedoch nicht immer davon auszugehen,dass derart „kooperierende“Sender in den zu erwartenden Szenarienanzutreffen sind.Für den Einsatz der LFK HARM AGM-88B Block III A sind die ECR-Tornados desJaboG 32 durch zusätzliche Subsysteme speziell ausgerüstetModerne Radargeräte mit komplexen Pulsfolgezügenerschweren eine eindeutigeIdentifizierung <strong>und</strong> Zielverfolgung. KomplexeSignalstrukturen, parametrische Ähnlichkeitenin Frequenz, Pulsfolgeintervall <strong>und</strong>der Wechsel derselben stellen wachsendeProbleme für eine erfolgreiche Bekämpfungdar. Eine räumliche Nähe von eigenen oderzivilen Radargeräten zu gegnerischen Systemen– insbesondere in Szenarien mit nichtklarem Grenzverlauf – in Verbindung mitähnlichen Signalcharakteristiken erschwerendie eindeutige Zielidentifizierung <strong>und</strong>-verfolgung.(Foto:Björn Trotzki)INTERNATIONALE KONFLIKTE: 28SOLDATEN IM EINSATZ: 530.000EIN PARTNER FÜR SICHERHEITSLSICHERHEIT FÜR TRUPPEN IM EINSATZ. In Krisengebieten entstehen Situationen, die den Einsatzmilitärischer Kräfte erfordern. Der Schutz der Zivilbevölkerung hat dabei höchste Priorität. TausendeSoldaten sind abhängig von der Qualität ihres Trainings <strong>und</strong> der Zuverlässigkeit ihrer Ausrüstung.Weltweit beauftragen uns Partner auf Gr<strong>und</strong> unserer Fähigkeiten mit dem Schutz ihrer Einsatztruppenin Konfliktgebieten. www.cassidian.comDEFENDING WORLD SECURITY


XxxxTaktiken gegnerischer LV-Kräfte, wie „kurzesAufschalten“, „reaktives Abschalten“oder „Blinking“ (Wechselseitiges koordiniertesAn- <strong>und</strong> Ausschalten integrierterLV-Systeme) führen relativ leicht zu einemVerlust der Zielverfolgung. Der LFK bleibtbei dauerhaftem Verlust der Aufschaltungzwar grob auf das ursprüngliche Zielgebietfixiert, wird aber aufgr<strong>und</strong> fehlenderFähigkeit zur präzisen Navigation das Zielverfehlen. Mögliche Falschzielbekämpfungen<strong>und</strong> das Verursachen unbeabsichtigterBegleitschäden wären die nicht hinnehmbarenFolgen.Der von der <strong>Luftwaffe</strong> eingeführte LFKHARM kann gegen eine moderne, komplexe<strong>und</strong> integrierte LV nicht mehr ohneWeiteres erfolgreich eingesetzt werden.Eingeschränkte Fähigkeiten gegen qualitativweniger fordernde Bedrohungenkönnen durch Anpassungen der Verfahrenzum Einsatz von HARM im Verb<strong>und</strong> Aufklärung-Führung-Wirkung(A-F-W) ausgeglichenwerden.Als Präzisions-Abstandslenkflugkörpersystemnutzt die Lw seit Ende 2005 den TaurusKEPD 350 (Kinetic Energy Penetrator andDestroyer 350). Bei dieser Abstandswaffehandelt es sich um einen modernen Luft/Boden-Marschflugkörper für große Reichweitenvon mehr als 350 Kilometern, derDie Miniature Air Launched Decoys von Raytheon besitzen eine Reichweitevon über 900 Kilometern <strong>und</strong> dienen der Saturierung feindlicher Raketenstellungenbei der <strong>Luftwaffe</strong> am Tornado IDS (Interdictionand Strike) eingesetzt wird.Das System Taurus ist als Penetrationswaffeoptimiert <strong>und</strong> wurde in erster Linie entwickelt,um stark gehärtete Hochwertzielewie unterirdische Führungsgefechtsstände<strong>und</strong> Bunker (Hard and Deeply BuriedTargets), aber auch andere Zieltypen wieBrücken, Flugzeugschutzbauten, Landebahnen,Waffenlager oder Schiffe in Häfenpunktgenau zu bekämpfen. Bei dieserZielkategorie handelt es sich also um stationäreZiele, deren Positions- <strong>und</strong> Umfelddatengenauestens bekannt sind <strong>und</strong> vordem Abflug des Trägerflugzeuges in dieWaffe programmiert werden. BeweglicheZiele, die ihre Position während des Anflugsändern, können mit diesem System nichtbekämpft werden.Während moderne Präzisionsabwurfmunition<strong>und</strong> -lenkflugkörper kurzer <strong>und</strong> mittlererReichweite weitestgehend flexibel <strong>und</strong>auch kurzfristig einsetzbar sind, erfordernFlugkörper großer Reichweite wie Tauruseinen größeren Planungsvorlauf, um entsprechendzuverlässig <strong>und</strong> präzise wirkenzu können. Dieser ist erforderlich, um dieWaffe nach einer eingehenden Analysedes Ziels <strong>und</strong> unter Berücksichtigung deraktuellen Bedrohungslage im Rahmen der(Foto: Raytheon)ÖSUNGEN


(Foto: U.S. Air Force)<strong>Luftwaffe</strong>Missionsplanung hinsichtlich der Streckenführung,der Navigationspunkte, Zieldaten<strong>und</strong> Angriffsparameter zu programmieren.Die FähigkeitslückeBei der bestehenden Fähigkeitslücke gehtes also in erster Linie um die Fähigkeit zurBekämpfung stationärer <strong>und</strong> beweglicherHochwertziele, deren exakte geographischePosition nicht ermittelt oder vorausbestimmtwerden kann, die möglichstohne großen Zeitverzug bekämpft werdenmüssen <strong>und</strong> die durch eine leistungsfähigeLuftverteidigung geschützt werden.Diese Zielgruppe enthält beispielsweisemobile Raketen-Startgeräte im Hinterlanddes Gegners, aber auch hochmobile LV-Systeme <strong>und</strong> Überwasserziele, die ohneentsprechende Unterstützungsmaßnahmen,wie z. B. einer Unterdrückung dergegnerischen Luftverteidigungssysteme,nur mit hohem Risiko erfolgreich bekämpftwerden können. Dazu zählen auch Zieledie möglichst verdeckt angegriffen werdensollen <strong>und</strong> bei denen ein direkter Anflugder verbringenden Plattform nicht möglichist.Zum Schließen dieser Fähigkeitslücke isteine „allwetterfähige Bewaffnung fliegenderPlattformen auf mittlere Reichweite“erforderlich. Hierfür sind mehrere Bewaffnungsoptionendenkbar, die sich gr<strong>und</strong>sätzlichin die Kategorien „angetriebene“<strong>und</strong> „nicht-angetriebene“ Effektoren aufteilenlassen.Angetriebene Effektoren haben entscheidendeVorteile, wenn die Forderung nacheiner hohen Durchsetzungsfähigkeit,mittels Faktoren wie Geschwindigkeit,Signaturreduzierung <strong>und</strong> Agilität zur Be-(Foto: PIZLw)kämpfung des Ziels eine herausragendeRolle spielt. Dies ist z.B. der Fall, wenn dieBekämpfung des Ziels zeitkritisch ist oderwenn leistungsfähige Luftverteidigungssysteme,die auch kleinere Luftziele wieanfliegende Effektoren auffassen <strong>und</strong> bekämpfenkönnen, überw<strong>und</strong>en oder ausgeschaltetwerden müssen.Ein weiterer Vorteil von angetriebenen Effektorenist, dass sie auch in niedrigerenHöhenbändern gestartet werden können,Bereits 2007 wurde die Ausbildung zur Beladung der GBU-39B Small DiameterBomb (250 Pf<strong>und</strong>) an die F-15E Strike Eagle der 494th Fighter Wing (U.S.Air Force) in Lakenheath/UK aufgenommenMit der Abstandswaffe Taurus KEPD 350 können aus Entfernungen von über350 Kilometer u.a. gehärtete Ziele zerstört werdenohne ihre Reichweite drastisch zu verkürzen.Nachteil solcher Effektoren ist jedoch, dasszu den ohnehin schon technisch anspruchsvollenKomponenten wie multispektraleSensoren, Zünder oder skalierbare Wirkladungnoch ein Antrieb (meist ein Raketenmotor)als weiterer komplexer Faktor hinzukommt, welcher zusätzlich höhere Kostenfür den gesamten Lebenszyklus verursacht.Nicht-angetriebene Effektoren könneneine mittlere Reichweite durch aerodynamischeAuftriebshilfen, z.B. in Form vonFlügelanbausätzen, in Verbindung mit einerentsprechenden Abwurfhöhe <strong>und</strong> -geschwindigkeiterzielen.Dies ist jedoch auch ihr Nachteil gegenüberangetriebenen Effektoren. Reichweitesteht hier in direktem Zusammenhang mitder Abwurfhöhe <strong>und</strong> -geschwindigkeit,zweier Faktoren, die einer Vielzahl äußererZwänge unterliegen <strong>und</strong> sich nicht beliebigverändern lassen.Außerdem lässt sich die maximal erreichbareGeschwindigkeit solcher Gleitflugkörper,auch aus wirtschaftlichen Erwägungen,nicht beliebig erhöhen <strong>und</strong> bewegt sichin Abhängigkeit von der Geschwindigkeitzum Auslösezeitpunkt in der Regel im hohenUnterschallbereich. Aufgr<strong>und</strong> der imVergleich mit angetriebenen Effektorengeringeren Geschwindigkeit sind nichtangetriebeneEffektoren zur zeitkritischenBekämpfung von Zielen also nur bedingtgeeignet.Moderne, leistungsfähige Luftverteidigungssystemesind heute in der Lage, relativlangsam fliegende Flugkörper auchmit geringer Radarrückstrahlfläche aufzufassen<strong>und</strong> zu bekämpfen. Dieser Nachteilkönnte jedoch teilweise damit ausgeglichenwerden, indem solche LV-Systememit mehreren gleichzeitig abgeworfenenGleitflugkörpern <strong>und</strong>/oder angetriebenenScheinzielen (Miniaturized Air LaunchedDecoy, MALD) saturiert werden. D.h. mannimmt die erfolgreiche Bekämpfung einergrößeren Anzahl „nicht-angetriebener“ –<strong>und</strong> damit kostengünstiger – Effektorenbewusst in Kauf, um den Verschuss der(teuren) gegnerischen LV-Waffen zu provozieren<strong>und</strong> das LV-System auf Gr<strong>und</strong> derhohen Anzahl an gleichzeitig anfliegendenZielen schließlich zu saturieren.Ein bereits auf dem Markt verfügbarerGleitflugkörper ist die US-amerikanische„Small Diameter Bomb (SDB)“ der 125-kg-Klasse. In einer ersten Ausbaustufe (IncrementI) wurde eine Gr<strong>und</strong>befähigung miteinem kombinierten Inertial NavigationSystem (INS)/Anti-Jam Global PositioningSystem (GPS)-Suchkopf für die Mid-courseFührung <strong>und</strong> den Endanflug zur Bekämpfungvon stationären Zielen realisiert. Dieseerste Ausbaustufe hat jedoch den Nachteil,dass auf Gr<strong>und</strong> der verwendeten Sensorenausschließlich ortsfeste Ziele, deren Positionexakt bekannt ist, bekämpft werdenkönnen. Die SDB ist mit einem ausklappbarenFlügelkit ausgestattet, welches fest mitdem Effektor verb<strong>und</strong>en ist <strong>und</strong> erst nachdem Abwurf ausgeklappt wird. Je nachAbwurfhöhe hat die SDB bei einer Flugzeit40November 2011 · <strong>Strategie</strong> & <strong>Technik</strong>


www.mbda-systems.comabstand schafftsicherheitIhr Partner MBDAMETEORvon MBDANeue Generation eines europäischenLuft-Luft-Lenkflugkörpers mit bislangunerreichten Fähigkeiten.Unübertroffene Bekämpfungsreichweitendurch deutsche Spitzentechnologie.


<strong>Luftwaffe</strong>(Foto: Eurofighter)(Grafik: Diehl)Eine Kombination des Staustrahlantriebs des LFK Meteor mit einem Dual-/Tri-Mode-Suchkopf <strong>und</strong> einem entsprechenden Lenksystem für den Luft/Boden-Einsatz könnte zu einem zukunftsfähigen Konzept zur zeitkritischenBekämpfung von Zielen entwickelt werdenUnter der Bezeichnung PILUM wird die von DiehlBGT Defence entwickelte Gleitbombe HOSBO mitIR- <strong>und</strong> EO-Sensoren von Rafael ergänzt(Foto: MBDA)von knapp zehn Minuten eine Reichweitevon bis zu 110 km. Auf Gr<strong>und</strong> ihrer geringenBaugröße kann die SDB mittels einesVierfach-Lastenträgers (BRU-61/A) anden jeweiligen Pylonen am Luftfahrzeugangebracht werden. Da eine präzise Geolokalisierung– besonders bei beweglichenZielen wie z.B. Raketen-Startgeräten etc.– jedoch häufig nicht gewährleistet werdenkann, ist diese Auslegung der SDB zurSchließung der aufgeführten Fähigkeitslückenicht geeignet.Für eine zweite Ausbaustufe der SDB(Increment II) ist ein Tri-Mode-Suchkopf(Semi-active laser, Millimeter-Wellen Radar<strong>und</strong> Infrarot) für die Endphasenlenkungimplementiert. Dieser Suchkopf soll gewährleisten,dass auch Ziele in Bewegungbei nahezu allen Wetterbedingungen be-Steuerteil in Verbindung mit einem Scherenflügeleine hohe Agilität des Flugkörperssowie eine bedrohungsorientierte Planung<strong>und</strong> Programmierung des Anflugwegs, derAnflugrichtung <strong>und</strong> -höhe sowie des Auftreffwinkelsim Ziel.Die GPS/INS-gelenkte Version des GleitflugkörpersHOPE hat am 22. September2008 in einer Testkampagne des B<strong>und</strong>esamtesfür Wehrtechnik <strong>und</strong> Beschaffung(BWB) erstmals die volle Leistungsfähigkeitdemonstriert. Nach einem erfolgreichenGleitflug bewies der Flugkörper mit einemDirekttreffer gegen ein stationäres Bodenzielseine Präzision gegen diese Zielkategorie.Abgeworfen wurde der Gleitflugkörpervon einem Tornado der WehrtechnischenDienststelle 61.Für die weitere Analyse zur Schließungder oben beschriebenen Fähigkeitslückelohnt es insbesondere, die Version HOSBOnäher zu betrachten. Um diese Version jedochauch gegen Ziele in Bewegung bzw.gegen Ziele, deren Position für einen INS/GPS-Sensor nicht präzise genug ermitteltwerden kann, einsetzen zu können, mussdieser Effektor mit einer entsprechendenzusätzlichen Sensorik zur Endphasenlenkungausgestattet werden. Hierzu ist seitensDiehl BGT Defence eine Zusammenarbeitmit dem israelischen Unternehmen Rafaelangedacht, welche einen bereits im Einsatzerprobten Dual-Mode-Suchkopf mit einemabbildenden Infrarot- <strong>und</strong> einem abbildendenelektrooptischen Sensor (Imaging InfraredRadiometer, IIR/Charge Coupled Device,CCD) zur Verfügung stellen könnte, der ggf.mit einem Semi-active Laser (SAL) zu einemTri-Mode-Suchkopf erweitert werden kann.In dieser Kombination könnte dieser agileGleitflugkörper mit der BezeichnungPILUM (Precision Impact Low signatureUnpropelled Medium range), als flexiblerMehrzweck-Effektor für mehrere Zielkatekämpftwerden können. Belastbare Datenüber Aufwand <strong>und</strong> Kosten einer Integrationin die Trägerplattform liegen derzeitnoch nicht vor. Einige Partnernationen – allenvoran die USA – planen die Einführungdieser SDB II.Diehl BGT Defence verfolgt derzeit ein Familienkonzepteiner Gleitflugkörperfamilie„HOPE/HOSBO“ (Hochleistungs Penetrator/HochleistungsSpreng Bombe) miteinem modularen Aufbau. Durch diesenkönnen gleich bleibende Hauptkomponentenwie ein INS/GPS-gestütztes Lenk<strong>und</strong>Steuerteil, eine Adapter-Sektion mitdrehbarem Scherenflügel <strong>und</strong> die FrontSection für einen variablen Suchkopf inVerbindung mit verschiedenen Wirkkörperngenutzt werden. Bei relativ geringerRadarsignatur ermöglicht das Lenk- <strong>und</strong>Mit Tornados GR4/4A der RAF wurden bereits im Irak-Krieg (2008) die erstenDual Mode Brimstones gegen Bodenziele erfolgreich eingesetzt. Auch bei derBekämpfung libyscher Regierungstruppen bewährte sich diese Waffe durchZuverlässigkeit <strong>und</strong> Präzision42November 2011 · <strong>Strategie</strong> & <strong>Technik</strong>


Aus der <strong>Luftwaffe</strong>gorien bis zu mittleren Reichweiten eingesetztwerden.Wenn entsprechende Informationen zuden tatsächlichen Fähigkeiten der SDB IIals möglicher Effektor vorliegen, müssendiese zunächst bewertet werden. Möglicherweiseergeben sich Synergieeffektemit Partnernationen – wie gemeinsameIntegration an Trägerplattformen – die ineine Bewertung einfließen könnten.Die Vorteile beider Konzepte PILUM <strong>und</strong>SDB II sind das überschaubare Entwicklungsrisikodurch die Verwendung von bereitserprobten Komponenten, sowie derVerzicht auf einen Antrieb <strong>und</strong> die damiteinhergehende geringere Komplexität desGesamtsystems. Des Weiteren ändert sichdas Gesamtdesign eines Gleitflugkörpersbei unterschiedlich großen Wirkmassen (inbestimmten Grenzen) weniger, als bei einemangetriebenen Effektor.Nachteil ist jedoch die verhältnismäßig geringeGeschwindigkeit, die u. a. Einfluss aufdie Überlebens- <strong>und</strong> Durchsetzungsfähigkeithat <strong>und</strong> durch taktische Anflugmanöverdes Effektors nur zum Teil kompensiertwerden kann.Dem gegenüber steht die Möglichkeitder Beschaffung eines marktverfügbarenSystems wie z.B. des Systems Brimstoneoder der Entwicklung eines angetriebenenMehrzweck-Effektors für mittlere Reichweiten,der auf Gr<strong>und</strong> seiner Geschwindigkeit,kombiniert mit einer geringen Radarsignatur,eine hoch durchsetzungsfähige Optiondarstellen könnte. Erste Überlegungenhierfür wurden von MBDA vorgestellt. Beieinem solchen Konzept könnten beispielsweiseKomponenten aus der Entwicklungdes Luft/Luft-Lenkflugkörpers mR „Meteor“Verwendung finden. Eine Kombinationdes Staustrahlantriebs des LFK Meteor miteinem Dual- oder Tri-Mode-Suchkopf <strong>und</strong>einem entsprechenden Lenksystem für denLuft/Boden-Einsatz könnte ein zukunftsfähigesKonzept vor allem zur zeitkritischenBekämpfung von Zielen auch unter hoherBedrohung darstellen, wie z.B. mobile odernicht permanent strahlende LV-Stellungen.Hervorzuhebende Vorteile eines solchenKonzeptes sind zum einen die hohe Geschwindigkeit(Mach 3+), die sich mit einemStaustrahltriebwerk erreichen lässt<strong>und</strong> zum anderen die vergleichsweisegeringen Auswirkungen unterschiedlicherVerschusshöhen auf die Reichweitedes Effektors. Beide Kriterien wirken sichpositiv auf die Überlebens- <strong>und</strong> Durchsetzungsfähigkeitsowohl des Effektors selbstals auch auf die der Trägerplattform aus.Auch dieses Konzept würde zum Teil aufKomponenten zurückgreifen, die bereitserprobt sind oder sich in der Entwicklungbefinden.Nachteile eines solchen Konzepts sindjedoch seine Gesamtkomplexität sowiedie damit verb<strong>und</strong>enen Entwicklungsrisiken<strong>und</strong> Kosten. Darüber hinaus hat dieGröße der Wirkmasse erheblichen Einflussauf die Baugröße des Antriebs bzw. dieGeschwindigkeit <strong>und</strong> die Reichweite <strong>und</strong>wird daher sowohl aus operationeller wieauch aus wirtschaftlicher Sicht an Grenzenstoßen, welche die Eignung für einmöglichst breites Zielspektrum wiederumeinschränken dürfte.Zusammenfassung<strong>und</strong> AusblickDerzeit gibt es keinen marktverfügbarenEffektor, der das gesamte geforderte Zielspektrumauf mittlere Reichweite vollständigabdeckt. Ob es solch einen Effektor,der auch noch bezahlbar sein soll, in absehbarerZukunft geben wird, ist h.E. mehrals fraglich. Hier wird nun das Dilemmasichtbar: Ein einzelner Effektor kann nichtalle Forderungen abdecken. Bei mehrerenverschiedene Effektoren stellt sich die Frageder Gesamtkosten.Erschwerend zu den Beschaffungskostenkommen die explodierenden Integrationskostenhinzu, verursacht durch die steigendeKomplexität sowohl der Plattformen alsauch der Effektoren selbst. Diese Integrationskostenerhöhen den Druck, für Trägerplattformen,wie z.B. Eurofighter, gemeinsameLösungen für die Integration neuerEffektoren zu finden.Die Zeichen der Zeit sind also daraufgerichtet, mit möglichst wenigen unterschiedlichenEffektoren ein möglichst breitesZielspektrum abzudecken. Das heißtVerzicht auf spezialisierte Effektoren <strong>und</strong>Entwicklung hin zu einem Mehrzweck-Effektor. Das heißt aber auch Verzicht aufeine „Goldrandlösung“ <strong>und</strong> möglicherweiseBestrebung hin zu einer Kompromisslösung.Da es verschiedene Lösungsansätze in Abhängigkeitder Priorisierung der zukünftigangestrebten Fähigkeiten der Bw <strong>und</strong> derzukünftig zur Verfügung stehenden Plattformenzur Schließung der aufgezeigtenFähigkeitslücke gibt, ist weitere intensiveAnalysearbeit erforderlich, um die für die<strong>Luftwaffe</strong> optimale Lösung zu finden. DieseAnalysearbeit kann nur im Rahmen einerGesamtbetrachtung Plattform – Effektorunter Einbeziehung von Einsatzgr<strong>und</strong>sätzenim Verb<strong>und</strong> „Aufklärung – Führung –Wirkung <strong>und</strong> Unterstützung“ zielführendfortgesetzt werden.Alle Überlegungen müssen jedoch einemgemeinsamen Gr<strong>und</strong>satz folgen: Sie müssenbezahlbar bleiben. Denn nur was bezahlbarist, hat Aussicht auf Realisierung.LArbeitspferd TransallDer ersten an die <strong>Luftwaffe</strong> am 30. April1968 ausgelieferten Transall C-160D mitder heutigen Kennung 50+06 fiel mehrals 43 Jahre später die Ehre zu, mit derLandung auf dem Fliegerhorst des Lufttransportgeschwaders63 in Hohn am 4.Oktober 2011 die millionste Flugst<strong>und</strong>ezu absolvieren. Für die <strong>Luftwaffe</strong> Anlassgenug, um die Leistungen dieses Transportflugzeugs,das sich über Jahrzehntebei unterschiedlichsten Aufträgen als Arbeitspferdder B<strong>und</strong>eswehr bewährt hat,im Rahmen eines Appells entsprechendzu würdigen. In entsprechenden Redenu.a. durch den Inspekteur der <strong>Luftwaffe</strong>,Generalleutnant Aarne Kreuzinger-Janik,wurde an einige besondere Herausforderungenan Besatzungen <strong>und</strong> Transallerinnert. Dazu gehören die Erdbebenhilfein Italien oder der Türkei, die Hungerkatastrophenin Äthiopien, Sudan oderSomalia, die Luftbrücke von Sarajevo,Evakuierungsoperationen von deutschenStaatsbürgern aus Liberia oderzuletzt aus Libyen. Im laufenden Einsatzin Afghanistan deckt dieses Muster 50Prozent des von ISAF beauftragten innerafghanischenTransportbedarfs ab. Zusätzlichwerden alle deutschen Soldatenvon der Drehscheibe Termez, Usbekistan,über den Hindukusch zu ihren Bestimmungsflugplätzenin Mazar-e Sharifoder Kabul transportiert. Seit nunmehrzehn Jahren finden diese Flüge in einerfliegerisch nicht unproblematischen Regionohne Verlust an Personal oder Materialstatt. Die mit der Transall erbrachtenLeistungen lassen sich auch in Zahlendarstellen. Bis heute wurden 700.000Tonnen Ladung <strong>und</strong> etwa fünf MillionenPassagiere sicher an ihre Bestimmungsortegebracht. Dahinter stehen Besatzungsangehörigeim Cockpit, aber auchLadungsmeister <strong>und</strong> <strong>Technik</strong>er, die oftbei humanitären Einsätzen jenseits derZivilisation mangels Kommunikation andie Grenzen ihrer Kompetenzen gehenmussten. Diesen Soldaten, aber auchden zivilen Mitarbeitern <strong>und</strong> der Betreuungsindustriesprach der Inspekteur seinenbesonderen Dank aus. (ur)(Foto: PIZLw)<strong>Strategie</strong> & <strong>Technik</strong> · November 2011 43

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